Читать книгу Die Zuckermeister (2). Die verlorene Rezeptur - tanja Voosen - Страница 15

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Alle standen um den Tresen herum. Mortimer hatte eine seltsame Brille aufgesetzt, die mit ihren zig Gläsern anscheinend Dinge vergrößern konnte. Er begutachtete Robins Pon schon seit einigen Minuten, drehte es hin und her und gab dabei öfter ein langes »Hm« von sich, als würde er eine besonders schwierige Diagnose aufstellen.

Robin machte das so nervös, dass er kaum stillstehen konnte.

Elina beugte sich über den Tresen, als sie es nicht länger aushielt. »Kriegen Sie das wieder hin?«

Mortimer stoppte seine Untersuchung und sah sie eindringlich an. »Du bist eine von der neugierigen Sorte, was? Wie heißt du?«

In ihrem Kopf schrillten Alarmglocken. Einem Fremden ihren Namen zu nennen, war nicht klug. Vor allem nicht an einem Ort wie diesem. Sie hatte Herrn Schnotters Warnung nicht vergessen.

»Kannst du es reparieren?«, ging Herr Schnotter dazwischen.

Mortimer ließ Elina jedoch nicht aus den Augen. während er antwortete: »Natürlich kann ich es reparieren, was für eine Frage. Ich bin der beste Erfinder des Emporiums.«

»Sehr gut«, sagte Herr Schnotter. »Wie lange wird es dauern?«

Mortimer legte Robins Pon auf dem Tresen ab. »Ein paar Stunden. Komm kurz mit nach oben, dann besprechen wir die Details.«

»Ihr bleibt hier. Und rührt nichts an«, sagte Herr Schnotter ernst.

Dann folgte er Mortimer die Stufen hinauf. Elina wartete, bis die Schritte der beiden und das Geräusch des Gehstocks ganz leise waren, ehe sie sich ihren Freunden zuwandte. Robin schien erleichtert, aber Charlie wirkte skeptisch.

»Der komische Kauz hat dich echt lange angestarrt«, meinte sie.

»Ein bisschen unheimlich war das schon«, sagte Robin.

Elina zog die Nase kraus. »Immerhin kann er uns helfen. Ich fand dieses Wiedersehen von ihm und Herrn Schnotter viel schräger«, murmelte sie, woraufhin ihre Freunde ein zustimmendes Murmeln von sich gaben. Schräg war echt kein Ausdruck dafür!

»Was glaubt ihr, worüber die reden?«, fragte Charlie.

»Mortimer will sicher irgendeine Gegenleistung«, meinte Elina.

»Herr Schnotter bezahlt ihn bloß und lässt uns die Summe hinterher in seinem Haus abarbeiten«, sagte Robin. »Ich werde bestimmt bis an mein Lebensende wie ein Hauself versklavt, weil so eine Reparatur sicher teuer ist.«

»Vielleicht kannst du dich dann ja selbst befreien, wenn du den Stinkesocken-Tee nur lang genug trinkst«, sagte Charlie und musste über ihren eigenen Witz lachen.

Elina grinste, dann deutete sie auf die Orgelmaschine. »Was ist das eigentlich?«

»Gute Frage«, meinte Robin. »Hier gibt’s echt eine Menge Krams.«

Die drei begannen, sich ein wenig umzusehen. Elina entdeckte rechts von der Orgelmaschine eine Tür, deren goldener Knauf wieder aussah wie ein Schraubenschlüssel. Irgendetwas dahinter rumpelte leise, als würde etwas umfallen.

Ehe sie nachsehen konnte, erregten Stimmen ihre Aufmerksamkeit.

Sie kamen von der oberen Etage, wo Herr Schnotter und Mortimer verschwunden waren. Sofort zog es Elina und die anderen zur Treppe. Elina sah besorgt hinauf.

»Klingt, als würden die streiten«, bemerkte Charlie.

»Sollen wir nachsehen?«, fragte Elina unsicher.

»Ich denke, wir sollten uns lieber nicht einmischen«, meinte Robin.

