Читать книгу Barbara - Stephane Rambicourt - Страница 6

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Die folgende Nacht und der Morgen vergingen ohne besondere Vorkommnisse. Für den Tag hatte sich der Pfarrer aus Volmunster, Hochwürden Maginot, angesagt.

Johanna, die älteste Tochter der Müllerfamilie hatte für diesen Anlass bereits das traditionelle Madeleine-Gebäck gebacken und aus dem Ofen genommen. Die Schwestern, Catharina und Margaretha deckten in der Zwischenzeit den Tisch ein. Anna, die zweitälteste Schwester, bereitete während dessen den dampfend heißen Kräutertee zu. Die Mädchen durften heute, zu Ehren des hohen Gastes, das besondere Geschirr aus Soufflenheim, welches Anna Catharina von ihrer Mutter als Aussteuer bekommen hatte und nur zu besonderen Anlässen aufgelegt wurde, eindecken. Mit großer Andacht, damit nichts zu Bruch geht, nahmen die Mädchen jeden Teller einzeln in die Hand und deckten bedächtig den Tisch.

„Hanna, bekommen wir Kinder auch von den Madeleines oder sind die alle für den Pfarrer?“ fragte der kleine Blondschopf Anna Catharina.

„Ich denke schon, dass noch welche übrig bleiben werden und die Mirabellencreme zum Eintauchen reicht auch noch für uns alle“, erklärte Johanna ihren kleinen Geschwistern. Insgeheim freute sie sich, dass die Madeleines, ihre Madeleines, den Kindern so gut schmeckten und das machte sie sehr stolz.

Zwischenzeitlich kam auch Anna Catharina zu ihren Kindern und bedankte sich für den schön gedeckten Tisch.

„Weiß jemand von euch, wo Barbara ist?“ fragte die Müllerin.

„Ja, die ist unten beim Fluss und macht so komische Dinge“, antwortete die kleinste Tochter Anna Maria.

„Was für komische Dinge denn?“ wollte Anna Catharina nun wissen.

„Erst ist sie auf dem Boden gekniet und hat den Kopf mit den Ohren auf den Boden gedrückt, anschließend mit der anderen Seite. Vielleicht will sie hören wie die Blumen und das Gras wachsen. Ich weiss es nicht“, erklärte die kleinste betrübt.

„Anna kannst du sie bitte herholen und gleich sehen ob sie sauber angezogen ist oder ob sie zuviel Erde abbekommen hat und dann vor allem die Hände waschen? Danke meine Kind“, bat die Mutter ihre zweitälteste Tochter und reckte schnuppernd die Nase, „mmh Johanna wundervoll. Deine Madeleines duften himmlisch. Der Pfarrer wird begeistert sein und dein Kräutertee, wundervoll. Danke Kinder noch einmal. Wenn der Pfarrer kommt lasst ihr uns bitte alleine. Es gibt sehr wichtige Dinge zu besprechen mit eurem Vater, Babette, mir und dem Pfarrer. Und gelauscht wird bitte nicht. Euer Vater und ich werden euch später das sagen, was für euch wichtig ist. Und es wird das getan was Johanna sagt. Verstanden?“

Wenig später kam Anna mit Barbara in der Wohnküche an.

„Kinder jetzt lasst mich bitte mit Barbara alleine und du Johanna achtest bitte auf die Kleinen“, bestimmte die Müllerin.

Als beide alleine waren, erklärte Anna Catharina ihrer Tochter: „Hör bitte sehr gut zu Babette, der Pfarrer wird gleich hier sein. Du sagst bitte nichts, außer der höflichen Begrüßung des Geistlichen. Alles andere werden dein Vater und ich mit Hochwürden Maginot klären. Erst wenn dein Vater oder ich sagen, dass du von deinem Traum erzählen sollst, erzählst du nur das was du uns erzählt hast. Hast du das verstanden?“

„Ja Mutsch. Ich verspreche, ich werde nichts sagen, wenn der hier ist“, beteuerte Barbara, als auch der Vater Nicolaus die Küche betrat.

„Cathi, ich hab den Pfarrer schon von weitem gesehen. Er wird gleich hier sein“, sagte der Müller und es war ihm anzumerken, dass er sich überhaupt nicht wohl fühlte in seiner Haut.

