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Startklar

Auf dem Display steht DIMOS YDT.

YDT für Ypourgío Dimósias Táxis, Ministerium für öffentliche Ordnung.

DIMOS für Dimitris Papadopoulos.

Enge Freundschaft verbindet sie. Gemeinsames Jura-Studium an der Aristotelischen Universität. Frühe 1980-er Jahre. Aufbruchstimmung. Papandreous Sozialisten an der Macht. Melina Mercouri als widerspenstige Kultusministerin. Harry Klynn veräppelt eine ganze Nation. Nikos Galis hievt Aris Thessaloniki auf den Basketballolymp.

Nach dem Studium trennen sich ihre Wege. Pavlides in die Armee, danach zur Kriminalpolizei von Thessaloniki. Papadopoulos fürs Nachdiplomstudium an die Sorbonne, danach als Regierungsbeamter nach Athen.

Papadopoulos ist vor zwei Jahren vom neuen Regierungschef zum Vorsteher des YDT ernannt worden. Minister Dimos Papadopoulos. Er ist am Zenit seiner Karriere angelangt. Danach kann er nur noch Premierminister werden. Oder abstürzen.

Nikos Pavlides schaut auf die Uhr. Einundzwanzig Uhr zwanzig. Jetzt das Telefon nicht abzunehmen wäre töricht. Papadopoulos würde es auf seinem Handy versuchen. Zudem gibt es meist einen triftigen Grund für den Herrn Minister ihn anzurufen. Seinen alten Kumpel, den frischgebackenen Direktor der Kriminalpolizei von Thessaloniki. Mal hören, was er will.

«Embrós», meldet sich Pavlides, bemüht, seine Stimme nicht allzu genervt klingen zu lassen. Schliesslich ist er seit acht Uhr morgens im Präsidium und nach zahlreichen mehr oder weniger wichtigen Sitzungen müde genug, um den Abend mit Penelope ruhig ausklingen zu lassen. Was Kleines essen bei Takis’ Taverne um die Ecke. Etwas Fernsehen. Die Nachrichten. Das restliche TV-Programm kann man sich schenken. Dann schlafen.

«Wir stecken tief in der Scheisse», sagt Papadopoulos.

«Und das nicht erst seit gestern, ich weiss», erwidert Pavlides ungerührt. Eine kleine Anspielung auf die beim Volk unbeliebte Koalitionsregierung von Konservativen und Sozialisten, die seit drei Jahren das Land regiert. Papadopoulos, Mitglied der sozialistischen PASOK, ist einer ihrer Exponenten.

«Kranidakis ist tot.»

«Kranidakis?»

«Der Vizeminister für Verteidigung. Nassios Kranidakis.»

In Papadopoulos’ Stimme schwingt ehrliche Bestürzung mit. Er, der oft mit ironischen, ja manchmal zynischen Sprüchen im privaten Kreis wie auch in der Öffentlichkeit zu glänzen weiss, klingt tatsächlich besorgt. Seltsam.

Nassios Kranidakis. Ein Kreter. Mitglied der PASOK, Parteikollege von Dimos. Ein schlauer Kerl, ein alter Hase in der Politik. Geht auf die sechzig zu. Langjähriges Fraktionsmitglied mit Sitz im Verteidigungsausschuss des Parlaments. Nach den letzten Wahlen, die die konservative Nea Dimokratia knapp gewonnen hat, ohne jedoch alleine regieren zu können, profiliert sich Kranidakis auf Seiten der PASOK in den Koalitionsverhandlungen als ausgesprochener Pragmatiker. Er hat ein konziliantes Wesen. Ungewöhnlich für einen griechischen Abgeordneten. Und er ist dossierfest. Vorteilhaft für eine Berufung in die Regierung. Es kommt zum Stühlerücken bei der PASOK. Kranidakis wird für seine Arbeit belohnt und vom konservativen Regierungschef mit dem Amt des Vizeministers für Verteidigung betraut. Sein Vorgesetzter: Aris Asimoglou. Ein Konservativer. So bestückt man in einer Koalitionsregierung die Schlüsselministerien. Alles schön durchmischt. Keine einseitigen Machtballungen.

«Mein Beileid.»

Für Pavlides kommt die Neuigkeit, wie offensichtlich auch für Papadopoulos, überraschend. Von einer Krankheit des Vizeministers ist der Öffentlichkeit nichts bekannt.

