Читать книгу Hand aufs Herz - Susanne Holzer Sybille Maier-Ginther - Страница 6
Das muss ich alles haben
ОглавлениеKurz nachdem Noah zur Welt kam, saß ich mit folgenden Dingen zu Hause: einem Babyskianzug, drei verschiedenen Babytragen und einer sündteuren elektrischen Milchpumpe. Klingt so weit vielleicht noch ganz vernünftig. Nur dass es draußen milde 20°C hatte, ich Noah aufgrund meiner Kaiserschnittnarbe gar nicht tragen konnte und ich auch nicht stillte.
Man sagt uns Frauen ja generell einen Hang zur Konsumsucht nach, aber diese Ansammlung sinnloser Gegenstände war sogar für mich ein neuer Rekord. Sicher, ich hatte weder den Kaiserschnitt voraussehen können, noch hatte ich geahnt, dass das bei mir mit dem Stillen nicht klappen würde, aber wie hatte ich während der Schwangerschaft nur so unendlich viel sinnlosen Baby-Müll um mich auftürmen können, den ich im Endeffekt kein einziges Mal brauchen sollte?
Nach reiflicher Analyse meines geschrumpften Kontos glaube ich, für diese Misere zwei Hauptgründe herausgefiltert zu haben. Klar, viele Käufe waren einfach notwendig, weil man ein Baby erwartete, andere waren einfach notwendig, weil man an dem Regal mit zuckersüßen Koalabär-Jäckchen mit Flauschi-Ohren unmöglich vorbeigehen konnte. Aber die meisten sinnlosen Käufe gingen damals auf das Konto der zwei Todfeinde einer jeden Schwangeren: Kontrolle und Erpressung.
Ich gebe es zu: Ich bin gern vorbereitet. Ich mag es, Dinge im Voraus zu wissen, und mich darauf einstellen zu können. Kurz gesagt: Ich habe gern die Kontrolle über mein Leben. Leider lässt sich dieser Wunsch nach Kontrolle ganz schlecht mit dem Wunsch nach einem Baby vereinbaren, aber das wusste ich damals mit meinem naiven Kugelbauch-Blick ja noch nicht.
Vielmehr dachte ich: Wenn ich auf alle Eventualitäten vorbereitet bin, kann mir auch nichts passieren und ich habe ALLES UNTER KONTROLLE. Deshalb kaufte ich Sommer-Bodies, Winterhosen, Planschbecken und Fellsack, ich shoppte Babyklamotten in jeglicher Größe vom Frühchen bis zum Mutantenkind, im Prinzip deckte ich mich mit sämtlichen Utensilien ein, die mir im Babygeschäft unter die Finger kamen, auch wenn ich bei der Hälfte davon noch nicht mal so genau wusste, was man damit eigentlich macht.
Aber wenn die 400. Baby-Shopping-Liste im Internet sagte, ich bräuchte „Spieler“, „Vaporisator“ und „Moltonunterlage“, dann würden sie damit wohl bitteschön auch recht haben!
Einen ersten Dämpfer versetzte mir in meinem Kaufrausch gleich mal meine Mutter, als ich ihr stolz meine ersten Besorgungen präsentierte. Mit geschultem Babykrankenschwester-Blick sortierte sie 90% davon mit den Worten „Zu klein!“, „Zu eng!“, „Zu synthetisch!“, „Zu wenig warm!“, „Zu unpraktisch!“ oder sonst irgendwelchen „Zus“ aus. Stattdessen packte sie mich ins Auto, fuhr mit mir zum nächsten Maximarkt und kaufte dort die gesamte Batterie an Stramplern, Jäckchen und Mützchen leer.
Was meine Mutter jedoch mit sinnvollen Dingen (ja, ich geb’s zähneknirschend zu, dass ihre Sachen praktischer waren als meine Koala-Flauschi-Ohren) mühsam aufzubauen versuchte, wurde von den eifrigen Verkäuferinnen sämtlicher Salzburger Babygeschäfte sogleich wieder zunichte gemacht, womit wir auf Punkt 2 zurückkommen: Erpressung.