„Wir machen alles wie besprochen Nic. Und keine Kompromisse in irgendeine Richtung“, versuchte Anna Catharina sich nochmals den eisernen Standpunkt festzuzurren.

Nicolaus Lux nickte, als auch schon Hochwürden Maginot von Johanna in die Wohnküche geführt wurde.

„Gelobt sei Jesus Christus“, grüßte Pfarrer Maginot freundlich.

„In Ewigkeit, Amen. Hochwürden, nehmen sie doch bitte Platz“, sagte Nicolaus Lux der Müller.

Pfarrer Maginot, Nicolaus und Barbara setzten sich an den großen Tisch, während Anna Catharina umsichtig die Tassen mit dampfend heißem Kräutertee füllte und die Madeleines, welche Johanna besonders schön auf einer Platte drapiert hatte auf den Tisch stellte.

„Na du kleiner Wildfang“, sprach Hochwürden Maginot die kleine Barbara an, „wie ich dich kenne hast du die Kräuter für den wundervoll duftenden Tee gesammelt und deine Mutter hat bestimmt die Zusammenstellung vorgenommen?“

„Wir haben die Kräuter gemeinsam gesammelt Hochwürden“, erklärte Anna Catharina sachlich, „ich hoffe er trifft ihren Geschmack.“

„Bestimmt, Müllerin, wenn er so schmeckt wie er duftet“, versuchte der Pfarrer liebenswürdig zu sein, ließ aber den restlichen Satz unausgesprochen. Eine undefinierbare Spannung breitete sich im Raum aus. Allen Anwesenden schien die Situation unangenehm zu sein.

„Hochwürden, es hat ja einen Grund weshalb sie heute zu uns herausgekommen sind“, brach die Müllerin couragiert die Spannung im Raum, „was möchten sie mit uns und mit Babette besprechen?“

Dem Pfarrer war die Angelegenheit, das konnte man sehen unangenehm und auch das sehr selbstbewusste Auftreten der Müllerin verunsicherte ihn noch mehr.

„Also ihr Müllerin habt mir gestern erzählt“, versuchte der Pfarrer sich zu beruhigen, allerdings hatte Anna Catharina sich vorgenommen um alles zu kämpfen was sie hatte und unterbrach ihn:

„Was ich euch erzählt habe, weiß ich, das brauchen wir nicht noch einmal zu wiederholen. Ich habe aber zu dem von gestern noch einige Dinge hinzuzufügen. Bevor wir, genauer bevor unsere Barbara auch nur einen Ton sagen wird, gibt es einige Dinge, die für uns grundsätzlich gelten!“

„Hochwürden, meine Frau, meine Tochter und ich haben Punkte, die bevor auch nur ein Wort unserer Tochter aus deren Mund kommt, durch den Erzbischof schriftlich fixiert und zugesagt werden“, erklärte nun Müller Nicolaus Lux mit ungewohnt fester Stimme.

„Welche Bedingungen wären das denn?“ fragte Hochwürden Maginot etwas eingeschüchtert. Mit einem derart selbstbewussten Auftreten der Müllersfamilie hatte er nicht gerechnet.

„Wir verlangen vom Bischof folgende schriftliche Festlegung, und denken Sie daran, ich durfte die Klosterschule besuchen und kann Lesen, schreiben und auch Latein, also ist folgendes zu fixieren.

Primis. Unsere Familie, das sind alle Kinder, künftige Ehegatten, Enkel und mein Mann und ich werden zu keiner Zeit inquisitorisch oder in sonst einer Art verfolgt werden. Secundo. Unsere Barbara wird immer frei wählen können wo sie sein möchte und ob und wen sie heiraten möchte. Tertius. Unsere Barbara wird in kein Kloster eintreten. Quartus. Sollte unsere Barbara verreisen müssen wird sie grundsätzlich von meinem Ehemann oder mir oder beiden begleitet. Quintus. Unsere Barbara wird ihre Tätigkeit selbst auswählen und dabei spielt es keine Rolle, ob sie Geburtshelferin, Kräuterfrau oder sonst etwas machen möchte. Postremo sextus. Diese Festlegung gilt für immer und kann von niemandem zurückgenommen werden“, diktierte die Müllerin dem ihr gegenüber sitzenden Pfarrer und überreichte ihm im Anschluss die Forderungen in schriftlicher Form.

