Читать книгу Küssen auf eigene Gefahr - Susan Andersen - Страница 10

5

Оглавление

Als Catherine aufwachte, stellte sie fest, dass sie während des Schlafens in Sams Richtung gerutscht war. Sie lehnte an ihm, und ihre Wange ruhte auf seinem muskulösen Oberarm. Sam hatte seinen Arm über die Lehne zwischen ihren Sitzen gelegt und hielt ihren Oberschenkel mit seiner großen Hand umfasst. Sie spürte die Wärme seiner langen Finger an der Stelle, an der sie die Innenseite ihres Knies berührten, und dann merkte sie, dass er mit dem Daumen über ihre bloße Haut rieb.

Sie schlug die Augen auf und musterte seine kantigen Gesichtszüge. Auf Wange und Kinn zeigten sich die Schatten dunkler Bartstoppeln, und seine volle Unterlippe hatte etwas unleugbar Erotisches an sich. Sie öffnete gerade den Mund, um ihn zu fragen, was zum Teufel er sich eigentlich einbildete, als sie sah, dass er die Augen noch halb geschlossen hatte und schläfrig auf seinen Daumen blickte, der mit trägen, gleichmäßigen Bewegungen über ihre blasse Haut strich. Er war offensichtlich noch nicht richtig wach.

Das änderte sich im nächsten Augenblick. Sein Daumen hielt in seiner Bewegung inne, und die Muskeln unter ihrer Wange spannten sich an. Sie spürte, wie er den Kopf senkte, um auf sie hinunterzublicken, schloss rasch die Augen und tat so, als schliefe sie noch. Es war eine instinktive Reaktion und kindisch noch dazu, aber jetzt konnte sie nichts mehr daran ändern. Und wenn sie sich dadurch, dass sie sich schlafend stellte, ein oder zwei peinliche Momente ersparte, war ihr das nur recht.

Er nahm seine Hand von ihrem Knie und zog seinen Arm unter ihrem Kopf weg. Einen Augenblick später stand er auf und holte seine Reisetasche von der Gepäckablage. Dann war er verschwunden, wahrscheinlich ging er zur Toilette im hinteren Teil des Busses.

Catherine öffnete die Augen und setzte sich auf. Steif und benommen streckte sie sich auf ihrem Sitz, so gut es ging, um ihre verspannten Muskeln wenigstens ein bisschen zu lockern. Sie setzte sich aufrecht hin, verschränkte die Hände im Nacken, drückte die Schultern nach hinten und bog den Rücken durch, um ihre Wirbelsäule zu dehnen, dabei drehte sie gleichzeitig den Kopf nach links und reckte das Kinn in die Höhe. Als sie anschließend den Kopf nach rechts drehte, blieb ihr Blick an dem Mann hängen, der auf gleicher Höhe mit ihr auf der anderen Seite des Ganges saß. Dessen Blick wiederum war unverwandt auf ihre Brüste gerichtet.

Ihr erster Impuls war, die Schultern einzuziehen und ihre Rundungen zu verstecken, so das überhaupt möglich war. Aber irgendetwas – Ärger? Trotz? – ließ sie innehalten. Zwar änderte sie ihre aufreizende Haltung, aber sie gab sich nicht der Hoffnung hin, in dem hautengen Oberteil ihrer Schwester etwas verbergen zu können. Also tat sie das Nächstbeste. Sie starrte den Mann so lange an, bis sich sein Blick von ihren Brüsten löste. Als er merkte, dass sie ihn ohne jedes Lächeln mit hochgezogenen Augenbrauen beobachtete, lief er rot an und sah schnell weg.

Das verschaffte ihr wenigstens ein gewisses Gefühl von Macht.

Sie drehte sich um und blickte aus dem Fenster, obwohl sie kaum etwas von der Landschaft, die daran vorbeizog, wahrnahm. Gestern Abend war sie vor lauter Panik zu keinem klaren Gedanken mehr fähig gewesen, aber die hatte sich gelegt. Jetzt galt es, Entscheidungen zu treffen. Eine Möglichkeit bestand natürlich darin, sich von McKade wie ein geduldiges Schaf quer über den Kontinent schleifen zu lassen. Sie könnte sich ruhig verhalten und hinter ihren mühsam erworbenen guten Manieren verschanzen, sich an McKades Spielregeln halten und die Angelegenheit klären, sobald sie in Miami waren. Genau das hätte sie gestern wahrscheinlich auch noch getan.

Heute gefiel ihr diese Möglichkeit nicht mehr.

McKade hatte ihr Leben auf den Kopf gestellt, und das nur um ein paar lausiger Dollar willen, und sie sah keinen Grund, warum sie ihm seinen Job allzu leicht machen sollte. Offensichtlich war ihm daran gelegen, sie so schnell wie möglich nach Miami zu bringen und seine Prämie zu kassieren, obwohl sie beim besten Willen nicht verstand, wie der Greyhound-Bus in diesen Plan passte. Nun, an der Art ihres Transportmittels war nichts mehr zu ändern, und sie musste sich auf den wesentlichen Punkt konzentrieren. Und der war klar. Wenn McKade es so eilig hatte, dann gab es für sie nur eins – sie musste alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Reise zu verzögern. Und um das zu bewerkstelligen, blieb ihr keine Alternative.

