Читать книгу Secrets of Amarak (2) - T. Spexx - Страница 9
ОглавлениеInspektor Clash kratzte sich mit dem Bleistift an der Stirn. »Das ist ja mal ’ne ziemlich merkwürdige Angelegenheit«, sagte er, nachdem ihm Einstein von Alexanders Verschwinden berichtet hatte. Das Sicherheitspersonal hatte die Polizei gleich nach Joes Entdeckung alarmiert. Und gekommen war Inspektor Clash, der auch schon die Untersuchung nach dem Zusammensturz des Tunnelsystems unter Howard’s End geleitet hatte.
»Wer entführt einen zwölfjährigen Jungen, indem er die Rückwand einer Toilettenkabine einreißt?« Er sah zu Joe und Rebecca. »Der Höllenhund war’s jedenfalls nicht.« Damit spielte er auf den Albinohund von José Madrigal LaPorta an, der ebenfalls unter den Erdmassen begraben worden war. Die Polizei hatte seine Leiche später geborgen, ganz im Gegensatz zu LaPortas sterblichen Überresten, von denen jede Spur fehlte.
»Aber etwas Ähnliches«, sagte Joe. »Sehen Sie sich das Loch doch an: Sieht aus, als sei jemand mit großer Kraft durch die Rückwand gekracht und ins Hafenbecken gesprungen.«
Der Inspektor steckte den Kopf durch die Öffnung. »Und wo ist er hin?«
»Weggeschwommen oder abgetaucht«, sagte Rebecca.
»Mit Alexander«, fügte Joe hinzu.
Clash zog den Kopf zurück. »Wisst ihr, was ich komisch finde? Dass es ausgerechnet wieder ihr seid. Erst diese Geschichte im Schmugglernetz, jetzt diese Sache hier. Und in der Zwischenzeit spielt auch noch die halbe Stadt verrückt und das London Eye fällt in die Themse.«
Joe spitzte die Ohren. »Sie meinen, es gibt einen Zusammenhang?«
»Das habe ich nicht gesagt«, erwiderte der Inspektor. »Außerdem: Was soll der Einsturz eines Riesenrads mit dem Verschwinden eines Jungen zu tun haben?«
»Was werden Sie jetzt tun?«, fragte Einstein mit besorgter Miene.
»Wir werden natürlich nach Alexander suchen«, sagte Clash. »Ich gebe gleich eine Fahndung raus. Sobald wir eine Spur haben, informieren wir Sie. Falls der Junge in der Zwischenzeit bei Ihnen auftaucht, melden Sie uns das bitte unverzüglich.«
Einstein nickte. »Selbstverständlich.«
»Was ist mit dem Grund?«, fragte Rebecca.
Clash zog die Stirn kraus. »Welcher Grund?«
»Der Grund des Hafenbeckens«, sagte Rebecca. »Wenn etwas aus der Toilette ins Hafenbecken gesprungen ist, wäre es doch möglich, dass es noch irgendwo da unten ist.«
»Kann auch sein, dass der Entführer in einem Boot abgehauen ist«, erwiderte Clash. »Oder zur anderen Seite des Beckens geschwommen und zwischen den Häusern verschwunden ist.«
Rebecca zog die Stirn kraus. »Sie wollen den Hafengrund also nicht absuchen?«
»Solange ich keinen handfesten Hinweis habe, dass sich da unten etwas befinden könnte, sehe ich dafür keine Veranlassung. Ist immerhin ein ziemlicher Aufwand, einen Taucher zu holen und da runterzuschicken.« Er schüttelte den Kopf. »Erst einmal suchen wir das Flughafengelände ab. Wenn wir da nichts finden, sehen wir weiter.«
»Solange ich keinen handfesten Hinweis habe«, äffte Rebecca Clash nach, als sie, Joe und Einstein das Terminal verließen und zur Metro gingen. »Bis dahin kann alles Mögliche passieren. Wollen wir wirklich darauf warten?«
»Du meinst, wir sollen selbst nach Alexander suchen?«, fragte Joe.
»Na, was denn sonst«, gab Rebecca energisch zurück.
