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Kapitel 2

Das Schloss besaß eine große Zahl von Räumen, Gängen, große und kleine Hallen und Rondelle, war verwinkelt gebaut und stand bereits seit der Tudorzeit. Celestes Ur- und Großvater hatten das Anwesen stetig durch Anbauten vergrößert; selbst ihr Vater hatte das Seinige beigetragen. Den größten Teil hatte, nach Celestes Erzählungen, jedoch ihr Urgroßvater Reginald gebaut. Jedenfalls war die Anlage durch die vielen baulichen Veränderungen immer größer und zunehmend unüberschaubarer geworden. Sich hier zurechtzufinden, war beinahe ein Kunststück. Celeste hatte die vielen versteckten Winkel als Kind oft dafür genutzt, den Strafpredigten ihres Vaters zu entkommen, von denen es reichlich gab. So kannte sie dieses Gemäuer wie Primes seine Westentasche.

Nach einer gefühlten Ewigkeit und einer Wanderung durch endlose Flure, gelangten sie in den Westflügel des Gebäudes und in das Zimmer, in dem das Collier in der Kassette, bis zum mutmaßlichen Diebstahl, befunden hatte.

Der Raum war so groß, dass drei Sechsspänner samt Landauer bequem darin Platz gefunden hätten. Celestes Vater liebte große Räume, auch wenn diese schlecht zu beheizen waren. Er hatte ihr einmal erzählt, dass er sich in kleinen Räumen unwohl fühlte, obwohl er sonst ein durchaus unerschrockener Mann war, der sich im zweiten Opium-Krieg gegen das Kaiserreich China zwischen 1856 und 1860 einen Namen als Kommandant einer Gurkha-Einheit gemacht, und unter Führung des Generals James Hope Grant an den Schlachten um Pei Tang, Dagu und Peking teilgenommen hatte. Später war er dafür von Queen Victoria mit dem ›Victoria Cross‹ ausgezeichnet worden. Celeste war mit den Kriegserzählungen ihres Vaters aufgewachsen, die sie auswendig Wort für Wort nacherzählen konnte, so oft hatte sie diese bereits gehört. Sir Andrew wurde zudem nicht müde, sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit damit zu brüsten.

»Weiß Ihre Gattin von dem Verlust?«, erkundigte sich Primes, kaum, dass sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.

Lord Montgomery fuhr herum und sah ihn strafend an.

»Sie sind wohl von allen Geistern verlassen, Inspector!«, fauchte er.

Primes wurde ärgerlich, ließ sich aber nichts anmerken. Mit den Zähnen knirschte er dennoch.

»Wenn er sich mit der Sache befassen soll, wie Sie es wünschen, möchte ich Sie bitten, seine Fragen zu beantworten, ohne gleich wütend zu werden, Vater«, mischte sich Celeste leise, doch mit einer gewissen Schärfe, ein.

Sir Andrew wippte leicht zuckend mit dem Kopf. Ein Zeichen seiner inneren Anspannung.

»Natürlich weiß sie nichts. Ich habe den Verlust schließlich erst vor wenigen Minuten entdeckt. Elisabeth schläft bereits.« Er öffnete einen alten Sekretär, zog ein Fach heraus und deutete auf eine hölzerne Kassette. »Hierin lag das Collier.« Er öffnete die Holzschatulle, in der ein kleiner Schlüssel steckte.

»Und bitte ... was sieht man darin? Nichts. Leere. Das ist alles.« Sein Blick war überheblich. »Genau so, wie ich es bereits gesagt habe. Man könnte meinen, Sie halten mich für senil, Inspector.«

»Durchaus nicht, Sir«, erwiderte Primes beherrscht. »Der erste Schritt ist jedoch stets die Aussagen der Zeugen zu überprüfen. Würden wir das nicht tun, dann könnte man uns Nachlässigkeit vorwerfen. Deshalb sollten wir uns von der Richtigkeit der Angaben überzeugen, denken Sie nicht auch, Sir?«

Sir Andrew brummte etwas Unverständliches, ließ es dann aber zu, dass Celeste und Primes sich mit einem kurzen Blick von der Richtigkeit seiner Angabe überzeugten.

