Читать книгу Kurzgeschichten, wie sie das Leben so schreibt - Susanne Uenal - Страница 5
ОглавлениеWie heilt man Liebeskummer ?
Sie hatte Liebeskummer wie noch nie zuvor. Schon seit 2 Jahren litt sie darunter. Niemand konnte ihr helfen, obwohl viele liebe Freunde da waren, die ihr immer beistanden, wenn sie nicht mehr weiterwusste. Sie hätte nie gedacht, dass sie sich so kurz nach ihrer Scheidung wieder verlieben würde. Und zwar auf eine Art, wie sie es noch nie erlebt hatte und wie sie es sich nie hätte vorstellen können. Es gab ihn also wirklich, ihren Märchenprinz. D. h. es hatte ihn gegeben. Denn nach einer Schmusenacht hatte er ihr klipp und klar mitgeteilt, dass er sie zwar sehr möge, sich aber vorläufig eine feste Beziehung nicht vorstellen könne. Ein Weltuntergang für sie! Für sie, die nie zuvor Gefühle zugelassen hatte, weil sie solche bisher kaum erhalten und Angst vor seelischen Verletzungen hatte, war es mehr als entsetzlich. Da kam einer einfach daher, knackte ohne Vorwarnung ihren Gefühlstresor und ließ sie dann wieder allein. Um sie herum explodierende Gefühle, die sie erdrückten. Mit denen sie nicht umgehen konnte, nach denen sie sich aber umso länger sehnte, je mehr sie nicht gestillt wurden. Alles drehte sich nur noch um diese Gefühlswelt. Ihre Welt stand kopf. Jahr um Jahr ging vorbei. Nichts änderte sich. Niemand konnte ihr wirklich helfen. Und andere Männer gab es auch nicht. Wie auch? Wer hätte ihren Märchenprinz denn ersetzen können? Nur er selber. Doch sie war ihm nie mehr begegnet.
Irgendwann einmal hatte dann eine ihrer Freundinnen (die ein paar Jahre älter als sie war und schon Ähnliches erlebt hatte) mehr als genug. „So, Mädchen, jetzt ist’s genug. Ich weiß, du hältst nichts von Medikamenten. Aber so kann es doch nicht weitergehen. Deine beiden Töchter möchten doch auch wieder mal eine lachende Mami sehen. Jetzt gehst du zu deinem Vertrauensarzt, erzählst ihm vom deinem Kummer und bittest ihn um Beruhigungstabletten.“ Sie wusste, dass ihre Freundin recht hatte und dass sie es wirklich nur gut meinte mit ihr. Ohne es sich weiter zu überlegen, griff sie deshalb zum Telefon und machte einen Termin beim Arzt ab. Schon bald saß sie diesem gegenüber. Sie war erstaunt, dass sich ihr Arzt genügend Zeit nahm, ihr gut zuhörte und sie ernst nahm. Er sagte ihr, sie sei doch noch jung. Außerdem sehe sie gut aus und sei ein wunderbarer Mensch. Sie müsse wirklich keine Angst haben, dass sie keinen lieben Mann mehr fände. Da er sie gut kenne, sei er bereit, ihr für eine Weile starke Beruhigungstabletten zu geben. Aber sie müsse ihm versprechen, dass sie diese Tabletten nicht missbrauche.
Ihr hatte dieses Gespräch überraschend gut getan. Noch überraschter war sie, als sie die Wirkung der Tabletten spürte. Sie fühlte sich keinesfalls irgendwie benebelt oder sonst irgendwie weggetreten. Sie fühlte sich plötzlich wieder ruhiger und gelöster und konnte viel besser mit ihrem Kummer umgehen. Sie hätte nie gedacht, dass es ihr einmal wieder etwas besser gehen würde.
Das musste gefeiert werden! Spontan verschickte sie Einladungskarten an ihre 3 besten Freundinnen. Unter dem Motto „Lachen ist gesund“ lud sie alle 3 zu sich nach Hause ein, wo sie ein köstliches Menü vorbereitet hatte. Ihre Freundinnen sagten begeistert zu. Als am Abend vor ihrer Haustür ein Gekicher losging, wusste sie, dass die 3 Frauen den Hut, den sie auf einen Stuhl gelegt hatte, zusammen mit dem Schild „Bitte um eine milde Gabe“ entdeckt hatten. Alle hatten sich extra schön gekleidet. Nur die eine Freundin fiel etwas aus dem Rahmen. Mit einem himmelblauen Plastikturban auf ihrem Kopf und einem Korb am Arm trudelte sie bei ihr ein. „Liebste Freundin“, sagte sie mit zuckersüßer Stimme, „da ich deine mickrigen Kochkünste kenne, habe ich gedacht, ich nehme eine Thermosflasche mit Bouillon und ein Stück Brot für uns mit. Damit wir wenigstens etwas Gutes zum Essen haben!“ Alle lachten, schließlich war ihre Freundin für ihre Scherze weithin bekannt. Während sie in der Küche hantierte, mussten ihre Gäste ins Gästebuch schreiben. Da 2 von ihnen gerne dichteten, kam dabei ein Meisterwerk zustande.
