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Der göttliche Blumentopfwurf

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Die Tour de DAU selbst verlief dann auch ohne weitere Probleme. Die Letzteren der Kundschaft waren so profan, dass selbst mein Sohn dahinter gestiegen wäre – dabei war der nicht mal gezeugt. Insofern hatte ich ein leichtes Leben. Und die Developer-Dependance bedeutete, dass ich nicht einmal mehr ausrücken musste! Ich würde mich auf meine Kernkompetenz konzentrieren und künftig sechs von den großen, grünen Scheinen monatlich mehr mit nach Hause nehmen – mit ordentlich Luft nach oben, wie man mir ankündigte.

Dennoch: im Mietshaus durfte ich mir meine gute Laune nicht allzu sehr anmerken lassen. Sonst käme meine Nachbarin ja noch auf die dumme Idee, dass jetzt die Gelegenheit günstig war, mich zu konvertieren. Und das ging ja mal gar nicht. Schließlich wartete Chicken Teriyaki auf mich, wenn auch nur aus der Tüte. Dank großzügigem Einsatz von Mononatriumglutamat sogar geschmacklich recht überzeugend.

Vielleicht sollte ich zur Feier des Tages noch etwas vom guten Bad Reichenhaller Siedesalz dazu geben? Das verlieh dem Leben nämlich erst die richtige Würze!

Ich kam zuhause an, drosselte mein Lächeln auf normal Null und ging leise am Appartement meiner heiligen Nachbarin vorbei, aber ich hatte keine Chance…

Diesmal ließ sie mir nicht einmal mehr Zeit, meine Mikrowelle auch nur zu befüllen.

Da ja durchaus die Chance bestand, dass es sich um jemanden anderes handeln konnte, öffnete ich (leider kein Spion an der Tür), aber ich öffnete und stellte fest, dass es sich um keine Geringere handelte als eine Nachbarin, die gerne erleuchtet wäre. Isabell hatte einen etwas unguten Blick drauf. Mein PC schaute mich jedenfalls nie so an. Aranea Diadema erst recht nicht. Die guckte, obwohl nordische Kriegerin, richtig lieb dagegen.

„Wir müssen unbedingt mal reden.“ Begann sie das Gespräch missmutig.

„Wir müssten miteinander reden, wenn wir ein Paar, oder noch schlimmer, verheiratet wären…“ Korrigierte ich hilfreich, „…aber da wir Gott sei Dank weder das Eine noch das Andere sind, müssen wir nicht.“

„Hast Du gerade Gott sei Dank gesagt? Wieso sagst Du Gott sei Dank, wenn Du an nichts glaubst?“ fuhr sie mich an.

„Weil das eben eine Redewendung ist. Und jetzt entschuldige mich, ich habe Hunger!“

„Ja, natürlich hast Du Hunger. Mit diesem bestrahlten Fraß wirst Du nie echte Nährstoffe bekommen!“

„Eine Studie hat schon vor geraumer Zeit erwiesen, dass die Nährstoffe durch die Mikrowelle besser erhalten bleiben, als wenn man sie kocht!“

„Studien sind Schall und Rauch!“ meckerte sie weiter, „was drin ist, ist das Eine…und was kann Dein Körper davon aufnehmen, wenn alles verstrahlt ist?“

„Das ist nicht-ionisierende Strahlung, also nicht radioaktiv und damit unschädlich!“

„Das glaubst aber auch nur Du! Ich kannte mal einen Kerl, der hat…“

„MIR IST SCHEISSEGAL, WAS DU FÜR KERLE KENNST! Gott sei D…, äh ich meine zum Glück hat das alles bald mal ein Ende!“

„Was hat ein Ende?“

„Dass ich mir Deine Bekehr- und Bemutterungsversuche anhören muss. Ich ziehe nämlich um!“

Der biestige Blick der Spirituellen modulierte mit einem Schlag ganz zart ins Entsetzte. Entsetzt im Hier und Jetzt, sozusagen.