»Hatten Sie den Schlüssel zur Kassette bei sich, Mylord?«, fragte Primes.

»Nein. Der liegt stets drüben im Schreibtisch, mittlere Schublade.«

»Ist diese ebenfalls verschlossen?«, hakte Celeste nach und sah ihren Vater fragend an.

»Manchmal ja, manchmal nein«, musste er eingestehen. »Nicht, dass es dich etwas anginge.«

»War sie es heute?«

»Nein. Der Schlüsselbund steckte.«

»Hätten Sie das kostbare Collier nicht im Tresor einschließen können?« Sie zeigte auf ein eisernes Ungetüm schräg gegenüber seines Arbeitsplatzes.

»Der ist überfüllt.«

»Haben Sie nur den einen?«, meldete sich Primes zu Wort.

»Durchaus nicht ... aber ich muss gestehen, es sind ebenfalls Sachen darin, die ich nicht unbedingt herausnehmen möchte.«

Primes stand so nahe bei seiner Lordschaft, dass ihn die Whiskyfahne, die ihm entgegenschlug, beinahe betäubte. Es war Celeste anzusehen, dass der Zustand ihres Vaters ihr sichtlich peinlich war, denn sie wusste, dass Primes kein sehr gutes Bild von ihm zu erlangen vermochte, so betrunken wie er im Moment war und sich verhielt.

»Ist der Sekretär immer verschlossen?«, wollte er erneut wissen.

»Nein, wie ich bereits sagte. Das heißt, ich hatte ihn verschlossen, seit das Collier in der Schatulle lag.«

»Darf ich fragen, wann genau Sie es gekauft haben, Vater?« hakte Celeste nach.

»Das war ... Moment, ich muss kurz darüber nachdenken ... das war am einundzwanzigsten November.«

Während Celeste ihn das fragte und der Earl antwortete, betrachtete Primes das Zimmer. Alle Einrichtungsgegenstände waren wertvolle Stilmöbel, denen der Hauch der Jahrhunderte anhaftete, und die sicher ein Vermögen wert waren. Weit mehr, als er in seinem Leben als Polizist zu verdienen in der Lage gewesen wäre. Manche dieser Möbelstücke mochten gar den Gegenwert eines Jahresgehalts betragen, das er von Scotland Yard erhielt.

»Sind Sie sicher, dass Sie das Collier ausschließlich in dieser Kassette aufbewahrt haben?« Celeste hatte die mit Schnitzereien verzierte Schatulle in die Hand genommen und musterte sie eindringlich von allen Seiten.

»Himmel!« Seine Lordschaft hatte genug. »Ich bin doch kein Narr! Ich traf am dreiundzwanzigsten November wieder hier ein, habe das Collier in die Kiste gelegt ... und, wie ich beteuern möchte, niemals an einen anderen Platz«, stieß er erregt aus. »Ich verbitte mir deine Impertinenz!«

»Haben Sie es oft herausgenommen und betrachtet?«, wollte Primes wissen, dem Celeste bereits leid tat. Mittlerweile konnte er erahnen, warum sie sich gesträubt hatte, hierher zu kommen.

»Jeden Abend, Inspector. Jedes Mal vor dem Zubettgehen habe ich mich davon überzeugt, dass es noch dort liegt, wo es hingehört. Es hat mir zudem Freude bereitet, es zu betrachten, denn es ist eine erlesene Arbeit, von einem Juwelier großen Talents gefertigt.«

Celestes Vater öffnete den Likörschrank und schenkte drei Gläser voll.

»Bitte«, knurrte er und wies auf die Gläser.

»Nein, danke, Sir. Ich möchte jetzt nicht«, wehrte Primes ab, der sich anstelle nach dem Glas zu greifen, eine Zigarette aus dem Päckchen in seiner Jackentasche holte und an der Flamme einer auf der Schreibtisch stehenden Kerze entzündete.

Celeste schwieg.

