Читать книгу Moppelchens Chaosbande ...Kinder lachen! - Sylvia Koppermann - Страница 8
Weihnachtselfe Ruby – und endlich wieder Auflauf
ОглавлениеRuby hatte uns überrumpelt. Das begann schon damit, dass sie, zumindest zu dem Zeitpunkt, noch gar nicht eingeplant war. Elly, gerade einmal sieben Monate alt, hielt uns auf ganzer Linie davon ab, überhaupt nur einen Gedanken an ein weiteres Kind zu haben, als Jemma mich auf Stimmungsschwankungen ansprach, die mir selbst, natürlich, gar nicht auffielen. Ob ich denn gerade menstruiere, fragte sie mich im Verlauf einer kleinen und überflüssigen Diskussion, in die ich mich herzhaft hinein steigerte. Ich grinste. Nein, schließlich wäre ich doch erst... Und schon erbleichte ich, denn in dem Moment wurde mir bewusst, dass ich tatsächlich überfällig war.
Einige Stunden später, starrte ich auf den positiven Schwangerschaftstest, bleich und mit einem flauen Gefühl der Angst im Magen. So sehr ich auch jedes meiner Kinder liebe und um nichts hergeben würde, muss ich eben auch gestehen, dass ihr Timing, in unser Leben zu treten, doch einige Male recht kurios war.
Wie sollte ich diese Neuigkeit nun Joe überbringen und welche Reaktion erwartete mich?
Wieder war es Jemma mit der zündende Idee, denn uns allen war noch sehr deutlich in Erinnerung, welche Essgelüste meinen Mann, in der letzten Schwangerschaft, befallen hatten: Tomaten!
Nun spreche ich hier nicht von einer obligatorischen Tomate, die regelmäßig dekorativ am Tellerrand thronte oder dem kleinen Tomatensalat zwischendurch. Nein, Joe schien, in meiner Schwangerschaft mit Elly, eine Obsession dafür zu entwickeln, sämtliche Tomaten, denen er habhaft werden konnte, auszurotten. Und das in absolut jeder Form, ob nun als Saft, Soße, Salat oder Snack.
Als er an jenem warmen Maitag von der Arbeit heim kam, stand bereits ein Teller Tomatensuppe auf dem Tisch, daneben eine Schale Mini-Tomaten und ein Glas Tomatensaft. Der positive Schwangerschaftstest, lag, in eine Serviette eingewickelt, neben dem Löffel.
Joe brauchte keinen Test. Er sah sein Mahl an, kurz ratterten die Zahnräder in seinem Kopf, dann begann er, breit und über das ganze Gesicht, zu grinsen. Während ich noch einige Tage brauchte und mich an den Gedanken, bald zwei Babys im Haus zu haben, erst gewöhnen musste, prahlte mein Göttergatte bereits stolz mit seiner Fruchtbarkeit.
Ich gebe zu, da ich auch nicht mehr ganz so jung war und gefühlt erst ein paar Tage zuvor Elly entbunden hatte, empfand ich die Schwangerschaft mit Ruby etwas anstrengender. Nicht nur für mich, auch für meine Familie, die bis heute Eide schwört, ich hätte mit einer Masse an Hormonen jongliert, die eher auf eine Drillingsgeburt hin deutete.
Dabei redete ich mir ein, meine Launen entsprängen einzig dem Stress, den wir in dem Jahr hatten, denn wenige Monate nach der Einzugs-Ankündigung unserer Ruby, heirateten wir und der Löwenanteil der Planungen und Organisation, lag bei mir.
Insgesamt neige ich dazu, in einer Schwangerschaft schon früh Bauch zu zeigen. Der Sommer war also noch nicht zu Ende, als mich immer öfter besorgte Mitmenschen fragten, wie lange mein Baby schon überfällig sei. Antwortete ich dann, noch Monate, bis nach Weihnachten, vor mir zu haben, erntete ich stumm-entsetzte Blicke, denen ich mich nur entziehen konnte, indem ich schwerfällig von dannen wälzte.
Ja, meine Schwerfälligkeit, beeinträchtigte mich zunehmend. So sehr, dass meine Familie noch Tage johlte, weil ich sie einmal fast ums Essen gebracht hatte.
Mühsam bereitete ich einen großen Bräter voll mit Auflauf vor.
Der Backofen unseres Herdes – ein Erbstück meiner Oma – ließ sich wie eine Schublade auf ziehen, was ich übrigens immer recht praktisch fand. Er stand also zwischen zwei Schränken, ich zog die Lade auf, stellte den Bräter hinein und triumphierte ein wenig, dass ich perfekt in der Zeit lag. Nur, als meine Familie sich schließlich, zur gewohnten Zeit, um den Tisch versammelte und ich den Auflauf aus dem Ofen holen wollte, war der Bräter verschwunden.
