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Eine strahlende Zukunft

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Damals, als ich in das Haus eingezogen war, war Isabell schon da. Isabell war sicherlich nicht hässlich, wenn auch keine ausgesprochene Schönheit. Vor allen Dingen war sie sechs Jahre älter als ich und das bedeutete nun mal: Achtung, Bemutterungsversuche. Die erste Zeit fand ich ihre Anwandlungen ja noch ganz lustig. Aber nicht allzu lange. Um genau zu sein, waren es eigentlich nur die ersten paar Stunden. Naja, eigentlich waren es nur rund zwei. Oder anderthalb, mit den zwei Stunden hatte ich nämlich großzügig aufgerundet.

Aber unsere Kommunikation wurde dann doch ziemlich zäh und auch einseitig: sie wie die berühmte Schallplatte mit dem Sprung, ich erst gar nicht zu Wort kommend. Also das, was ich mir klassisch schon immer unter einer Frau-Mann-Beziehung vorstellte. Weswegen ich auch keine hatte, keine gehabt hatte und nie eine haben würde. Das stand in meiner Lebensplanung jedenfalls schon mal fest. Ich war ja auch erst 30.

Heiraten sollten Männer sowieso erst im besten Alter, also ca. mit Ende 50. Wenn überhaupt.

In den gut zweieinhalb Jahren, die ich Isabell bis dahin an der Wange hatte, war dies – neben ihren Kurztrips zu so genannten „Kraftplätzen“, womit aber keine Fitnessstudios gemeint waren, und Esoterikseminaren – das erste Wochenende, an dem sie mich mal in Ruhe gelassen hatte.

Demzufolge war meine Laune am Montag nicht schlecht, als ich auf der Arbeit eintrudelte, und sie sollte sogar noch besser werden. Im Personalbüro war der Chef, der mit dem Personalberater über eine ganz bestimmte Person sprach:

Mich.

„Der Herr Mönch, glauben Sie mir: der isst IT, der schläft IT, der trinkt IT, der denkt IT. 26 Stunden am Tag, 9 Tage die Woche. Wenn einer die Extra-Meile geht, dann der!“

„Wie lang ist er jetzt bei uns?“

„Gut zweieinhalb Jahre. Keine Klagen, keine Forderungen, bis auf vier Tage wegen Grippe Anfang letzten Jahres keine einzige Krankmeldung.“

Ich dachte mir an dieser Stelle, dass es ganz gut wäre, dem Gespräch ein Ohr zu widmen.

„Er ist garantiert nicht ausgelastet mit Kundenbetreuung. Er ist zu was Höherem bestimmt. Wie ich seinem Lebenslauf entnehme, hat er bereits eine App entwickelt und abgesetzt.“

„Hat er…?“

„Keine Frau, keine Kinder, keine Scheidung, keine Altlasten. Sein soziales Buch ist so blütenweiß wie er arbeitsam.“

„Würde sich doch bei den Developern gut machen?!“

„Das denke ich auch. Wir sollten ihn…in die Entwicklungsabteilung versetzen.“

„Sie holen mir den jungen Mann dann zur Frühstückspause mal ins Büro.“

Das duftete mal nach einem Montag, an dem es sich wirklich lohnte, arbeiten zu gehen!

Nach drei oder vier Kundengesprächen und einer bereits durchorganisierten nachmittäglichen Reiseroute durch DAU-Land wurde ich dann auch ins Büro vom Chef beordert.

„Guten Morgen, Herr Mönch. Sie wirken ein bisschen blass um die Nase. Schönes Wetter am Wochenende nicht genutzt?“

„Ach wissen Sie, Herr Schneider, ich habe da schon seit Monaten den Entwurf für eine App herum fliegen, da werde ich doch nicht meine Zeit mit was Profanem wie Spazierengehen vertrödeln.“ Beim Gedanken an Spazierengehen und frische Luft schüttelte es mich innerlich, was ich mir auch ein bisschen anmerken ließ. Sicher war sicher!

„Recht so! Es gibt Wichtigeres als Spazierengehen! Sind Sie sonst zufrieden?“

„Soweit? Es sind halt meist sehr simple Probleme von unserer Kundschaft.“

„Unterfordert, was?“ gab der Chef mit für meinen Geschmack etwas übertriebener Lache seinem Humor Ausdruck. „Und Privat? Keine Freundin? Keine Familienpläne? Haus? Eigentumswohnung?“

„Hören Sie mir auf mit Freundin! Mir reicht meine Nachbarin! Da vergeht es einem nämlich mit Freundin.“

„Aha? Erzählen Sie doch mal ein bisschen…sie sind jetzt seit zweieinhalb Jahren bei uns. Und Sie wohnen auch seit zweieinhalb Jahren hier. Wie lange kennen Sie diese Nachbarin?“

„Seit zweieinhalb Jahren.“

„Das habe ich mir gedacht. Was macht sie?“

„Sie versucht mich zu bekehren.“

„Bekehren? Zu welchem Glauben?“

„Zu ihrem Glauben.“

„Was soll das für ein Glaube sein?“

„Ach, was weiß ich?! New Age, Krieger des Lichts oder so ein Zeug. Ich höre da nicht so genau hin. Es wiederholt sich nämlich ständig: die Mikrowelle macht Dich krank, werde Veganer, interessiere Dich gefälligst für Deine Seele und dieser ganze Kram. Ich hatte zwei Stunden Religion in der Woche auf der Schule. Damit ist mein Bedarf gedeckt.“

„Wie alt ist diese …Nachbarin?“

„Sie wird wohl demnächst 36.“

Mein Kommandant lachte zynisch. Knuffte mich dann kumpelhaft gegen die Schulter.

