Читать книгу Sturmzeit auf Island - Susanne Zeitz - Страница 6
PROLOG
ОглавлениеAkureyri 1937
Das Schiff verlässt die Bucht. Ein weißer Fleck, der immer mehr zum kleinen, hellen Punkt wird, bis er sich in der weiten Ferne des Atlantischen Ozeans auflöst.
Ob Gustav an der Reling gestanden und an sie gedacht hat?
Saga kauert auf dem Felsvorsprung zwischen Gräsern und Moos überzogenen Lavasteinen. Sie kneift die Augen zusammen und wischt sich ungeduldig die Tränen weg, die ihr der raue Wind in die Augen treibt.
Nein, Saga macht sich nichts vor. Er stand zwar dort, doch er winkte nicht ihr, sondern seiner frischvermählten Frau zu. Seine Gedanken wanderten sicher noch einmal zurück zu dem Tag, an dem er Sigrún in der kleinen Holzkirche in Akureyri sein Jawort gegeben hatte.
Warum nur hat er Sigrún und nicht sie geheiratet? Saga presst ihre Hand auf ihr wild klopfendes Herz.
Wenn er sich für sie entschieden hätte, dann müsste er jetzt nicht allein übers Meer fahren, dann würde sie neben ihm stehen, würde ohne jegliches Bedauern einen letzten Blick auf Hafen und Stadt werfen. Saga wäre mit ihm nach Dänemark gereist, hätte seine Heimat kennen und lieben gelernt. Einmal dort angekommen, hätte es sie nicht mehr zurück in die Kargheit der Heimat gezogen. Kleider aus edlen Seidenstoffen, zierliche Stiefelchen aus glänzendem Leder, Theater, Museen und Tanztees. Das wäre schnell Sagas Welt geworden. Doch die da unten war seine Frau geworden. Die, die ihn nun nicht einmal begleiten kann, weil sie, wie erzählt wird, schwanger sei und die lange Schifffahrt nicht vertragen würde.
Saga schickt einen hasserfüllten Gedanken zu der Frau am Hafen, ihrer ehemaligen Busenfreundin, die ihr den Mann gestohlen hat.
Der Wind zerrt stärker an ihren Haaren und beißt ihr kalt ins Gesicht. Sie erhebt sich, seufzt tief und begibt sich auf den Heimweg. Es macht keinen Sinn mehr, noch länger hier zu stehen und auf das Meer zu starren.
Die Liebe ihres jungen Lebens ist weg. Geblieben sind Traurigkeit, Wut und Hass.
Was sie nicht weiß: Das Schiff wird seinen Heimathafen in Dänemark nie erreichen, wird ihre Liebe mit sich auf den Meeresgrund ziehen, wird die junge Sigrún als Witwe und das ungeborene Kind als Halbwaise zurücklassen.
Einzig Sagas Eifersucht und Hass werden fortbestehen und Früchte tragen.