Hektik brach aus und ich begann schon, Till und Malte zu verdächtigen, nur um mich zu ärgern, den Auflauf aus dem Ofen geholt und versteckt zu haben. Aber alle beteuerten ihre Unschuld, während ich bemerkte, dass sie anfingen, an mir zu zweifeln, ob es den ominösen Auflauf überhaupt je gegeben hatte.
Aus dem Babyzimmer krähte Elly und Joe erhob sich, um ihre Flasche vorzubereiten, während wir weiter um die Existenz und den Verbleib des Auflaufs stritten.
Als mein Mann die Schublade, im Schrank neben dem Backofen auf zog, in der Ellys Flaschenzubehör aufbewahrt wurde, begann er schallend zu lachen, setzte sich kurz wieder, deutete, mit Tränen in den Augen auf die tiefe Schublade mit den Fläschchen und als wir näher hin sahen, stand dort der Bräter mit dem Auflauf.
Mein riesiger Bauch hatte mich nicht sehen lassen, dass ich unser Essen, statt in den Ofen, in den Küchenschrank gestellt hatte.
Noch Jahre später, begleiteten mich gelegentliche Anfeuerungsrufe, sobald ich den Backofen öffnete, dass ich tatsächlich in Zielposition stände.
Das Weihnachtsessen kochte ich im Voraus. Schließlich wüsste man ja nie, ob unsere Ruby sich nicht vorzeitig auf den Weg machen wollte und dann sollte meine Familie wenigstens genug zu essen haben.
Ich ließ mir, beim Festmahl, auch nicht nehmen, die einzelnen Gänge zu verteilen und kippte mir, da ich, wegen des gewaltigen Bauches alles etwas höher halten musste, prompt den Inhalt des Suppentellers, der eigentlich für meinen Schwiegervater gedacht war, ins Dekolleté, Eierstich, Gemüse und Nudeln, filterten sich in meinem BH, während die Brühe mir bis in die Hose tröpfelte, ich gleichzeitig danach brüllte, man möge mir ein Glas kaltes Mineralwasser in den Ausschnitt schütten, da dieses Abenteuer doch schon ordentlich Temperatur aufwies und mein Schwiegervater beteuerte, er bräuchte nun nicht unbedingt zwangsläufig Suppe.
Theoretisch sollte Ruby genau zwischen den Weihnachtsfeiertagen und dem Geburtstag meines Mannes geboren werden, der es wirklich niedlich gefunden hätte, würden seine jüngste Tochter und er, sich den Ehrentag teilen. Elly war ja bereits am Geburtstag meines Schwiegervaters geboren worden und Joe frotzelte von einer neuen Tradition, der geteilten Wiegenfeste. Zumal wir oft, wenn jemand erstaunt darüber war, dass Opa und Enkelin zusammen feierten sagten, zum Zeitpunkt von Ellys Geburt, waren wir so arm, dass wir uns keinen eigenen Geburtstag für unser Kind leisten konnten.
Heiligabend und der erste Weihnachtstag verstrichen, ohne dass die Geburt sich ankündigte. Wir wurden immer sicherer, dass unsere Kleine also auf jeden Fall, bis nach den Feiertagen warten würde.
Am zweiten Weihnachtstag, morgens, kurz nach halb vier, verspürte ich das Bedürfnis, das wohl alle Schwangeren von einem durchgehenden Schlaf abhält: ich musste zur Toilette.
Die lag im unteren Stockwerk und ich nuschelte verschlafen ein paar Flüche, da es in dieser frostigen Nacht, auf dem Flur, meiner Meinung nach, kälter sein musste, als draußen.
Bibbernd schlotterte ich mich also zur Toilette und wunderte mich, dass ich, obwohl ich fest überzeugt war, nicht mehr pinkeln zu müssen, ziemlich undicht zu sein schien. Nicht ganz eindeutig, ob ich eben keine Kontrolle über meine Blase hatte oder Ruby begann, den Stöpsel zu ziehen.
Gedankenverloren, sprach ich zu meiner kleinen Tochter, in meinem Bauch, dass ich noch nicht wach genug war, um ihre eventuellen Zeichen zu verstehen und sie möge, falls sie mir hiermit ihren Auszug ankündigte, bitte deutlicher werden.
In den nächsten zehn Minuten, die ich noch auf der Keramik thronte, passierte nichts mehr. Also ließ ich mich vom verlockenden Ruf meines warmen Bettes verführen und schlurfte schlaftrunken zur Badezimmertür.
Auf halben Weg platschte es laut und vernehmlich und im nächsten Moment spürte und sah ich die riesige Pfütze, in der ich stand. Das war nun ein sehr deutliches Zeichen!
