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Mutter im Bad

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Ich will nicht grundsätzlich behaupten, dass nur Mütter davon betroffen sind, im Bad einen nicht ganz so ruhigen Ort vorzufinden, wie einem oft suggeriert wird. Natürlich mag es auch Väter mit dem gleichen Leidensdruck geben. Sicher ist jedenfalls, dass die, die am lautesten darüber jammern, „Nicht einmal im Bad Ruhe zu haben!“ wahrscheinlich diejenigen sind, die ab beginnender Hormonverneblung, also spätestens in der Pubertät, diesen Raum für sich zu annektieren scheinen. Allerdings nicht, um einem exzessiven Waschzwang zu frönen. Viel mehr thronen die männlichen PuberTiere in schier endlosen Audienzen, während sich die Weibchen für eine Art Kriegszug und Fotosafari bemalen.

Ich kann also nur von meinem eigenen Lernweg hinsichtlich der Nutzung unseres Bades berichten und allein aus diesem, ließe sich ein ganzes Buch füllen.

Ist das ein unappetitliches Thema?

Auf jeden Fall!

Allerdings finde ich es wesentlich unappetitlicher, Menschen, die sich ins Bad zurückziehen, in Vollkontakt zu belästigen. Bedürfnisse haben wir schließlich alle einmal.

Meine persönliche Ausbildung begann in dem Moment, in dem ich Mutter wurde.

All die klugen Sprüche im Vorfeld, die Neugeborenen schlafen ach so viel und als Mutter sollte man sich diesen Schlaf zunutze machen, um an sich selbst zu denken.

Wie viele Mütter schaffen es tatsächlich, zwischen zwei Milchmahlzeiten ihrer zuckersüßen Wonneproppen, die Toilette zu besuchen, sich zu duschen und die Zähne zu putzen?

Und dieser Triathlon ist durchaus auch für sportliche Menschen eine Herausforderung!

Kaum senkt man das Hinterteil über der Keramik, mutet es an, als habe jemand einen unsichtbaren Alarm ausgelöst. Dann – und oft genug auch nur dann – beginnt das Baby zu krähen. Infernalisch laut und mit Nachdruck, es stände wahrscheinlich unmittelbar vor dem Hungertod, von dem es, in seinen letzten Momenten, noch der ganzen Welt zu berichten gedenke.

Und obwohl ich meine Duschzeiten auf rekordverdächtige unter sechzig Sekunden zu reduzieren verstand, was mich allerdings auch jahrelanges Training kostete, dabei schaffte, mich mit einer Hand einzuseifen, mit der anderen mein Haupthaar zu shampoonieren und meine Zähne, noch unter der Brause stehend, in der Zeit zu putzen, die das Wasser brauchte, um den Schaum von meinem Körper zu spülen, entwickelten die meisten meiner Kinder schon als Säuglinge Taktiken, die sie, im Laufe ihres Lebens, perfektionierten.

Bei Jemma wusste ich grundsätzlich, wie tief sie auch schlief, mich erwartete eine Duftbombe in ihrer Windel, aus der heraus sie mich, selig lächelnd, anschmachtete. Sie tat das so zuverlässig, dass ich einmal, als sie unter Verstopfung litt, sogar versuchte, etwas ausgiebiger zu duschen. Der Erfolg stellte sich kurz darauf tatsächlich ein.

Till mimte bereits das ausgesetzte Waisenkind, bevor ich auch nur das Zimmer in Richtung Bad verlassen konnte. Bei ihm gewöhnte ich mir an, ihn in der Babywippe, in Sichtweite, so zu postieren und dabei spontan in meinem Kopf auftauchende Melodien zu trällern, dass er irgendwann darin sogar ein Vergnügen sah, welches er einforderte, indem er auf die Badezimmertür zeigte.

Malte schrie exakt einmal auf und hielt dann die Luft an, bis die Atemüberwachungsanlage mich panisch fast durch die geschlossene Tür preschen ließ. Nach einiger Zeit wussten selbst die Nachbarn, wann ich dusche. Sie hörten es am Alarm.

Elly schrie nicht. Die Gefahr bei ihr war eher die Stille, mit der sie einen einzigen Duschakt meinerseits nutzen konnte, eine ganze Etage umzubauen.

Ruby hingegen begann mit den ersten Wassertropfen, die aus der Brause auf mein Haupt platschten, ein Gebrüll, in das sie sich so hineinsteigerte, dass sie für Stunden kaum zu beruhigen war. Und was konnte sie leiden!

Tara entzog mir einfach für den restlichen Tag ihre Freundschaft und schmollte. War ich auch sonst ihre Lieblingsmami, sank ich an jenen Tagen auf das Ansehen von Gewürm, über das es die Nase zu rümpfen gäbe.

