Читать книгу Irmelie, die Kräuterhexe vom Wildsee - Stephane Rambicourt - Страница 5

Kapitel 2

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Am folgenden Morgen machte sich Irmelie auf den Weg in die Stadt. Sie hatte mit ihrem Ex-Chef vereinbart, ihn im Restaurant des Hotels Post zu treffen. Irmelie hoffte, dass auch ihre Freundin Karin, Ehefrau ihres Ex-Chefs, mit kommen würde, weil sie sich schon sehr lange nicht mehr gesehen hatten.

Aus diesem Grund zog sie sich adrett an, um sich nicht zu blamieren. Außerdem wollte sie heute, ausnahmsweise, mal wieder über den Sommerberg und die Bergbahn in die Stadt hinunter gehen. Irmelie fühlte sich sehr wohl und hüpfte zwischendurch wie ein kleines Kind auf ihrem Weg entlang und pfiff ein fröhliches Lied vor sich hin.

Als sie gegen 11 Uhr am Hotelrestaurant angekommen war, musste sie feststellen, dass ihre Freunde noch nicht da waren. Sie setzte sich an einen schönen Fensterplatz, mit Blick auf die Enz und schaute den Kanufahrern zu, die auf dem wilden Wasser flussabwärts fuhren. Bei der Bedienung hatte sie sich ein stilles Mineralwasser bestellt, das sie auch schnell erhielt.

Die Bedienung war kaum wieder weg, da hörte sie die sonore Stimme von Dr. Franz Steiner und auch die Stimme seiner Ehefrau und ihrer Freundin Karin. Freudig sprang sie auf und ging den beiden entgegen.

Nachdem sie sich herzlich mit Küsschen auf die Wangen begrüßt hatten, setzten sie sich an den Tisch, den Irmelie ausgesucht hatte.

„Jetzt erzähl mal“, lachte Franz Steiner, „von dir hört man ja tolle Dinge. Vor einiger Zeit hat Dr. Müller aus der Firma bei mir angerufen und erzählt, dass du gekündigt hast? Was ist denn passiert?“

„Ja, das stimmt. Ich hab gekündigt. Ich bin oder besser ich war total ausgebrannt und fertig. Jetzt wohne ich hier in Bad Wildbad und kann es mir richtig gut gehen lassen. Ich wandere viel, sehe viel und, und, und, und vor allem ich lebe jetzt wieder“, erklärte Irmelie freudig.

„Das sieht man dir an. Du siehst so richtig gut erholt und gesund aus. Ich glaub dir bekommt die Gegend hier?“ sagte Karin zu ihrer Freundin.

„Ja, da hast du recht und wie gesagt ich fühle mich hier richtig pudelwohl“, lachte Irmelie.

„Und trotzdem brauchst du, wie du mir am Telefon gesagt hast, meine Hilfe. Um was geht es denn? Finanziell dürfte es keine Probleme geben? Wir hatten ja deinen Arbeitsvertrag für dich und die Firma gut erstellt. Du hast deine Patente und die Firma darf produzieren. Also um was geht es? Schieß los. Ich bin total neugierig“, erklärte Franz Steiner ungeduldig.

„Nee, meine Lieben, wir haben uns so lange nicht gesehen. Mein Anliegen kann warten. Erzählt mal wie geht es euch in Luzern? Was machen eure Kinder? Hat Monika schon ihr Baby?“ fragte Irmelie ungeduldig.

„Meine liebe Erika“, sagte Karin zu Irmelie, „erst bestellen wir unser Essen, ich hab nämlich Hunger.“

„Na gut“, lachte Irmelie, die es lustig fand ihren eigentlichen Namen von Karin mal wieder zu hören.