„Müllerin ihr seid sehr streng mit mir, aber gut. Ich habe Anweisung aus Metz dies so zu akzeptieren. Ich werde sofort nach unserem Gespräch nach Metz reisen und morgen mit dem gewünschten Schriftstück hier sein“, versuchte der Pfarrer wieder seine Contenance auf den Normalzustand zu bringen, „vielleicht könnte Babette mir, also sagen wir als Häppchen eine kleine Andeutung aus ihrem Traum geben?“

„Herr Pfarrer, ein guter Versuch. Ich denke wir werden uns morgen mit dem Schriftstück und natürlich allen notwendigen Siegeln hier wiedersehen“, wehrte der Müller den Versuch des Pfarrers ab etwas aus Barbaras Traum zu erfahren.

„Gut. Eines möchte ich allerdings sagen. Ich verstehe euch sehr, sehr gut und die Forderungen die ihr stellt sind, meiner Meinung nach, nicht überzogen“, lächelte der Pfarrer jetzt weniger angespannt dem Müllersehepaar zu.

„Ich denke jeder, der eine Familie hat versucht diese soweit als Möglich zu schützen und das machen wir mit unserer Forderung“, erwiderte der Müller freundlich.

Nachdem der Pfarrer noch zwei Madeleines gegessen hatte verabschiedete er sich.

„Müllerin ein großes Kompliment, die Madeleines waren hervorragend. Darf ich mir noch drei Stück bitte einpacken lassen?“ lächelte Hochwürden Maginot.

„Gerne natürlich. Aber euer Kompliment ist bei mir an der falschen Adresse. Die hat meine Johanna gebacken und die kann backen. Ich werden das Kompliment aber gerne weitergeben“, lächelte die Müllerin und an Barbara gewand, sagte sie „würdest du bitte Papier zum Einpacken holen.“

Barbara nickte, flitzte aus der Wohnküche und kehrte aber genau so schnell mit einem Stück Einpackpapier zurück, das sie ihrer Mutter reichte, die dem Pfarrer vier Madeleines einpackte.

Mit einem „Gelobt sei Jesus Christus“, verabschiedete sich Hochwürden Maginot von der Müllersfamilie.

Nicolaus und Anna Catharina sahen dem Pfarrer nach, wie er mit seinem Einspänner die Mühle verließ.

„Ja Cathi, das war bestimmt hart und schmerzhaft für ihn, aber es geht um unsere Familie und vor allem um unsere Tochter Barbara“, erklärte der Müller und küsste seine Frau, froh dass dieses Gespräch vorüber war und Anna Catharina alles so wundervoll vorbereitet hatte. Anschließend ging er wieder seiner Arbeit in der Mühle nach und die Mädchen der Familie kamen zu ihrer Mutter.

„So Kinder an die Arbeit, das Abendessen muss noch vorbereitet werden“, lächelte die Müllerin als sie die besorgte Mine der ältesten Tochter sah.

„Mutsch ist alles in Ordnung?“ erkundigte sich Johanna leise.

„Bis jetzt ja. Hochwürden Maginot wird aber morgen nochmals kommen. Dein Vater hat ihm unsere Forderungen diktiert und wenn er morgen mit einem Schriftstück vom Bischof kommt, ist alles gut und wir alle und vor allem Barbara sind für die Zukunft sicher. Wenn nicht hat unsere Barbara nur schlecht geträumt. Nicht mehr und nicht weniger“, erwiderte die Müllerin und nahm ihre Tochter in den Arm, „oh Johanna, bevor es vergessen wird. Deine Madeleines sind wundervoll geworden und Hochwürden wollte unbedingt welche mitnehmen, so gut haben sie ihm geschmeckt.“

„Danke Mutsch. Ich habe es aber ja von dir gelernt“, lächelte Johanna stolz, „dürfen die kleinen auch welche haben?“

„Natürlich Kinder, greift zu und vergesst eure Brüder in der Mühle nicht“, freute sich Anna Catharina als sie sah wie die Mädchen auf den Tisch zu stürmten.