Auch als sie älter wurden, erhielt ich keine Sondererlaubnis, ohne sie das Bad zu betreten. Wagte ich, den Schlüssel im Schloss zu drehen, dröhnte von draußen eine vermutete Herde Wildtiere heran, die die Tür, unter Gezeter und Getrommel, einzutreten suchte.

Schloss ich nicht ab, verlangten dringende Termingeschäfte meiner Sprösslinge, eine sofortige Klärung. In Augenhöhe, mich fest anstarrend, standen sie vor mir und kauten mir ein Ohr ab, wie asozial sich der Teddy gegenüber der Puppe verhielt oder was am Mittagessen des Vortags welche Vorzüge hatte.

Dabei interessierte es meine Kinder nicht, dass sie auch noch einen Vater hatten, den sie in meiner Bad-Pause behelligen hätten könnten. Seine Empfangszeiten legten die Kurzen ebenfalls in seine Nutzungszeiten der heiligen Hallen.

Man liest oft von Kraftorten, mit spirituellen Energien.

Ich schwöre, unser Bad muss eines davon sein – nur nicht für meinen Mann und mich!

Nachdem wir umgezogen waren und wieder ein Bad mit sogar einer Eckbadewanne hatten, wähnte ich mich, für einen trügerischen Moment, im Paradies. Bis ich tatsächlich baden wollte.

Jemma schenkte mir zu Weihnachten LED-Kerzen, mit einstellbarem Farbschein. Heimlich schmuggelte Joe mir ein luxuriöses und von mir so geliebtes Entspannungs-Schaumbad ins Haus. Und kaum deuchte es, unsere Bande schlief, stellte ich den Hahn der Wanne auf heiß.

Meine Lichter auf grün eingeschaltet, den Duft des Schaumbads im Raum, umhüllt von sanft wabernden Schwaden des Wasserdampfes, mit der Suggestion einer Dschungeloase, pellte ich mich fast lautlos aus der Kleidung und glitt still in die Wanne. Entspannt lehnte ich den Kopf zurück, schloss meine Augen und in dem Moment ließ mich ein schrilles Kreischen meiner Jüngsten fast senkrecht aus dem Nass schießen.

Wie auch immer Tara wach geworden war, Ruby schien die gleichen Ambitionen zu spüren, trafen sie sich, nachdem sie leise am Schlafzimmer und ihrem dort schlummernden Vater vorbei geschlichen waren, im Wohnzimmer, um ohne Vorwarnung, keifend übereinander her zu fallen und sich um die Fernbedienung zu prügeln.

Das rief Elly auf den Plan, die noch etwas lauter gegen ihre Schwestern an brüllte, sie sollten leise sein, da Papa schliefe. Von dem allerdings nur ein halbherzig genervtes Grunzen zu hören war. Wollte ich Ruhe, musste ich sie mir selbst verschaffen und, ohne darüber nachzudenken, welchen fatalen Fehler ich damit begehen würde, rief ich laut, dass ich mir Ruhe erbitte.

Eine Sekunde der Stille, dann tappende Schritte, die Badezimmertür flog auf und in bühnenreifer Polonaise, marschierten Kröten und Unke ein. Die Letzte machte das Deckenlicht an, um zweifelsfrei festzulegen, wir gedenken einander in die Augen zu starren, statt uns im Halbdunkel suchen zu müssen.

Die ersten Minuten dienten der Gerichtsverhandlung.

Wer war zuerst im Wohnzimmer und hatte damit einen Anspruch auf die Fernbedienung?

Mit gespitzten Lippen, ohne lang zu überlegen, fällte ich das Urteil: Anspruch auf die Fernbedienung haben wir Eltern, denn der Fernseher gehöre schließlich auch uns.

Als Reaktion auf meine Festlegung, verbündeten sich die Gegner und wetterten auf mich ein, wie ungerecht ich doch wäre und „...nie dürften“ sie doch fernsehen.

Dabei verhielt es sich tatsächlich so, dass, wagten Joe oder ich, uns das umkämpfte Geräte einzuschalten, auch da unsere Nachkommen einfielen und entweder versuchten, uns zum Umschalten zu bewegen oder scheinbar ihren Lebenslauf in Romanformat vortrugen.

„Es gibt jetzt kein Fernsehen mehr, Ende! Ihr solltet längst schlafen!“ funkelte ich die Damen an, aus deren Mitte sich nun Tara schälte, Zeige- und Mittelfinger bewegte, wie kleine Beinchen, die über den Wannenrand laufen und dann ins Wasser tauchen.