„Du…ziehst um?“

„Ja, ich bin versetzt worden!“

„Und wer…kümmert sich um Dich?“

„Du willst spirituell sein und kannst nicht mal die einfachste Frage der Welt beantworten?“ ich deutete mit großer Geste auf mich. „Ich!“

Doch es war ein Fehler, ihr zu widersprechen. Denn sie war neben spirituell noch eine Frau, das heißt, sie hatte immer das letzte Wort und gewann jetzt deutlich an Kraft.

„Ja, Du! Roboter! Du bist blass wie ein Schneemann mit Blutarmut, Du hast das letzte Mal wahrscheinlich in Deiner letzten Inkarnation was wirklich Hochwertiges gegessen und ebenso wahrscheinlich würdest Du eine Tüte frische Luft auch noch in Deine dämliche Mikrowelle stellen, weil Du damit nämlich nichts anzufangen weißt. Glaubst Du, Du bist ewig vor Krankheiten sicher? Glaubst Du, das geht immer so weiter? Sieh Dich doch an! Du hast es nicht mal geschafft, mein Katzenstreu reinzutragen! Bevor Du 40 wirst, hast Du irgendwas Chronisches, Ernsthaftes, stirbst vielleicht dran und dann wirst Du es bereuen, Dir Fragen nach dem Sinn des Lebens oder der Seele nicht schon ein bisschen früher gestellt zu haben! Habe Die Ehre!“

Mit diesen Worten bekräftigte meine Nachbarin noch einmal, dass sie zum Familie gründen definitiv die Falsche war. Aber nicht, dass ich das vorgehabt hätte. Ich sagte nichts mehr, sondern machte das einzig Richtige und Logische: die Tür zu. Und dann die Chicken Teriyaki mit der Extra-Prise Siedesalz, um meinen baldigen Auszug angemessen zu feiern.

Allerdings tat sich ein Problem auf:

Es war nämlich die letzte Tüte Chicken Teriyaki, zumal bereits angebrochen. Und ich musste noch einmal 240 m durch die mörderisch sengende Aprilsonne zum Supermarkt meines Vertrauens laufen, um den Vorrat aufzustocken. Aber da musste ich durch.

Die ersten 80 Meter ließen sich durchaus gut an. Auch die zweiten 80 Meter warfen keine weiteren Probleme auf. Allerdings änderte sich dies auf Meter 163. Es sollte ein Ereignis stattfinden, das mein Leben fundamental auf den Kopf stellen würde, indem mir etwas ebenso fundamental auf den Kopf knallen würde.

Es begann mit einem wahnsinnigen Schmerz vom Schädel, dann etwas, was ich zunächst nicht einordnen konnte – und dann mit Dunkelheit und einer Gedächtnislücke, tiefer als der Marianengraben. Mein Totalausfall hatte allerdings auch etwas Positives: denn mit klarem Verstand hätte dieses kleine Ereignis sicherlich länger Schmerzen gemacht als ohne.

Nach einer unbestimmbar langen Reise durch die Twilight Zone kam ich wieder zu mir. Aber nicht, wie erhofft, mit einer Einkaufstasche voll Tiefkühlkost vor dem heimischen Gefriergerät, sondern im Krankenhaus – mit brutalen Kopfschmerzen. Auf der weiteren Anwesenheitsliste standen: zwei Ärzte, eine Krankenschwester und meine Esoterik-Nachbarin. Das bedeutete: im Himmel war ich sicher nicht gelandet…

„Er ist wieder bei uns.“ Gab der Chef der Weißkittel (für meinen Geschmack zu laut) ernsthaft und nickend von sich. Der Mann für die zweite Geige schüttelte den Kopf.

„Es ist ein wahres Wunder! Erstens, dass er das überhaupt überlebt hat, und zweitens, dass er, so wie es aktuell aussieht, ohne bleibende Schäden davon kommen wird. Allerdings rechne ich mit einer Rekonvaleszenz von mindestens drei Monaten.“

Miss entsetzt im Hier und Jetzt wirkte noch etwas entsetzter als vorher (wann?!), obwohl meine noch etwas verschwommene Sicht da kein endgültiges Urteil zuließ.