Bei der Vorstellung, sich so zu benehmen, wie es Kaylee in ihrer Situation getan hätte, krümmte sich Catherine innerlich zusammen. Seit sie erwachsen war, hatte sie nichts anderes getan, als sich einen Platz im Leben zu schaffen, der von dem freizügigen Milieu, in dem sich ihre Schwester bewegte, Welten entfernt war.

Doch manchmal zahlte es sich einfach nicht aus, die freundliche, gut erzogene Frau zu sein. Man musste sich ja nur einmal ansehen, wie weit sie es damit gebracht hatte. McKade war so verdammt selbstgefällig und felsenfest davon überzeugt zu wissen, wer ihm da in die Hände gefallen war. Und wenn dem so war, dann durfte sie den guten Mann doch nicht enttäuschen, oder? Er beharrte darauf, dass sie Kaylee war; na gut, dann würde er Kaylee auch kriegen.

Und zwar ohne Wenn und Aber.

Sam ging langsam durch den Gang zu seinem Platz zurück. Du lässt gefälligst die Finger von der Frau, sagte er sich zum x-ten Mal, seit er den Rotschopf schlafend zurückgelassen hatte und in die Toilette geflüchtet war. Hast du das kapiert, McKade? Du hast einen Job zu erledigen, und dabei darf nichts in die Hose gehen. Er gab ein Schnauben von sich. Welch sinnreiche Wortwahl in Anbetracht dessen, dass die Berührung ihrer Haut heftiges Verlangen in ihm geweckt hatte und er sich kaum hatte zurückhalten können, der Versuchung nachzugeben.

Er hatte ihr jedoch nicht nachgegeben, und es würde nicht so weit kommen, dass sein Verlangen zu einem Problem wurde – dafür würde er schon sorgen. Mein Gott, er hatte schließlich noch halb geschlafen, und sie war rein zufällig da gewesen, das war alles. Es war eine unwillkürliche Reaktion gewesen, als er aufgewacht war und seine Hand auf dem Bein einer Frau lag, das lang und fest war und eine unglaublich zarte Haut hatte; das wäre ihm bei jeder Frau so gegangen. Er hatte sehr lange keinen Sex mehr gehabt, aber das würde sich schnell ändern, sobald er diesen Job hinter sich gebracht hatte. Nur gut, dass der Rotschopf geschlafen und nichts davon mitbekommen hatte. Er musste die ganze Sache bloß möglichst unauffällig über die Bühne bringen, dann sollte eigentlich nichts schief gehen.

Er sah, wie seine Gefangene in den Gang trat und hinauf zur Gepäckablage griff und dabei mehr als genug von ihrer atemberaubenden Figur zeigte, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte, um nach ihrem Koffer zu angeln. Drei der Männer an Bord rannten sich gegenseitig fast über den Haufen, um der Erste zu sein, der ihr seine Hilfe anbot.

Sie würdigte keinen von ihnen auch nur eines Blickes, was Sam zwar überraschte, aber nicht verhinderte, dass sofort wieder Ärger in ihm aufstieg und er mit wenigen großen Schritten zu dem Grüppchen von Fahrgästen eilte, das inzwischen den Gang versperrte. Er stieß zwei der Männer mit dem Ellbogen zur Seite, um sich Platz zu verschaffen, und griff über den Kopf des dritten hinweg nach Catherines Koffer. »Ich hab ihn schon«, knurrte er den Mann an, als dieser nicht weichen wollte, und das in einem Ton, der Catherines Kavalier dazu veranlasste, sich eines Besseren zu besinnen und sich zu trollen.

Sam musste sich fast verrenken, um zur Gepäckablage zu kommen, und als er den Koffer herunterhob, fühlte er ein schmerzhaftes Ziehen in seinem Rücken. »Was zum Teufel haben Sie da eigentlich drin?«, fragte er und stellte den Koffer auf ihrem Sitz ab. Er hätte die Hand dafür ins Feuer gelegt, dass es keine Bücher waren.

»Jedenfalls interessantere Dinge als das armselige Zeug, das Sie in Ihrer Tasche haben, darauf können Sie wetten.« Sie ließ die Schlösser aufschnappen und schlug den Deckel zurück.

Sam sank der Mut. Er hatte nur einen kurzen Blick auf den Inhalt des Koffers erhaschen können, aber alle Kleidungsstücke, die sich darin befanden, schienen entweder zu glitzern und zu glänzen oder ungefähr so groß wie seine Brieftasche zu sein. Gerade Letzteres bereitete ihm Sorgen, weil es bedeutete, dass sie sich kräftig dehnen mussten, um Catherines unglaubliche Kurven zu bedecken, und daher ohne jeden Zweifel wie eine zweite Haut sitzen würden. Sie beugte sich vor, um irgendetwas zu suchen, und er stieß einen resignierten Seufzer aus, als er sah, wie der Typ auf der anderen Seite des Ganges und der hinter ihm die Hälse reckten, um ihren entzückenden, runden, herzförmigen Hintern besser in Augenschein nehmen zu können. Er stellte sich so hin, dass er ihnen die Sicht versperrte.