Ich kann nur jeder Schwangeren empfehlen, sich vorher genau zu informieren, was sie wirklich haben will. Geht man nämlich so ahnungslos wie ich ins Rennen, hat man bereits verloren. Wer nichts weiß, muss ja bekanntlich alles glauben – und das machen sich die Fachverkäuferinnen von heute mit ihrer perfiden Strategie der unterschwelligen Drohung gnadenlos zunutze. Es ist ja nicht so, dass sie einem befehlen würden, das jeweils teuerste Stück im Laden zu kaufen, nein, sie versuchen es über die Hintertür des schlechten Gewissens!
Kaum schiebt man einen Kinderwagen im mittleren Preissegment durch die Gänge, rauscht die eifrige Frau vom Fach heran und flötet etwas von Kurvenstabilität und Luftzufuhr, sieht man einen preiswerteren Autositz auch nur von der Seite an, werden die fatalen Crash-Test-Statistiken hervorgekramt und erlaubt man sich, die Babymatratze im Preisbereich „Monatslohn“ nicht gleich in den ohnehin schon bis obenhin vollgestopften Einkaufswagen zu befördern, folgt das Killerargument: „Ja, natürlich können Sie auch die Billigere nehmen! Aber ich sage nur: Plötzlicher Kindstod!“
Und dann sei mal so selbstbewusst und geh trotzdem mit der Billigsdorfer-Matratze zur Kasse, begleitet von den tadelnden Blicken der gesamten Verkäuferschaft, von der sie nicht ganz zu Unrecht vermuten, dass das Lehrmädchen im Hintergrund bereits das Jugendamt kontaktiert…!
Man möchte meinen, dass man diesem Teufelskreis endlich entkommt, wenn das Kind auf der Welt ist und man am eigenen Leib erfahren musste, was man alles für Blödsinn gekauft hat. Aber nein, der sinnlose Konsumrausch nimmt auch mit Kind weiterhin seinen traurigen Lauf. Dass das Gras auf der anderen Seite immer grüner ist, wissen nämlich leider auch schon die Kleinsten und als Mama fällt man wirklich jedes Mal darauf rein. Ist man nämlich bei anderen Mamas eingeladen, spielt das eigene Kind dort einfach herzzerreißend brav mit einem fremden Spielzeug, trinkt plötzlich literweise das sonst verhasste Wasser aus dem fremden Trinkbecher oder hört im fremden Tragetuch urplötzlich mit dem Dauergebrüll auf.
Also fährt man als motivierte Mutter noch am Nachhauseweg zum nächsten Babyladen, kauft Spielzeug, Trinkbecher und Tragetuch nach und freut sich wie ein Schnitzel, dass damit auch zu Hause die Welt in Butter sein wird. Ich brauche Ihnen jetzt wohl nicht wirklich zu sagen, dass der kleine Terrorist daheim das neue Spielzeug natürlich keines Blickes mehr würdigen wird und einen Tobsuchtanfall ungeahnter Dimensionen erreichen wird, wenn man das nagelneue Tragetuch auch nur aus der Verpackung pult...
Die einzige Ausnahme stellte hier die Diskonter-Strandmuschel dar, die wir nach unserem letzten Ausflug zum See natürlich auch unbedingt haben mussten. Nein, Noah hat sich nicht brav hineingesetzt und dort wie ein Engel mit seinem neuen Spielzeug gespielt. Aber immerhin saß er – für diese Zeit ein wahrer Rekord – für bestimmt eine ganze Stunde lang grinsend zufrieden und brüllfrei in seiner Wippe, während er seinen studierten Akademiker-Eltern hämisch dabei zusah, wie sie verzweifelt die testweise im Wohnzimmer aufgebaute Strandmuschel nur mehr mithilfe von drei Youtube-Tutorials wieder zusammenlegen konnten.