Im nächsten Moment hörten sie Schritte und huschten rasch zurück an den Platz, wo Herr Schnotter sie zurückgelassen hatte. Da kam dieser auch schon die Stufen hinunter. Mortimer war dicht hinter ihm. Zufrieden wirkte keiner der beiden.

»Wir gehen«, sagte Herr Schnotter energisch. »Bis später, Mortimer.«

Der Erfinder rief ihnen nach: »Später will ich Antworten, Emil!«

Draußen stampfte Herr Schnotter einfach weiter, als wolle er so viel Abstand wie möglich zwischen sich und Mortimer bringen. Elina hatte es ja geahnt. Er hatte sich verstellt, damit Mortimer ihm verzieh und Robins Pon reparierte!

»Warten Sie!«, rief Elina. »Was war da zwischen Ihnen und Mortimer los?«

Es war nicht schwer, zu Herrn Schnotter aufzuschließen, denn mit seinem Gehstock war er nicht allzu schnell. Robin und Charlie waren direkt hinter ihr.

»Was mussten Sie Mortimer für die Reparatur geben?«, fragte Robin.

»Und was für Antworten meint er?«, fragte Charlie.

»Lasst das alles mal meine Sorge sein.«

»Wir machen uns aber Sorgen um Sie«, sagte Elina.

Herr Schnotter machte eine wegwerfende Handbewegung. »Gebt nichts auf das Gerede von zwei alten Männern. Wir holen Robins Pon in ein paar Stunden ab und bis dahin können wir etwas die Bittersüße Allee erkunden und Spaß haben.«

»Wissen Sie überhaupt, wie man Spaß buchstabiert?«, fragte Charlie.

Herrn Schnotters Mundwinkel zuckten. »Finden wir es heraus.«

»Okay. Wohin gehen wir zuerst?«, wollte Robin wissen.

Herr Schnotter nickte in Elinas Richtung. »Entscheide du, Elina.«

Ha! Dachte er, sie würde ihm auf den Leim gehen? Das Ganze war doch nur ein Ablenkungsmanöver, damit sie keine weiteren Fragen stellte! Elina zögerte. Ihr Blick wanderte die Bittersüße Allee hinauf. Die quietschbunten Läden, die süßen Verlockungen und die vielen interessanten Schilder … ach, Mist! Es funktionierte.

»Dahin!«, sagte sie.

Das Geschäft nannte sich Pralinen-Planetarium und sah von außen tatsächlich ein wenig wie eine der großen Kuppeln aus, die es bei manchen Sternenwarten gab. Die Fassade war verglast und schimmerte bläulich. Voller Euphorie marschierte Elina voran. Drinnen gab es auf der einen Seite einige Klappsessel wie im Kino und ein Projektor projizierte dort einen Film an eine Wand, der verschiedene Schritte bei der Herstellung von Schokolade zeigte. Die linke Seite war der Verkaufsraum, wo in einer endlos langen Auslage Pralinen über Pralinen zur Schau gestellt wurden.

Eine Mitarbeiterin winkte sie fröhlich heran. »Möchtet ihr etwas probieren?«

»Unbedingt!«, sagte Charlie, noch ehe Elina es konnte.

Elina bedachte Charlie mit einem Lächeln. Endlich sah ihre Freundin die schönen Seiten der Magie zuerst, schließlich sollten die Süßigkeiten glücklich machen und helfen und einen nicht aufs Schlimmstmögliche verzaubern.

Ihr kleines Grüppchen trat an die Glastheke heran.

»Woah«, entfuhr es Elina. Diese Pralinen waren pure Kunstwerke! Fast zu schön zum Essen. Es gab sie in verschiedenen Formen, Größen und Geschmacksrichtungen und sie hatten allerhand coole Namen.