»Nun nehmen Sie schon, Inspector Primes«, drängte ihr Vater.

Primes sah seiner Lordschaft direkt in die Augen. Es war klar, dass er sich der Aufforderung nicht widersetzen konnte.

Celeste und er leerten die Gläser. Es war ›Chartreuse Jaune‹ – ein milder, gelber Kräuterlikör – dessen Geschmack Primes nicht mochte und er konnte gerade noch verhindern, dass es ihn schüttelte. Auch Celeste schien nicht gerade begeistert davon zu sein, so wie sie ihr Gesicht verzog. Lord Montgomery wollte sofort wieder einschenken, aber die beiden hielten ihre Hände über ihre Gläser.

»Danke, Sir«, kommentierte Primes, »aber ich muss einen klaren Kopf behalten, wenn ich Ihnen bei der Suche nach dem Collier behilflich sein soll.«

»Dann trink du wenigstens mit mir, Celeste«, forderte er seine Tochter auf.

»Nein, danke, Vater«, lehnte sie ab. »Sehr aufmerksam von Ihnen. Wie Sie wissen vertrage ich nicht viel. Ich möchte verhindern, dass mir der Alkohol allzuschnell zu Kopf steigt. Zudem hatte ich bereits Wein zum Abendessen.«

»Also sowas«, entrüstete er sich und sah seine Tochter an. »Dass du nicht trinkst, kann ich ja noch verstehen, aber der Inspector?« Er warf Primes einen abfälligen Blick zu. »Was sind Sie denn für ein Mann? Sagen Sie mal, haben Sie eigentlich gedient?«

»Vater, lassen Sie das!«, versuchte Celeste ihn zurückzuhalten.

Verständnislos schüttelte er den Kopf und schenkte sich noch einmal nach.

Primes hatte die Kassette bislang nicht in die Hand genommen: »An der Schatulle würde ich vermutlich nur Ihre Fingerabdrücke und die Ihrer Tochter finden, oder hat noch jemand das Ding in den Händen gehabt?«

»Nein.«

»Nun ja ... es wird wohl auch nicht viel bringen. Wir dürfen sicher davon ausgehen, dass der Dieb inzwischen weiß, wie man Abdrücke vermeidet, die wir untersuchen könnten. Es stand ja mittlerweile in allen Zeitungen, dass wir Täter immer häufiger damit überführen.« Er sah Celestes Vater an. »Jetzt eine wichtige Frage, Mylord: Haben Sie jemanden Ihrer Angestellten in Verdacht?«

»Jeden!« erwiderte Sir Andrew sofort und ohne weiter darüber nachzudenken. »Alles ehrlose Speichellecker.«

»Tatsächlich?«, fragte Primes ungläubig, ob dieser Antwort, alle Bediensteten unter Generalverdacht zu stellen.

»Ja.«

»Dann scheinen Sie in der Wahl ihrer Hausangestellten verdammt unvorsichtig gewesen zu sein«, konnte er sich nicht verkneifen zu sagen.

»Meine Frau Elizabeth hat sie eingestellt, als wir heirateten«, erklärte Celestes Vater und machte eine wegwischende Bewegung. »Ich hielt es für Frauenkram, doch ich hätte mich besser selbst darum kümmern sollen.«

»Mein Vater hat vor drei Jahren wieder geheiratet«, ergänzte Celeste. »Meine Mutter starb, als ich noch ein Kind war.«

»Wurden alle von Ihrer Gattin eingestellt?«, wollte Primes wissen.

»Bis auf James. Der war schon vorher hier.«

»Und Walter«, ergänzte Celeste lächelnd. »Aber ihn können Sie von Ihrer Liste streichen. Walter ist schon immer ein Freund der Familie gewesen« In Richtung Primes fügte sie hinzu: »Er ist unser Stallmeister.«

»Gut«, nickte er ihr zu und wandte sich wieder an ihren Vater. »Wieviele Jahre arbeitet James bereits für sie?«

»Vier ...«

»Haben Sie ihn auch in Verdacht?«, hakte Primes nach.