Während alle drei ihre Speisekarte studierten fragte Karin: „Warum lachst du denn? Hab ich was Falsches gesagt?“

„Nein, es ist nur“, stotterte Irmelie, „na gut, also ich nenne mich hier in Bad Wildbad nicht Dr. Erika Lang, sondern schlicht und einfach Irmelie. Es wäre schön, wenn es euch nichts ausmacht, wenn ihr mich Irmelie nennen würdet. Den Namen hab ich mir schon als Kind immer gewünscht.“

„Na von mir aus. Hallo meine liebe Irmelie“, lächelte Karin verschmitzt.

„Ich weiß zwar nicht warum, aber wenn du es möchtest, von mir aus, Irmelie“, lachte jetzt auch Dr. Franz Steiner, „hat das sonst noch einen anderen Hintergrund, oder ist das nur wegen deinem Wunsch aus deiner Kindheit?“

„Okay, es gibt da noch einen kleinen Punkt. Die Frau unseres Bürgermeisters ist Apothekerin und sehr an der Homöopathie interessiert. Sie kennt offenbar alle meine Arbeiten und nun mal auch meinen richtigen Namen. Und die Frau geht mir total auf die Nerven“, erklärte Irmelie entschuldigend.

„Also Irmelie und Karin habt ihr euch schon für etwas Essbares entschieden?“ fragte Karl immer noch lachend.

Beide Freundinnen nickten und Karl rief die Bedienung. Sie bestellten ihr Essen und unterhielten sich über alles mögliche, von der Familie bis hin zur Luzerner Wohnung der Steiners. Nach dem Essen schlug Franz Steiner vor auf der Hotelterrasse noch einen Kaffee zu trinken.

„Du willst doch nur wieder die Luft mit deiner Zigarre verpesten. Aber von mir aus, gehen wir raus auf die Terrasse“, murrte Karin Steiner.

Als sie nun auf der Hotelterrasse Kaffe tranken, sagte Franz Steiner mit einem Lächeln: „Also Irmelie, wie kann ich dir helfen?“

„Zuerst müsst ihr mir versprechen, dass ihr das was ich euch erzählen werde, absolut vertraulich behandelt“, antwortete Irmelie.

„Ja, klar. Dein Geheimnis bleibt unter uns“, erwiderten Franz und Karin Steiner gleichzeitig.

„Ich habe geerbt“, sagte Irmelie trocken.

„Das ist doch schön, was hast du denn geerbt?“ fragte Franz Steiner.

„Laut einer Schenkungsurkunde aus dem 14. Jahrhundert, genau 1367, hat Graf Eberhard II von Württemberg meiner Urahnin Urmelda, einer Kräuterfrau, den gesamten Kaltenbronn geschenkt. Der Grund der Schenkung waren die Rettung vor den Martinsvögeln und die Heilung seiner schweren Verwundungen. Ich habe das Original der Schenkungsurkunde und eine lückenlose Reihe der Original Testamente beginnend von Urmelda bis zu Katharina Lang, meiner Ururgrossmutter, die mich bereits als Alleinerbin in dem Testament vermerkt hat. Ich möchte nun diese Testamente einlösen und den Kaltenbronn in meinen Besitz nehmen“, flüsterte Irmelie leise ihren Freunden zu.

„Oha, das ist starker Tobak“, sagte Franz Steiner.

„Ist doch ganz klar, du brauchst einen guten Rechtsanwalt der deine Rechte vertritt“, sagte Irmelies Freundin Karin, „Franz du kennst doch bestimmt einen Anwalt der das durchziehen kann?“

„Ich denk mal, der Anwalt ist nicht das Problem. Wem gehört der Grund denn jetzt? Hast du eine Ahnung?“ fragte Franz.

„Der Kaltenbronn gehört dem Land Baden-Württemberg. Ich möchte auch nicht unbedingt den ganzen Kaltenbronn haben, sondern nur den Bannwald und das Hochmoor“, erwidert Irmelie.

„Das ist bestimmt Verhandlungssache. Ich werd mir mal überlegen, welcher Rechtsanwalt dafür geeignet ist und nicht gleich einen Medienrummel veranstaltet. Wie bist du denn an diese Urkunden gekommen?“ wollte nun Franz Steiner wissen.

