Читать книгу Buntspecht und Anton - Susanne Bonn - Страница 8
Erde / 03
ОглавлениеSteffi machte sich nichts aus Fastnacht. Meistens musste sie an dem betreffenden Wochenende ohnehin arbeiten, diesmal auch. Nur ging ihr der Mann nicht aus dem Kopf, den sie in der Spirit-Welt am Ableger getroffen hatte. Könnte der nicht die Gelegenheit nutzen, im allgemeinen Trubel wieder aufzutauchen? In seinem schwarzen Mantel, wie er war, damit sah er verkleidet genug aus ...
Sie musste aufhören, an ihn zu denken, und sich auf die Bestellung konzentrieren, die sie zusammenstellte. Daniel, Jeanette und Hans-Peter spielten an diesem Freitagabend ohne sie bei der Konkurrenz in Fremersheim. Sie hatte sich aus der Veranstaltung rechtzeitig ausgeklinkt, weil sie wusste, dass sie nicht freinehmen konnte. Trotzdem zog es sie dort hin. Das Tanzfest würde vermutlich länger gehen. Wenn sie ihr Buffet geliefert hatte, konnte sie vielleicht einmal vorbeischauen. Und sei es nur, um festzustellen, dass im Goldenen Lamm kein geheimnisvoller Fremder auf sie wartete.
Egal. Wenn sie sich endlich auf ihre Arbeit konzentrierte, konnte sie rechtzeitig fertig werden und nach Fremersheim fahren.
Als sie auf den Parkplatz gegenüber der Wirtschaft einbog, saß dort ein kleiner blonder Wikinger und spielte mit einer Katze.
Die hatte sie schon einmal gesehen. Den Jungen sowieso, das war Daniels Anton, der mit dem Plastikhelm mit Stummelhörnchen noch seltsamer aussah als sonst. Aber auch die Katze. Es war eindeutig dieselbe, die sie vor ein paar Tagen zu dem Traummann mit Spindel geführt hatte. War er am Ende doch in der Nähe?
„Hallo, Anton“, sagte sie, als sie ausgestiegen war.
„Hallo, Steffi“, murmelte der Junge. Ohne aufzublicken hielt er der Katze einen Grashalm hin, nach dem sie angelte.
„Wem gehört denn die Katze?“, fragte Steffi weiter.
„Keine Ahnung, aber sie ist nett.“ Anton griff nach dem Tier, und es ließ sich brav hochheben.
„Kommst du mit rein?“ Ihr war es nicht geheuer, dass Anton allein so nah an der Straße spielte.
Er schüttelte den Kopf, ganz auf die schwarze Katze konzentriert.
„Na gut. Ich sag Daniel, dass du hier bist.“
Daniel stand mit Jeanette und Hans-Peter auf der Bühne und fiedelte, was das Zeug hielt. Hans-Peter versuchte sich auf der Bodhran, gar nicht mal so schlecht für einen alten Möchtegern-Cowboy. Da musste Steffi sich in Zukunft ja fast anstrengen, um nicht am Ende ausgebootet zu werden. Und mehr Zeit für Auftritte finden. Sie sog scharf die Luft ein. So viel Geld kam bei Loh und den Lichtern nicht herum, dass sie weniger hätte arbeiten können.
Egal. Nicht aufregen. Was zu trinken holen, eine Runde tanzen. Auf dem Weg zum Tresen schaute sie sich nach einem Partner um. Aber keiner fand Gnade vor ihren Augen. Entweder waren die Leute schon betrunken oder auch nüchtern ziemlich sonderbar. Steffi winkte in Richtung Musik, dann ging sie wieder nach draußen.
Anton saß noch immer auf dem Parkplatz und streichelte die Katze.
„Wird dir nicht langsam kalt?“, fragte Steffi.
Geistesabwesend schüttelte Anton den Kopf.
„Das glaub ich dir nicht“, widersprach Steffi. „Du zitterst ja total, und Gänsehaut hast du auch. Komm mal lieber mit rein.“
Da sprang die Katze von Antons Schoß und verschwand unter einem Strauch am Rand des Parkplatzes. Bildete sich Steffi das nur ein, oder hatte sie einen leisen Pfiff gehört?