»Zu meinem Bedauern, ja!«

»Ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Sie sagen, dass er bereits seit vier Jahren für Sie arbeitet.« Primes schüttelte ungläubig den Kopf. »Hat er schon einmal etwas getan, das einen solchen Verdacht rechtfertigen könnte?«

»Nein, Inspector. Aber ich traue ihm jeden Diebstahl zu. Er ist ein unheimlicher Kerl.«

»Wieso?« Celeste sah ihn verwirrt an.

»Das frage ich mich auch«, sagte Primes überrascht. »Sie müssen einen Grund haben, so etwas zu vermuten.«

»Der Mann wirkt auf mich wie ein Rabe oder eine diebische Elster. Er schielt immer auf das Tafelsilber, als würde er sich bereits überlegen, wie er es ungesehen aus dem Haus schaffen könnte. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob noch alle Teile des Bestecks vorhanden sind«, knurrte Lord Montgomery.

»Sie verdächtigen also jeden Ihrer Bediensteten, James eingeschlossen?«, fragte Primes unverblümt.

»Hören Sie mir eigentlich nicht zu?«, regte sich Celestes Vater auf. »Ich sagte doch schon, dass mir die ganze Bande nicht gefällt! Ein einziges Pack, das mir meine Gattin da ins Nest gesetzt hat.«

»Ist es denkbar, dass Sie einer der Angestellten dabei beobachtet hat, wie Sie das Collier herausgenommen oder wieder hineingelegt haben, Vater?«

»Das ist schon möglich. Das Zimmer liegt ebenerdig. Dort drüben sind jede Menge Fenster, die wohl kaum zu übersehen sind. Man kann draußen stehen und den ganzen Raum beobachten.«

Ein Blick reichte, um Primes davon zu überzeugen.

»Um welche Zeit haben Sie heute die Schatulle geöffnet und den Verlust festgestellt?«

Lord Montgomery sah auf seine goldene Taschenuhr.

»Das war heute Abend … Ungefähr neun Uhr fünfundzwanzig.«

»Und Sie sind direkt im Anschluss zu uns gekommen?«, fragte Primes.

»Zuerst glaubte ich, aus der Haut zu fahren. Ich war so erschrocken, dass ich wie angewurzelt stehen blieb ...«

»Sie haben aber nicht an anderer Stelle im Sekretär gesucht?«

»Aber es lag nie an einer anderen Stelle, zum Donnerwetter!«, explodierte Celestes Vater. Er war so erregt, dass sich seine tiefe Stimme fast überschlug. Mit seiner Fraust donnerte so auf den Schreibtisch, dass die Likörgläser leise klirrten, die sie zuvor dort abgestellt hatten.

Während Celeste das Verhalten ihres Vaters unangenehm war, blieb Primes gelassen.

»Sie könnten das Collier gestern versehentlich an einen anderen Platz gelegt haben, statt es in die Kassette zurückzulegen.«

»Mein Gott, Inspector! Fangen Sie jetzt auch an wie meine Tochter? Wie oft soll ich es Ihnen noch sagen, dass mir so etwas nicht passieren kann. Das ist völlig ausgeschlossen. Ich achte stets darauf, dass ich das Collier mitsamt Etui wieder in die Schatulle zurücklege.«

Sein Blick schien Primes zu durchbohren.

»Schön. Es wurde also entwendet«, stellte Celeste fest und versuchte ihren Vater damit etwas zu beruhigen, denn sie ahnte, dass er Primes gleich an den Hals springen würde, wenn er einen seiner berüchtigten Zornesausbrüche bekam. »Und jeder Ihrer Angestellten kann den Diebstahl begangen haben.«

»Ganz genau! Hat ja lange genug gedauert, bis du das verstanden hast. Nun stehe ich zu Weihnachten ohne ein Geschenk für deine Stiefmutter da. Ich bin verzweifelt.«

Lord Montgomery fasste sich mit beiden Händen an die Stirn und stöhnte. Dann machte er ein paar torkelnde Schritte und ließ sich rücklings auf einen Stuhl fallen.