»Ah«, murmelte sie zufrieden, und Sam beobachtete, wie sie aus dem großen Koffer ein kleines Köfferchen hervorkramte. Sie öffnete es, und Sam wusste auf einmal, was das zusätzliche Gewicht verursachte. Ihre Kleidung konnte es schließlich nicht sein – sie hatte in diesem Koffer vermutlich kein einziges Stück, das mehr als hundert Gramm wog. Blieben also nur die Schuhe mit den schwindelerregend hohen Absätzen, von denen es mehrere Paar gab, und das Köfferchen mit Kosmetik und Toilettenartikeln. Er sah ihr zu, während sie einen Waschlappen, eine dieser Flaschen mit irgendeiner geheimnisvollen Lotion, ohne die Frauen offenbar nicht auskamen, eine Zahnbürste und Zahnpasta herausnahm. Sie hielt die Sachen nachdenklich in der Hand, dann schien sie es sich anders zu überlegen und warf alles in den Kosmetikkoffer zurück. Sie hob ihn hoch, richtete sich auf und drehte den Kopf, um ihn anzusehen.

»Die Toilette ist da hinten, oder?«

Sam gab ein Grunzen von sich.

Er sah ihr nach, als sie den Gang entlangging, und sein Blick verfinsterte sich in Anbetracht der männlichen Fahrgäste, die ihr mit großen Augen entgegenstarrten und sich dann auf ihren Sitzen herumdrehten, um ihr hinterherzuschauen, nachdem sie an ihnen vorbeigegangen war. Na toll. Von der Vorstellung, dass er die Sache unauffällig über die Bühne bringen könnte, sollte er sich wohl besser verabschieden.

Wenigstens hatte sie nur einen Bruchteil von den zehn Pfund Make-up in ihrem Köfferchen verwendet, wie Sam mit Erleichterung feststellte, als sie zurückkam. Sie hatte Lippenstift und Wimperntusche aufgetragen, aber das schien auch schon alles zu sein. Und sie hatte Gott sei Dank auch auf die auffällige Frisur verzichtet, mit der er sie gestern am Flughafen gesehen hatte. Ihm war durchaus bewusst, dass er anfing, sich an Strohhalme zu klammern. Ihre Haare waren glatt gebürstet und oben auf ihrem Kopf zu einem kleinen Knoten geschlungen. Es hätte brav aussehen können, verdammt noch mal. Aber der Knoten war bereits leicht nach einer Seite verrutscht, und außerdem hatten sich ein paar schimmernde Strähnen gelöst und fielen über ihren Nacken und ihren langen, weißen Hals. Sie sah so aus, als wäre sie gerade aus dem Bett irgendeines Kerls gekrochen.

Seine letzte Hoffnung, kein Aufsehen zu erregen, löste sich in Luft auf.

Zumindest war sie heute nicht mehr so rebellisch. Sam war mittlerweile schon für jede Kleinigkeit dankbar. Er trat einen Schritt zur Seite, um sie auf ihren Platz zu lassen.

Sie sah ihn an. »Wie lange brauchen wir bis Florida?«

»Dreieinhalb Tage.«

Er meinte, in ihren Augen einen Anflug von Panik zu sehen, aber wenn dem so war, hatte sie sich gut unter Kontrolle, da sie nur nickte. »Ich habe Hunger«, war alles, was sie sagte.

»Wir werden in ungefähr zehn Minuten eine Pause machen. Halten Sie es noch so lange aus, oder wollen Sie gleich etwas, um die Zeit bis zum Frühstück zu überbrücken?«

»Ich warte.« Catherine war es ganz recht, noch ein paar Minuten zu haben, weil ihr das eine Verschnaufpause ließ, bevor sie den Plan, den sie gefasst hatte, in die Tat umsetzte. Ihr Magen knurrte zwar, aber Hunger war nicht ihr größtes Problem. Es waren ihre Nerven, und auch die langsamen, tiefen Atemzüge, zu denen sie sich zwang, halfen nicht besonders viel.

Zehn Minuten später erreichte der Bus Boise, und weitere fünf Minuten später hielt er auf dem Parkplatz eines Cafés. »Frühstückspause, Leute«, verkündete der Fahrer und öffnete die Tür. »Sie haben fünfundvierzig Minuten, und ich rate Ihnen, nicht herumzutrödeln. Ich fahre pünktlich ab.«

Ein Stück weiter vorne im Gang mühte sich eine kleine weißhaarige Frau damit ab, ein sperriges Päckchen in der Gepäckablage zu verstauen. Die anderen Fahrgäste rempelten sie an, während sie an ihr vorbei zum Ausstieg drängten, und schimpften leise vor sich hin. Zu Catherines Erstaunen blieb Sam neben der Frau stehen.

»Warten Sie, Ma’am, ich helfe Ihnen«, sagte er, nahm ihr das Päckchen aus den Händen und schob es ohne Mühe in die Ablage. Zum Schluss klopfte er noch einmal kurz mit der flachen Hand dagegen, beantwortete den Dank der Frau mit einem zurückhaltenden Lächeln und bedeutete ihr vorauszugehen.

Während sie das Café betraten und an einem kleinen Tisch neben dem Tresen Platz nahmen, musterte Catherine ihn verstohlen unter gesenkten Wimpern. Mit seinen dunklen Bartstoppeln, dem verdrießlichen Zug um den Mund und seinen stechenden goldbraunen Augen sah er irgendwie gemein aus, und ihre bisherigen Erfahrungen mit ihm hatten weiß Gott nicht dazu beigetragen, ihr einen anderen Eindruck zu verschaffen. Wer hätte da gedacht, dass er so charmant lächeln konnte? Ungefähr dreißig Sekunden lang hatte ihn dieses Lächeln nett und fast schüchtern aussehen lassen. Sie schüttelte den Kopf und nahm von der Kellnerin die Speisekarte entgegen. Um ihre Nerven musste es schlimmer bestellt sein, als sie geglaubt hatte, wenn sie schon über solche albernen Dinge nachdachte.