»Ich denke, wir sollten das der Polizei überlassen«, sagte Einstein. »Wenn es sich wirklich um eine Entführung handelt, ist damit nicht zu spaßen.«
»Was schlagen Sie vor?«, fragte Rebecca den Butler. »Was sollen wir Ihrer Meinung nach tun?«
»Wir fahren nach Amarak«, gab Einstein zurück. »Dort berichte ich Ihnen alles, was sich auf unserer Reise zugetragen hat. Vielleicht entdecken wir einen Hinweis, wer hinter der Entführung stecken könnte.«
»Sie haben recht«, sagte Joe. »Einfach blind loslegen, ohne zu wissen, wonach man eigentlich sucht, bringt nichts. Wir helfen Alex am besten, wenn wir einen kühlen Kopf behalten.«
»Also gut«, seufzte Rebecca. »Ich hoffe, die Polizei findet ihn bald. Ich kriege Bauchschmerzen wenn ich daran denke, was alles passiert sein könnte.«
Howard’s End war eine Sackgasse im Osten von London. Sie grenzte mit einer Straßenseite an einen alten Friedhof. Gegenüber reihten sich einige alte, große Häuser mit verwilderten Gärten. Hohe dunkle Eichen säumten das Kopfsteinpflaster.
Das Haus der Bookmans lag etwa in der Mitte der Straße. Ganz am Ende stand Amarak, ein zweistöckiger Klinkerbau, der von einem großzügigen Grundstück umgeben war. Zahlreiche kleine Türme und Erker schoben sich aus Dach und Backsteinfassade. Alles in allem wirkte das Gebäude, als gehöre es in eine andere Zeit.
Dieser Eindruck setzte sich auch im Inneren fort: Amarak war vollgestopft mit Artefakten, die Alexanders Eltern, ein berühmtes Archäologenpaar, während ihrer vielen Reisen gesammelt hatten. An den Wänden hingen primitive Speere und Schilde, darunter standen verzierte Kommoden. Auf mit Messing beschlagenen Truhen ruhten silberne Leuchter und afrikanische Schalen, hohe Glasvitrinen beherbergten Masken, Schmuck und Edelsteine. Neben einer Ritterrüstung lehnte ein offener Sarkophag an der Wand, aus dem noch Reste des Stoffes baumelten, mit dem einst der Leichnam eines ägyptischen Herrschers eingewickelt worden war. Tierskelette belagerten hohe Regale und unter der Decke hing der vier Meter lange Schädel eines Blauwals. Amarak war viel mehr als die großzügige Behausung eines sammelwütigen Ehepaars: Es war das über viele Jahre gewachsene Museum zweier begeisterter Weltreisender.
Einstein öffnete die schwere Eingangstür und bat Joe und Rebecca hinein.
»Verzeihen Sie den Geruch«, entschuldigte er sich. »Nach fünf Wochen ist die Luft ziemlich abgestanden. Ich werde später lüften.«
Einstein siezte alle, sogar Alexander. Das war Joe und Rebecca erst komisch vorgekommen. Aber mittlerweile hatten sie sich daran gewöhnt.
»War in der Zwischenzeit niemand hier?«, fragte Joe erstaunt, als er dem hochgewachsenen Butler durch den langen, mit dicken Teppichen ausgelegten Flur folgte.
»Während unserer Abwesenheit stand das Haus leer«, erwiderte Einstein und öffnete die Tür zur Küche. »Setzen Sie sich, ich mache uns eine Erfrischung, bevor ich Ihnen alles erzähle.«
Nachdem Einstein eine seiner berühmten Limonaden zubereitet hatte, setzte er sich zu seinem Besuch an den Küchentisch und begann den Bericht.
»Während unserer Reise haben wir die Erde einmal umrundet. Von London aus sind wir nach Madrid geflogen, dann nach Kuba, Costa Rica und Kolumbien. In Bogota fanden wir Hinweise auf das Naturhistorische Museum in Boston und von dort führte uns die Suche weiter über Kanada nach Grönland und Island. In Göteborg machten wir einen Zwischenstopp und besuchten einen meiner Cousins.« Er schluckte. »Ihnen ist ja bekannt, dass ich in Schweden geboren wurde und meine Familie …« Er führte den Satz nicht zu Ende. Joe und Rebecca wussten, dass Einsteins Familie bei einem Bootsunfall ums Leben gekommen war, während er Alex’ Eltern bei einer archäologischen Ausgrabung in Aksum geholfen hatte.
»Jedenfalls ging es nach kurzem Aufenthalt weiter nach Kasachstan, Indien und auf die Philippinen, bis wir schließlich in Australien landeten«, fuhr er fort. »Immer auf der Suche nach den Eltern des jungen Herrn. Mehr als einmal glaubten wir, ihnen sehr nahe gekommen zu sein. Aber jedes Mal löste sich die Hoffnung wieder in Luft auf und ein neuer Hinweis ließ uns weiterziehen. So flogen wir nach Neuseeland, zu den Marshall-Inseln und nach Hawaii. Als wir Patagonien erreichten, hatten wir mehrere Zehntausend Kilometer zurückgelegt und waren ziemlich erschöpft. Über Peru flogen wir weiter nach Aksum – und dort wurden wir schließlich fündig.«
»Sie haben Alexanders Eltern gefunden?«, fragte Rebecca überrascht.