„Die hab ich hier gefunden, Mit Briefen, Gold und Schmuck aus den letzten Jahrhunderten und vor allem noch mit einem Foto von mir, eigentlich meiner Großmutter, aber die sah genau so aus wie ich“, sagte Irmelie.

„Gut wir gehen das Ganze gemeinsam an. Ich gebe dir bis in einer Woche Bescheid, welcher Anwalt okay ist und die Sache übernimmt. Jetzt muss ich aber mal für kleine Jungs“, erklärte Dr. Franz Steiner.

Während Franz langsam wieder in das Hotelrestaurant ging, sah ihm seine Ehefrau besorgt nach.

„Ist was mit Franz?“ fragte Irmelie besorgt.

„Das wissen wir noch nicht, aber die Ärzte haben wohl bei seinem letzten Checkup was gefunden, das gar nicht gut ist“, erwiderte Karin besorgt.

„Kopf hoch Karin. Es ist bestimmt nicht so schlimm“, entgegnete Irmelie besorgt.

„Klar, mach ich“, sagte Karin traurig.

Plötzlich hörte Irmelie die Stimme ihrer Ururgrossmutter Katharina: „Er ist schwer krank, aber du kannst ihm helfen, wahrscheinlich nur du alleine.“

„Ja?“ sagte sie laut fragend.

„Was meinst du?“ fragte Karin nachdenklich.

„Hör zu Karin. Wenn es doch etwas Schlimmeres sein sollte, kommt ihr her zu mir und ich bin mir sicher, dass ich Franz helfen kann. Aber ihr müsst mir vertrauen und dürft nicht nachfragen. Verstanden?“ sagte Irmelie in einem sehr bestimmenden Ton, den Karin von ihrer Freundin nicht kannte.

„Was willst du gegen Krebs ausrichten“, erwiderte Karin mit Tränen in den Augen.

„Ich hab dir gesagt, ich kann helfen, wenn ihr Vertrauen habt und ich werde helfen und nicht zulassen, dass einem von euch beiden etwas Schlimmes widerfährt“, sagte Irmelie in einer Klarheit, die Karin beruhigte.

„Du hältst mich auf dem Laufenden“, schob Irmelie nach.

Karin nickte nur, nahm Irmelies Hand und hielt sie ganz fest.

Karin bemerkte erst nicht, dass von Irmelies Hand eine Ausstrahlung auf sie über ging und innerlich beruhigte. Als sie es merkte, nickte sie nochmals.

In der Zwischenzeit kam Franz zurück. „Was halten die Damen von einem kleinen Schaufensterbummel oder einem Spaziergang durch den berühmten Kurpark?“ fragte er lachend.

„Also ich würde den Kurpark vorziehen, und du Irmelie“, meinte Karin Steiner.

„Ich bin ganz deiner Meinung Karin, Kurpark“, lächelte Irmelie.

„Na dann los in den Kurpark meine Damen“, lachte Franz Steiner.

Nachdem Irmelie die Rechnung gegen den Willen von Franz beglichen hatte, gingen sie in den Wildbader Kurpark.

Dort sahen sie viele Pflanzen die vorallem Irmelie und Karin faszinierten. Franz war von den uralten Mammutbäumen angetan, „die sind bestimmt so alt wie deine Schenkungsurkunde“, lachte Franz.

„Dann frag ihn doch wie alt er ist“, frozelte Irmelie.

Sie gingen weiter, unterhielten sich und lachten miteinander, bis Franz meinte den Rückweg anzutreten zu wollen, weil sie ja noch zurück nach Luzern fahren mussten.

