Читать книгу Moppelchens Chaosbande ... Jugend frei! - Sylvia Koppermann - Страница 8
Futter-Dealer
ОглавлениеManchmal verstehe ich die Welt nicht mehr. Seit ich Kinder habe, höre ich von allen Seiten Eltern klagen, was ihre Kurzen nicht essen und es gab eine lange Zeit, in der ich nur den Kopf schütteln konnte. Klar, auch ich hatte als Kind ein oder zwei Dinge, die ich so gar nicht mochte – heute teilweise sogar sehr gern esse – aber insgesamt, war ich doch ein Allesfresser.
Dann zu hören, die Sprösslinge äßen im Grunde nur eine sehr geringe Auswahl an Nahrungsmitteln, war mir absolut fremd. Konnte ich an einer Hand aufzählen, was ich selbst nicht mochte, brauchten die Mütter, in meinem Umfeld, garantiert keinen Finger mehr, um aufzulisten, was sie auftischen dürften.
Woran lag das?
Eines meiner Leibgerichte der Kindheit, war Kartoffelbrei mit Leber, oben drauf, dick, angebratene Zwiebelringe und Apfelspalten.
Meine Freundinnen verzogen angewidert die Gesichter. So etwas würde ich freiwillig essen? Igitt!
Ah, dachte ich mir, daher kam also das Mäkeln ihrer Kinder. Ja, mir schien es völlig klar. Kinder essen das, was sie gewohnt sind. Lernen sie gewisse Nahrungsmittel nicht oder erst spät kennen, ist die Gefahr recht groß, diese dann auch zu verabscheuen.
Ich war also absolut davon überzeugt, dass die Essgewohnheiten anerzogen wurden. Und das gäbe es, bei meinen Kindern, selbstverständlich überhaupt nicht.
Einige Jahre später, stand ich vor der täglichen Herausforderung, was ich kochen könnte, ohne dass mindestens zwei Drittel meiner Kinder, Petitionen gegen mich einreichten.
Jemma liebte alle Arten von Suppen, hasste dafür Sauerkraut und vor allem Senf. Till, der insgesamt jedes warme Essen für ein Käsebrot stehen ließ, liebte Senf, auch Paprika, verabscheute aber Tomaten und Leber. Letztere standen oben auf den Leibspeisenlisten von Malte, der sich wiederum nicht an Paprika heran locken ließ. Auch Suppen musste es, ging es nach ihm, nicht unbedingt geben. Und dachte ich da noch, es sei schwierig, es allen Kindern einigermaßen recht zu machen, wurde mir meine Naivität dann bei den Jüngeren schonungslos und auf Hochglanz poliert, unter die Nase gerieben.
Elly schien anfangs noch alles zu essen. Mit der Zeit entwickelte sie sich zur Rohkostfanatikerin, was uns auch recht war, denn so lebte sie ja auch gesund. Als sie dann aber grundsätzlich alles an Fleisch verächtlich zur Seite schob, begannen wir uns schon Gedanken zu machen. Danach folgte der bis dahin so geliebte Fisch und mit der Zeit immer mehr auch gegarte Gemüsesorten.
Nicht, dass wir ein Problem hätten, würde eines unserer Kinder zum überzeugten Vegetarier. Es gab immer eine Auswahl dessen, was sie, von dem, das auf den Tisch kam, essen konnte. Aber eben dann fast gar nichts mehr kochen zu dürfen, hätte nicht in die Vorlieben der übrigen Familie gepasst.
Ruby fand es von Elly sehr rücksichtsvoll, auf Fleisch zu verzichten. Das war nämlich genau das, was sie ausschließlich essen wollte. Alles, was nur im Entferntesten an gesund erinnerte, ließ sie angeekelt das Gesicht verziehen. Selbst wenigstens zu probieren, verweigerte sich massiv. Bei ihr konnte man theoretisch nach Farben kochen. Braun und grau, also gegartes Fleisch, waren genehmigt. Gelb unter Vorbehalt. Ja, eine Kartoffel, durfte gelegentlich dabei sein. Alle übrigen Farben galten, in ihrem Ernährungsplan, als hochgiftig.
Tara zeigte, zumindest bis heute, noch keine Extreme, aber da würde ich nur unter Vorbehalt hoffen, es könnte so bleiben.