„Adrian, Adrian. Sie müssen noch viel lernen, junger Mann. Ihre Nachbarin sucht einen Vater für die Kinder, die sie noch nicht hat! Die biologische Uhr tickt!“ er zwinkerte.

„Ist nicht meine Uhr. Und Frauen und Kinder halten einem sowieso nur von den wirklich wichtigen Dingen des Lebens ab: zum Beispiel World of…äh, Apps programmieren.“

Shit, im Ansatz verplappert. Hoffentlich entstand meiner IT-Karriere daraus kein Dämpfer…

„Wie dem auch sei: ich denke, das Thema wird für Sie auch noch relevant. Vielleicht nicht gerade mit dieser jungen Dame, oder sagen wir: eher gar nicht. Adrian, ich habe vor, Sie zu versetzen – zu den Developern nach Kraichenhain.“

Wirklich?“ ächzte ich. Ich versuchte, mein Zittern vor lauter Vorfreude zu unterdrücken. Das bedeutete nämlich nicht nur eine erhebliche Gehaltsaufwertung, sondern auch den sicheren Umzug – was fast noch wichtiger war!

„Ja.“ Konzentrierter Blick in den Terminkalender. „Ich würde sagen…ab Juni da, und die letzte Mai-Woche einen kleinen Überstundenabbau.“ Zwinkern.

„Ich habe noch keine Überstunden dieses Jahr.“

„Aber das lässt sich doch einrichten…“

Seine Stimme in diesem Moment erinnerte mich an Detektiv Schlemil von der Sesamstaße, wenn der Ernie im Vertrauen beiseite nahm – wahrscheinlich war es auch so gemeint. Aber das war im Grunde genommen irrelevant. Viel relevanter war, dass ich zum 31.5. aus meiner Wohnung mit integrierter esoterischer Nachbarschaftshilfe ausziehen durfte. Das bedeutete für mich: Isabell Heumann würde der Vergangenheit angehören! So wie ihre Heilslehren: denn warum sollte man anderthalb Stunden für ein garantiert tierleidfreies Essen benötigen müssen, wenn es auch mit Fleisch in anderthalb Minuten ging?

Die Kunde verbreitete sich schnell im nicht-DAU-Land, und so wurde ich dann auch zur Mittagspause zu meiner „Freundin“ interviewt. Auch von älteren Kollegen, die es ja wissen mussten, da verheiratet. Die packten die Gelegenheit und fragten mich nach meinem Privatleben aus, von dem bisher wenig bekannt war. Kein Wunder: ich hatte ja quasi keins. Jedenfalls keines, für das es sich lohnte, einen Facebook-Account zu eröffnen.

„Und diese Nachbarin hat Dich von Anfang an heimgesucht?“

„Im wahrsten Wortsinne, ja. Sie hat mein Heim aufgesucht.“

„Wie sieht sie denn aus?“

„Mittel uninteressant, soweit ich das beurteilen kann. Denn bis auf die Göttin Aranea Diadema aus dem Spiel Ragnaroek kenne ich kaum Frauen.“

„Ja, die ist klasse!“ merkte einer von den jüngeren Kollegen an, und ich fühlte mich wieder mal verstanden. Was bei meiner spirituellen Nachbarin nicht der Fall war. Kein Wunder: ich kam ja nie zu Wort, wie sollte sie mich da auch verstehen?

„Hey, die Developer-Abteilung ist cool!“

„Ja, das Mittagessen in der Kantine ist gut…und 100% auf der Basis von nicht-ionisierender Strahlung.“

Ich rechnete mir insgeheim schon aus: Zukunft im Großraumbüro, Mittag- und Abendessen aus der Mikrowelle, endlich Geld für das neue System und ein richtig gutes W-Lan. Das bedeutete, dass ich eine wahrhaft strahlende Zukunft vor mir hatte! Auch wenn man das ganze Licht und die Liebe aus dem Appartement nebenan abzog…

Normalerweise introvertiert, ging ich das erste Mal seit ziemlich langer Zeit aus mir heraus – eigentlich seit zuletzt in der 5. Klasse, als ich ein Linoleummesser etwas ungeschickt in meiner Handkante platziert hatte. Thema im Gruppengespräch: Esoterik! Na so was…?

„Die ist wie ein Glückskeks – nur dass sie nicht nach einem Satz aufhört. Leider.“

„Glückskeks klingt doch nicht schlecht?“

„Ich komme mir vor wie im Astro-Kanal…dabei gucke ich so gut wie nie Fernsehen. Ich habe ja das andere, rechteckige Ding und YouTube und Netflix sind sowieso viel besser als das Privatfernsehen.“

„Ja, was erzählt die denn?“

„Ach, irgend so was vom goldenen Zeitalter, dass wir uns vorbereiten müssten, und das jetzt alles anders werden würde.“

„Dann war die Olle aber vorher noch nicht verheiratet!“ merkte einer der etwas älteren Kollegen an.

„Wie denn auch? Die lässt einen garantiert noch nicht mal zu Wort kommen, wenn man vor dem Traualtar Ja sagen will!“

„Hey, Mönch, das war ein Kalauer!“

„Alter!“

Allgemeine Heiterkeit. Ich war selbst erstaunt über meine Schlagfertigkeit. Aber die Aussicht auf künftige Freiheit von überfürsorglichen, spirituell angehauchten und als kleines Schmankerl obenauf noch weiblichen Nachbarn beflügelte mich wohl an diesem Mittag, bis ich meine Tasche packen und auf die Kundendienst-Reise gehen musste.

Der göttliche Blumentopfwurf

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