Auf dem Rückweg erzählte Irmelie, dass sie Samen, Wurzeln und Blüten von längst untergegangen Pflanzen hat und die jetzt kultivieren bzw. aus den Blüten DNA extrahieren möchte und diese dann bei Erfolg wieder aussähen wird. Franz fand die Idee sehr spannend, fragte aber nicht genauer nach sondern hing eher seinen Gedanken nach.

Als Irmelie sich von ihren Freunden verabschiedet hatte, machte sie sich auf den Heimweg. Sie wollte zunächst in ihre Wohnung in Sprollenhaus um nach dem Rechten zu sehen und dann wieder in ihre Hütte gehen. Heute leistete sie sich eine Busfahrt nach Sprollenhaus. In ihrer Wohnung angekommen leerte sie den Briefkasten, in dem neben einer Unmenge von Werbung ein Brief von der Stadt Bad Wildbad und ein Brief von der Frau des Bürgermeisters waren. Das Ordnungsamt der Stadt Bad Wildbad hatte ihr einen Stand auf dem Wochenmarkt reserviert und die Frau des Bürgermeisters hatte lud sie ein einen Vortrag zur Homöopathie vor der Apothekenkammer zu halten; dazu hatte sie aber absolut keine Lust und das würde sie ihr auch sagen.

Aufmerksam schaute sie sich ihre Wohnung und vor allem das kleine Labor an. Anschließend machte sie sich auf den Weg zu ihrer Hütte. Während sie ging, dachte sie über ihre Freunde und vor allem über Franz Steiner nach. Wie sollte sie ihm helfen können, wenn er Krebs hat? Katharina, ihre Ururgrossmutter hatte sie wissen lassen, dass sie helfen kann aber nicht wie.

„Das weißt du doch, Irmelie“, hörte sie plötzlich wieder Katharina sagen, „du hast in der Kiste Samen und eine Wurzel gefunden mit der du deinem Freund helfen kannst. Du musst nur aus den Pflanzen den Saft extrahieren. Dann gibst du deinem Freund 10 Tropfen davon und er wird schnell wieder gesund. Versprochen.“

Ja das würde sie morgen sofort in Angriff nehmen und auch die Samen kultivieren und die DNA der Blüten und der Wurzel extrahieren und anschließend kultivieren. Diese Tätigkeit hatte jetzt absolute Priorität.

„Ich werde morgen, wenn ich einkaufen gehe, meinen Bekannten vom DNA-Institut „Save the Soul“ anrufen und ihn bitten, mir einen Platz im Institut für 2 oder 3 Stunden zur Verfügung zu stellen, das müsste reichen“, murmelte sie und ging schneller in Richtung ihrer Hütte. Da es bereits dunkel geworden war, brauchte sie keine große Sorge zu haben entdeckt zu werden.

Bevor sie ihre Hütte erreichte, blieb sie auf einmal wie angewurzelt stehen. Vor ihr standen eine ganze Wildschweinfamilie, Eber und Sau, sowie drei kleine Frischlinge. Plötzlich hörte sie den Wildschweineber sagen: „Irmelie, du brauchst doch keine Angst vor uns zu haben. Wir sind wie die anderen Tiere deine Freunde.“

„Danke, aber ich hatte mich nur etwas erschrocken. Entschuldigt bitte meine Ungeschicktheit“, sagte Irmelie.

„Kein Problem, sollen wir dich bis zu deiner Hütte begleiten?“ fragte der Wildschweineber.

„Ja gerne. Ich werde heute auch wieder zu Hubertus an den Wildsee gehen. Kennt ihr Hubertus?“ erwiderte Irmelie.

„Natürlich, wer kennt ihn nicht. Er ist der gute Geist des ganzen Kaltenbronns. Ich heiße übrigens Toni, das ist meine Frau Bärbel und das sind unsere Kinder Marie und Anton“, erklärte ihr Toni.

Während sie den Weg zur Hütte gingen, erzählten Toni und Bärbel, dass sie eine sonderbare Wurzel gefunden haben und sie vereinbarten am nächsten Tag Irmelie zu der Wurzel zu führen.