Catherine studierte die Karte und suchte nach dem teuersten Gericht. Und richtig, Sam verzog schmerzlich das Gesicht, als sie ihre Bestellung aufgab. Gewöhn dich dran, McKade, riet sie ihm im Stillen. Ich werde da zuschlagen, wo es dir am meisten wehtut – bei deinem kostbaren Zeitplan und deinem verflixten Geldbeutel.

Der Gedanke an das, was sie vorhatte, ließ ihren Atem schneller und flacher werden, und sie zwang sich, tief ein-und auszuatmen, bis sich ihr Herzschlag wieder etwas beruhigt hatte. Jetzt kam es auf das richtige Timing an, und so gerne sie die Sache schnell hinter sich gebracht hätte, sie würde nicht alles vermasseln, indem sie voreilig handelte. Unter keinen Umständen würde sie das Risiko eingehen, dass Sam genug Zeit hatte, sich etwas einfallen zu lassen, bevor der Bus weiterfuhr. Sie sah sich in dem Café um.

Es war bis auf den letzten Platz mit Busfahrgästen besetzt. Die Kellnerinnen hetzten herum, nahmen Bestellungen auf und schenkten Kaffee nach. Die für ihren Tisch zuständige Kellnerin blieb gerade lange genug bei ihnen stehen, um Sams Tasse mit Kaffee zu füllen und zwei in Papierservietten gewickelte Bestecke vor sie zu legen. Catherine wickelte ihr Besteck aus und breitete die Serviette über ihren Schoß.

Fünfzehn Minuten später war die Kellnerin wieder da und brachte ihnen das bestellte Essen. »Seien Sie vorsichtig, die Teller sind heiß. Guten Appetit.«

Catherine aß nur wenig. Sie schob die Bissen auf ihrem Teller hin und her und ließ den Busfahrer, der zwei Tische weiter saß, nicht aus den Augen.

»Verdammt noch mal, essen Sie das jetzt, oder spielen Sie bloß damit herum?«, fragte Sam ärgerlich, und sie zuckte zusammen und wandte ihm langsam ihren Blick zu.

»Ich bin doch nicht so hungrig, wie ich dachte«, brachte sie mit überzeugend wirkender Gelassenheit heraus.

»Dann geben Sie es her. Vielleicht sind Sie ja im Luxus aufgewachsen, Red, aber da, wo ich herkomme, haben wir kein Essen weggeworfen.«

Catherine starrte ihn ungläubig an. »Niemand, der auch nur ein bisschen Verstand hat, würde die Umgebung, in der ich aufgewachsen bin, als luxuriös bezeichnen.« Bei der Erinnerung an die Verhältnisse, in denen ihre Familie gelebt hatte, entfuhr ihr ein kurzes Schnauben. »Aber ich habe vergessen, dass es ja um Sie geht.«

»Ja, meine Ansprüche sind ziemlich gering, schon recht.« Er verstand ihre Beleidigung absichtlich falsch und streckte die Hand nach ihrem Teller aus. »Wenn Sie wussten, woher das Geld für das Essen der nächsten Woche kommen soll, hatten Sie es gut, würde ich sagen.« Er schaufelte sich ihr Frühstück bis auf einen kleinen Rest auf seinen Teller und schob ihr dann ihren Teller wieder zu. »Hier, essen Sie das.«

»Ich habe doch eben gesagt, dass ich nicht –«

»Und ich habe gesagt, Sie sollen essen. Sie haben gestern Abend nichts gegessen, und ich habe keine Lust, dabei zuzusehen, wie Ihnen vor Hunger schlecht wird.«

»Oh, nein, wir wollen dem unerschrockenen Kopfgeldjäger ja keine Unannehmlichkeiten bereiten«, gab sie schnippisch zurück und piekste mit ihrer Gabel ein paar Bratkartoffeln auf. Der Ärger wirkte beruhigend auf ihren nervösen Magen, und sie aß ihren Teller leer. Sie blickte über den Tisch. »Geben Sie mir ein Stück von dem Steak zurück.«

Er schnitt den Rest in der Mitte durch und gab ihr eine Hälfte.

Nur allzu bald waren sie mit dem Frühstück fertig, ihre Kaffeetassen waren ein weiteres Mal gefüllt worden, und Catherines innere Uhr zeigte auf fünf vor zwölf. Zeit zu handeln. Sie stand auf. »Ich muss mal auf die Toilette.«

»Nicht so schnell.« Sam griff über den Tisch und schnappte sich ihre Handtasche. »Geben Sie mir Ihren Lippenstift.«

»Wie bitte?«

»Stellen Sie sich nicht dumm, Red. Geben Sie mir Ihren Lippenstift.«

Catherine stieß einen Seufzer aus, tat jedoch wie geheißen, kramte einen Lippenstift hervor und gab ihn ihm.

»Ich will alle, Red.«

Sie förderte drei weitere zutage und lieferte sie ebenfalls ab. »Zufrieden?«

»Ich bin erst dann zufrieden, wenn ich mir in Miami meine Prämie abholen kann.« Er begleitete sie zur Toilette, öffnete die Tür und steckte den Kopf hinein, um sicherzugehen, dass es keinen zweiten Ausgang gab.