»Ist das Collier von Ihnen versichert worden?«, erkundigte sich Primes.

»Eben nicht. Noch nicht. Ich wollte es erst meiner Frau überreichen und sehen, ob es ihr gefällt. Danach wollte ich bei ›Lloyds of London‹ eine Versicherung über die entsprechende Summe abschließen.«

»Nehmen Sie mir meine Offenheit nicht übel, Vater. Aber das war mehr als leichtsinnig von Ihnen.«

Er warf ihr einen missbilligenden Blick zu.

»Konnte ich ahnen, dass es gestohlen wird?«, raunzte er. »Ich bringe es in mein gottverdammtes Haus und werde innerhalb der Mauern bestohlen, die ich mein eigen nenne. Herrgott, ich bin hier das Opfer!« Seine Stimme wurde zunehmend lauter und sein Gesicht rötete sich vor Zorn immer mehr.

»Mit dieser Möglichkeit muss man immer rechnen, Mylord«, stellte Primes fest, der einen letzten Zug von seiner Zigarette nahm und sie im prunkvollen Ascher auf dem Schreibtisch ausdrückte. »Sie hätten zudem besonders vorsichtig sein müssen, da Sie ja keinem Ihrer zahlreichen Bediensteten trauen. Es wäre somit Ihre Pflicht gewesen, bestimmte Vorkehrungen zu treffen.«

»Jetzt hören Sie schon mit Ihren Vorwürfen auf, Inspector«, klagte Sir Andrew und starrte düster vor sich hin. »Helfen Sie mir lieber, den Täter zu fassen, anstatt hier große Töne zu spuken. Allein mit hohlen Worten werden Sie den Dieb bestimmt nicht ausfindig machen.«

»Dass ich Ihnen helfen werde steht außer Frage, schließlich bin ich Beamter des Yard und es gehört zu meinen Pflichten. Ob ich allerdings Erfolg haben werde, kann ich nicht versprechen.«

Während Celestes Vater Asche von seiner mächtigen Zigarre streifte, zündete sich Primes eine weitere Zigarette an, was Celeste mit einem angedeuteten Kopfschütteln quittierte, bevor sie zu den Fenstern schritt und sich jedes einzelne genau ansah.

»Wenn Sie der festen Überzeugung sind, dass einer Ihrer Angestellten das Collier gestohlen hat, so besteht durchaus die Chance es wieder aufzufinden«, meinte Primes. »Ist jemand vom Personal im Urlaub?«

»Nein.«

»Hat einer von ihnen einen entsprechenden Wunsch geäußert?«

»Nein. Niemand.«

»Verließ heute einer von ihnen das Anwesen? Ich meine, vor allem nach neun Uhr dreißig?«

»Nein.«

»Die Fenster sind alle fest verschlossen und es gibt auch keine sichtbaren Spuren, dass jemand versucht hätte eines davon gewaltsam zu öffnen«, meldete sich Celeste nach eingehender Prüfung. »Als Sie das Zimmer betreten haben, ist Ihnen da etwas aufgefallen, Vater?«

»Was soll mir da aufgefallen sein?«

»Sie meint, ob sich vielleicht etwas verändert hat«, ergänzte Primes. »Möglicherweise waren Möbel verrückt oder Gegenstände befanden sich nicht an ihrem gewohnten Platz.«

»Darauf habe ich nicht geachtet.«

Primes schnippte sorgfältig ein wenig Asche von seiner Zigarette. Dann sah er den Lord mit ernstem Gesichtsausdruck an.

»Wünschen Sie, dass ich alle Ihre Bediensteten noch in dieser Nacht verhöre?«, wollte er wissen.

Sir Andrew erhob sich von seinem Stuhl.

