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THATCHERS RÜCKSTÄNDIGES DIKTUM: (TAB)S

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In einer berühmt gewordenen Ansprache von 1983 erklärte die britische Premierministerin, Margaret Thatcher, „Der Staat besitzt keine Geldquelle außer dem Geld, das die Menschen selbst verdienen. Wenn der Staat mehr Geld ausgeben möchte, kann er das nur, indem er sich Ihre Ersparnisse leiht oder höhere Steuern von Ihnen verlangt.“5 Das war Thatchers Art, zu sagen, dass die Finanzen der Regierung, ganz wie unsere persönlichen Finanzen, begrenzt waren. Wenn sie mehr Geld ausgeben wollte, musste sich die Regierung das Geld dafür beschaffen. „Wir wissen, dass es kein staatliches Geld gibt,“ fügte sie hinzu. „Es gibt nur das Geld der Steuerzahler.“ Wenn die Briten Geld von ihrer Regierung wollten, würden sie für die Kosten selbst aufkommen müssen.

War es ein harmloser Fehler oder ein sorgfältig ausgearbeitetes Statement, um das britische Volk davon abzuhalten, mehr Geld von seiner Regierung zu verlangen? Ich bin mir nicht sicher. Aus welchem Beweggrund auch immer verheimlichte Thatchers Aussage die Befähigung des Staates zur Währungsemission. Mehr als drei Jahrzehnte danach äußern sich politische Führer währungsemittierender Länder wie des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten noch immer so, als seien wir, die Steuerzahler, letztlich die Geldquelle der Regierung. Wie es die ehemalige britische Premierministerin, Theresa May, in jüngerer Zeit formulierte, hat die Regierung keinen „magischen Geldbaum“.6 Nur, wenn sie mehr von unserem Geld nimmt, heißt es, kann es sich die Regierung leisten, die Finanzierung bereits bestehender Programme aufzustocken oder gar ehrgeizige neue Projekte zu finanzieren.

Den meisten von uns leuchtet es wahrscheinlich ein, dass die Regierung mehr Steuern erheben muss, um mehr auszugeben. Und das wissen unsere Politiker. Sie wissen auch, dass die meisten von uns nicht wollen, dass die Steuern erhöht werden, also verstricken sie sich bei der Jagd nach Wählerstimmen immer mehr in Widersprüche, indem sie geloben, Großes zu vollbringen, ohne dass die Mehrheit von uns mehr bezahlen muss. Beispielsweise versprach Donald Trump dem amerikanischen Volk, dass Mexiko die Grenzmauer bezahlen werde, wohingegen die Demokraten behaupten, dass viele ihrer ehrgeizigen Projekte von Milliardären und der Wall Street finanziert werden können. Von irgendwoher muss das Geld schließlich kommen, nicht wahr? In Wirklichkeit ist es genau andersherum. Doch bevor wir uns damit befassen, sehen wir uns zuerst die herkömmlichen Vorstellungen an, um diese rückständige Denkweise dann leichter mit dem wahren Sachverhalt vergleichen zu können.

Sie wissen doch noch, dass wir unsere eigenen Finanzen am besten verstehen, und dass wir wissen, dass wir erst zu Geld kommen müssen, bevor wir es ausgeben können. Also scheint der Gedanke, dass sich die Bundesregierung für ihre Ausgaben Geldmittel beschaffen muss, intuitiv richtig. Ausgehend von unseren eigenen Erfahrungen wissen wir, dass wir nicht einfach mit neuen Schuhen aus einem Geschäft spazieren oder mit einem neuen Sportwagen vom Autohändler wegfahren können, bevor wir dafür bezahlt haben. Nach konventioneller Denkart ist die Regierung von zwei Geldquellen abhängig: Sie kann unsere Steuern erhöhen, oder sie kann sich unsere Ersparnisse leihen. Mittels Steuern kann die Regierung Geld von denen eintreiben, die es besitzen, weshalb Steuern als ein Weg angesehen werden, um der Bundesregierung Geld zu übertragen. Wenn die Bundesregierung mehr ausgeben möchte, als sie an Steuern einnimmt, kann sie sich zusätzliche Geldmittel beschaffen, indem sie bei Sparern Darlehen aufnimmt. In beiden Fällen gilt die Vorstellung, dass die Regierung das Geld aufbringen muss, bevor sie es ausgibt. So hat man den meisten von uns die finanzpolitischen Aktivitäten der Regierung erklärt. An erster Stelle stehen Steuern und Darlehen. An letzter Stelle stehen die Ausgaben. Eine nützliche Gedächtnisstütze für die konventionelle Denkart ist (TAB)S: Steuern und Darlehen (taxing and borrowing) vor Ausgaben (spending).