«Und woran ist er denn gestorben? Er war ja nicht so alt.»

«Ein Unfall. Es ist …, verflucht nochmal …»

Lange Pause.

Nun fehlen Papadopoulos tatsächlich auch noch die Worte. Pavlides stutzt, fühlt sich genötigt, die Konversation aufrecht zu erhalten.

«Weiss man schon, was passiert ist?»

Langsam erschleicht ihn das Gefühl, dass Papadopoulos nicht einfach einen guten Freund anruft, um ihn höflichkeitshalber zeitnah über den Hinschied des Vizeverteidigungsministers zu informieren. Kranidakis ist Pavlides ja schliesslich nicht persönlich bekannt. Hat Papadopoulos’ Anruf womöglich etwas mit meiner Position als Direktor der Kriminalpolizei von Thessaloniki zu tun?

Sogleich verwirft er diese These jedoch wieder, als er vernimmt, dass Kranidakis mit dem Flugzeug verunfallt ist. Dafür ist das Büro für Flugunfalluntersuchungen zuständig.

«Vor etwa zwanzig Minuten hat mich die Nachricht erreicht, dass er in einer unserer Regierungsmaschinen abgestürzt ist.»

«Tragisch, aber …»

«… Also, nicht wirklich abgestürzt. Der Pilot konnte die Maschine kurz vor dem Aufprall noch abfangen. Anscheinend gab es eine Havarie auf zehntausend Metern. Nach ersten Erkenntnissen fiel die Energieversorgung aus, und das Flugzeug stürzte mehrere Kilometer in die Tiefe.» Papadopoulos Stimme klingt nun wieder gefasster.

«Und der Pilot konnte trotzdem sicher landen?»

«Ja, Gott sei Dank. Genau deswegen rufe ich dich an.»

Also doch. Sicherstellung des Flugzeuges, der Leiche, des Gepäcks. Befragungen der Mitreisenden und so weiter. Routine. Den Rest machen die Leute von der Flugunfalluntersuchung. Ich muss Manpower bereitstellen. Nun komm schon zur Sache, Dimos. «Auf dem Flughafen Thessaloniki, nehme ich an.»

«Nein, Alexandroupolis.»

Alexandroupolis, also. Dreihundert Kilometer. Vier Stunden mit dem Auto. Der diensthabende Beamte wird sich freuen.

«Ich weiss noch nichts Genaueres, Nikos. Das Büro für Flugunfälle ist eingeschaltet und hält mich auf dem Laufenden. Angeblich gibt es mehrere Tote in der Kabine. Ich habe die Staatsanwaltschaft unverzüglich in Kenntnis gesetzt. Traianos wird noch heute Nacht nach Alexandroupolis fliegen.»

Der unermüdliche Miltiades Traianos. Athener Staatsanwaltslegende. Ein alter Bekannter. Dürfte mittlerweile gegen die siebzig gehen.

«Ich will, dass du in deiner Funktion als Direktor der Kriminalpolizei von Thessaloniki die polizeilichen Ermittlungen persönlich in die Hand nimmst und koordinierst. Das hier ist Chefsache, Nikos! Ich vertraue nur dir! Pack deine Kaderleute und mach dich auf den Weg! … Und halt mich auf dem Laufenden!»

Aufgehängt. Na, toll. Durchatmen. VIAP-Pastille in den Mund schieben. Penelope anrufen.

«Hör mal, Liebes, es wird heute nichts mit einem gemütlichen Abend. Ruf bitte den Piloten-Pikettdienst an und richte ihm aus, dass er die Maschine volltanken und für einen Flug nach Alexandroupolis bereithalten soll. In einer Stunde fliegen wir los. Du kommst mit!»

Penelope Livanou. Pavlides’ Ehefrau. Vor einem Jahr war Hochzeit. Sie ist leitende Beamtin im Innendienst der Polizei, betreut die Rechtsabteilung und ist Liaison Offizierin des Nationalen Informationsdienst EYP. Eine unverzichtbare Stütze für Pavlides. Privat, wie auch im Dienst.

Dann Telefonrally. Spurensicherung, Morddezernat, Gerichtsmediziner. Spätestens um Viertel nach zehn haben sich alle am Flughafen von Thessaloniki einzufinden. Ein sportlicher Zeitplan. Im abgesperrten Sektor ist der Polizeihubschrauber, eine Bo-105 stationiert. Startklar.

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