Читать книгу Mord im Kloster Eberbach - Susanne Kronenberg - Страница 11
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ОглавлениеSie kamen, kaum dass er sich angezogen hatte. Seine Fischhaut war aufgequollen, der Nachtschweiß pappte zäh zwischen den Schulterblättern. Trotzdem hatte er es nicht fertiggebracht, sich seelenruhig unter die Dusche zu stellen, während ein fremder Wagen gegenüber vor Teubeners Einfahrt stand. Zivilfahrzeug. Kombi. Wiesbadener Kennzeichen. Kriminalpolizei? Zwei Männer verließen das Nachbarhaus, ein Schwergewicht mit pomadiger Mafiosofrisur und ein Beamtentyp mit Schlips und Kragen. Hinter der Küchengardine erspähte Daniel die dürre Silhouette von Annegret Teubener, die ihrem Axel nur wenige Tränen nachweinen würde. Der Schlaksige eilte vorweg und nahm dabei den niedergewalzten Lattenzaun in Augenschein – Teubeners jüngste Monstertat. Obwohl die Gutsschänke seit Alinas Tod geschlossen war, hatte Teubener sich weiterhin von seinen zerstörerischen Launen treiben lassen. In manchen Wochen war nichts geschehen, dann überkam es ihn, und er zertrümmerte Daniels letzte unversehrte Blumentöpfe mit dem Vorschlaghammer. Vor drei Tagen hatte Teubener seinen Weinbergtraktor kurzerhand in den Nachbargarten hineingelenkt, ohne den Umweg über die Einfahrt zu nehmen. Daniels Bemühungen, die Fassung zu bewahren und die hinterhältigen Attacken wie einen Hagelschauer im Weinberg hinzunehmen, fruchteten nie. Das anschließende Wortgefecht war heftig ausgefallen.
Er bat die Männer ins Wohnzimmer, das halbwegs ordentlich aussah, weil Hanna regelmäßig zum Putzen kam, und kehrte in die Küche zurück, um den Kaffeeautomaten in Gang zu setzen. Auch wenn die Männer, die sich als Hauptkommissare Luigi Milano und Dirk Wolfert vorgestellt hatten, nichts trinken wollten – er brauchte Koffein, um das Gespräch durchzuhalten. Nach kurzem Zaudern kippte er einen Schuss Wodka in den schwarzen Kaffee und trug den Becher ins Wohnzimmer. Die Polizisten standen mitten im Zimmer, als hätten sie sich nicht von der Stelle gerührt. Trotzdem war er überzeugt, dass sie sich die Bilderrahmen auf dem Sideboard angeschaut hatten. Alina im Weinberg, Alina mit einem Tablett voller Gläser, Alina einfach nur als Alina: die leuchtenden Augen, das bauschige Haar um die Schultern. Sie war viel zu hübsch, um übersehen zu werden.
Sie setzten sich an den Esstisch, Daniel auf der einen, die Polizisten auf der anderen Seite.
Der Dicke, Milano, machte den Anfang. »Sie wissen, warum wir hier sind?«
Daniel nickte. »Mehr oder weniger.«
»Das heißt was?«, fragte Kommissar Wolfert, dessen Augen hinter den Brillengläsern froschartig hervortraten.
Daniel starrte auf die Tischdecke – ein Lavendelton, Alinas liebste Farbe –, um keinen Blickkontakt mit den Froschaugen zu riskieren, als er so unaufgeregt wie möglich erklärte: »Ich habe eine Vermutung, warum Sie eben mit Annegret Teubener gesprochen haben, frage mich aber, was Sie von mir wollen.«
»Wir helfen Ihnen gern auf die Sprünge, Herr Lenges«, polterte der schwergewichtige Kommissar. »Gestern Abend wurde Ihr Nachbar ermordet. Axel Teubener!«
Daniel duckte sich. Laute Männer schüchterten ihn ein. Was für ein elendiger Morgen. »Ich weiß, meine Schwester hat mich angerufen. Sie hat es in den News im Internet gelesen.«
»Kommen wir zum Punkt, Herr Lenges«, sagte der Froschäugige mit gesenkter Stimme, die nicht weniger bedrohlich klang als das laute Organ des Kollegen. »Sie hatten gestern Abend einen Streit mit Teubener, eine handgreifliche Auseinandersetzung in der Eberbacher Basilika. Dafür gibt es mehr Augenzeugen, als wir nötig hätten.«
»Der Dreckskerl hat mich provoziert«, verteidigte sich Daniel und nahm einen großen Schluck aus dem Becher. Der Kaffee war lau, dafür sickerte ihm der Alkohol prickelnd durch die Kehle. »Dieser Mann ist der Teufel in Person. Er hat mein Leben zerstört und mir die Familie genommen.«
»Sie schwitzen, Herr Lenges«, stellte der Dicke fest. »Ist Ihnen unser Besuch unangenehm?«
»Ich habe schlecht geträumt«, murmelte Daniel. Wie immer schien sich alles gegen ihn verschworen zu haben.
»Ein Alptraum von Ihrer zweiten Begegnung mit Axel Teubener gestern?«, fragte Wolfert bohrend. »Ihr Nachbar hat die Basilika vor dem Ende des Films verlassen. Haben Sie Teubener in der Klostergasse aufgelauert? Wir sind informiert darüber, dass Sie in der Pause gegangen sind. Für beides gibt es Zeugen.«
»Keine Ahnung, wo er hin ist«, widersprach Daniel heftiger als beabsichtigt. Er musste die Nerven behalten. Mit dem Ärmel wischte er sich über die schweißnasse Stirn. »Ich wollte nach Hause. Letztes Jahr habe ich ›Der Name der Rose‹ gemeinsam mit Alina gesehen. Das kam alles wieder hoch.«
»Wir sind über den Unfall Ihrer Frau im Bilde«, bemerkte Milano, nun überraschend milde klingend. Die Kommissare schienen sich darin einig zu sein, abwechselnd zu sprechen. Oder hatte sich das im Verlauf einer jahrelangen Zusammenarbeit so ergeben? »Herr Lenges, Sie waren mit Ihrer schwangeren Frau in den Weinbergen unterwegs, wo Sie mit Teubener aneinandergerieten. Ich verstehe das, Sie waren aufgewühlt, ein rabiater Streit. Danach sind Sie zu forsch angefahren. Der Traktor stürzte um, es war in einer Steillage, und begrub Ihre Frau unter sich. Dann kam der Rettungshubschrauber, brachte sie nach Wiesbaden in die HSK, wo sie leider verstarb. Und mit ihr das ungeborene Kind. Habe ich das richtig wiedergegeben?«
Daniel nickte stumm. In ihm brodelte es. Sein Kopf drohte zu zerplatzen wie ein zu stark aufgeblasener Luftballon. Sein Atem stockte. Am liebsten wäre er zum Hof hinausgestürzt. Die Sehnsucht nach der Stille der Weinberge schien übermächtig.
»Herr Lenges?« Der Schmächtige säuselte ihm ins Ohr.
Daniels Blick versank in Alinas Lieblingsblau.
Milano schnurrte: »Haben Sie Ihren Nachbarn Axel Teubener getötet?«
»Ich will einen Anwalt sprechen.« Das war der einzige Satz, den Daniel in dieser vertrackten Situation herausbrachte.