Читать книгу Die Zuckermeister (2). Die verlorene Rezeptur - tanja Voosen - Страница 8

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»Elina, komm da sofort runter!«, rief Robin verärgert.

»Was genau machst du da eigentlich?«, fragte Charlie.

Die Stufen unter Elinas Turnschuhen knarzten und knackten, als sie sich über das Geländer lehnte. Vom Zuckerhut-Turm aus konnte man sooooo weit sehen!

»Spaß haben!«, rief Elina zurück. Sie beugte sich noch ein Stück weiter vor, rutschte mit einer Hand ab und schnappte erschrocken nach Luft. Aufregung jagte durch ihren Körper. Das war knapp gewesen! Erleichtert lachte sie auf.

»Das reicht jetzt«, bestimmte Charlie und kam zu ihr hoch.

Elina streckte die Arme aus. »Charlie! Lass uns aufs Dach klettern!«

Charlie umfasste ihren Arm. »Ganz bestimmt nicht.«

»Spielverderberin!«, maulte Elina.

Widerwillig ließ sie sich von Charlie die Treppe hinunterziehen. Als sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte, überkam Elina ein seltsames Gefühl. All die Abenteuerlust schrumpfte in ihrem Inneren zusammen und – puff – weg war sie.

Sie blinzelte mehrmals und starrte ihre Freunde an. »Was ist passiert?«

»Diese megakatastrophalen Knacksweg-Kirschdinger!«, schimpfte Charlie. »Haben dich voll durchdrehen lassen. Mit Kühnheit hatte das nichts mehr zu tun!«

»Die heißen Kühne Kirschkracher«, korrigierte Robin sie. »Ich konnte doch nicht wissen, dass Elina wegen denen einen auf Trapezkünstlerin machen will.«

Elina rieb sich den Kopf. Stimmt, da war ja was gewesen …

Benommen blickte sie zum Turm mit der Wendeltreppe zurück, der an das Zuckerhut-Haus anschloss. Seit drei Wochen ging Elina hier nun schon ein und aus, doch sattsehen konnte sie sich daran immer noch nicht. Es war so herrlich bunt zusammengewürfelt! Die Fassade war mit verschiedenen Farben gestrichen, der Schornstein wirkte wie ein krummer Hut auf dem Dach und die vielen Verzierungen der Fenster sahen wie süßes Gebäck aus. Es war einfach magisch!

Charlie wedelte mit der Hand vor ihrem Gesicht rum. »Hallo! Geht’s dir gut?«

»Ja, alles super«, sagte Elina hastig. »Mir geht’s gut.«

»Ich dachte wirklich, eine Süßigkeit zu testen, wäre lustiger, als weiter im Wohnzimmer zu hocken und in die alten, langweiligen Bücher zu gucken«, sagte Robin kleinlaut. »Tut mir leid, Elina.« Er schloss den samtroten Beutel, aus dem sie sich einen der Kühnen Kirschkracher genommen hatte. »Das Rezept ist wohl ein bisschen zu stark geworden – das wars dann mit der Magie für heute.«

»Ja, ist besser so.« Elina lächelte. »Die Kühnen Kirschkracher zu benutzen, war trotzdem toll. Ich habe mich echt mutig gefühlt und hatte vor nichts mehr Angst!«

»Meine Eltern kriegen das Rezept sicher noch richtig hin«, erwiderte Robin.

»Na ja, jetzt wo sie ihre Süßigkeitenwerker-Lizenz haben, wäre das wohl besser, sonst steht Belony bald wegen magischer Nebenwirkungen kopf«, sagte Charlie. »Wenn Leute Hilfe brauchen und deshalb einen Zettel an den Wunschbaum hängen, verlassen sie sich schließlich auf die Erben Madame Picots, also auf euch.«

»Bisher ging doch auch alles gut«, meinte Robin.

»Auf Zuckerhut-Chaos-Art«, scherzte Elina.

Die drei lachten und gingen zurück ins Haus. Im Wohnzimmer trafen sie auf Juna, Robins ältere Schwester. Sie hielt einen leeren Teller in der Hand und blickte entsetzt auf die im ganzen Raum verteilten Bücher, in denen die drei zuvor gelesen hatten.

»Hallo, Juna«, begrüßte Elina sie.

