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Bringt Legen Segen?

Eier frisch aus dem eigenen Garten sind zwar ein kulinarischer Traum, aber: Es gibt sie nicht jederzeit in beliebiger Menge. Massenproduktion rund ums Jahr ist Sache der industriellen Legehybriden. Rassehühner wie meine Zwergwyandotten haben sich – wenn man beim Haushuhn überhaupt noch davon sprechen kann – einen halbwegs natürlichen Zyklus bewahrt: Sie legen in der hellen Saison und nehmen, sobald die Tage kürzer werden, ihre wohlverdiente Ruhepause in Anspruch. Dann wechseln sie das Gefieder und stellen das Eierlegen währenddessen komplett ein. Genau das ist der Moment, in dem ihre bedauernswerten Kolleginnen aus Wirtschaftsbetrieben entsorgt werden, denn ob Bio oder nicht: kein Betrieb kann es sich leisten, Tausende von Hennen wochenlang in die Ferien zu schicken. Meine verwöhnten Gartentiere dagegen bekommen sogar eine noch längere Pause, weil ich im Winter darauf verzichte, sie mit künstlichem Licht anzuregen. Sie dürfen mit der forcierten Höchstleistung also gleich für einige Monate aussetzen, was mir einen zusätzlichen Frühlingsspaß einbringt: Sobald die Sonne endlich wieder höher steigt, warte ich nicht nur sehnsüchtig auf das erste Schneeglöckchen, sondern ebenso auf das erste Ei der Saison. Eine deutlich geschärfte Sicht der Dinge gibt es dabei gleich dazu: Plötzlich kann ich all die alten Oster- und Frühlingsbräuche rund ums Ei wirklich verstehen. Eier sind ein mindestens ebenso mächtiges Symbol des wiederkehrenden Lebens wie Sonne und Blumen. Dazu haben sie diese magische Dimension: der ganze Neubeginn, verpackt in eine perfekte Form. In Vor-Supermarkt-Zeiten muss das wirklich immer ein kleines Wunder gewesen sein – und dazu noch eins, das nach der öden Winterkost unvergleichlich gut schmeckte.

Mit meiner Vorfreude bin ich nicht allein. Auch die Hennen scheinen zu wissen, dass der Wiedereintritt in die Berufstätigkeit ein großes Ereignis in ihrem kleinen Leben bedeutet: Waren sie über Winter eher zurückgezogen, werden sie sie jetzt deutlich lebhafter und schmücken sich, wie es die Wildvögel zur Fortpflanzungszeit auch tun: Das frisch gewechselte, makellose Gefieder glänzt in der Frühlingssonne, Kamm und Kehllappen färben sich leuchtend rot. Besonders niedlich ist diese Verwandlung, wenn es auch noch ganz junge Hennen sind, die sich auf den ersten Legebeginn vorbereiten. Hier waren es diesmal die Neuzugänge Ida und Irmchen, die das Erwachsenwerden geradezu zelebrierten: Sie unterhielten sich lebhaft wie kichernde Teenager und begannen, im Team alle möglichen Brutplätze zu erkunden. Unmögliche auch: Klein-Irmchen führte die Suche nach dem idealen Ort irgendwann hoch ins Schuppenregal. Als sie sich dort probehalber drehte, begannen die gestapelten kleinen Plastikblumentöpfe bedrohlich zu wackeln. Irmchen flatterte eilig in Sicherheit, gefolgt von einer ganzen Topfkaskade, die dafür die unten wartende Ida voll erwischte. Mit einem doppelten, entsetzten »BAAAAK!« stoben die beiden davon wie kleine bunte Raketen – einer dieser Cartoon-Momente, für die man das Federvieh einfach lieben muss. Schließlich saßen sie dann aber doch in den richtigen Legenestern, formten mit Hin- und Herdrehen eine bequeme Mulde, zupften am Stroh herum und warfen sich tagelang mit – es lässt sich nicht anders sagen – wichtiger Miene Halme über den Rücken. Dann waren sie da, die allerersten Eier: cremeweiß von Ida, bräunlich von Irmchen. Ein derart großer Moment muss akustisch gewürdigt werden, das finden nicht nur die Jüngsten. Die älteren Hennen, halten das genauso, sobald sie mit dem Legen wieder einsetzen: Das ganze Viertel darf an ihrer Leistung Anteil nehmen. Beim großen Gegacker geben die Mädels wirklich alles, und das gern mal im Chor.

Sie sind ja auch entsprechend fleißig. Im Mai liegen täglich so viele warme, handschmeichelnd glatte Eier in den Strohnestern, dass ich mir wie eine stolze urbane Selbstversorgerin vorkommen kann. Nur: Inzwischen wohnen hier elf tüchtige Hennen, und schnell quillt der Kühlschrank über. Genau deshalb schwingen sich viele Hühnerbesitzer um diese Jahreszeit zu ganz unerwarteter kulinarischer Kreativität auf: der Segen will frisch verbraucht sein, dann schmeckt er am besten. Zum Glück gibt es gerade Spargel und frischen Schnittlauch für zahlreiche köstliche Omeletts, und es gibt ganz neue Küchenerfahrungen: Kuchenteig von einem Goldgelb, das in seiner cremigen Intensität beinahe wie gefärbt aussieht. Dabei verdanken die Eidotter ihre intensive Farbe allein dem frischen Gartengrün. Eine dankbare Inspirationsquelle sind auch Urgroßmutters Kochbücher, in denen die Rezepte regelmäßig so beginnen: »Man nehme zwei Dutzend Eigelb und ein Pfund Butter…« Um eine Kuh allerdings möchte ich meine Menagerie dann doch nicht erweitern, die Hühner sind fleißig genug. So kriegen dann eben die Nachbarn ihren Teil von der großen Ausbeute ab. Was nur gerecht ist: das Gegacker teilen sie schließlich auch!

Gäste in meinem Garten

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