Und wenn schon. Katzen ließen sich nicht auf diese Art herumkommandieren.
„Jetzt hast du ihn verscheucht“, beschwerte sich Anton.
„Dann kannst du ja auch mit reingehn.“ Steffi griff nach seiner Hand. Schmollend folgte ihr der Junge in den Saal.
„Ich glaub, die warten auch schon auf dich“, sagte Steffi und bahnte sich einen Weg zur Bühne.
Die drei Musikanten hatten gerade eine Tanzrunde beendet. Jeanette und Hans-Peter steckten die Köpfe zusammen, Daniel schaute sich im Saal um und winkte gleich heftig. „Da biste ja“, sagte er zu Anton, als sie nahe genug herangekommen waren. „Wir machen jetzt noch dein Set und dann geht’s heim.“
„Hey, die Steffi ist da!“, rief Hans-Peter. „Dann komm ich ja heut doch noch zum Klampfen.“
Darauf war sie nicht vorbereitet. Egal. Antons Set bestand aus den ältesten Schlagern, die die Band im Programm hatte. Die konnte sie im Schlaf trommeln. Und Hans-Peters Bodhran hatte sie auch schon in der Hand gehabt. Sie schlug probehalber ein paar Takte.
Von der anderen Seite der Bühne kam eine gelb karierte Jacke aus Fastnachtsseide geflogen. „Zieh dir was Anständiges an!“, rief Jeanette.
„Ja, Mama.“ Dabei sah sie bereits in ihrer Arbeitsuniform mit brauner Hose, grünem, laubgemustertem Oberteil und rot-gelbem Käppi lächerlich genug aus.
Jeanette tauschte den Dudelsack gegen die Querflöte, und sie spielten Emma, Branle d’Ecosse und den fröhlichen Kreis, den jede Band auf jedem Tanzfest spielte. Dann wurde es Zeit, einzupacken, damit die Stars des Abends aufbauen konnten. Steffi beeilte sich, von der Bühne zu kommen. Mit An Coileach wollte sie nicht gesehen werden.
Außerdem wartete dort draußen ... ach was. Niemand wartete auf sie. Trotzdem marschierte sie zum Auto, als ob es auf jeden Augenblick ankäme. Bevor sie startete, schaute sie sich aufmerksam um. Nicht, dass die Katze noch irgendwo saß und unter die Räder kam.
Nein, von der Katze war keine Spur zu sehen, aber auf ihrer Motorhaube saß die Elster, die krächzte wie eine Krähe. Dieses Wesen hatte sie in der Spirit-Welt gesehen, am gleichen Tag wie den Fremden mit den grünen Augen.
Der Vogel hüpfte konzentriert auf dem Auto herum und krächzte ihr etwas vor. Das war auch keine Krähe, das da war ein Rabe, und was er da von sich gab, hatte fast eine Sprachmelodie.
„Wer bist du denn?“, fragte Steffi
Der Rabe gab Antwort, sie verstand ihn nur nicht. „Meine Uroma hatte einen Raben, der hieß Rocko Coco. Vielleicht heißt du ja auch so?“
Anscheinend nicht. Er schlug kräftig mit den Flügeln und verschwand in der Dunkelheit.
Als sie ins Auto stieg, sah sie das Gesicht des Mannes mit der Spindel zwischen den Sträuchern leuchten wie ein Gespenst. Für ihn hatte sie noch gar keinen Namen, nicht mal einen lächerlichen. „Geheimnisvoller Fremder“ klang romantisch, aber auf die Dauer wollte sie mehr über ihn wissen. Oder sich wenigstens etwas ausdenken, womit sie träumen konnte.
Höchste Zeit für Feierabend. Wenn nur dieses Wochenende schon vorbei wäre. Danach konnte es nur besser werden. Bis zum Ostereiermarkt. Ob dann der Fremde immer noch in der Gegend wäre? Im Geist sah sie sich schon mit ihm durch Kaidenbach schlendern und Ramona von An Coileach großzügig angrinsen.