Eine Sorte hieß Galaktisches Gelee und die Pralinen waren blau, violett und schwarz, mit kleinen weißen Tupfen, als habe jemand wirklich versucht, die Galaxie einzufangen. Paradiesisches Popcorn lag neben der Sorte Märchenhafte Marshmallows und eine andere hieß Charmante Crunchies. Elina hätte wahrscheinlich für den Rest ihres Lebens einfach nur dagestanden, die Schildchen gelesen und den Pralinen nachgesabbert, hätte die nette Verkäuferin ihnen nicht ein kleines Tablett mit Kostproben entgegengehalten.

»Eine unserer neuen Sorten: Regenbogen-Rosine«, sagte sie und deutete auf diese. Sie zwinkerte Elina zu. »Allein der Genuss ist magisch!«

»Danke!«, sagte Elina und nahm sich eine der kleinen regenbogenfarbigen Kugeln vom Tablett, um sie sich in den Mund zu schieben. Was die wohl bewirkten?

»Mhhhhhhhhhhhh!«, machte Elina lautstark. Hier schmeckte man echt einen Regenbogen! Saftige Himbeere, zartbittere Schokolade und weiche Rosinen.

Auch Charlie und Robin nahmen sich je eine Praline und schmatzten genüsslich.

Noch während Elina kaute, sah sie, wie über den Köpfen ihrer Freunde jeweils ein kleiner glitzernder Regenbogen erschien und einige zarte kunterbunte Funken sprühte – fast ein wenig wie bei einer Wunderkerze, die leider viel zu schnell erlosch.

»Nice!«, sagte Charlie und deutete auf die Stelle über Elinas Kopf.

Charlie, Robin und Elina probierten sich noch durch einige andere Sorten, die alle einfach unfassbar gut waren, ehe sie weitergingen. Am liebsten hätte Elina eine Packung dieser magischen Leckereien gekauft, aber nachher aß die noch aus Versehen jemand anderes und erfuhr von der Süßigkeitenwerker-Magie.

»Oh! Können wir als Nächstes dorthin?«, fragte Charlie.

Sie hatte eine Art Boutique ins Auge gefasst, in deren Schaufenster jede Menge Schmuck auslag. Ein großes Schild warb mit dem Spruch: Süße Schmuckstücke für süße Gelegenheiten!

Herr Schnotter erhob keine Einwände und so stürmten Charlie und Elina los. Viel Platz war drinnen nicht und die Einrichtung fand Elina reichlich kitschig. Mit dem vielen Pink und Weiß hätte man meinen können, Hello Kitty wäre hier drin explodiert.

Charlie schien es aber zu gefallen. »Wie schön! Guck mal.«

Sie bewunderte eine Kette, deren Anhänger aus einem kleinen Glasherzchen mit Korken bestand. Im Inneren befanden sich winzige Zuckerstreusel-Buchstaben.

»Die Wohlklingenden Wortherzen sind unser Spitzenseller!« Ein älteres Mädchen stand plötzlich neben ihnen.

»Was können die?«, fragte Elina interessiert.

Charlie starrte noch immer mit leuchtenden Augen auf die Kette.

»Die magischen Buchstaben ermöglichen es, das Herz eines anderen für sich zu gewinnen«, antwortete das Mädchen und tat ganz verschwörerisch dabei.

Charlie horchte auf. »Heißt das etwa, die sind wie ein Liebeszauber?«

Das Mädchen kicherte. »Na ja, für ein paar Minuten zumindest! Ich habe mal meine Mutter damit überredet, meine Matheaufgaben für mich zu machen. Der Zauber sorgt dafür, dass dich jemand kurz so lieb gewinnt, dass er dir keinen Wunsch abschlagen kann.«

»Du willst Arthur doch nicht wirklich verzaubern, oder?«, fragte Elina.

Charlie schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht! Wobei, wenn es nur kurz hält …«

»Ist das dieser Arthur da draußen? Der ist ziemlich süß!«

»Was? Nein!«, entfuhr es Charlie empört. »Robin ist doch nicht süß!«

»Na ja«, meinte Elina. »Er ist praktisch ein Mini-Arthur.«

»Elina!« Charlie klappte regelrecht der Mund auf vor Entsetzen. »Robin ist ein stinkstiefeliger Brummbart, der ist gar nicht wie Arthur! Bist du blind?«

Elina runzelte die Stirn. »Wenn du das sagst …«

»Leider ist die Kette zu teuer«, murmelte Charlie enttäuscht.