Der restliche Tag, die folgende Nacht und der Vormittag verliefen ohne besondere Vorkommnisse. Am späten Nachmittag traf Hochwürden Maginot mit seinem Einspänner ein.

Die kleinen Jungen des Müllerehepaars, Nicolaus und Caspar, waren dazu abgestellt, die Ankunft des Pfarrers frühzeitig den Eltern zu melden. Nicolaus flitzte in die Mühle zu seinem Vater, während Caspar ins Haus rannte und schrie „er kommt“.

Sofort flitzten die Kinder bis auf Barbara aus dem Haus und auch der Müller kam zu seiner Frau. Johanna erwartete den Pfarrer am Hauseingang und führte ihn ins Haus und die Wohnküche.

„Gelobt sei Jesus Christus“, grüßte Hochwürden Maginot freundlich.

„In Ewigkeit Amen“, erwiderten die Müllereheleute und Barbara seinen Gruß.

„Ich komme direkt aus Metz und habe auch das gewünschte Dokument dabei. Aber kann ich mir vorher bitte den Staub von Händen und Gesicht waschen?“ fragte der etwas abgehetzt aussehende Pfarrer.

„Natürlich, kommt. Ich führ euch zu unserem Brunnen. Meine Söhne werden sich um euer Pferd kümmern“, lächelte der Müller freundlich und führte den Pfarrer zum Brunnen. Anna Catharina folgte den beiden und reichte ihm ein Tuch um sich abzutrocknen.

Wieder in der Wohnküche, nahm Hochwürden Maginot seine Tasche und legte Nicolaus und Anna Catharina das Schriftstück, unterschrieben vom Erzbischof von Metz und mit dessen Siegeln versehen und ein zusätzliches Schriftstück des Herzogs von Lothringen vor.

„Oha, was ist da jetzt los?“ fragte sich Anna Catharina und las sich beide Schriftstücke genauestens durch. Am Ende ihrer Prüfung war sie zufrieden. „Hat der Pfarrer sogar mitgedacht“, sagte sie zu sich selbst.

„Gut Hochwürden, die Schriftstücke sind in Ordnung“, lächelte Anna Catharina freundlich, „mein Mann wird nur noch die Siegel prüfen.“

Wenig später nickte Nicolaus seiner Frau zu.

„Ich denke nun sollte unsere Barbara zu Wort kommen“ erklärte Anna Catharina und legte ihren Arm beschützend um ihre Tochter.

„Also Barbara, was kannst du mir denn sagen?“ fragte der Pfarrer ungeduldig.

„Babette erzähl doch Hochwürden erst einmal von der Frau die du im Wald getroffen hast“, sagte Anna Catharina um ihrer Tochter ein wenig zu helfen.

Barbara nickte und begann zu erzählen: „Ich war noch kleiner, da ist mir eine sehr alte Frau begegnet. Ich war mit Mutsch unterwegs um Kräuter, Pilze und Beeren zu sammeln. Das war im Wald bei der Weggabelung, wo man auch in das Dorf von Eschviller kommt. Die Frau ging mit einem sehr nach vorne gebeugten Oberkörper langsam auf mich zu. Die Kleidung war etwas zerlumpt und roch etwas streng. Unter dem Arm hatte die alte Frau ein Reisigbündel und auf dem gebeugten Rücken eine schwere Trage aus Binsen in dem sich anscheinend Kräuter befanden. Um nicht nach vorne zu fallen stützte sich die alte Frau an einem langen geschnitzten Stock ab. Wir haben uns unterhalten und ich habe ihr angeboten ihre schwere Trage zu tragen und ihr auch von unseren gesammelten Kräutern und Beeren etwas abzugeben. Sie meinte damals dass sie eh gleich zu Hause wäre und ihre Hütte gleich um die Ecke wäre. Pip hat mir später erzählt, dass es dort weit und breit keine Hütte gibt und auch niemand im Wald wohnt. Sie hat noch gemeint sie würde mich immer wieder besuchen. Ich habe sie aber nicht mehr getroffen, obwohl ich oft –Mutsch entschuldige bitte- oft an der Stelle war. Dann hatte ich plötzlich vor ein paar Tagen diesen schlimmen Traum. Da ist sie mir wieder begegnet. Sie hat noch gesagt, du wirst bestimmt noch sehr lange an unsere heutige Begegnung denken. Ich werde dein sehr helles Köpfchen leiten, ohne dass du es bemerken wirst.“