»Hallo«, grummelte Juna. Eigentlich war das älteste Zuckerhut-Mädchen stets die gute Laune in Person, aber heute wirkte sie mit den wirren Haaren und dem großen Mayonnaise-Klecks auf dem Shirt ziemlich durch den Wind. Nun sah sie empört zu Robin. »Ich wollte nur kurz in die Küche, aber an dieser Unordnung kann ja kein Mensch vorbeigehen! Es sieht aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen!«

»Na und?«, meinte Robin. »So lerne ich am besten.«

»Lernen? Ihr wart doch gerade draußen. Was habt ihr da gemacht?«

»Wir haben uns nur ein bisschen abgelenkt, um den Kopf frei zu kriegen«, sagte Elina. »Ist ja kaum auszuhalten, wie viel Theorie man für eure Süßigkeitenwerker-Prüfungen büffeln muss. Und draußen ist so schönes Wetter.«

Charlie grinste. »Genau! Sogar Elina ist die Lust vergangen und die lernt gerne.«

Juna hob skeptisch eine Augenbraue. »Eine kleine Pause ist ja auch okay«, sagte sie, fixierte aber dann wieder Robin. »Doch du nimmst deine Prüfung nicht ernst. Das mit deinen Pausen geht schon die ganze Woche so!«

Robin machte ein finsteres Gesicht. »Das stimmt gar nicht!«

Juna überging seinen Protest. »Dabei hast du es so gut«, sagte sie und seufzte. »Die ersten drei Prüfungen sind immerhin nur reine Theorie, da kann man nicht viel falsch machen! Ich muss bald schon die erste handwerkliche Prüfung ablegen.«

»Robin hat wirklich viel gelernt«, kam Elina Robin zu Hilfe.

»Er kann schon superviel Zeug auswendig«, fügte Charlie hinzu.

»Mag schon sein«, sagte Juna trotzig. »Aber ich glaube …«

»Mir doch egal, was du glaubst!«, stieß Robin aus. Wütend stampfte er in den Flur und verschwand laut polternd die Stufen hinauf.

Juna verdrehte die Augen und schlenderte in die Küche.

»Manchmal denke ich, in diesem Haus ist irgendwas in der Luft, und je länger man es einatmet, desto verrückter wird man«, meinte Charlie kopfschüttelnd.

»Nee«, sagte Elina. »Diese Süßigkeitenwerker-Prüfungen machen bloß verrückt.«

»Aber das wollten die Zuckerhuts doch!«, murrte Charlie.

Elina schmunzelte. »Verrückt werden?«

»Wunder wirken«, sagte Charlie.

»Mit Wundern hat Auswendiglernen aber nichts zu tun«, erwiderte Elina. Hier ging es schließlich um Magie! Wer wollte denn seine Nase in Bücher stecken, wenn er stattdessen gute Taten vollbringen konnte? Elina spürte sofort ein aufgeregtes Kribbeln im Bauch. »Stell dir mal all die Rezepte vor, die Juna und Robin irgendwann ausprobieren können! Und wir könnten mit Robin die Süßigkeiten testen!«

»Lieber nicht«, sagte Charlie sofort. »Mit Magie geht immer was schief.«

Elina wusste nicht recht, was sie darauf antworten sollte. »Bist du sauer wegen den Kühnen Kirschkrachern?«, fragte sie und sah Charlie entschuldigend an.

Charlie schob schmollend die Unterlippe vor. »Mir war ja selbst langweilig, nachdem wir Stunden im Wohnzimmer gesessen und Robin Dinge abgefragt haben. Ich hätte nur lieber was Normales mit euch gemacht.«

Elinas schlechtes Gewissen meldete sich. Kein Wunder, dass Charlie so reagiert hatte! Sie selbst war vor einer Weile durch eine verdorbene magische Schokolade verflucht worden und hatte mit unberechenbaren Nebenwirkungen gekämpft.

»Tut mir leid«, sagte Elina leise. »Beim nächsten Mal machen wir etwas so Stinknormales, dass du vor Langeweile nur noch gähnen musst, so wie in Englisch.«

Charlie grinste. »Bitte nicht! Lieber was Cooles wie Kino!«

»Gut!«, sagte Elina. »Beste-Freundinnen-Ehrenwort!«

»Beste-Freundinnen-Ehrenwort? Finde ich super!«

Im nächsten Moment polterte Robin die Treppe hinunter.