Es gab keinen. Die Toilette war ein winziger, fensterloser Raum mit einem Klo, einem Waschbecken und einem Regal voller Putzutensilien. Catherine schlug ihm die Tür vor der Nase zu, verriegelte sie hinter sich und ging zum Waschbecken, wo sie sich mit beiden Händen auf das kühle Porzellan stützte. Sie ließ den Kopf nach vorne sinken und holte ein paar Mal tief Luft. Dann hob sie den Kopf und betrachtete sich in dem fleckigen Spiegel.

Okay, sie würde es schaffen – so schwer konnte es schließlich nicht sein, oder? Sie musste nur eine klitzekleine Szene machen und dabei gerade so viel Theater veranstalten, dass der Busfahrer keine Lust hatte zu warten, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Sie konnte und sie würde es tun, wenn sie damit erreichte, dass sie McKades geliebten Zeitplan durcheinander brachte.

Denk bloß nicht darüber nach, wie idiotisch du dir dabei vorkommen wirst. Sie holte noch einmal tief Luft, straffte die Schultern und wandte sich zur Tür. In selben Augenblick, als sie die Hand nach dem Riegel ausstreckte, begann von außen jemand dagegenzuhämmern. Sie fuhr erschrocken zusammen und zog die Hand zurück.

»Machen Sie auf, Red. Es geht gleich weiter.«

Catherine starrte auf den Riegel und trat einen Schritt zurück. Genau, das war die Lösung. Es war gar nicht nötig, draußen im Café eine Szene zu machen. Warum war ihr das nicht früher eingefallen? Sie konnte einfach hier drinbleiben.

»Red! Machen Sie endlich auf!«

»Nein.« Das klang etwas zu kläglich und leise, und sie räusperte sich und versuchte es noch einmal. »Nein.«

Einen Augenblick herrschte Stille. Dann kam es leise und drohend zurück: »Was haben Sie gesagt?«

»Ich sagte Nein. Ich komme nicht raus:«

Er donnerte mit der Faust gegen die Tür. »Bewegen Sie Ihren Hintern da raus, oder ich breche die verdammte Tür auf!«

»Hey«, ließ sich jetzt eine ärgerliche Frauenstimme vernehmen. »Was ist denn da los?«

»Das geht Sie nichts an, Lady«, knurrte Sam.

»Das hier ist mein Café, Mister – deshalb geht es mich sehr wohl etwas an. Vor allem, wenn ich höre, dass ein Gast damit droht, mein Eigentum zu beschädigen.«

»Hören Sie, Sie verstehen nicht –«

»Ma’am?«, rief Catherine durch die geschlossene Tür. »Können Sie ihn nicht wegschicken, bitte? Ich bin schwanger«, improvisierte sie drauflos. »Und er hat gesagt, er würde sich um mich kümmern. Ich dachte, er meint damit, dass wir heiraten, verstehen Sie? Aber er will mich in eine Klinik bringen und verlangt von mir, dass ich...« Sie beendete den in klagendem Ton vorgebrachten’ Satz mit einem Schluchzen. »Er hat gesagt, der kleine Sammy wäre gar nicht von ihm, obwohl er genau weiß, dass ich mit keinem anderen Mann zusammen war –«

»Das ist eine verdammte Lüge!« Sam konnte es nicht fassen. Um ihn herum begannen sich bereits die Leute zu scharen, die Besitzerin des Cafés sah ihn an, als sei er die niedrigste Lebensform auf Erden, und der Busfahrer blickte auf seine Uhr. »Ich habe sie niemals angerührt.«

Irgendwo in der immer größer werdenden Gruppe gab ein Mann ein ungläubiges, verächtliches Schnauben von sich, und Sam wirbelte herum und funkelte ihn wütend an. »Ist vielleicht was?«, fragte er den Mann mitten ins Gesicht.

»Wir alle haben sie gesehen, mein Freund«, sagte der Mann. »Und wir haben gesehen, dass Sie ihr keinen Schritt von der Seite gewichen sind. Und da sollen wir Ihnen glauben, dass Sie Ihre Finger von ihr gelassen haben?«

»Es interessiert mich einen feuchten Kehricht, was Sie glauben oder nicht. Und wenn ich ihr keinen Schritt von der Seite gewichen bin, dann deshalb, weil ich für ein Kautionsbüro arbeite und sie gegen die Kautionsauflagen verstoßen hat.«

Ein anderer Mann lachte hämisch auf. Sam erkannte in ihm den Typen von der anderen Seite des Gangs, der so fasziniert von Catherines Hintern gewesen war. »Keine schlechte Art, sein Geld zu verdienen«, sagte der Typ trocken. »Da muss man Tag und Nacht zusammen sein, was? Und immer Körperkontakt... aber ich nehme an, das gehört auch zum Job, oder? Sie wollen ja schließlich nicht, dass sie sich im Schlaf davonmacht.« Er warf an Sam vorbei einen Blick auf die verschlossene Toilettentür und grinste lüstern. »Kann ich Ihnen nicht verdenken. Ich hätte nichts dagegen, mit der ein bisschen Räuber und Gendarm zu spielen.«

»In drei Minuten geht’s weiter, Leute«, verkündete der Busfahrer.

Sam wirbelte herum und hämmerte erneut gegen die Tür. »Okay, Red, es reicht. Entweder kommen Sie jetzt raus, oder ich trete die Tür ein.«

»Wenn Sie das tun, werden Sie mir die Tür bezahlen«, sagte die Besitzerin.