Irmelie musste lächeln. „Wer hätte das jemals gedacht, dass ich mich mit Wildschweinen unterhalte und die mich auch noch nach Hause begleiten. Schon ein wenig verrückt das Ganze“, dachte sie für sich.

„Wir müssen jetzt schnell wieder in den Wald. Heute sind wieder mal Jäger unterwegs und da könnte es gefährlich werden“, verabschiedeten sich Toni und seine Familie von Irmelie.

Sie zog sich rasch wieder um. In den Kleidern die sie heute an hatte fühlte sie sich nicht mehr wohl, ihre weiten Kleider waren da viel besser.

Kurz vor Mitternacht ging Irmelie zum Wildsee um sich mit Hubertus zu unterhalten.

Auf dem Weg hörte sie weit entfernt das Knallen eines Gewehres. Sie dachte sich aber nichts dabei.

Pünktlich um Mitternacht erschien Hubertus und er hatte Urmelda und Katharina mit dabei.

Während Hubertus und Irmelie sich über den Tag mit ihren Freunden unterhalten hatte, fragte Urmelda nach ihrem Freund Franz Steiner.

„Du hast die beiden sehr gerne?“ fragte Urmelda.

„Ja das hab ich. Franz war mein erster Chef und Karin kenne ich auch schon fast 30 Jahre. Sie sind meine einzigen guten Freunde. Deshalb ist es schwer für mich zu hören, dass es Franz nicht gut geht“, antwortete Irmelie.

„Aber Katharina hat dir doch gesagt, dass du helfen kannst. Auch wenn die Krankheit noch so schlimm ist“, erklärte Urmelda bestimmt.

„Ja, aber wie soll so etwas gehen? Die Medizin heute ist so weit, wie soll ich da helfen können? Mit einem Wurzelextrakt? Und das von einer Wurzel die schon mindestens 100 Jahre alt ist? Das kann doch eigentlich nicht funktionieren“, entgegnete Irmelie.

„Die Wurzel ist schon sehr alt, aber sie hat von ihrer Kraft nichts eingebüßt. Außerdem hat Toni dir doch von einer Wurzel erzählt, die er gefunden hat. Dort wächst auch eine Pflanze, deren Samen du in der Kiste gefunden hast, sie heißt Silphium. Du kannst diese Wurzel ausgraben, aber bedenke, sie muss, bevor du sie anwenden kannst, gut abgelagert sein, sonst ist der Extrakt zu stark“, erklärte Urmelda, du hast die Möglichkeit die Wirkstoffe mit der neuen Technik zu vergleichen. Tu das und du wirst sehen, dass ich Recht habe.“

„Ich denke das Kind weiß, wie sie zu verfahren hat. Sie muss ihre Erfahrungen sammeln, wie wir anderen auch“, mischte sich nun Katharina in das Gespräch ein.

„Ich weiß Katharina. Aber ich denke das Kind dürfte gerne mehr nachfragen und vor allem endlich beginnen den Samen zu kultivieren“, murrte Urmelda.

„Meine Damen, Irmelie hat so viel zu tun und zu verarbeiten. Sie kann noch nicht soweit sein wie ihr beiden. Lasst ihr die Zeit die sie braucht. Wichtig ist dass sie den Kaltenbronn in ihren Besitz bekommt, damit die Natur bleibt wie sie ist und sich weiter erholen kann. Außerdem müssen wir jetzt wieder gehen. Irmelie, geh deinen Weg. Er ist richtig. Bis morgen“, erklärte Hubertus und schnell lösten sich die Nebelschwaden über dem See auf und die Drei waren weg.

Irmelie blieb noch eine Weile am Wildsee stehen und ging langsam zurück zum Bohlensteg. Dort setzte sie sich an den Rand, schaute hinaus auf den See und hing ihren Gedanken nach. Nach einigen Minuten hörte sie ein Rauschen in der Luft und blickte sich um. Auf einem Pfosten des Bohlenweges saß Rudolf, der Uhu.