Schlagartig stellte sich in mir alles auf Geburt ein und ich warf lediglich ein Badehandtuch auf die nassen Fliesen, um mich wieder auf den eisigen Flur zu tasten. Die Kälte war grausam und da ich innerlich noch etwas die nächsten Abläufe koordinierte, schlurfte ich langsam gen Treppe.
Besorgt kam unser Neufundländer, Odin, auf mich zu und wollte wohl nachsehen, ob es mir gut ginge, als es erneut platschte, Odin die Augen weit aufriss, reflexartig zur Seite sprang, jedoch von dem Schwall Fruchtwasser ergriffen, ein Stück an mir vorbei gespült wurde. Seine Hilfsbereitschaft fand in diesem Affront bereits ein Ende und so stand ich also nass-frierend im Flur und rief die Treppe hinauf, zu Joe, der sonst einen sehr leichten Schlaf hat, in dieser Nacht aber partout nicht wach zu bekommen war.
Neben mir, lag das Zimmer von Till. Also raunte ich immer lauter nach ihm, bis sein verschlafenes Brummeln, leicht genervt fragte, was ich denn wolle.
„Könntest Du kurz nach oben gehen und Joe wecken? Meine Fruchtblase platzt hier in Dauersalve und ich denke, wir sollten uns bereit machen, zur Klinik zu fahren.“
Für Sekunden herrschte Stille, dann keuchte Till atemlos „Scheiße, ja, klar!“ und es begann aus seinem Zimmer zu poltern. Mit einem lauten Knall, schlug er am Türrahmen ein, den er, im nächsten Schritt, fast noch mitbrachte, dann flog die Zimmertür auf und mein Sohn stand atemlos neben mir. Er sah mich von Kopf bis Fuß an, stutzte wahrscheinlich auch über den beleidigt am Flurende sitzenden Odin und versicherte mir, dass ich ruhig bleiben sollte, da er nun alles im Griff habe.
Sprach's, stürmte die Treppe nach oben, ins Schlafzimmer und kreischte nach Joe, der fast vor Schreck aus dem Bett polterte und kurz darauf preschten beide auf den oberen Flur und weiter in Wohnzimmer und Küche, während sie sich zu riefen, wer den Kaffee aufsetzt, wer die Verwandten und Freunde anrief, die angeboten hatten, uns zur Geburt ins Krankenhaus zu fahren und wohin der fertig gepackte Klinikkoffer gestellt werden sollte.
Ich stand währenddessen noch immer, fröstelnd und nass, auf dem unteren Flur, um mit verzweifelten Rufen darauf aufmerksam zu machen, dass man mich bitte nicht vergessen möge.
Immerhin bemerkten sie mein Fehlen von selbst – nach ungefähr fünfzehn Minuten – und als Till gestochen scharf kombinierte, ich könnte eventuell noch unten, an der Treppe stehen, da er mich dort zuletzt gesehen hatte, kamen beide endlich auch einmal zu mir herunter und begleiteten mich hinauf, um mir in trockene Sachen zu helfen.
Inzwischen spürte ich auch deutlich die ersten Wehen.
Joe fluchte, denn all die Verwandten und Bekannten, die sich bisher förmlich darum gerissen hatten, uns in die Klinik zu fahren, schliefen scheinbar so fest, dass niemand das Klingeln der Telefone hörte.
Ich muss dazu sagen, dass wir, in dieser Zeit, kein eigenes Auto, sondern nur einen Motorroller hatten. Und auf diesen, so legte Joe nun fest, würde er mich dann eben setzen, um mich selbst ins Krankenhaus zu fahren.
„Wir haben -12°C, heute Nacht und bis zur Klinik sind es 35 km. Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mich da hinten auf den Roller schmeiße und als Tiefkühlblock, vor dem Krankenhaustor, vom Sitz kippe? Eher bekomme ich das Kind hier zu Hause!“ raunzte ich meinen Mann an, da ich die schnell heftiger werdenden Wehen, schon nicht mehr ganz so angenehm empfand.
Endlich erreichte Joe schließlich Bekannte, die uns fuhren.
In der Klinik bekam ich die Nachricht, dass ab der Frühschicht eine Hebamme Dienst haben würde, mit der ich, bei der Geburt meiner Enkelin, bereits einmal zusammen gerasselt bin und aus Rücksicht auf ihre sonst gefährdete Gesundheit, legte ich zuerst fest, dass ich auf keinen Fall bei dieser Hebamme entbinden würde.
So kam ich in den Genuss, eine der Hebammen um mich zu haben, die bereits auch Elly mit auf die Welt geholfen hatten.
Trotz kräftiger, regelmäßiger Wehen, stagnierte jedoch irgendwann die Eröffnungsphase. Während Joe immer wieder einmal an die frische Luft ging, bot mir die Hebamme Akupunktur an, um Verspannungen zu lösen und die Geburt wieder voran zu treiben. Eine der Nadeln setzte sie mir dann direkt oben auf den Kopf, so dass diese, wie eine kleine Antenne, in die Höhe ragte.