„Bin aba soooo smutzig! Mussich auch baden!“ stellte sie entrüstet fest und hielt Blickkontakt.

In den Chor fielen ihre Schwestern mit ein, die ich zumindest mit dem Hinweis, sie müssten morgen früh raus und zur Schule, mit schmollend nach vorn geschobener Unterlippe, zum Gehen bewegen konnte.

Selbstverständlich starteten sie oben, in ihren Zimmern noch eine allabendliche Abschiedsparade, mit abschließender sich gegenseitig in den Schlaf-brüll-Stunde.

Tara blieb allerdings hartnäckig und erwies sich als würdiger Vertreter meiner eigen geborenen Terrormiliz. Entweder erlaubte ich ihr, zu mir in die Wanne zu kommen oder sie bliebe davor stehen, um mich dusselig zu quatschen. In der Hoffnung, sie würde im warmen Wasser müde, gab ich also seufzend nach und mein kleiner Wirbelwind stand, binnen einer einzigen Drehung, nackt vor mir, den Fuß bereits über den Wannenrand schwingend, um mit einem lauten Platschen ins Becken zu plumpsen. Prustend und keuchend kam sie wieder hoch und dachte man nun, sie rang nach Luft, stellte man fest, dass dies ganz sicher nicht ihr Problem war, denn die Puste reichte locker, um mich wild zu beschimpfen, ihr sei das Wasser zu heiß.

Sie wollte doch zu mir, in mein Badewasser, also habe sie auch meine Wohlfühltemperatur zu respektieren, antwortete ich ihr trocken und als sie begriff, ich würde nun eben nicht Kaltwasser aufdrehen, zuckte sie mit den Schultern und teilte lakonisch mit: „Okä, dann zeigich Dir mal, wie ich swimme!“

Mit einem Hechtsprung tauchte sie erneut in die Wogen, während ich mich auf den Ecksitz rettete und dem aus der Wanne schwappenden Wasser nachsah, das mich später noch eine Weile mit Wischen beschäftigen würde.

Im Wunsch eine Meerjungfrau zu imitieren, glich meine Jüngste eher einem besoffenem Frosch, doch ich lobte sie überschwänglich, in der Hoffnung, sie damit so zufrieden zu stellen, dass sie die Darbietung abschließen würde.

Nach der Vorführung schlüpfte sie jedoch in die Rolle der Badeassistentin und beschloss, mir die Haare zu waschen. Kübel weise schüttete sie mir also Wasser über den Kopf, verteilte fast eine halbe Flasche Shampoo über mein Haupt und freute sich diebisch, weil ich schon bald eine weiße Wallemähne hatte, die in einem dicken Teppich über meine Schultern kroch.

Selbstverständlich durfte auch nur sie die Pracht wieder ausspülen. Mit einem kleinen Becher. Über die Dauer dieses Manövers sei so viel gesagt: Wir erreichten furchtlos Taras Wohlfühltemperatur des Badewasser, während sich bleischwere Müdigkeit über mich legte. Mein Kind dagegen, schien noch auf das finale Munterwerden zuzusteuern.

Stunden später, lag ich erschöpft im Bett.

Nachdem ich mich der erzwungenen Wellnessbehandlung meiner Kleinsten ausgiebig geopfert hatte, danach das Bad schrubbte und die völlig übermüdete, plärrende Tara, die nun mich hasste, weil ich angeblich schuld war, dass sie noch einmal baden musste, in ihr Bett gekämpft hatte, heulte ich nur noch verhalten über die klebenden Reste Shampoo in meinen Haaren.

Ich starrte im Halbdunkeln an die Decke, lauschte dem Schnarchen meines Mannes und dachte darüber nach, ob ich beim nächsten Mal vielleicht versuchen sollte, weit nach Mitternacht in die Wanne zu klettern. Kaum hatte ich diesen Gedanken im Kopf ausgesprochen, polterte es irgendwo oben in den Zimmern der Mädchen und aus Taras Bett ertönte ein vollmundiges Kichern, das auf einen lustigen Traum deutete.

Nein, solange ich Kinder im Haus hatte, würde ich nicht mehr in Ruhe baden können.

Aber ein kleiner, schadenfroher Trost blieb mir: Sie würden irgendwann auch erwachsen sein und Kinder haben. Ich empfehle ihnen dann diese Geschichte aus ihrer Kindheit. Als Klolektüre. Mehr Text brauchen sie ohnehin nicht, denn ich bin überzeugt davon, bis sie die wenigen Seiten gelesen haben, werden ihre Kinder flügge sein.

Moppelchens Chaosbande ...Kinder lachen!

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