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Kapitel 1 Besuch bei der Weidenhofbäuerin

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Bibi und Tina hatten sich schön warm eingepackt, denn obwohl die Sonne schien, war die Luft noch kalt. Schließlich war es erst Ende Februar. Soeben hatten sie den Falkensteiner Forst durchquert und zügelten ihre Pferde.

»Es ist herrlich, wieder hier zu sein!«, jubelte Bibi.

»Ich freue mich auch, dass du da bist«, sagte Tina. »In letzter Zeit war es echt stressig auf dem Hof, aber mit dir macht alles viel mehr Spaß.«

Bibi Blocksberg, die kleine Hexe aus Neustadt, war gestern Abend auf dem Martinshof angekommen, wo Tinas Bruder Holger seit einigen Tagen den Pferdestall renovierte. Viele Dachbalken waren alt und morsch und auch mehrere Boxen mussten instand gesetzt werden. Das bedeutete jede Menge Arbeit und Bibi würde natürlich mithelfen – selbst wenn sie diesmal nur drei Tage auf dem Martinshof verbrachte. Frau Martin hatte aber eingewilligt, dass Tina und sie heute erst einmal einen Ausritt machen durften. Gleich nach dem Frühstück waren sie aufgebrochen und zur Alten Mühle geritten. Danach hatten sie den Falkensteiner Forst Richtung Westen durchquert. Jetzt lag ein kleiner Hof vor ihnen, aus dessen Schornstein Rauch in den klaren blauen Himmel aufstieg.

»Die Weidenhofbäuerin ist zu Hause«, meinte Bibi. »Zu einer Tasse Tee würde ich jetzt nicht Nein sagen.« Trotz der Handschuhe kroch ihr die Kälte bis in die Fingerspitzen.

Die alte Kräuterfrau, die allein auf dem abgelegenen Weidenhof lebte, war eine gute Freundin der beiden Mädchen.

»Eigentlich wollten wir doch zu Alex«, erwiderte Tina.

Tina hatte ihren Freund Alexander von Falkenstein seit Tagen nicht gesehen, weil der mit einer Erkältung das Bett hatte hüten müssen. Um ihn vor künftigen Erkältungen zu schützen, hatte Tina ihm einen Schal gestrickt, der sich, hübsch verpackt, in ihrer Satteltasche befand. Tina war sehr gespannt, ob er Alex gefallen würde.

»Dein Alex wird dir schon nicht weglaufen«, lachte Bibi.

»Na gut, aber wir bleiben nicht lange, okay?«

»Okay! Wie wärʼs mit einem Wettreiten zum Hof?«, fragte Bibi.

»Klar, wenn du unbedingt verlieren willst«, bekam sie zur Antwort.

»Na, das werden wir gleich sehen! Los, Sabrina!«, rief Bibi.

»Hüa, Amadeus!«

Tinas Fuchs Amadeus und Bibis Schimmelstute Sabrina galoppierten über die Wiese, die sich zwischen dem Waldrand und dem Weidenhof erstreckte. Kalter Wind schlug Bibi ins Gesicht. Sie stellte sich in die Bügel und beugte sich weit nach vorne über Sabrinas Hals.

»Schneller, Sabrina!«

»Amadeus, lass dich nicht abhängen!«, feuerte Tina ihr Pferd an.

Kurz darauf parierte Bibi ihre Sabrina durch.

»Gut gemacht, meine Süße!« Triumphierend reckte sie die Faust in den Himmel: »Gewonnen!«

»Aber nur knapp«, lachte Tina und streichelte ihren Amadeus. »Nächstes Mal gewinnen wir.«

»In deinen Träumen vielleicht!«, rief Bibi übermütig.

Sie banden ihre Pferde am Zaun fest und Bibi öffnete das Gartentürchen, das windschief in den Angeln hing und ziemlich knarrte. Kurz darauf klopften sie an die Tür – eine Klingel gab es bei der Weidenhofbäuerin nicht. Aber niemand machte auf.

»Vielleicht ist sie hinten im Garten«, überlegte Tina.

Bibi war die Treppenstufen schon hinabgesprungen und ging voran.

Als sie um die Ecke bogen, blieben die beiden Mädchen wie angewurzelt stehen. Da war die Weidenhofbäuerin! Sie trug ein braunes Kopftuch und einen langen Wintermantel und schlurfte in Zeitlupe am hinteren Rand des Gartenzauns entlang. Dabei hielt sie einen seltsamen Stock in den ausgestreckten Händen, der die Form eines großen Ypsilons hatte. Sie hielt den Stock an den kurzen Enden; plötzlich blieb sie stehen. Die Astgabel bewegte sich in ihren Händen. Genauer gesagt tanzte das lange Ende auf und ab. Das sah wie ein Zauberkunststück aus, da die Weidenhofbäuerin ihre Hände und Arme dabei nicht bewegte.