»Um Gottes Willen. Nur das nicht. Elizabeth würde mir die schwersten Vorwürfe machen, wenn sie von der Sache erfährt. Ich habe ihr mit keinem Wort angedeutet, dass ich ihr ein so wertvolles Collier schenken will. Es sollte ›die Überraschung‹ sein, wenn Sie verstehen, was ich meine. Obwohl ich so meine Zweifel habe, weil Sie sich so etwas niemals leisten könnten. Außerdem würde sie für das Personal, das sie selbst eingestellt hat, ihre Hände ins Feuer legen.«

»Wenn sie sich dabei nur nicht die Finger verbrennt«, murmelte Celeste leise, während ihr Vater mit zitternder Hand einen Zug von seiner Zigarre nahm.

»Ja, was wollen Sie denn dann tun, Mylord?«, setzte Primes verzweifelt nach. »So kommen wir auf keinen Fall weiter. Spätestens morgen früh, müssen wir mit den Befragungen beginnen.«

»Ich möchte Sie bitten, die Leute zunächst unauffällig zu beobachten.«

»Ihnen ist aber bewusst, dass derweil das Collier von hier weggebracht werden könnte?«

»Ich möchte auf keinen Fall, dass von der Sache etwas bekannt wird, weder meiner Frau noch sonst jemandem. Haben wir uns verstanden?«, stieß seine Lordschaft aus. Er rauchte in tiefen Zügen. Dann fügte er hinzu: »Das ist eine delikate Sache und muss entsprechend behandelt werden, Inspector. Selbstverständlich werde ich Sie für ihre Mühe ...«

Primes fiel ihm ins Wort: »... entschädigen?« Er schüttelte den Kopf. »Nun, was die Urlaubszeit betrifft, so glaube ich, dass sich diese durch nichts ersetzen lässt. Wenn ich Ihnen helfe, dann geschieht das, weil ich Kriminalist bin, und ich werde tun, was in meinen Kräften steht um die Tat aufzuklären. Ob ich mit meinen Bemühungen Erfolg habe, kann ich nicht garantieren, wenn Sie von mir erwarten nur den Privatdetektiv zu spielen und die Angestellten zu überwachen, um schließlich den Täter zu stellen, was ohne Befragungen der Bediensteten durch mich und Ihre Tochter mehr als zweifelhaft sein dürfte, wie ich hinzufügen möchte. Oder habe ich Sie missverstanden, Mylord?«

»Sie haben mich ganz richtig verstanden, Inspector. Genau das ist mein Wunsch.«

»Gut«, nickte Primes. »Ich werde sehen, was ich tun kann.«

»Dann werden Sie doch sicher eine Liste aller Angestellten meines Vaters benötigen, mit allen Informationen, die über sie bekannt sind, nehme ich an?«, warf Celeste an den Inspector gewandt ein.

»Ja«, antwortete er und an ihren Vater gerichtet fragte er: »Ist das möglich?«

»Sie erhalten diese Liste gleich morgen früh.«

Primes nickte zufrieden und strich sich einmal durch das Gesicht.

»Außerdem müsste ich wissen, wo deren Zimmer liegen.«

»Einen entsprechenden Plan werde ich beilegen«, sicherte seine Lordschaft zu.

»Gut. Dann empfehle ich, dass wir uns jetzt alle zu Bett begeben. Die Schatulle lassen wir dort stehen, wo sie sich befindet.« Er sah Celestes Vater eindringlich an. »Da Sie davon ausgehen, dass einer Ihrer Bediensten den Diebstahl begangen hat, möchte ich Sie bitten, keinerlei Nervosität zu zeigen. Lassen Sie sich nichts anmerken. Benehmen Sie sich wie immer, so, als hätten Sie den Verlust noch gar nicht bemerkt.«

Sir Andrew nickte.

»Machten Sie Ihrer Frau gegenüber irgendeine Andeutung, woraus sie schließen konnte, dass Sie ihr zu Weihnachten ein Collier oder anderen Schmuck schenken wollten?«

»Mit keinem Wort.«

Primes warf Celeste einen Blick zu, der besagte: Mehr kann ich augenblicklich nicht tun, worauf sie mit einem verständnisvollen, leicht angedeuteten Nicken reagierte.

»Also gut«, schloss er daher. »Dann wäre soweit erst einmal alles besprochen.«

Der tödliche Engel

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