Читать книгу Hand aufs Herz - Susanne Holzer Sybille Maier-Ginther - Страница 9

Da haben wir den Salat bzw. den Pimmel

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Bevor mir meine Frauenärztin verkündete, dass wir einen Jungen bekommen würden, hätte ich jedem gesagt: „Uns ist es ganz egal, was es wird, Hauptsache gesund!“. Das wäre auch keine Lüge gewesen, ich war ja selbst davon überzeugt, dass es so war. Ich konnte mir sowohl ein süßes, kleines, mit Puppen spielendes Mädchen als auch einen frechen, kleinen, über die Wiese tollenden Jungen vorstellen.


Dass diese Überlegungen aber rein theoretisch waren und nur so lange lustig, so lange sie eben nichts als Überlegungen waren, hätte mich selbst überrascht. Denn dass ich unterbewusst offensichtlich felsenfest davon ausgegangen war, ein Mädchen zu bekommen, wurde mir erst klar, als mir meine Ärztin verkündete, dass es „ein Burli“ werden würde. Fast hätte ich empört gerufen „Nein, da muss eine Verwechslung vorliegen!“


Beim Arzt war ich noch wie in Watte gepackt, aber als ich dann im Auto saß, drang es irgendwie endgültig zu mir durch. Bis kurz vor dem Büro kullerten mir bittere Tränen die Wangen hinunter und ich hätte mich gleichzeitig selbst ohrfeigen können. Welche Mutter heult bitte, wenn sie erfährt, dass sie in ein paar Monaten einen süßen, kleinen Jungen im Arm halten wird?! Ich war ja bereits jetzt eine Rabenmutter!


Leider machte diese Erkenntnis das Ganze natürlich auch nicht besser: maßlos enttäuscht zu sein und gleichzeitig zu wissen, dass man dazu absolut überhaupt kein Recht hat und sich gerade aufführt wie der letzte Vollidiot. Und trotzdem: Wie soll man seine Gefühle in diesem Moment abstellen? Denn nichts lieber würde man in diesem Moment tun, schließlich kann der kleine Mann da drinnen ja nun wirklich nix für seinen Pimmel und man möchte sich nur uneingeschränkt auf ihn freuen (den Sohn, nicht den Pimmel).


Stattdessen macht einem das Kopfkino leider einen Strich durch die Rechnung. Nicht nur weil ich mit einem Mädchen endlich eine Verwendung für meine alten Sissi-Bücher gehabt hätte, konnte ich mir einfach gar nicht vorstellen, wie das mit einem Jungen werden sollte. „Laut, stinkend, tobend, wild, zerstörerisch, prollig – das will ich alles nicht, das kann ich nicht und das ist mir alles so unglaublich fremd. Nachmittage am Fußballplatz, Spielzeugautos, Bagger – das ist alles nicht meine Welt und wird’s auch nie sein!“- so ging es in meinem Hirn und Herz im Kreis.


Gleichzeitig versuchte ich, mir 100 Gründe auszudenken, warum Jungs toll sind. Ich dachte an alle wunderbaren Männer, die es in meinem Leben gibt und die ich doch teilweise viel, viel toller fand als alle Frauen, die ich kenne. Und dennoch: Anfangs blieb der einzige Grund, der auch bei mir im Herzen ankam, dass es schließlich super wäre, wenn mein kleines Mädchen später einen großen Bruder hätte. Na super…!


Im Grund genommen hatte ich wahrscheinlich Angst, dass ich zu diesem kleinen Mann keine Beziehung aufbauen könnte, dass er mir so fremd und – ja! – unsympathisch bleiben würde wie die kleinen Rotzlöffel-Jungs aus meinem Bekanntenkreis, an denen ich wirklich so gar nichts Liebenswertes finden konnte.


Ich fühlte mich wegen meinem Herumgespinne richtig schlecht. So richtig. So schlecht wie ich mich noch selten wegen irgendetwas gefühlt hatte. Meinem kleinen, ungeborenen Sohn gegenüber tat es mir maßlos leid und ich versprach ihm hoch und heilig, dass seine Mama in den nächsten Tagen aufs Beste versuchen würde, sich so richtig auf ihn und seine Autos und Bagger und Superman-Pyjamas zu freuen. Nur im Moment bräuchte sie noch ein bisschen Zeit, ein paar Tränen und Schoko-Lebkuchen und viel Liebe – denn noch tat das im Herzen ganz schön weh, auch wenn Baby Boy selbiges gerade von unten schon so richtig schön zu erwärmen versuchte.


Ich weiß nicht, ob es der Lebkuchen war oder die heftigen Tritte meines Kleinen, die mir die Flausen aus dem Kopf trieben - auf jeden Fall konnte ich mich jeden Tag mehr mit dem Gedanken anfreunden, bald einen Sohn zu haben und als Noah dann da war, war es tatsächlich so, wie immer alle sagen: Man kann es sich nicht mehr anders vorstellen. Nicht, weil man plötzlich alle Mädchen doof findet oder auf einmal den Reiz von Spielzeugbaggern entdeckt hat, nein – man kann es sich einfach wortwörtlich, buchstäblich und rein logisch nicht mehr vorstellen, ein anderes Kind als sein eigenes zu haben. Jenes kleine Baby, das es gleich beim ersten Versuch so eilig hatte, zu uns zu kommen, das aus 15 Jahre Liebe zwischen mir und meinem Mann gewachsen war – wie könnte man sich da noch etwas anderes wünschen?


Wie ich mich am Fußballplatz und beim Lego Technik-Spielen machen werde, bleibt zwar noch ein Kapitel für sich, aber zumindest weiß ich eines sicher: Sollte ich noch mal ein Kind bekommen wollen, lasse ich mir das Geschlecht nicht mehr sagen. Denn letzten Endes ist es wirklich ganz egal, ob das kleine Wesen mit all den Wundern, Heulkrämpfen, Lachanfällen, Verzweiflungstränen und Liebesausbrüchen, das es mit sich bringt, hellblau oder rosa Sachen trägt, während es dein Leben und Herz auf den Kopf stellt.


Hand aufs Herz

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