„Das war vor ungefähr drei Jahren Hochwürden und möchtet ihr gerne ein Glas Wein? Eure Kehle ist bestimmt trocken“, unterbrach die Müllerin ihre Tochter um ihr eine kleine Pause zu gönnen. Sie stand auf und goss ein Glas Wein ein und reichte es dem Pfarrer.

Hochwürden Maginot nickte wissend mit dem Kopf und meinte: „Vielen Dank Müllerin. Und wie ging es weiter?“

Barbara überlegte kurz und erzählte weiter: „Sie ist mir dann im Traum vor ein paar Tagen erschienen und sagte wörtlich: Und jetzt achte genau auf meine Worte. Am 2. Dezember 1728 wird es ein sehr großes und sehr schweres Erdbeben geben. Ein Beben der Erde, das die Welt bis dahin noch nicht gesehen hat. Nur wer Vorkehrungen trifft und an diesem Tag nicht in der Nähe eines Hauses ist wird überleben. Gehe an genau diese Orte die dir gegeben sind, lege dein Ohr an den Boden und achte auf ein Brummen aus dem Inneren der Erde. Es ist sehr, sehr wichtig für die Menschen in deiner Umgebung. Was ich dir sage ist von ganz großer Bedeutung und muss ganz, ganz schnell an alle wichtigen Persönlichkeiten, dem Herzog, dem Erzbischof, dem Bürgermeister und allen Pfarrern weitergegeben werden. Du wirst dabei aber auf großes Unverständnis stoßen. Sie werden dir vermutlich nicht glauben. Deshalb musst du selbst die wichtigsten Orte besuchen und nach Beweisen suchen. Ich hab sie noch gefragt wer sie denn ist. Sie sagte: Mein Name ist wie Schall und Rauch. Manche nannten mich Nostradamus, andere Jeanne d'Arc oder das Orakel von Delphi. Vertraue mir einfach und gehe nach deiner Bestimmung. Du wirst eines Tages als weise Frau von Eschviller in die Geschichtsbücher eingehen. Ich kenne diese Menschen nicht und weiß auch nicht wer das sein soll. Aber ich erzähle das jetzt aber einfach einmal, weil es so war. Vielleicht könnt ihr Hochwürden etwas damit anfangen. Das war schon sehr aufregend.“

Hochwürden Maginot überlegte kurz: „ein Erdbeben am 2. Dezember 1728. Das ist ja in diesem Jahr. Oh mein Gott.“

Nach einer kurzen Pause bat Hochwürden Maginot Barbara ihn jetzt mit ihren Eltern alleine zu lassen.

„Was ist ihre Meinung“, fragte der Pfarrer nachdenklich.

„Ich kann soviel noch dazu sagen, dass ich diese alte Frau damals im Wald nicht gesehen oder gehört habe. Obwohl ich direkt hinter Barbara war“, erklärte die Müllerin, „und wenn ich mir die Namen ansehe, Jeanne d'Arc und das Orakel von Delphi kenne ich aus der Klosterschule aber Nostradamus sagt mir nichts. Woher soll sie die Namen kennen oder das genaue Datum 2. Dezember 1728 für ein schweres Erdbeben. Sie hat noch nie von einem Erdbeben jemals gehört oder eines erlebt. Für mich sind das Fakten und deshalb glaube ich meiner Tochter wenn sie das sagt.“

„Nun, mich hat die Kleine damals nach der Begegnung auch direkt angesprochen. Sie wollte wissen wer denn im Wald wohnt und wem der Wald gehört. Und die Namen sagen mir überhaupt nichts. Ich habe sie auch mehrfach gesehen, wie sie mit dem Ohr am Boden lag und versuchte etwas zu hören. Also für mich glaube ich ihr“, sagte der Müller mit einem sehr ernsthaften Gesicht, „ich habe bereits begonnen die Mühle und das Haus mit zusätzlichen Streben abzusichern. Das habt ihr bestimmt beim herfahren gesehen.“