Irgendwann verweigerte ich mich, Tag für Tag hauptsächlich damit zu verbringen, immer wieder zu grübeln, was ich kochen könnte, um es allen recht zu machen. Mir hing es zum Hals heraus, dass es alle möglichen Salate geben musste, damit Elly, die erstaunliche Mengen in sich hinein schieben konnte, auch etwas von der Familienmahlzeit hatte. Zudem ging es der kleinen Lady ja auch nicht einmal um gesundheitliche Aspekte, wie sie demonstrierte, wenn sie sich, keine Stunde nach dem Mahl, ungefähr eineinhalb Toastbrote in den Schlund schob. In dem Punkt vergaß sie nämlich, wie wenig nährstoffreich dies ist. Vollkornbrot äße sie nicht, da müsste sie zu viel kauen.
Jeden Tag Fleisch auf dem Tisch, fand ich auch nicht wirklich optimal. Komplett vegetarisch zu kochen, hätte allerdings Ruby gen Hungertod getrieben.
Wie ich auch überlegte, es ging einfach nicht, ohne Abstriche. Und die hatte jetzt nun einmal meine Brut zu machen. Mein knallharter Egoismus beschloss, es würde den Nudelauflauf geben, den ich als Kind schon liebte. Ohne Soße. Nur mit Fleischwurst, frischen Tomatenstücken, Champignons, Butter und viel Parmesankäse.
Ich persönlich könnte mich in dem Auflauf wälzen, kopfüber hinein tauchen, rückwärts darin schwimmen und ihn viermal die Woche essen.
Theoretisch sollte auch für meine Kinder etwas dabei sein. Für Till Käse, Elly Tomaten und Ruby Fleischwurst. Perfekt!
Kaum stand der Nudelauflauf auf dem Tisch, verzog Till angewidert den Mund.
Ich versuchte es lächelnd zu ignorieren.
Eine kurze Ansage, mit hoffentlich ausreichend Autorität in meiner Stimme, dies sei eine Mahlzeit, kein Rattengift und ich erwarte, dass alle essen und zumindest so tun, als schade es ihnen nicht.
Die Kröten rissen bereits, während ich Portionen auf die Teller schaufelte, entsetzt die Augen auf.
Pilze - Mutter wagte es, Pilze auf ihre Teller zu packen!
Kaum hatte ich allen guten Appetit gewünscht, sah ich aus den Augenwinkeln, wie Elly Till den Ellenbogen in die Seite hieb. Ihr Flüstern war gar nicht so leise, wie sie vielleicht erhoffte und so vernahm ich „Meine Pilze gegen Deine Tomaten?“
Unter dem Tisch dealten sie nun Stück für Stück, starrten mich dabei an und hofften, ich sah nicht, was dort passierte.
Ruby schob die Unterlippe vor. Das würde sie auf keinen Fall essen. Eben wegen der Tomaten und Pilze nicht.
Joe seufzte hörbar.
„Dann gib sie eben mir.“
„Aber nur, wenn ich dafür Deine Wurst kriege!“ antwortete sie bockig.
Bevor ich noch sagen konnte, dass sie ihren Vater ganz sicher nicht erpressen würde, dann eben auf Pilzen und Tomaten sitzen bliebe, aber sich auch nur mit den eigenen Wurststücken zufrieden stellen müsste, gab mein Mann – wie immer, wenn es um seine kleinen Prinzessinnen ging, die er exquisit zu verziehen wusste – auf.
Ich warf ihm einen stechenden Blick zu und er zuckte lediglich verzweifelt mit den Schultern. Ihm bliebe die Wurst im Halse stecken, wüsste er, dass die Kurze hungerte.
Welch Theatralik!
Aus seinem Mund klang es fast, als bekämen die Kinder nichts zu essen und er würde ihnen schmatzend etwas vor kauen, während sie sabbernd zusehen müssten.
Wenigstens Malte schaufelte leidenschaftlich und mit verklärtem Blick, den Nudelauflauf so in sich hinein, wie er auf seinem Teller lag.
Ein schwacher Trost und frustrierend, wenn ich an die Arbeit dachte, der ich mich täglich in der Küche stellte, um meine unzufriedene Meute satt zu bekommen.
Dennoch wurden alle zumindest satt, stellte ich erstaunt fest.
Mein Nudelauflauf war also ganz sicher nicht eine ihrer Leibspeisen – abgesehen für Malte, vielleicht.
Aber insgesamt plünderte niemand in der Stunde nach dem Mahl, auf anderen Wegen die Küche.
Ich beschloss, auch wenn die Brut, bei Vorwarnung, Appetitlosigkeit vortäuschen könnte, nun öfter den Nudelauflauf zu machen.
Umbenannt natürlich. In Tauschbörse!