»Himmel.« Sam verspürte den starken Drang, auf irgendetwas einzuschlagen, aber er beherrschte sich. »Würden Sie mir dann wenigstens einen Schraubenzieher geben? Damit ich die Angeln abschrauben kann.«

»Nein.«

Er hätte es in drei Minuten sowieso nicht geschafft. Sam schlug mit der Stirn gegen die Tür und stieß eine Reihe Flüche aus, die schlimmsten, die er kannte.

»Auf geht’s, Leute, alle wieder einsteigen.«

»Sammy?«, drang Catherines Stimme durch die Tür. »Sei nicht böse auf mich. Bitte. Wenn du mich nicht heiraten willst, dann lass mich wenigstens nach Hause zu Mom fahren. Es ist dein Baby, Sam. Ich kann es einfach nicht wegmachen lassen.«

Sam merkte, dass die belustigte Stimmung der Zuschauer um ihn herum umzuschlagen drohte – diese Runde hatte der Rotschopf wohl gewonnen. Er wandte sich an den Busfahrer. »Lassen Sie mich wenigstens unser Gepäck aus dem Bus holen.«

»Ich darf den Laderaum unterwegs nicht aufmachen«, erklärte ihm der Fahrer wenig hilfsbereit. »Wir haben unsere Bestimmungen.«

»Das verstößt nicht gegen Ihre Bestimmungen. Unsere Sachen sind auf der Gepäckablage im Bus.«

»Na gut, wenn das so ist. Letzter Aufruf, Leute. Wir fahren weiter.«

Während die anderen Fahrgäste zum Bus gingen, um wieder einzusteigen, packte Sam den Fahrer am Arm. »Was ist mit unseren Fahrscheinen?«

»Wenden Sie sich an Darcy.« Der Fahrer deutete auf die Besitzerin des Cafés. »Sie ist hier dafür zuständig. Sie wird Ihnen neue Fahrscheine für den nächsten Bus ausstellen.«

»Der wann fährt?«

»Sehe ich wie ein wandelnder Fahrplan aus? Fragen Sie Darcy.« Der Fahrer, der endlich weiterkommen wollte, schüttelte Sams Hand ab und stieg in den Bus. »Jetzt machen Sie schon«, fuhr er Sam an, als dieser ihm nicht sofort folgte. »Ich gebe Ihnen dreißig Sekunden, um Ihr Gepäck zu holen. Ich habe schließlich einen Fahrplan einzuhalten.«

Zwanzig Sekunden später war Sam wieder draußen, und die Tür schloss sich hinter ihm. Im nächsten Augenblick war von dem Bus, der um die nächste Biegung verschwand, nur noch eine Abgaswolke auf dem Parkplatz zurückgeblieben.

Das Erste, was Sam sah, als er mit der Schulter die Eingangstür des Cafés aufstieß, war Catherine. Sie saß am Tresen und nippte an einer Tasse mit einer dampfenden Flüssigkeit, während Darcy auf sie einredete. An einem Ecktisch saßen drei Kellnerinnen, die sich mit hochgelegten Füßen bei einer Tasse Kaffee und einer Zigarette eine Pause gönnten. Er fragte sich, wie wohl seine Chancen standen, wenn er eine Zigarette zu schnorren versuchte. Vermutlich ziemlich schlecht. Er ließ das Gepäck auf den Boden fallen und ging zur Besitzerin des Cafés, wobei er es tunlichst vermied, seine hinterhältige Gefangene auch nur anzusehen, weil er befürchtete, er könnte sich vergessen und ihr den hübschen weißen Hals umdrehen. »Der Busfahrer hat gesagt, Sie würden uns neue Fahrkarten ausstellen.«

»Hm.« Darcy sah ihn missbilligend an. Immerhin hörte sie auf, Catherine den Rücken zu tätscheln, und ging zum anderen Ende des Tresens, wo ein Computer stand. Sie stellte Sam ein paar Fragen und tippte auf der Tastatur die nötigen Angaben ein, um neue Fahrkarten auszudrucken.

Ihr geschäftsmäßiges Gebaren behielt sie genau so lange bei, wie sie dafür brauchte. Dann bedachte sie ihn wieder mit einem Blick, als sei er gerade unter einem Stein hervorgekrochen.

»Sie hatten Ihren Spaß mit der jungen Frau«, zischte sie voller Verachtung, als sie ihm die Fahrkarten aushändigte. »Jetzt zeigen Sie, dass Sie ein Mann sind, und stellen Sie sich der Verantwortung.«

Angefangen bei den Jungens in dem Viertel, in dem er aufgewachsen war, bis hinauf zu seinen Vorgesetzten in der Armee hatte Sam sein ganzes Leben lang einiges einstecken müssen, und für gewöhnlich nahm er es mit stoischer Gelassenheit hin, ohne darauf zu reagieren. Er hatte sich die Devise zu Eigen gemacht, dass man es diese Idioten niemals merken lassen durfte, wenn sie einen damit trafen. Dieser von einer völlig Fremden und in verächtlichem Ton vorgebrachte Vorwurf war jedoch so ungerecht, dass sich alles in ihm dagegen auflehnte. »Wir wollen doch mal eines klarstellen«, knurrte er und beugte sich näher zu der Besitzerin des Cafés. »Sie kennen mich nicht, aber Sie sind der Meinung, ich sollte Red heiraten und ihr Kind großziehen.«

»Nach dem, was sie sagt, ist es auch Ihr Kind, Mister.«

Er lachte bitter. »Richtig. Mein Kind. Das Kind, das ich ihr angehängt habe, während ich meinen Spaß hatte.« Das war wirklich gut. Er hatte sich nach Kräften bemüht, sich professionell zu verhalten – und was hatte es ihm gebracht? Er musste sich beschimpfen lassen, ohne das Geringste getan zu haben!