Einstein schüttelte den Kopf. »Nein, das leider nicht. Sie haben zwar überall Hinweise hinterlassen, aber viele davon waren vielleicht auch falsche Fährten. Als Alexanders Eltern Amarak verließen, war es schließlich ihre Absicht, sich so gut zu verstecken, dass niemand auf der Welt sie finden konnte. Dafür hatten sie die besten Voraussetzungen, denn sie kannten sich in vielen Ländern sehr gut aus. Unser Zuhause ist die Welt, sagten sie oft, als wir noch gemeinsam über die Kontinente zogen und Ausgrabungen machten. Und damit hatten sie recht: Mr und Mrs Mercurius hatten auf der ganzen Welt Freunde, Bekannte und geheime Verstecke. Dem jungen Herrn und mir wurde schließlich klar, wie gering unsere Chancen waren, sie zu finden.«
»Was haben Sie dann in Aksum gefunden?«, fragte Joe neugierig.
»Ich zeige es Ihnen«, sagte Einstein und verließ die Küche. Kurz darauf kam er mit einer Papprolle zurück, die Joe schon am Flughafen aufgefallen war. Einstein öffnete den Plastikverschluss an der Seite und zog einen Papierbogen heraus, den er auf dem Küchentisch entrollte. Zum Vorschein kam ein etwa DIN A2 großer Bogen von seltsam heller Färbung und einer brüchigen Struktur. Er sah aus wie abgeriebene Haut.
»Was ist das?«, fragte Rebecca.
»Das werden Sie gleich erfahren«, gab Einstein geheimnisvoll zurück.
Der weiße Untergrund des Papiers begann sich zu bewegen, so als würde die Färbung wie Wellen über die Karte hinwegziehen. Dunkle Striche kamen zum Vorschein und breiteten sich in rasendem Tempo aus. Bald hatten sie den kompletten Bogen bedeckt und bildeten ein engmaschiges Gewirr von Linien, die in- und durcheinanderliefen. An einigen Stellen kamen größere schraffierte Flächen mit unregelmäßigen Begrenzungen zum Vorschein, an anderen erschienen dunkle Flecken. Nach einer Minute war der Bogen nahezu komplett mit Linien und Flächen bedeckt.
Joe hob erstaunt den Kopf. »Eine Karte!«
Einstein nickte.
»Und die haben Sie aus Aksum?«, fragte Rebecca.
»Aus der Wohnung, die Alexanders Eltern dort seit ihrer Ausgrabung gemietet haben«, bestätigte Einstein.
»Was ist das für ein Ort?«, fragte Joe.
»Das konnten wir nicht herausfinden«, erwiderte Einstein. »Es gibt keine Legende.«
»Fühlt mal das Material«, sagte Joe und rieb den Kartenrand zwischen seinen Fingern. »Das ist kein Papier, das fühlt sich eher an wie Gummi.«
Plötzlich stutzte Einstein und zog seine Brille aus der Jackett-Tasche. »Und das ist noch nicht mal das Merkwürdigste«, sagte er und nahm die Karte unter die Lupe. »Gestern, als wir die Karte in Aksum einpackten, sah sie vollkommen anders aus.«
»Sind Sie sicher?«, fragte Joe erstaunt.
»Ich habe ein Foto von der Karte gemacht«, erwiderte Einstein und zog sein Smartphone aus der Tasche. Er zeigte Joe und Rebecca das Bild.
»Das Liniengewirr auf der Karte sieht wirklich ganz anders aus«, stellte Rebecca fest. »Besonders die dunklen Flecken. Auf dem Foto ist kein einziger zu sehen.«
»Erzählen Sie uns genau, wie Sie die Karte gefunden haben«, bat Joe. »Und wieso Sie nach Aksum gefahren sind.«
Einstein nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. Der lange Flug und die turbulenten Ereignisse hatten an seinen Nerven gezehrt.
»Aksum war unsere letzte Hoffnung«, sagte er. »Zu allen anderen Stationen unserer Reise führte uns irgendein Hinweis. Nachdem wir alle Orte, an denen die Mercurius’ jemals gegraben hatten, aufgesucht und nichts gefunden hatten, blieb nur noch Aksum übrig.«
»Obwohl kein Hinweis dorthin führte«, stellte Rebecca fest.