Joe kam zurück in den Kreißsaal und beschloss genau da, mir den Kopf zu tätscheln. Ich riss meinen Schädel, dem sich gerade schwungvoll seine Pranke näherte, zur Seite während die Hebamme rief, er möge genau diese zärtliche Geste doch bitte unterlassen, da sie für eine ungewollte Reaktion meinerseits sorgen könnte, wenn ich ihn dann wütend zwang, mir die in den Kopf geschlagene Nadel, wieder heraus zu ziehen.
Ich war sauer. Mein Mann pendelte zwischen der frischen Luft und dem Kreißsaal hin und her, die Geburt wollte nicht voran gehen und ich hatte Schmerzen. Gerade ich, wo ich doch eine Kandidatin bin, Geschlechts unspezifisch, an einem Männerschnupfen zu versterben. Aber genau diese Wut schien dann auch meine Verspannung zu lösen und innerhalb von Minuten, gab der Geburtsvorgang Vollgas.
Kurz nach halb elf, am Vormittag, lag Ruby krähend auf meiner Brust und wir waren nur noch glücklich.
Halb zwölf stand ich unter der Dusche, halb eins, mit Ruby im Babysafe, den Joe trug, wie ein rohes Ei, im Eingangsbereich der Klinik, da der Bekannte uns abholen wollte.
Der kam auch pünktlich, jedoch stand ihm die Enttäuschung deutlich im Gesicht.
„Schade, dass Du so lange gebraucht hast! Meine Freundin hätte die Kleine so gern noch gesehen, bevor sie zur Arbeit musste. Aber macht nichts, wir kommen dann heute Nachmittag noch einmal zusammen rum.“
Ich saß mit offenem Mund im Auto. Bis zu dem Moment dachte ich eigentlich, trotz der kleinen Hürden, wären Ruby und ich richtig schnell gewesen, mit unseren sechseinhalb Stunden.
Zu Hause warteten die älteren Kinder, die ein großes Laken, mit „Herzlich willkommen, Ruby!“, über die Tür gespannt und einen Brunch vorbereitet hatten. Eine wundervolle und liebe Geste, wenn wir auch etwas platt waren und uns nach unserem Bett sehnten. Aber in den nächsten eineinhalb Stunden, saßen wir gemütlich zusammen und kamen ein winziges Bisschen, zuerst einmal an.
Bis dann eben ein nicht enden wollender Besucherstrom begann.
Nach und nach, trudelten meine Mutter, der Bekannte, mit seiner Freundin, meine Schwiegereltern, eine Nachbarin, zwei Freundinnen und eine befreundete Familie ein. Alles in allem, tauchten, innerhalb von fünf Stunden, um die zwanzig Gäste auf.
Alle schön in einem fließenden Übergang. Sie bestaunten unser Baby, tranken Kaffee und gingen, um Platz für die frisch nachrückenden Besucher zu machen.
Jemma blieb etwas länger, half mir noch beim Kaffeekochen, musste aber, am späteren Nachmittag, selbst nach Hause.
Joe war platt, denn die Geburt hätte ihn wirklich geschafft, bedauerte er, als ich mich etwas beschwerte, seine Unterstützung brauchen zu können. Er schlief immer wieder ein.
Till und Malte beschäftigten Elly verzogen sich aber zwischendurch in ihre Zimmer, da, so ihre Feststellung „Für ihren Geschmack, ein bisschen zu viel Trubel im Haus herrsche“.
Ruby war die Einzige, die wirklich die Ruhe weg hatte und schlief.
Ich pumpte Endorphine und Adrenalin.
Irgendwann röchelte unsere Türklingel den kompletten Streik aus, aber noch immer kam ich nicht einmal auf die Idee, einen Zettel an die Tür zu hängen, dass hier eine Familie zuerst einmal mit Baby ankommen möchte, statt Zoo zu spielen.
Weit nach acht Uhr abends, waren die letzten Besucher gegangen und im Haus herrschte Stille. An anderer Stelle, in einem vorherigen Band, hatte ich darüber ja bereits geschrieben.
Malte gesellte sich einige Minuten zu mir und versuchte mich aufzumuntern, während ich schlaff auf dem Sofa hing und eigentlich nicht mehr viel sprechen mochte. In einem letzten Versuch, mit mir zu plaudern, versicherte er mir, die nächsten Tage, im Haushalt, etwas mehr zur Hand zu gehen und mir auch beim Kochen zu helfen. Ob ich denn schon Ideen hätte, was wir morgen essen wollten.
Ich überlegte und grinste dann.
„Was hältst Du vom Nudelauflauf? Diesmal sogar heiß, direkt aus dem Ofen?“