Читать книгу Mord im Kloster Eberbach - Susanne Kronenberg - Страница 6
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ОглавлениеAls Ecki Winterstein endlich eintraf, wiesen die Platten des Buffets großräumige Lücken auf. Die Anspannung der Gäste hatte sich gelöst, was Norma den süffigen Eberbacher Sekten und Weinen zugutehielt. Unruhige Blicke wurden in der Sorge gewechselt, den Start des Films zu versäumen. Die Vorführungen des Meisterwerks zählten auch deswegen zu den besonderen Anlässen, weil sie nur an wenigen Terminen im September stattfanden. Sie gehörten zu den Highlights im Jahresprogramm des Klosters. Wo sonst könnten ein realer Ort und der cineastische Schauplatz so miteinander verschmelzen wie in der Eberbacher Basilika, die damals Drehort gewesen war und sich an diesem Abend in einen Kinosaal verwandelte?
Ob sich Wintersteins Empfang und die derzeitige Filmvorführung zufällig oder gezielt ineinanderfügten, könnte nur der Regisseur erklären. Kein Zweifel bestand daran, dass ihn die Absage seines Hauptdarstellers am Nachmittag in einen furiosen Wutausbruch getrieben hatte, wie Norma aus den Gesprächen im Mönchsrefektorium heraushörte. Aufgrund dieser Vorbereitung sorgte Wintersteins Erscheinen auch bei ihr für eine misstrauische Habachtstellung. Norma war auf einen explosiven Hitzkopf gefasst, einen wahren Wüterich. Stattdessen gab sich der Regisseur unerwartet gelassen, wenn nicht sogar heiter, als er den pompösen Barockschrank ansteuerte, der die Stirnseite des Saals beherrschte. Winterstein war von schmaler Gestalt und scheute sich offensichtlich nicht, mittels der durchgängig schwarzen Kleidung – Jeans, Hemd, Schuhe –, den tiefdunklen Haaren, die ihm gekringelt in den Nacken fielen, sowie einer schwarzen Hornbrille bis ins Detail das Klischee des intellektuellen Künstlers zu verkörpern. Mit charmanten Worten bat er um Aufmerksamkeit und dankte den Anwesenden für ihr geduldiges Ausharren.
»Gibt sich sanft wie ein Lämmchen, aber Achtung. Der liebe Ecki ist und bleibt unberechenbar«, warnte Sören flüsternd.
Nach einem Intermezzo mit den Kollegen war er zu Norma und Timon zurückgekehrt. Auch Lutz hatte sich von Nelly Nebelsiek losgeeist und war zu ihnen gestoßen.
Um Aufmerksamkeit heischend, hob Winterstein die Arme wie ein Prediger. »Kinder, ich will mich kurzhalten, damit wir die Filmvorführung nicht verpassen. Ich muss euch nicht erklären, wie glücklich ich bin, an diesem außergewöhnlichen Ort drehen zu dürfen. Und ich wünschte, ich hätte das Kloster viel früher kennengelernt und nicht erst im Rahmen meiner Recherchen zur Psychiatrie. Nun zu dem Problem, das mich den gesamten Tag in Atem gehalten hat. Weil Wolfgang Bastiani die gesamte Produktion gefährdet und uns im Stich gelassen hat …«
»Es war ein Unfall und bestimmt keine Absicht!«
Auf Sörens empörten Einwurf folgte lediglich ein Stirnrunzeln des Regisseurs. In scheinbar unbeirrbarer Gelassenheit wiederholte er: »Weil Bastiani uns im Stich gelassen hat, blieb mir nichts anderes übrig, als mich ans Telefon zu hängen und zu quatschen, als ginge es um mein Leben. Was glaubt ihr, wen konnte ich engagieren?« In die Frage hatte er eine enthusiastische Begeisterung gelegt. Schweigend ließ er die Arme sinken und schaute auffordernd in die Runde.
»Nicht doch, Ecki«, flötete Marielle Dyckerborn mit kindischer Theatralik. »Sag bloß, du hast einen Ersatz aufgetrieben?«
»Wer ist es? Raus mit der Sprache, Ecki!« Die rauchige Stimme in ihrem Rücken gehörte Nelly Nebelsiek, erkannte Norma, ohne sich umzusehen.
»Kinder«, schnurrte Winterstein entzückt und klatschte in die Hände, als applaudierte er sich selbst. »Der Fisch, den ich an Land gezogen habe, gehört zu den richtig fetten Hechten.«
»Nun sag schon, Ecki«, bat die Frau, die Marielle bisher nicht von der Seite gewichen war. Sie mochte um die 40 sein, war von kompakter Statur und hatte die hellbraunen Locken zu einem wirren Knoten zusammengerafft.
Winterstein warf ihr eine Kusshand zu. »Vor allem du darfst dich freuen, meine liebe Wenke. Deine Kamera wird eines der bedeutendsten Bühnengesichter Deutschlands und Frankreichs einfangen.«
»Du nimmst mich auf den Arm«, entgegnete Wenke misstrauisch, als wäre sie von ihrem Regisseur allerhand nervige Spielchen gewöhnt.
Winterstein schaute lachend in die Runde. »Kinder, es ist unglaublich, aber wahr: Die Rolle des Direktor Lindpaintner wird gespielt von …« Er legte eine Kunstpause ein. »Roman Bonheur!«
Wenke schüttelte stumm den Lockenkopf. Marielle kreischte auf wie ein Teenager. Bravorufe wurden laut. Norma stimmte in den begeisterten Applaus ein. Endlich ein Name, der auch sie aufhorchen ließ. Was für ein Coup!
Roman Bonheur, der gefeierte Bühnenstar, gab dem Kloster Eberbach die Ehre.