„Geh nach Hause Irmelie. Hier werden bald Menschen mit Gewehren auftauchen. Da ist es besser nicht in der Nähe zu sein“, empfahl ihr Rudolf. „wir sehen uns morgen. Ich komme zu dir, mit Toni wenn es in Ordnung ist.“

„Ja, gerne, kommt nur, ich erwarte euch“, antwortete sie müde, stand auf und ging zu ihrer Hütte.

Dort angekommen legte sie sich gleich ins Bett und fiel in einen schnellen tiefen Schlaf.

Als sie erwachte schien bereits die Sonne und Rudolf und Toni mit seiner Familie warteten geduldig auf Irmelies erscheinen. Selbst die Frischlinge Marie und Anton warteten geduldig im Gras liegend.

Verschlafen kam Irmelie aus ihrer Hütte und ging, ohne dass sie die Tiere bemerkte zu ihrer Quelle und machte ihre Morgentoilette, wie jeden morgen. Als sie sich aufrichtete und noch mal kräftig streckte, bemerkte sie Rudolf, Toni, Bärbel, Anton und Marie.

„Oh ihr seid schon da? Ich bin gleich soweit, muss nur noch schnell einen Schluck Kaffee trinken, der ist gleich fertig“, entschuldigte sie sich bei ihren Freunden.

„Lass dir nur Zeit Irmelie“, sagte Rudolf.

Sie beeilte sich trotzdem und nach wenigen Minuten war sie bereit mit ihren Freunden loszuziehen.

„Wo geht es denn heute hin?“ fragte sie und entfaltete ihre topografische Karte.

„Wir werden ungefähr eine Stunde lang Richtung Nordwest gehen. Die Stelle mit den Heilpflanzen die ich dir zeigen soll, ist in unmittelbarer Nähe der Wurzel, die Toni gefunden hat“, referierte Rudolf

Irmelie blickte kurz auf ihre Karte und schätzte den ungefähren Standort der Pflanzen ab.

„Also, dann los“, sagte Irmelie.

Sie wanderten durch das dichte Unterholz des Bannwaldes und erreichten nach knapp einer Stunde die Stelle mit den Heilpflanzen.

Irmelie staunte sehr über das was sich vor ihr ausbreitete. Hier waren die Blüten der Pflanzen, die sie getrocknet in der Kiste gefunden hatte. In ihren Büchern hatte sie die Pflanze bestimmen können. Es handelte sich um Heilkräuter, die bereits im frühen Mittelalter ausgestorben sind und Silphium oder Laserpitium hießen. Die alten Philosophen hatten über die Wirkung berichtet, dass Menschen in sehr kurzer Zeit gesund wurden oder in sehr seltenen Fällen gestorben sind. Eine Pflanze die seit mehreren Jahrhunderten als ausgestorben gilt, wächst hier im Bannwald. Um sicher zu gehen pflückte sie einige Blüten vorsichtig ab und legte sie in ihren Reisigkorb. Sie schüttelte verwundert den Kopf und fragte sich wie das denn sein kann.

„Gut, Toni, wo finde ich nun die Wurzel die du gefunden hast?“ fragte Irmelie freundlich.

Toni und seine Familie wollten gerade durch das Pflanzenfeld gehen, das sie gerade gefunden hatten, als Irmelie erschreckt aufschrie.

„Halt, nicht durch die Pflanzen gehen, bitte außen herum. Bitte, Bitte“, rief sie aufgeregt.

„Schon gut, kommt wir gehen außen herum. Gleich dahinten hab ich sie gefunden“, erwiderte Toni, der jetzt sehr vorsichtig vorwärts ging.

Zwei Minuten später waren sie an der Stelle und Toni fuhr mit seinen Keilern sanft durch den Waldboden und legte eine Wurzel frei.