„Herr Mönch? Wie fühlen Sie sich?“

„Es…AAAAH! Es fühlt sich an, als wäre mir ein Blumentopf auf den Kopf gedonnert. Aus sehr großer Höhe!“

„Das gibt’s doch nicht!“ ächzte Isabell.

„Was war es dann? Der Blitz irgendeiner Deiner dämlichen aufgestiegenen Meister?“

„Es…es war tatsächlich ein Blumentopf…aus dem zweiten Stock! Die, ähm, Besitzerin steht draußen und …kann sie reinkommen?“

„Bitte.“ Flüsterte ich schwach.

Es kam eine, wie es sich bei Besitzerinnen von Blumentöpfen im zweiten Stock verstand, ältere Dame herein, die sich sehr wortreich und lange entschuldigte und sagte, ihr Sohn habe schon die Haftpflichtversicherung verständigt. Da ich nicht wieder einschlief, musste ich zwangsweise zuhören und bekam dadurch noch etwas mehr Kopfschmerzen. Isabell quatschte mit den Weißkitteln und schindete einige Minuten mit mir alleine heraus – und das, obwohl wir noch immer nicht miteinander verheiratet waren (wobei es sich jetzt das erste Mal ernsthaft so anfühlte…). Sie wirkte unendlich traurig. Seufzte.

„Es tut mir sehr, sehr leid. Ich hoffe wirklich, die Ärzte irren sich nicht und es bleiben tatsächlich keine Schäden zurück.“ Soweit die Anteilnahme. Dann kehrte sie wieder in ihren normalen Habitus zurück: Vorwurfsvoll. „Verstehst Du jetzt endlich, was ich Dir die ganze Zeit über Karma erklärt habe? Merkst Du, dass Du den falschen Weg beschritten hast und dass Gott Dich ganz woanders haben will?“

Es war bezeichnend für unser Verhältnis, dass ich selbst noch auf dem Krankenbett Isabells dämliche Fragen beantworten musste, und das, obwohl…naja, Sie wissen schon: es existierte immer noch kein Ehevertrag. Es sei denn, sie hätte meine Bewusstlosigkeit gnadenlos ausgenutzt. Ich sammelte Luft, Speichel und Kraft. Und Licht und Liebe.

„Es existiert kein falscher Weg. Die Vorstellung eines falschen Weges ist eine Illusion!“

„Adrian…was hast Du da gerade gesagt?“

„Der Weg führt durch die Dunkelheit zum Licht, durch das Leid zur Seligkeit.“

„Ah…Adrian…Du…?“

„Die Redewendung: da muss man durch sagt aus, dass menschliches Leid sich nicht umgehen lässt, will man zur Vollkommenheit gelangen.“

So entgeistert hatte ich die Mutter aller Esoteriker noch nie erlebt. Sie starrte mich an wie ein Buschmann, der gerade auf eine tief verschneite Kalahari blickt.

„Ich…ich verstehe Dich nicht…“ ächzte sie tonlos.

„Per aspera ad astra – durch die Enge zu den Sternen. Der Weg der Entwicklung des Bewusstseins führt durch die Dunkelheit, denn erst die kann einem das Licht bewusst machen. Was übrigens die wahre Bedeutung von Luzifer, dem Lichtträger ist – er führt durch die Dunkelheit, um bewusst zu machen. Er führt durch die Hölle zum Himmel.“

„Bitte, was hast Du da gerade gesagt?“

Isabell wiederholte sich und irgendwie fragte ich mich das mittlerweile selbst…

Aber für den Moment war das nicht so wichtig: viel wichtiger war, dass ich mich jetzt bedingungslos den Tranquilizern meiner Infusion unterwerfen und einpennen konnte. Ich gab mich demzufolge der Chemiekeule hin und beendete nicht nur die Konversation, sondern auch den Wachzustand insgesamt – zumindest lange genug, dass der Bronchialtee ohne meinen weiteren Zuspruch das Krankenhaus verlassen konnte.

Der göttliche Blumentopfwurf

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