Weil wir darauf trainiert worden sind, zu glauben, dass die Regierung genau wie wir erst „das Geld aufbringen muss“, bevor sie es ausgeben kann, sind alle von der Frage besessen: Wie sollen wir das bezahlen? Man hat uns beigebracht, von unseren gewählten Politikern zu erwarten, dass sie uns einen Plan vorlegen, der genau zeigt, woher sie jeden neuen Dollar nehmen werden, den sie ausgeben wollen. Selbst die progressivsten Kandidaten fürchten, dass man ihnen den Kopf abreißt, wenn ihre Vorschläge das Defizit erhöhen, weshalb Darlehen fast nie in Frage kommen. Um zu beweisen, dass ihre Maßnahmen das Defizit nicht erhöhen werden, überlegen sie, wie sie mehr Steuererträge aus der Wirtschaft herauspressen können und zielen dabei normalerweise auf diejenigen ab, die es sich am ehesten leisten können, mehr zu zahlen. Beispielsweise behauptet Senator Bernie Sanders, dass eine Transaktionssteuer staatliche Schulen und Universitäten von Studiengebühren befreien wird, und Senatorin Elizabeth Warren versichert, dass eine 2-prozentige Steuer auf Vermögen über 50 Millionen US-Dollar ausreichen würde, um 95 Prozent der Studenten die Schuldenlast ihrer Studiengebühren abzunehmen und zusätzlich Kinderbetreuung und kostenlose Universitäten zu finanzieren. In beiden Fällen soll bewiesen werden, dass sich durch die Besteuerung der Reichsten Amerikas alles bezahlen lässt. Wie wir auf den nächsten Seiten sehen werden, können neue Programme oft finanziert werden, ohne die Steuern erhöhen zu müssen. Die Erhöhung des Defizits sollte kein Tabu sein. Steuern sind von entscheidender Bedeutung, doch besteht kein Grund zur Annahme, die Regierung müsse vor jeder Investition in unsere Wirtschaft zuerst die Steuern anheben.

In der Praxis nimmt die Bundesregierung fast nie ausreichend Steuern ein, um all ihre Ausgaben auszugleichen. Defizitausgaben sind die Norm, und alle in Washington, D.C. wissen das. Und auch die Wähler wissen es. Deshalb schimpfen so viele Politiker, dass der Kongress seinen Haushalt in Ordnung bringen solle, bevor es zu spät sei. Um ihr Engagement für die gute alte Haushaltsführung zu beweisen, führten die Demokraten unter Leitung der Sprecherin Nancy Pelosi (D-CA) 2018 die Umlagenfinanzierung (PAYGO) wieder ein. Unter PAYGO sind Darlehen zur Finanzierung neuer Ausgaben eigentlich verboten. So wird (TAB)S auf Besteuerung und Ausgaben (T)S reduziert, weshalb die Gesetzgeber unter enormem Druck stehen, neue Ausgaben durch Einnahmen aus neuen Steuern abzudecken.7

Ist das eine gute politische Strategie? Ist es gute Ökonomie? Auf jeden Fall klingt es nach einer vernünftigen Haushaltsmethode. Sie wurzelt jedoch in falschen Vorstellungen dazu, wie die Regierung tatsächlich Geld ausgibt. In Wirklichkeit ist es nämlich genau umgekehrt.

Der Defizit-Mythos

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