»Kommt ihr? Solange meine Eltern weg sind, kann ich euch die Geheimkammer unterm Dach zeigen.«

»Hier gibt es eine Geheimkammer?«, fragte Elina. Das klang spannend!

»Den ganzen magischen Kram im Turm zu verstecken, wäre ja wohl zu offensichtlich«, sagte Robin. »Ich brauche noch ein Buch daraus. Also, was ist?«

Elina wandte sich Charlie zu, legte den Kopf schief und lächelte sie an. Sie musste die Frage gar nicht stellen, ob das für Charlie okay war, denn Charlie verstand sie auch ohne Worte. Sie nickte Elina zu.

Geheimkammer, wir kommen!

»Bewahrst du oben deine magischen Schokoladen-Action-Figuren auf oder wieso bist du so aus dem Häuschen?«, ärgerte Charlie Robin, als sie hinter ihm die Stufen erklommen. Robin war beim Treppensteigen wirklich ziemlich hibbelig.

»Vielleicht mach ich ja eine Schokoladenfigur aus dir!«, erwiderte er herausfordernd.

Elina schmunzelte. Immerzu mussten sich die zwei kabbeln!

Sie kam als Letzte oben an. »Hier sieht’s aber normal aus«, murmelte sie.

Das Zuckerhut-Haus hatte mehrere Stockwerke und so weit oben war sie zum ersten Mal. Irgendwie hatte sie ein gruseliges Kabuff voller Spinnweben und altem Krams erwartet, so wie es das Bittersüß, der magischste Ort in ganz Belony, war. Im ehemaligen Laden von Madame Picot, der ersten Süßigkeitenwerkerin, schlugen massenhaft Besucher auf, um alte Schokokessel und Backformen zu bewundern. Hier gab es nicht mal das – es war eine stinknormale Etage, voller gerahmter Bilder an den Wänden und mehreren Holztüren zu beiden Seiten.

»Wo ist jetzt diese ominöse Geheimkammer?«, fragte Charlie.

»Wenn sie jeder finden könnte, wäre sie ja nicht mehr geheim!«, murrte Robin.

»Dann erleuchte uns mal, oh großer Brummbart!«, sagte Charlie.

Robin wandte sich ab und ging den Flur hinunter zu einem der Gemälde, auf dem eine Zuckerstange abgebildet war, und dann – klappte er es einfach beiseite. Dahinter lag ein kleiner schwarzer Tresor, auf dem ein verschnörkeltes Z zu sehen war. Robin gab einen Code in die Tasten ein und die Tresortür schwang auf.

»Krass, hier gibt’s echt viele Verstecke!«, staunte Elina.

»Die Kombination ist ja Arthurs Geburtstag! Bestimmt, weil er am besten von euch allen aussieht!« Charlie klang ganz verträumt. Sie war nicht die Einzige, die Robins fünfzehnjährigem Bruder nachschmachtete. Alle fanden ihn soo süß!

Elina mochte Arthur zwar, verstand aber diesen Wirbel um ihn nicht. »Weil er am besten aussieht?«, wiederholte sie belustigt. »Das macht gar keinen Sinn.«

»Woher kennst du denn Arthurs Geburtstag?«, fragte Robin.

»Och«, druckste Charlie herum. »Den kennen viele.«

Bestimmt alle aus dem Arthur-Fanclub, dachte Elina grinsend. »Wie kommen wir denn in die Geheimkammer?«, wechselte sie das Thema.

Robin holte eine durchsichtige Tüte aus dem Tresor, in der winzige Schlüssel lagen. Sie waren kristallweiß, als hätte man sie aus purem Zucker geschnitzt. »Die sind aus Zugänglichem Zucker gemacht. Und der einzige Weg, um Zugang zur Geheimkammer zu erhalten. Ihr müsst also einen davon essen.«

Charlie seufzte. »Gut. Bei denen weißt du ja, was passiert. Oder?«

Robin öffnete die Tüte. »Jup! Kein Risiko!«

Nachdem sich jeder einen Zucker-Schlüssel in den Mund geschoben hatte, deutete Robin auf die Wand zu seiner Rechten. »Einfach Augen zu und durch!«

»Du willst, dass wir wie bei Harry Potter gegen die Wand rennen?«, fragte Elina.

»Bloß durchgehen. Ihr werdet schon sehen.«

Und mit diesen Worten verschwand Robin durch die Wand.

Die Zuckermeister (2). Die verlorene Rezeptur

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