„Hier ist die Wurzel. Ich glaube Urmelda kennt die Stelle auch“, flüsterte Toni vorsichtig.

Irmelie ging in die Knie und suchte den Anfang der Wurzel. Diese war bestimmt 10 Meter lang. Um die Wurzel nicht zu beschädigen schnitt sie 5 Seitentriebe ab, roch daran und legte sie vorsichtig in ihren Korb.

Toni vergrub die Wurzel mit seinen Keilern wieder und sie machten sich auf den Rückweg zur Hütte.

Als sie angekommen waren, bedankte sich Irmelie bei allen einzeln, umarmte sie innig und verabschiedete sich von ihren neuen Freunden.

Nachdem sie noch mal kurz in ihrer Hütte war, machte sie sich sofort auf den Weg zu ihrer Wohnung in Sprollenhaus. Hier hatte sie die notwendigen Geräte und auch die richtige Literatur um eine Bestimmung der Pflanzen vornehmen zu können. Dort angekommen machte sie sich sofort an die Arbeit und holte mehrere dicke alte Fachbücher aus dem Regal, legte eine Blüte unter ihr Mikroskop und eine Blüte unter ihre Lichtlupe, dann suchte sie nach Silphium und Laserpitium. Sie fand nur sehr alte Zeichnungen der Pflanzen, war sich aber sicher ihre Funde als Silphium bzw. Laserpitium identifizieren zu können.

Als nächstes hackte sie die Blüten klein, und gab sie in ihre Zentrifuge, gab Ethanol dazu um den Pflanzensaft zu extrahieren. Nach 5 Minuten zentrifugieren hatte sie den Pflanzenextrakt und füllte ihn mit einer Spritze in eine Ampulle. Um den Extrakt vor Sonnenlicht zu schützen wickelte sie die Ampulle in Alufolie ein und legte ihn in ihren Kühlschrank. Ebenso wie mit den Blüten verfuhr sie auch mit der Wurzel. Nach Ihren Büchern war sie sich fast zu 100% sicher, dass es sich bei der Wurzel um Madigaris handeln musste. Die Pflanze war ebenfalls schon seit vielen 100 Jahren ausgestorben. Sie zentrifugierte eine Probe und füllte auch diesen Extrakt in eine Ampulle, ein Alupapier außen herum und ab in den Kühlschrank. Ebenso verfuhr sie mit der alten Wurzel aus der Kiste. Sie fragte sich jetzt, wie es sein konnte, dass die Pflanzen bisher noch niemand entdeckt hatte.

„Egal, jetzt ist es wichtig die einzelnen Bestandteile des Extraktes zu bestimmen. Ich muss telefonieren“, sprach Irmelie mit sich selbst. Sie nahm nun auch die Überreste der zentrifugierten Pflanzen, legte sie in ihren Kühlschrank und ging 3 Straßen weiter zur Telefonzelle.

Irmelie rief nun ihren Bekannten in Karlsruhe an und bat ihn ihr doch einen Laborplatz nach dem Feierabend seiner Mitarbeiter für ein oder zwei Stunden zur Verfügung zu stellen. Als Erklärung für ihren Wunsch sagte sie, dass sie die Bestandteile von Pflanzen für sich privat analysieren wollte. Ihr Bekannter vereinbarte für Freitagnachmittag einen Termin mit ihr und meinte, dass er ihr gerne behilflich sein würde, weil er neue Maschinen bekommen hat, die alles bis in den Nano-Bereich messen können.

Da Mittwoch war, hatte sie Zeit eine Kühltasche und Kühlakkus zu kaufen und vielleicht würde sie beim Einkaufen auch die Frau des Bürgermeisters treffen, damit sie ihr gleich absagen konnte. Irmelie nahm ihren Einkaufskorb und machte sich auf den Weg zum Supermarkt. Sie ging gerade in den Supermarkt hinein, als sie schon die Stimme der Ehefrau des Bürgermeisters hörte. „Hallo Frau Dr. Lang, haben sie meinen Brief bekommen? Ich denke das wäre eine sehr gute Sache. Was meinen sie?“ fragte die Frau des Bürgermeisters.