„Ich denke auch dass sie nicht phantasiert. Vielleicht solltet ihr aber auch wissen, was der Erzbischof Henri-Charles du Cambout de Coislin damals an mich und den Herzog von Lothringen geschrieben hat. Ich fasse es kurz zusammen. Der Brief wurde am 12. Januar 1710 geschrieben. Also Jahre bevor Barbara zur Welt kam. Er schreibt und jetzt hört bitte genau zu: Die Müllersleute der Getreidemühle zu Volmunster sind sehr rechtschaffene Leute. Sie werden am 9. Juni 1716 eine Tochter bekommen. Diese Tochter wird das elfte von dreizehn Kindern sein. Dieses Kind wird auf eine Heilige Frau treffen, die ihr sehr wichtige Ereignisse vorhersagt, die wirkliche Katastrophen für das ganze Land bedeuten können. Unterstützt das Kind und später die Frau mit allem was euch möglich ist. Sollte dieses Kind der Müller reisen müssen, muss sie mit Pässen des Herzogs ausgestattet werden und wenigstens der örtliche Pfarrer soll sie begleiten, um ihr die Zugänge zu allen Herrscherhäusern zu geben und die Anhörung der jeweiligen Herrscher zu ermöglichen. Ebenso soll das Müllerkind mit allem ausgestattet werden, das es braucht“, erklärte Hochwürden Maginot freundlich und aufgeregt dem Müllersehepaar.

Jetzt war es an Anna Catharina und Nicolaus sich zu wundern.

„Hochwürden, das verstehe ich nicht, woher wusste der Erzbischof bereits mehr als sechs Jahre zuvor, wann unsere elfte Tochter zur Welt kommt? Oder dass wir dreizehn Kinder haben werden? Dass das jetzt alles genau so passiert wie er geschrieben hat?“, fragte Nicolaus Lux.

„Und woher wusste er, dass das Kind ein Mädchen sein wird?“ wollte Anna Catharina wissen.

„Ich kann es euch nicht sagen, ich weiß es nicht. Der Brief war bereits bei meinem Vorgänger, der ihn mir vertrauensvoll übergeben hat. Ich wusste also ganz genau Bescheid, wann ihr Müllerin niederkommen werdet und dass es ein gesundes aufgewecktes Kind sein wird. Deshalb habe ich ihr auch immer, wenn sie etwas wissen wollte geantwortet und auch Einsicht in meine Bücher gegeben. Aber wie es sein konnte, dass der Erzbischof alles bereits lange vorher wusste, kann ich euch nicht sagen“, erwiderte Hochwürden Maginot, „und was noch dazukommt ist ja auch die Tatsache, dass jetzt ein Ereignis bevorsteht, das unser Land bedroht, was natürlich nach dem langen Krieg vor hundert Jahren die Existenz des Landes bedrohen kann.“

Tiefes Schweigen aller Anwesenden trat ein. Jeder wunderte sich und fragte sich was denn hier gerade passiert.

Anna Catharina fasste sich als erste wieder.

„Ich denke heute werden wir nicht mehr die Welt retten können. Wir müssen uns überlegen was und wie dies zu tun ist. Dazu werden mein Mann und ich morgen zu ihnen ins Pfarrhaus kommen. Und natürlich müssen wir uns mit unserer Tochter besprechen was sie selbst meint was sie tun sollte oder könnte“, schlug die Müllerin vor.

Hochwürden Maginot nickte mit dem Kopf: „Müllerin ihr habt recht. Lasst uns eine Nacht darüber schlafen, bevor wir in irgendeinen Aktionismus verfallen.“

Der Müller nickte ebenfalls und verabschiedete den verwirrten Pfarrer.

An weiterarbeiten war für Nicolaus nicht mehr zu denken, stattdessen ging er an den Fluss wo er das Klappern des Mühlrades hörte, das ihn beruhigte. Er wusste eines, es wird eine schwerere Zukunft vor ihm und seiner Frau liegen als bisher.