Zum Teufel damit. Der Rotschopf beging einen großen Fehler, wenn sie sich mit ihm anlegen wollte, solche Spielchen beherrschte er besser. Er schluckte seinen Ärger hinunter und brachte ein halbherziges Lächeln zustande. »Tja, Miss Darcy, was soll ich sagen? Wo Sie Recht haben, haben Sie Recht.« Er stopfte die Fahrkarten in seine Brusttasche, machte auf dem Absatz kehrt und ging schnurstracks zu Catherine, die noch immer am Tresen saß.

Sie hatte ihn misstrauisch aus dem Augenwinkel beobachtet und drehte sich jetzt zu ihm um, als sie sah, dass er auf sie zukam. Ihr Sieg hatte ihre Laune entschieden verbessert, gleichzeitig war ihr aber auch etwas mulmig zumute, und sie wappnete sich gegen das, was als Nächstes kommen würde. Sam musste vor Wut außer sich sein, und dabei wusste er noch nicht einmal, dass der nächste Bus erst in einer kleinen Ewigkeit fuhr. Sie war sich nicht sicher, ob sie über ihren Erfolg jubeln oder Angst um ihr Leben haben sollte, wenn er davon erfuhr. Sein Gesicht zeigte nichts außer Entschlossenheit, aber das hieß noch lange nicht, dass kein Blut fließen würde.

Das Letzte, womit sie gerechnet hätte, war, dass er ein Bein über ihren Hocker schwingen und sich rittlings auf sie setzen würde. Dann umfasste er mit beiden Händen ihren Kopf und presste seinen Mund auf ihre Lippen.

Unerklärlicherweise reagierte ihr Körper darauf, als hätte er einen Stromstoß erhalten. Dieses Gefühl wich allerdings sofort darauf Empörung. Sie hörte die Kellnerinnen nach Luft schnappen und griff nach oben, um seine Hände zu packen und sie wegzustoßen, aber genauso gut hätte sie versuchen können, einen Felsen zu bewegen, und im Übrigen hob er den Kopf sowieso gerade wieder. Sein Mund schien sich jedoch nur widerstrebend von dem ihren zu lösen. Er zögerte es bis zum letzten Augenblick hinaus, und sein Kuss brannte wie Feuer auf ihren Lippen. Verzweifelt bemüht, die Gefühle, die unwillkürlich in ihr aufstiegen, zu ignorieren, zerrte sie an seinen Handgelenken, aber seine Hände hielten weiterhin ihren Nacken umfasst, und seine Daumen pressten sich fest gegen ihre Wangen. Sobald seine Lippen ihren Mund freigaben, versetzte sie ihm einen heftigen Stoß gegen die Brust und fuhr ihn an: »Was soll das, Mc –«

»Ich bin ein Schwein«, murmelte er und senkte den Kopf, um mit seinem Mund die empfindliche Stelle hinter ihrem Ohr zu berühren. Seine Hände hielten ihren Kopf, während seine Lippen über ihren Hals strichen. »Das, was Sie gestern über das Geld gesagt haben, war völlig richtig«, flüsterte er und begann an ihrem Hals zu saugen. Schließlich ließ er sie los, fuhr mit dem Daumen über die Stelle, an der er einen Knutschfleck hinterlassen hatte, wie Catherine befürchtete, und sah sie mit seinen durchdringenden goldfarbenen Augen an. »Es tut mir Leid, Liebling. Ich werde mich um dich und das Baby kümmern. Das verspreche ich dir. Ich tu alles, was du willst.«

Catherine erstarrte. Oh, dieser Mistkerl. Dieser skrupellose, unverschämte Mistkerl. Er wendete einfach ihre Geschichte gegen sie. Sie presste ihre Oberschenkel zusammen. Und einen kurzen Augenblick lang, zu ihrer größten Beschämung –

Plötzlich trat er einen Schritt zurück und zog sie von ihrem Hocker, wirbelte sie herum und schlang seine Arme um sie. Er legte eine seiner riesigen Hände auf ihren Bauch und drückte sie gegen seine Brust und seine festen, warmen Oberschenkel. Sie spürte etwas Hartes in ihrem Rücken.

Oh Mann, kam es ihr nur so vor, oder war es hier drin wirklich auf einmal unerträglich heiß? Ein Blick auf Darcy überzeugte Catherine davon, dass es nicht ihr allein so ging, auch der älteren Frau schien es plötzlich warm geworden zu sein. Sie starrte sie mit offenem Mund an, während sie sich Kehle und Nacken mit einem Taschentuch abtupfte.

»Wann fährt der nächste Bus, Miss Darcy?« Sams tiefe Stimme vibrierte zwischen Catherines Schulterblättern.