Plötzlich drehte sie sich um. »Na, ihr beiden!«, rief sie. »Ich hab euch längst gehört, aber ich war beschäftigt.«

»Hallo, Weidenhofbäuerin!« Bibi und Tina kamen näher.

»Was machen Sie denn da?«, wollte Bibi wissen.

»Ich wünschle«, erwiderte die alte Frau. Tina machte ein sehr verwirrtes Gesicht.

»Kennt ihr das nicht?« Die Weidenhofbäuerin hob den seltsam geformten Holzstab. »Das ist eine Wünschelrute!«

»Davon hab ich schon mal gehört«, sagte Bibi.

»Damit kann man Sachen finden, oder?«

Die Bäuerin nickte. »Ich finde damit die besten Stellen für meine Heilkräuter. An ganz bestimmten Stellen wachsen sie nämlich besonders gut und haben viel mehr Heilwirkung.«

»Echt? Und wie funktioniert das genau?«, fragte Tina.

»Wie das genau funktioniert?« Die Alte kicherte.

»Keine Ahnung. Ich habe das von meinem Vater gelernt. Mit so einer Wünschelrute kann man auch unterirdische Wasseradern finden, und manche entdecken damit sogar Gold oder Silber. Aber ich fürchte, in meinem Garten sind keine Schätze vergraben.« Die Bäuerin zwinkerte ihnen zu.

»Aha!«, sagte Tina nur und warf Bibi einen kurzen Blick zu.

Bibi wusste genau, was ihre Freundin dachte: dass die Weidenhofbäuerin ziemlich seltsam sei. Bibi zuckte nur leicht mit den Achseln. Sie selbst fand die Weidenhofbäuerin eigentlich nicht besonders seltsam. Aber das lag sicher daran, dass sie eine Hexe war.

»Jedenfalls ist hier ein guter Platz für meine Heilkräuter«, unterbrach die alte Frau Bibis Gedanken.

»Bald wird es Zeit, sie einzupflanzen. Aber wie wärʼs jetzt erst mal mit einer Tasse Tee?«

»Gern«, sagte Bibi.

»Wir müssen aber bald weiter«, wandte Tina ein.

»Zum Schloss«, fügte Bibi hinzu. »Wir sind mit Alex verabredet.«

»Ja, genau!«, sagte Tina. »Er war erkältet, aber jetzt geht es ihm schon viel besser.«

»Ich will euch nicht lange aufhalten«, sagte die Alte. »Aber für ein Tässchen Tee ist immer Zeit.«

Mit flinken Schritten eilte sie voran. Kurz darauf traten sie in den kleinen Flur ihres Hauses, wo die Bäuerin die Wünschelrute an die Wand lehnte. In der Küche setzte sie Wasser auf und ging an einen Schrank mit zahllosen kleinen Schubladen. Eine davon öffnete sie, zog ein Leinensäckchen hervor und reichte es Tina.

»Damit soll dein Alex sich einen Tee machen«, sagte sie. »Dann ist er schnell wieder ganz gesund.«

»Danke, Weidenhofbäuerin.« Tina steckte das Säckchen in die Tasche. Kurz danach saßen die drei an dem alten Holztisch in der gemütlichen Küche und tranken Tee. Der schmeckte ziemlich bitter, aber zum Glück gab es selbst gebackene süße Plätzchen dazu. Anschließend begleitete die Bäuerin die beiden wieder hinaus zu ihren Pferden.

»Schön, dass ihr mich besucht habt«, sagte sie zum Abschied.

»Wir kommen bald wieder vorbei«, erwiderte Bibi und schwang sich in den Sattel. »Dann können Sie mir die Sache mit der Wünschelrute genauer erklären. Das finde ich sehr interessant.«

Auch Tina stieg auf. »Tschüss, Weidenhofbäuerin!«

Sie schnalzte mit der Zunge, und die Mädchen ritten weiter Richtung Norden, wo Schloss Falkenstein lag. Seltsamerweise fühlten sie sich jetzt herrlich warm und gestärkt. Ob das an dem bitteren Tee und den süßen Plätzchen der Weidenhofbäuerin lag?


Bibi & Tina - Der mysteriöse Fremde

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