Auch Anna Catharina brauchte jetzt unbedingt Ruhe, deshalb bat sie Johanna sich um die Kindern und das Abendessen zu kümmern. Anschließend nahm sie ihren Korb und ging in den Wald um durchatmen zu können.

Die Müllerin Anna Catharina ist eine klar denkende hochintelligente Frau, die jetzt verzweifelt nach einem logisch erklärbaren Zusammenhang suchte, ihn aber nicht fand. Deshalb akzeptierte sie schlussendlich die sonderbaren Ereignisse rund um ihre Familie und vor allem um ihre Tochter Barbara.

„Gut, Anzeichen gab es ja schon seit ihrer Geburt, dann die Andeutungen des Erzbischofs, einem guten Freund ihres Vaters, damals. Dann die Geschichte die ihr Vater am Tag der Geburt erlebt hatte“, sagte sie laut zu sich selbst, „das alles mündet nun in einem hoffentlich nur kleinen Chaos, das wir sicher überstehen werden. Also was muss nun als nächstes geschehen. Ich muss mit Babette sprechen, was sie meint für einen Auftrag bekommen zu haben und wie sie denkt diesen Auftrag zu erledigen. Aber bei allem Chaos, darf ich nicht unser, mein Ziel, aus den Augen lassen und aus Babettchen eine Wundheilerin und Geburtshelferin zu machen. Das soll, egal wie das jetzt alles auszugehen vermag, der einzig sinnvolle Zukunftsvertrag für meine Tochter sein.“

Entschlossen, ihrer Tochter bei Erledigung des Auftrags soviel wie möglich beizustehen, machte sich die Müllerin auf den Weg nach Hause, das sie auch unbeschadet schnell erreichte.

Auf der Sitzbank vor dem Wohnhaus saß der Müller Nicolaus Lux, eine qualmende Pfeife im Mund, und blickte versonnen zum Fluss.

Als er seine Frau kommen sah, stand er auf und ging ihr langsam entgegen.

„Hast du den Schock schon verdaut?“ fragte der Müller seine Frau.

„Ja Nic. Wir müssen die Gegebenheiten wie sich jetzt darstellen einfach akzeptieren. Wir haben keine andere Wahl. Aber gut ist, dass keinerlei Druck seitens der Kirche auf uns oder Barbara ausgeübt wird, so dass wir aus unserer Barbara eine Wundheilerin und Geburtshelferin machen können. Und die jetzige Situation werden wir gemeinsam als Familie bewältigen. Ich denke unsere Kleine sollten wir erst morgen ansprechen, um zu erfahren wie sie gedenkt den Auftrag, ihren Auftrag zu erledigen. Für heute soll es erstmal genug sein. Wir sollten aber noch gemeinsam mit unseren beiden ältesten Kindern sprechen, damit die auch ein wenig Bescheid wissen und uns beide unterstützen“, erklärte die klardenkende Müllerin Anna Catharina.

Der Müller nickte, dann setzten beide sich gemeinsam auf ihre Bank und schauten wortlos dem Sonnenuntergang zu.

In der Zwischenzeit hatte Johanna das Abendessen zubereitet und rief jetzt alle zu Tisch.

Seufzend erhob Nicolaus sich von der Bank und zog seine Frau zu sich in die Arme.

„Cathi, was würde ich ohne dich machen. Ich liebe dich wie am ersten Tag“, flüsterte der Müller seiner Frau ins Ohr bevor beide ins Haus zu ihren Kindern gingen.

Nach dem Abendessen setzten sich Anna Catharina und Nicolaus mit ihren großen Kindern Johann und Johanna zusammen. Die Kinder reagierten schockiert auf die Neuigkeiten.

„Nein Kinder, die Situation ist im Moment eben so wie sie ist und uns bleibt nichts anderes übrig als unsere Barbara auf ihrem Weg zu unterstützen und sie in allem zu unterstützen“, erklärte der Müller und freute sich, als er von seinen Kindern hörte, dass sie auf deren Unterstützung zählen konnten.

Etwas anderes hatte das Müllerehepaar von ihren Kindern nicht erwartet.

Barbara

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