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Etwa zur selben Zeit posierte Albertine vorm Flurspiegel, der von Hunderten Stoff-Rosenblüten umrankt war, und malte sich die Lippen in einem grellen Pinkton an. Trotz ihrer stattlichen Größe von 1,80 Meter und ihrer üppigen Figur trug sie einen knielangen Blumenrock, dazu eine eng geschnittene Clubjacke, auf der hier und da Strasssteinchen glitzerten. Ihr schmaler Ehemann Stéphane, akkurat in Zweireiher mit Fliege, hämmerte derweil an eine der vom Flur abgehenden Türen, indem er auf Französisch drohte: »Komm da jetzt raus! Wenn du nicht sofort rauskommst …«

Was dann passieren würde, erwähnte er allerdings nicht mehr. Auch dann nicht, als Albertines Lippen mit einem Gloss den letzten Schliff bekommen hatten und sie abmarschbereit nach dem Autoschlüssel fischte.

»Wir sprechen uns noch!« Ein letztes Mal klopfte Stephane energisch gegen die Tür, dann ließ er sich von seiner Frau, die bloß matt abwinkte, aus der Wohnung ziehen.

Eine Straßenecke weiter stand Serge in einer Boulangerie, das Handy zwischen Ohr und Schulter geklemmt, und orderte drei Schokocroissants. Er liebte Schokocroissants. Nur Mädchen dazu zu bringen, ihn zu küssen, war noch verlockender.

Nachdem er bezahlt hatte, verließ er den Laden und drückte die Wahlwiederholung seines Handys. Erneut sprang bloß Etiennes Mailbox an. Serge grunzte genervt, dann schaltete er das Handy wieder aus, verstaute es in der Hosentasche seiner ausgebeulten Cordhose und bog zielstrebig in die Rue de Precope ein.

Er würde mit zum Flughafen fahren, um das Mädchen aus Deutschland abzuholen, koste es, was es wolle. Und er hatte Glück. Gerade als er das Hochhaus Nummer 4 ansteuerte, traten Albertine und Stéphane aus der gläsernen Schwingtür.

»Etienne ist oben«, rief Albertine, während sie den Renault aufschloss. »Geh nur rauf.«

Serge angelte verlegen nach einem Croissant. »Kann ich vielleicht … Also, ich würde viel lieber mit zum Flughafen fahren.«

»Du?«, erkundigte sich Stéphane begriffsstutzig.

Albertine hingegen kapierte sofort. Sie knuffte Serge in die Seite und neckte ihn: »Du hältst es wohl vor Neugier nicht mehr aus.«

Serge verneinte zwar, konnte jedoch nicht verhindern, dass seine Ohren verräterisch glühten.

»Etienne hätte auch ruhig mal seinen Hintern hochkriegen können«, ließ Stéphane sichtlich verstimmt verlauten, aber Albertine machte schon eine einladende Geste und sagte: »Dann mal los, Serge. Wenn Etienne eben nicht will…«

Küsse und Café au Lait

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