Читать книгу Wohnen im Alter - Sylvia Görnert-Stuckmann - Страница 7
2.1 Nie waren es so viele wie morgen – Der „demografische Wandel“ und seine Folgen
ОглавлениеDie Bevölkerungsstruktur verändert sich durch die Zunahme der älteren Generation nicht nur in Deutschland oder Europa, sondern weltweit. Medizinisch-technischer Fortschritt, bessere Hygiene, ökonomische Veränderungen und neue Sozialgesetze sowie eine fast 60-jährige Friedensperiode haben die Lebensbedingungen verbessert und die Lebenserwartung steigen lassen. Wurden Anfang des 20. Jahrhunderts noch rund fünf Kinder je Frau geboren, sind es heute nur noch 1,34 – Deutschland steht am untersten Ende der Weltstatistik und hat die am schnellsten alternde Gesellschaft. Die Bedeutung der Familie als stützendes soziales Netzwerk nimmt wegen der veränderten Rollenerwartungen an Mann und Frau kontinuierlich ab. Mit Singles, nichtehelichen Partnerschaften, Alleinerziehenden, Patchwork-Familien und anderen Lebensformen haben sich die Haushaltsstrukturen verändert.
Statistiken belegen, dass der Anteil der Senioren an der Gesamtbevölkerung in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat. Nach den Berechnungen der Demografen wird er weiter ansteigen:
Schon 2030 wird es doppelt so viele Ältere wie Jüngere in Deutschland geben.
Der Anteil der über 80-Jährigen wird von heute 2,9 Millionen auf voraussichtlich 11,4 Millionen bis 2050 steigen.
Allein die Anzahl pflegebedürftiger alter Menschen soll bis 2020 um 50 Prozent auf dann 3 Millionen anwachsen.
Solche Zahlen verwirren und verunsichern: Was wird die Zukunft bringen? Werden wir im Alter noch gesellschaftliche Bedingungen vorfinden, die uns ein Leben in Würde und Selbstbestimmtheit ermöglichen?
Was bedeutet diese demografische Entwicklung in einer Zukunft mit voraussichtlich mehr Alten als Jungen und mehr Alleinstehenden als Familien?
Zum einen werden sich den Senioren neue Chancen eröffnen:
Ältere werden zahlenmäßig stärker als heute in entscheidenden Gremien vertreten sein und so ihre eigenen Interessen besser vertreten können.
„Höhere Lebenserwartung“ bedeutet auch mehr Zeit, Lebensträume zu verwirklichen: Vielleicht noch einmal heiraten, vielleicht eine neue Ausbildung oder ein Studium beginnen, vielleicht umziehen oder sich die Welt ansehen.
Die Ressourcen der älteren Generation werden nötig sein, um die Aufgabe „alternde Gesellschaft“ kreativ zu bewältigen – mit der Folge einer neuen Sicht auf die Alten und einer Wende von der Defizit-Orientierung zur Wahrnehmung der Ressourcen Erfahrung und Zeit.
Zum anderen wird die Pflege der vielen alten Menschen in der heutigen Form kaum mehr möglich sein. Das familiäre Unterstützungs-Netzwerk wird in Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen, da die Bedeutung der Familie in der Gesellschaft abnimmt. Für den Ersatz durch professionelle Hilfe gibt es weder genügend (junges) Personal noch finanzielle Mittel. Wichtig scheint daher, neue Alternativen zu etablieren – zum Beispiel Helfer aus der Umgebung, so genannte „informelle Helfer“, die die längst vergessenen Aufgaben einer früheren dörflichen Gemeinschaft wieder übernehmen könnten.
Das Alter mit all seinen Facetten wird künftig eine größere Rolle spielen, und nirgendwo in der Geschichte lehrt ein Modell, wie damit umzugehen ist. Diese Unsicherheit kann aber dazu antreiben, die gesellschaftlichen Herausforderungen anzunehmen und gemeinsam zu bestehen. Dazu gehört auch, sich die Wirkung dieser Änderungen auf unser eigenes Altern bewusst zu machen und sich gezielt und aktiv darauf vorzubereiten. Je früher desto besser, denn neue Ideen brauchen viel Zeit, um sich zu entwickeln und gegen Veraltetes durchzusetzen.