Einstein nickte. »Das machte uns schließlich stutzig. Uns kam der Gedanke, dass vielleicht genau das der Hinweis war: dass es keinen gab. Also flogen wir nach Äthiopien und suchten den Ort auf, an dem die Bundeslade mit den zehn Geboten von Moses aufbewahrt werden soll.«
»Die zehn Gebote?« Joe bekam große Augen. »In Äthiopien?«
»In der Bibel steht, dass Gott den Auftrag zur Herstellung der Bundeslade gab, um in ihr die Steintafeln mit den zehn Geboten aufzubewahren, die er Moses auf dem Berg Sinai übergeben hatte«, erklärte Einstein. »Es gibt viele Geschichten darüber, was mit der Bundeslade geschah und wo sie schließlich landete. Eine davon besagt, dass sie in einer Kirche in Aksum aufbewahrt wird.«
»Haben Alexanders Eltern nach ihr gesucht?«, fragte Rebecca. Einstein schüttelte den Kopf. »Aksum gilt als heilige Stätte und es gibt dort zahlreiche archäologische Grabungen. Die Mercurius’ haben sich vor allem für die Katakomben unter dem großen Stelenfeld interessiert. Dort haben sie gemeinsam mit David Phillipson gegraben – und dort bin auch ich ihnen vor vielen Jahren zur Hand gegangen.« Er seufzte.
»In Aksum haben Alexanders Eltern doch auch die Phiole des ewigen Lichts gekauft, oder?«, fragte Rebecca.
»Ein Straßenhändler bot sie ihnen an«, bestätigte Einstein. »Der junge Herr und ich hofften, dass wir ihn wiederfinden und nach einem Hinweis auf Alexanders Eltern fragen könnten. Doch der Händler war tot. Ermordet. Nur wenige Tage, bevor wir in Aksum eintrafen.«
»Ermordet?«, fragte Rebecca. »Von wem?«
»Die örtliche Polizei sprach von einer Familienfehde«, erwiderte Einstein. »Nur war die feindliche Familie zum Zeitpunkt der Tat gar nicht vor Ort, sondern hielt sich bei der Hochzeit eines Verwandten in Mekele auf, rund hundert Kilometer entfernt. Uns kam es unwahrscheinlich vor, dass jemand während der Hochzeit eines Familienmitglieds einen Mord begeht. Zumal die Fehde nach Aussage eines Angehörigen des Opfers ein paar Wochen zuvor beigelegt worden war.«
Joe zog die Stirn kraus. »Wer hat den Straßenhändler dann getötet?«
»Möglicherweise derselbe, der die Wohnung von Mr und Mrs Mercurius durchsucht hat«, sagte Einstein.
Rebecca und Joe trauten ihren Ohren nicht. »Sie wurde durchsucht?«
Einstein nickte. »Und zwar gründlich. Die haben sogar die Dielen aus dem Boden gehebelt, um darunter nachzusehen.«
»Sekunde mal«, sagte Joe. »Sie wollen damit also sagen, dass jemand, kurz bevor Sie und Alexander nach Aksum kamen, das Haus von Alexanders Eltern durchsucht und den Händler ermordet hat, der ihnen vor über einem Jahr die Phiole des ewigen Lichts verkauft hat?«
»Es ist nicht gesagt, dass diese Dinge miteinander in einem Zusammenhang stehen«, erwiderte Einstein. »Aber ich finde es eigenartig, dass der Einzige, der uns etwas über das Ehepaar Mercurius hätte berichten können, ermordet wird, kurz bevor wir in Aksum auftauchten.«
»Das ist allerdings merkwürdig«, pflichtete Rebecca bei.
»Und dieselben Leute haben nun vielleicht Alexander gekidnappt«, überlegte Joe laut. Er steckte die Hand in die Hosentasche und zog einen fingernagelgroßen glitzernden Gegenstand heraus. »Das hier habe ich in der Kabine direkt neben der mit dem Durchbruch gefunden.«
»Was ist das?«, fragte Einstein.
»Eine weitere Merkwürdigkeit in einer ziemlich langen Liste von Merkwürdigkeiten«, erwiderte Joe.
»Wo haben Sie die Karte eigentlich gefunden?«, fragte Rebecca.
»In der Wohnung von Mr und Mrs Mercurius«, erwiderte der Butler.
»Ich dachte, die wurde gründlich durchsucht«, wunderte sich Joe.
»Ja, das stimmt. Aber die Karte wurde nicht gefunden. Sie war in eine Jacke eingenäht. Und zwar doppelt. Die Einbrecher haben zwar bei allen Jacken das Futter rausgetrennt, aber eben nur einmal, nicht zweimal.«
»Wieso haben Sie sie dann gefunden?«, fragte Rebecca.