»Oh«, entfuhr es Elina, als auch sie einen Blick auf das Preisschild warf. »Da hilft es auch nicht, wenn ich dir mein Taschengeld gebe.«

»Ich habe noch was anderes, ist gerade reduziert«, sagte das Mädchen. Sie verschwand kurz und kam dann mit einem Armband wieder. Es bestand aus dünnen Schnüren, zwischen die drei Herzen eingeflochten waren. »Das sind Mucksmäuschenstill-Minzeherzen. Die sind prima, wenn man sich mal verstecken und still sein muss. Und außerdem sieht das Armband auch echt hübsch aus!«

Die Beschreibung erinnerte Elina ein wenig an das Klammheimlich-Konfekt, an dem die Zuckerhuts herumwerkelten und dessen Rezept bis heute nicht vollständig war.

»Ja! Das gefällt mir!«, freute Charlie sich. »Ich nehm’s.«

Nach dem Bezahlen verließen sie die Boutique. Herr Schnotter und Robin standen inzwischen nicht mehr vorm Laden, sondern ein Stück die Straße runter und kauften gerade bei Zamponis, einem Stand auf Rädern, Zuckerwatte.

»Möchtet ihr auch eine?«, fragte Herr Schnotter.

Charlie und Elina nickten gleichzeitig. »Ja!«

Wenn ihre Mutter wüsste, was Elina seit dem Frühstück alles an Zucker futterte, würde sie vermutlich in Ohnmacht fallen. Und Piet erst! Der würde vor Neid platzen!

»Jetzt bist du dran, Robin. Wo willst du hin?«, fragte Elina.

Robin war gerade damit beschäftigt, sich mit seiner Zunge etwas Zuckerwatte von der Nasenspitze zu schlecken, die dort kleben geblieben war, und verzog dabei angestrengt das Gesicht.


»Ich sag doch: von wegen süß«, murmelte Charlie und verdrehte die Augen.

Elina verkniff sich ein Lachen.

»Keinen Plan«, meinte Robin, nachdem er den Kampf mit der Zuckerwatte gewonnen hatte. »Wir können von mir aus in jeden Laden gehen.«

»Sei bloß nicht zu begeistert!«, witzelte Charlie.

Robin starrte mürrisch zurück. »Soll Herr Schnotter doch was aussuchen.«

Drei Augenpaare richteten sich nun auf den alten Herrn.

Der schien von irgendetwas abgelenkt, denn er blickte die Straße hinauf und rührte sich nicht. Nanu?

»Herr Schnotter?«, fragte Elina. »Alles in Ordnung?«

»Ja, sicher«, antwortete er, klang aber abwesend dabei.

»Wann waren Sie eigentlich das letzte Mal hier?«, fragte Charlie.

»Das weiß ich gar nicht mehr so genau.«

Elina lächelte ihn an. »Hatten Sie einen Lieblingsladen?«

Herr Schnotter rückte seinen Hut zurecht. »Einige.«

»Robin, sag mal eine Zahl«, schlug Elina vor.

»Fünf«, sagte Robin aus dem Bauch heraus.

»Okay, dann gehen wir jetzt in den fünften Laden, an dem wir vorbeikommen!«

Die Gruppe setzte sich langsam in Bewegung. Sie liefen an einer Lebkuchenfabrik, einer Schneiderei, einem Buchladen und einem Muffin-Café vorbei. Überall lag der herrliche Duft von frisch gebackenen Keksen und Schokolade in der Luft.

Elina atmete tief ein. Mhhh! Konnte es etwas Besseres geben, als an einem Ort voller magischer Süßigkeiten mit ihren besten Freunden unterwegs zu sein?

Absolut nicht!

Die Zuckermeister (2). Die verlorene Rezeptur

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