Darcy musste sich zweimal räuspern, bevor sie antworten konnte. »Äh, um neun Uhr. Morgen früh.«

Catherine spürte, wie Sam erstarrte. »Morgen?« Seine Stimme klang gefährlich leise. »Vor morgen fährt kein Bus mehr?«

»Nicht nach Osten.«

Sams Arme legten sich so fest um Catherine, dass sie einen leisen Schreckenslaut von sich gab. Sofort lockerte er seinen Griff, aber seine Muskeln fühlten sich weiterhin so hart wie Granit an. »Gibt es hier in der Nähe ein Motel? Irgendwas, was nicht so teuer ist?«

Die Kellnerinnen überstürzten sich fast, ihm alle nötigen Informationen zu geben. Ein paar Minuten später hatte er erneut ihr Gepäck in der Hand, mit der anderen umklammerte er Catherines Handgelenk. »Also, es tut mir wirklich Leid, dass wir Sie nicht alle zu unserer Hochzeit einladen können, aber Sie müssen uns unbedingt besuchen, wenn Sie mal nach Florida kommen. Sam und Kaylee McK –«

»Catherine«, fiel sie ihm ins Wort. Sie sah die anderen Frauen mit düsterem Blick an. »Mein Name ist Catherine. Er scheint Schwierigkeiten zu haben, mich und meine Schwester auseinander zu halten.«

Ein hinterhältiges Grinsen stahl sich auf seine Lippen. »Nur im Dunkeln, Liebling«, sagte er und zog sie aus der Tür. Es war nicht zu übersehen, dass er es genoss, das letzte Wort zu haben – ganz zu schweigen von dem zugleich faszinierten und entsetzten Ausdruck, den seine Bemerkung auf den Gesichtern der Kellnerinnen hervorgerufen hatte.

Das Lächeln verschwand allerdings rasch, als er die widerstrebende Catherine hinter sich her über den Parkplatz zerrte. Sie hatte das unangenehme Gefühl, dass er vor Wut kochte – und falls er versuchte, seiner Wut durch einen Kurzstreckensprint Herr zu werden, schien er damit keinen nennenswerten Erfolg zu haben. Das wurde ihr vollends klar, als er abrupt stehen blieb und sich zu ihr umdrehte. Ihr Gepäck landete in einer Staubwolke auf dem Boden.

»Der kleine Sammy?« Er packte sie bei den Schultern und baute sich vor ihr auf. »Wie zum Teufel sind Sie denn auf diese Idee gekommen?« Dann kniff er plötzlich argwöhnisch die Augen zusammen und sagte mit heiserer Stimme: »Scheiße, Red. Sie wollen mir doch hoffentlich nicht erzählen, dass Sie tatsächlich schwanger sind?«

Catherines Kinn schoss in die Höhe. »Natürlich bin ich nicht schwanger. Machen Sie sich doch nicht noch lächerlicher, als Sie ohnehin schon sind, McKade.«

»Lady, ich finde das überhaupt nicht lächerlich – ich finde es beängstigend. Die ganze Sache ist verfahren genug. Ich kann weiß Gott nicht auch noch irgendeinen Liebhaber brauchen, der sich an Ihre Fersen heftet, um eine ehrbare Frau aus Ihnen zu machen.« Dann gab er ein abfälliges Geräusch von sich. »Andererseits, um dieses Schauspiel mitzuerleben, würde ich sogar zahlen.«

»Aber klar doch. Als ob der größte Geizhals weit und breit sich auch nur von einem seiner hart erarbeiteten Dollars trennen würde.«

Sam schüttelte sie. »Verdammt noch mal, Sie sind wirklich nervtötend!«

»Ich tue mein Bestes.« Catherine zupfte übertrieben gelangweilt einen Fussel von seinem Hemd.

»Erklären Sie mir endlich, was diese Geschichte mit dem Baby sollte.«

Sie sah ihn hinterhältig an. »Eigentlich hatte ich vor, dem Busfahrer zu erzählen, dass Sie ein Mädchenhändler sind und mich über die Staatsgrenze schaffen wollen, um mich für Ihre unmoralischen Geschäfte zu benutzen. Das mit der Schwangerschaft ist mir eingefallen, als sie in ihrer typischen Rücksichtslosigkeit an die Tür gehämmert haben, und ich habe beschlossen, es stattdessen damit zu versuchen. Bei meiner ursprünglichen Idee bestand für Sie immerhin die Möglichkeit, sich rauszureden, indem Sie mit Ihren bescheuerten Papieren herumwedeln, aber bei der anderen Geschichte war das nicht so einfach, oder?« Er starrte sie wütend an, und sie zuckte die Achseln. »Es schien mir das Schlaueste.« Plötzlich fiel ihr wieder ein, wie er auf ihren Bluff reagiert hatte, und sie wand sich unbehaglich hin und her, um seine Hände abzuschütteln. »Lassen Sie mich los.«

Statt sie loszulassen, packte er sie nur noch fester. Sie spürte, wie sich sein Brustkorb bei jedem seiner Atemzüge gegen ihren Busen drückte. »Himmel«, presste er zwischen den Zähnen hervor. »Sie sind die größte Lügnerin, die mir jemals begegnet ist.«

Catherine zuckte mit den Schultern. »Ach ja?«

»Ja. Sie sind ein billiges, verwöhntes, kleines Miststück.«

Catherine sah ihm ins Gesicht und gähnte demonstrativ. »Herrje«, murmelte sie. »Wie soll ich bloß jemals wieder ein Auge zubekommen, wenn Sie eine so schlechte Meinung von mir haben?«

Küssen auf eigene Gefahr

Подняться наверх