»Der junge Herr hat sie gefunden«, erklärte Einstein. »Es handelte sich um seine Jacke und er war über die Zerstörung so wütend, dass wir versuchten, sie wieder zusammenzunähen. Dabei stießen wir auf eine zweite Naht, deren Zweck wir uns nicht erklären konnten. Als wir sie auftrennten, kam die Karte zum Vorschein.« Er seufzte erneut.
»Aber um was für eine Karte handelt es sich?«, fragte Joe. »Was zeigt sie?«
»Wir wissen es nicht«, gestand Einstein. »Deshalb flogen wir zurück nach London, um hier weiterzurecherchieren. Herr Alexander sagte, er wüsste einen Ort, an dem die Antwort vielleicht zu finden sei. Aber er sagte mir nicht, um welchen es sich handelt.«
Joe und Rebecca wechselten einen raschen Blick. Beide hatten denselben Gedanken.
»Es gibt mehr Fragen, als einer alleine beantworten kann«, sagte Joe. »Ich schlage vor, jeder von uns sucht nach Hinweisen, die uns weiterbringen können. Und dann tragen wir alle Ergebnisse zusammen.«
»Ich weiß nicht recht«, sagte Einstein. »Wenn der junge Herr wirklich entführt wurde, könnte das ziemlich gefährlich werden. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn Ihnen etwas zustieße.«
»Und wir könnten es uns nie verzeihen, wenn Alexander etwas zustoßen würde«, erwiderte Joe selbstsicher. »Wir wollen ja nicht die Arbeit der Polizei übernehmen, sondern nur sehen, ob wir etwas entdecken, was ihr vielleicht entgeht. Falls wir etwas herausfinden, informieren wir Inspektor Clash und überlassen alles Weitere Scotland Yard. Einverstanden?«
»Einverstanden«, seufzte Einstein. »Aber für heute ist es genug. Sie müssen nach Hause und morgen zur Schule. Und ich muss hier aufräumen und lüften. Wir treffen uns morgen Nachmittag und sehen, was wir herausfinden können, wenn Ihnen das recht ist.« Joe und Rebecca nickten. »Ich bringe Sie noch zur Tür«, sagte Einstein und stand auf.
»Äh, eine Frage«, sagte Joe. »Wäre es möglich, dass wir einen Schlüssel bekommen? Für Amarak? Nur so lange, bis Alexander wieder da ist.«
Einstein legte den Kopf schief. »Und wozu, wenn ich fragen darf?«
»Falls wir etwas recherchieren wollen«, sagte Joe. »In Alex’ Zimmer oder in den Arbeitsräumen seiner Eltern. Kann ja sein, dass wir eine Idee haben und rasch was gegenchecken müssen.«
»Dann brauchen Sie nur zu klingeln«, sagte Einstein. »Ich bin immer da.«
»Aber Sie müssen doch auch sicher mal einkaufen gehen«, sagte Joe. »Oder zur Polizei, falls die noch etwas von Ihnen wissen will. Und wenn wir genau dann etwas kontrollieren wollen, wäre es doch blöd, wenn wir nicht reinkommen und dadurch Zeit verlieren. Nicht wahr?« Er grinste breit.
Einstein wirkte unschlüssig. Doch dann nickte er und sagte: »Sicher, kein Problem.« Er verließ die Küche und kam kurz darauf mit einem großen, gusseisernen Schlüssel zurück. »Bitte sehr.«
Joe nahm ihn entgegen und steckte ihn ein. »Also dann, bis morgen. Und machen Sie sich nicht zu viele Sorgen. Wir finden Alexander schon wieder.«
»Ich hoffe es«, sagte Einstein. »Ich hoffe es.«
»Was sollte das?«, fragte Rebecca, als sie und Joe den Kiesweg Richtung Gartentor gingen. »Wozu hast du ihm den Schlüssel abgeschwatzt?«
»Damit wir unbemerkt in die Kathedrale des Wissens kommen«, erklärte Joe. »Wenn es einen Hinweis auf die Karte gibt, dann doch bestimmt dort.«
»Und wieso weihen wir Einstein nicht ein?«, fragte Rebecca.
»Weil Alexander es auch nicht getan hat«, erwiderte Joe. »Aus irgendeinem Grund will er nicht, dass Einstein von der geheimen Bibliothek erfährt. Also sollten wir es ihm auch nicht sagen.«
»Ich glaube nicht, dass Einstein ausgerechnet dann weg ist, wenn wir in die Bibliothek wollen«, gab Rebecca zu bedenken. Aber Joe konterte: »Doch, das wird er. Verlass dich drauf.«