Sie kugelte sich vor Lachen, als sie deren Sprüche las:
Liebe ist sooooo schön
Heute sind wir ein Quartett/bis jetzt ist es sehr nett./Hoffen wir, es geht so weiter/das kalte Essen stimmt uns heiter./Der Magen ist noch ganz nervös,/die Küche war phänomenös./Die Befehle von Manuela ignorieren wir/wir bestimmen, was geschrieben hier./Trotz der Kleidung, der warmen,/frieren wir zum Gotterbarmen./Auch die Sonnenblume auf dem Tisch/fast zu Eis gefroren isch./Zum Glück gab es noch heiße Lieder/drum kommen wir vielleicht mal wieder!
Als sie ihren Gästen die Vorspeise servieren wollte, kam die erste Überraschung. „Wir haben etwas für dich vorbereitet. Sitz ab und hör zu.“ Liebevoll, aber bestimmt wurde sie auf den nächsten Stuhl gedrückt. Mit Staunen beobachtete sie, wie sich die 3 munteren Frauen zu einem kleinen Chor formatierten, jede ein Blatt in der Hand. Dazu lief im Kassettenrekorder Hintergrundmusik. Und dann legten sie los. Sie wusste nicht – sollte sie lachen oder weinen? Sie tat es abwechslungsweise. Eine ihrer Freundinnen hatte es sich nicht nehmen lassen, zu einem bekannten Lied einen eigenen Text zu dichten, extra für sie. Und das tönte ungefähr so:
Schwankend wie im Wind eine Tanne/launisch wie ein Kinostar/wie beim Autofahren die Panne/gerade so unberechenbar/sind die Männer, sind die Männer/und aus diesem Grund sind sie rar. Refrain: Darum sei doch froh, mein Kind. Sind wir auch keine „Beau“, mein Kind, und auch nicht gerade reich, mein Kind. Wir lieben dich trotzdem, mein Kind. Es hat eine jede Frau, mein Kind, Ähnliches schon erlebt, mein Kind. Solltest du noch Fragen haben, mein Kind, sind wir alle für dich da, mein Kind.
Etc.
Ihr wurde wieder mal bewusst, was für wunderbare Freundinnen sie hatte. Und dass dies nicht selbstverständlich war. Wie hatte sie sich nur so lange so gehen lassen können. Es war bestimmt nicht einfach mit ihr gewesen. Sie schämte sich, während sie dem Lied der 3 Frauen zuhörte. Nur schon, wie diese da standen mit ihrem Blatt Papier, theatralisch ihre Hände sprechen ließen, ihre Mimik … Anscheinend hatten sie als Vorbereitung auf dieses Fest vorher dieses Lied noch geprobt. Sie konnte nicht anders. Sie stand auf und fiel ihren Freundinnen um den Hals. Ein paar Tränchen glitzerten auf ihren Backen. Aber ihre Freundinnen hatten sich noch mehr ausgedacht. „Ich werde jetzt noch etwas aus unserem sagenhaften Korb zaubern. Setz’ dich“, befahlen sie Manuela, die sofort gehorchte. Die Freundinnen grinsten.