„Oh, schön dass ich sie sehe. Aber ich muss leider absagen. Ich habe soviel zu tun und wollte doch eigentlich hier in Wildbad zur Ruhe kommen“, antwortete Irmelie ruhig.

„Sind sie wieder an einer neuen Salbe? Oder an einer neuen Kosmetikserie? Ich würde gerne mehr wissen“, bohrte die aufgedrehte Frau bei Irmelie nach.

„Nein, einer meiner besten Freunde ist krank und braucht meine Hilfe“, erwiderte Irmelie.

„Ach so, vielleicht ergibt sich irgendwann mal eine Möglichkeit. Ich wäre sehr gerne ihre Schülerin. Vielleicht melden sie sich mal oder wir sehen uns hier im Supermarkt“, sagte die Frau enttäuscht und verließ das Geschäft. Irmelie erledigte ihre Einkäufe und fand die gewünschte Kühltasche mit den passenden Akkus. Als nächstes ließ sie an der Tankstelle und Autovermietung, die sich neben dem Supermarkt befand, für Freitag ein Auto reservieren. Anschließend machte sie sich wieder auf den Heimweg zu ihrer Hütte.

In ihrer Hütte blätterte sie in Urmeldas Kräuterhexenbuch und suchte explizit nach Silphium bzw. Laserpitium und Madigaris. Sie fand tatsächlich Rezepturen und Heilanzeigen der Pflanzen. Sie musste allerdings in ihrem Kopf die Krankheitsbezeichnungen von damals in die heutige Zeit transformieren. Jetzt hatte sie alles bei einander. Die notwendigen Zutaten für die Rezepturen konnte sie leicht in Karlsruhe in einer guten Apotheke einkaufen. Nur mit dem dazugehörigen Zauberspruch hatte sie noch so ihre Probleme, wollte ihn aber trotzdem anwenden um Franz zu helfen.

Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, an dem sie sich sicher war Franz helfen zu können. Sie würde am Freitag, wenn sie nach Karlsruhe fahren würde, vorher noch mit Franz und Karin telefonieren und vor allem Karin nach dem Befinden und den Diagnosen von Franz ausfragen. Irmelie kannte eigentlich bereits die Diagnose, wollte aber sicher gehen.

Die restliche Zeit des Tages legte sie sich in ihre Hängematte und hing ihren Gedanken nach. Plötzlich hörte sie wieder eine innere Stimme: „Das hast du sehr, sehr gut gemacht mein Kind“, hörte sie Urmelda zu ihr sagen, „verzeih wenn ich zuletzt ein wenig heftig war, aber ich weiß leider, dass dein Freund nicht mehr lange leben wird. Hol ihn zu dir in die Hütte und du wirst sehen in weniger als einer Woche ist er wieder völlig gesund und jetzt ruhe dich aus. Das hast du dir heute verdient.“

Das waren die ersten lieben und freundlichen Worte, die sie von Urmelda gehört hatte. Ja, sie hatte heute alles richtig gemacht. Um Mitternacht ging sie wieder zu Hubertus, der ihr sagte, dass er jetzt für ein paar Tage nicht mehr zu sehen sein würde, aber immer eng mit ihr verbunden sein wird. Irmelie fühlte in sich eine Zufriedenheit aufkommen und ging beschwingt in ihre Hütte. Unterwegs hatte sie Jäger bemerkt, die wohl auf der Jagd waren. Sie versteckte sich, bis die Männer weg waren und ging dann endgültig nach Hause. In der Nacht hörte sie keine Schüsse mehr, was sie sehr froh machte. Sie legte sich gleich in ihr Bett und schlief auch sofort ein.

Irmelie, die Kräuterhexe vom Wildsee

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