Misstrauisch beobachtete sie, wie die eine Freundin langsam an einer Schnur zog. Den Korb hielt sie geheimnisvoll mit einem Tuch bedeckt. „Zieh an dieser Schnur.“ Sie gehorchte wieder. Eine kleine Plastiktrompete lugte unter dem Tuch hervor. „Stop. Diese Trompete ist ein Symbol. Wann immer du Hilfe brauchst, blase in diese Trompete, und wir kommen! Und nun zieh weiter an der Schnur.“ Ein kleines Büchlein erschien. „Damit du ab und zu wieder mal herzhaft lachen kannst, lese in diesem Witzbüchlein. Zieh weiter.“ Diesmal kam ein Schokoriegel zum Vorschein. „Etwas Süßes als Trost. Weiterziehen.“ Alle schauten sich bedeutungsvoll an und zwinkerten sich zu. Eine Autogrammkarte von den „Chippendales“, den berühmten Striptease-Tänzern aus Amerika! „Damit du wieder mal ein Auge auf einen schönen Mann riskieren kannst!“
Wieder zog sie an der Schnur. Ein winzig kleiner Stoffteddybär zeigte sich. „Etwas zum Schmusen im Bett!“ Zu guter Letzt kam ein Gutschein für eine Kosmetikbehandlung. „Damit du weiterhin so schön bleibst wie jetzt!“ Manuela war zu Tränen gerührt. Sie bedankte sich überschwänglich bei ihren Freundinnen. Womit hatte sie solche tollen Freundinnen verdient? Als hätte die eine ihre Gedanken gelesen, sagte sie ihr: „Weißt du, für lustige Stunden findet man immer irgendwelche sogenannte gute Freundinnen. Aber in schlechten Zeiten zeigt es sich, was sie wert sind. Aber gerade dann braucht man diese. Und dafür sind wir da. Auf uns kannst du immer zählen. Aber sag’, gibt’s eigentlich keinen Dessert?“
Diesmal war sie es, die ihre Gäste überraschte. „Klar. Aber wie heißt es doch so schön: Ohne Fleiß kein Preis!“ Verblüfft schauten sich die Frauen an. „Ha, denkt ihr, ihr bekommt einfach so einen Dessert? Den müsst ihr euch zuerst verdienen.“ Flink holte sie 3 riesige Plakate samt Pinsel, Malstiften und Farbsprays hervor und legte diese auf den Tisch. „Fangt an. Jeder muss sein Plakat voll bemalen. Und nur, wer am Schönsten gemalt hat, bekommt ein Dessert. Die anderen müssen dann zuschauen!“ War das jetzt ernst gemeint? Kritisch wurde sie von den 3 Frauen beäugt. Als die aber über das ganze Gesicht grinste, realisierten sie den Witz. Sie bekamen noch 3 Schürzen und 3 Käppi als Schutz für die Haare. Dann legten sie los.
Sie machte fleißig Fotos von den Frauen und ihren Kunstwerken. Jede Einzelne malte auf ihre Art typisch. Die eine, eine Romantikerin, nahm die Malstifte und zeichnete lauter Liebesmotive wie rote Herzen und dergleichen. Die andere, eine Emanzipierte, malte mit dem Pinsel flotte männerfeindliche Sprüche quer übers Plakat. Und zuletzt die praktisch Veranlagte, die sich für ein Graffiti entschlossen hatte und mit den Farbspraydosen hantierte. Als alle fertig damit waren, hängte sie die Plakate an der Wand auf.
In Erwartung des Desserts hatten sich die 3 Frauen schon an den Tisch gesetzt. „Trara, Trara!“ Sie balancierte auf einem großen Tablett 4 herrliche Glacée-Coups. Daneben lagen 3 längliche schön verpackte Geschenke. „Was ist das denn?“ Die 3 Frauen schauten zuerst skeptisch dieses längliche Ding an. Sie, die an deren Gesichtsmimik erkennen konnte, wie sie alle zur gleichen Zeit an das Gleiche dachten, lachte amüsiert auf. „Na, hör mal!“ Ihre Freundin spielte die Entrüstete. „Eine längliche Wurst haben wir doch nicht nötig! Oder sind da aufgeblasene Kondome drin?“ Sie antwortete nicht, gab sich jedoch betont geheimnisvoll. Jetzt wurden die 3 Frauen neugierig und öffneten schnell das Päckli. Ein Riesenstumpen bester Sorte kam zum Vorschein. „Das Stück zu je Fr. 12! Ich hoffe, ihr genießt ihn dementsprechend!“ Alle 3 Frauen waren nämlich relativ starke Raucherinnen, während sie selber noch nie geraucht hatte. Genüsslich begannen sie zu paffen. Sogar sie probierte einmal. Es lag ein angenehmer Geruch in der Luft. Danach gab es einen mexikanischen Kaffee. Sie fühlte sich rundum wohl wie schon lange nicht mehr. Beim Abschied umarmte sie alle 3 ganz herzlich und bedankte sich nochmals für alles. Sie wusste, solch gute Freundinnen waren selten und ein Gottesgeschenk. Sie war dankbar und nahm sich fest vor, sich nicht mehr gehen zu lassen, sondern wieder positiv in die Zukunft zu schauen!