Читать книгу Im Dienst der Föderation - Tanya Huff - Страница 6

Zwei

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»Sind das alle?«

»Bis auf einen, Sir.«

Lieutenant Jarret, der die Marines beobachtet hatte, die unter ihm in der Ladebucht herumwuselten, wandte sich seinem Staff Sergeant zu. »Einen?«, fragte er.

Die Betonung seiner Frage machte deutlich, was er eigentlich wissen wollte. Torin, die versucht hatte, den Namen nicht zu erwähnen, hatte jetzt keine andere Wahl mehr. »Corporal Conn, Sir.«

»Der Mann, dessen Freigang Sie verlängert haben?«

»Ja, Sir.«

»Weiß er, dass wir heute Morgen aufbrechen?«

Torin zuckte bei dem täuschend milden Tonfall zusammen. Der Sarkasmus des di’Taykaner war so schneidend, dass ihm kein Schott standgehalten hätte. Ehe sie antworten konnte, erhob sich eine herrische Stimme mit der Aufforderung, sofort abgesetzt zu werden, über den allgemeinen Lärm, und sie lächelte. »Da ist er ja, Sir.«

Jarret sah zu, wie ein großer Mann ein Kind mit flammendrotem Haar von seinen Schultern hob und vorsichtig an Deck absetzte. »Er hat seine Tochter mitgebracht?«

»Ja, Sir, Myrna Troi. Sie verabschiedet die Kompanie immer.«

»Ich fasse es nicht, was Menschen ihren Kindern antun«, sinnierte Jarret, während das kleine Mädchen herumrannte und die Grüße des gesamten Zugs entgegennahm, als stünden sie ihr zu. »Bis Taykan ihre di’-Phase erreichen, wachsen sie sehr behütet auf.«

»Wir sind eine ziemlich flexible Spezies, Sir.«

»Ach, wir etwa nicht?« Violettes Haar hob sich und unterstrich den Doppelsinn der Konversation.

»Lieutenant ...«

»Tut mir leid.« Er grinste, was zeigte, dass es ihm eigentlich überhaupt nicht leidtat, und ging Richtung Treppe. »Da sich Corporal Conn entschlossen hat, sich uns anzuschließen, können wir anfangen.«

***

»Ich werde wahrscheinlich gewachsen sein, bis du zurückkommst. Wahrscheinlich bin ich dann so groß.« Auf Zehenspitzen stehend reckte Myrna Troi die Hand in die Luft, so hoch sie nur konnte, also knapp oberhalb des Kopfes ihres Vaters, der vor ihr in die Hocke gegangen war. »Wahrscheinlich bin ich dann ein Sartschent«, teilte sie ihm streng mit, die rostroten Brauen über den smaragdgrünen Augen hochgezogen. »Dann musst du tun, was ich dir sage und darfst nicht mehr fortgehen.«

»Tut mir leid, Süße. Daddy will nicht weg, aber er muss.«

Sie starrte ihn lange an, dann schmiegte sie sich an seine Schulter und seufzte tief. »Ich weiß.«

»Pass auf Mama auf, während ich fort bin.«

»Mama wird wahrscheinlich weinen. Mama sagt, du solltest kein Marine mehr sein. Mama sagt, du solltest auf der Station arbeiten. Mama sagt, Trisha hat sich wahrscheinlich die Titten machen lassen.«

Etwas verwirrt wegen der letzten vertraulichen Informationen küsste Corporal Conn seine Tochter auf den Scheitel.

»Und weißt du, was noch? Wenn du weg bist, fällt mir wahrscheinlich der Zahn aus.« Torin ging an den beiden vorbei zu der großen Doppelschleuse. Wenigstens können wir diesmal sicher sein, dass er zu ihr zurückkommt, dachte sie, als der Zug sich ihr Anschluss. Dann setzte sie vorsichtshalber ein wahrscheinlich hinzu, um ihr Glück nicht überzustrapazieren.

***

Drei Tage nach dem Abflug von der Station dockte das Marine-Konglomerat aus Wohnquartieren, Messe, Fitnesscenter, Waffenkammer und Luftunterstützung am Föderationsschiff Berganitan an, das die Diplomatengruppe aus dem inneren Sektor an Bord hatte.

Augenblicke nach der Freigabe glitt das gesamte Schiff in den Susumiraum, und bis auf die Plasmaingenieure stellten sich alle auf Wartezeit ein. Die Zeit war im Susumiraum eigentlich nur für die relevant, die die Berechnungen anstellen musste, anhand derer das Schiff praktisch im Moment seines Eintritts in den Realraum zurückwechselte, wobei es mehrere Lichtjahre zurücklegte.

»Gute Nachrichten. Second Lieutenant Jarret hat einen mittelmäßigen Abschluss.«

Mehrere Angehörige der Ersten Schwadron blickten auf, und jemand fragte: »Warum sind das gute Nachrichten, Res?«

Ressk, der die nackten Füße auf einem der Tische in dem freien Bereich zwischen den beiden Kojen-Doppelreihen liegen hatte, streckte die Zehen und grinste breit Juan Checya an, den schweren Kanonier seines Feuerteams. »Wenn er Klassenbester gewesen wäre, wäre er ein unerträglicher Streber gewesen, als Schlusslicht ein Chrick.«

»Essbar?«

»Essbar.«

Checya schnaubte und ließ sich auf seine Koje fallen. »Was zur Hölle ist für dich eigentlich nicht essbar?«

»Nicht viel«, gab Ressk, dessen Finger über sein Tablet flogen, zu. »O, das ist ja interessant. Eine der Elterneinheiten des Lieutenants war Admiralin di’Ka Tereal, heute Ex-Admiralin qui’Ka Tereal, die versucht hat, seine Bewerbung auf die Station Ventris zu hintertreiben.«

»Wollte sie ihn für die Scheiß-Navy?«

»Sie wollte, dass er überhaupt nicht zur kämpfenden Truppe geht.«

Corporal di’Merk Mysho warf ihre Bürste in ihren Spind und beugte sich über Ressks Schulter. »Das ist so ein qui’Taykan-Ding«, erklärte sie. »Es gibt nichts Konservativeres als eine Erzeugerin. Sind diese Akten nicht Verschlusssache?«

»Kommt darauf an, was du damit meinst.«

»Etwas, wozu nicht Gott und die Welt Zugang haben soll.«

»Bin ich Gott oder die Welt?«

Sie verpasste ihm einen leichten Schlag auf den Hinterkopf. »Hat der Staff Sergeant Kerr nicht klar und deutlich gesagt, du sollst dich von Dingen, die geheim sind, fernhalten, solange wir an Bord der Berganitan sind?«

»Eigentlich hat sie mir verboten, in geheime Bereiche der Berganitan einzudringen. Ich bin in den Aufzeichnungen der Division. Hier geht es ausschließlich um Marines, nicht um Navy-Angehörige, ist also kein Problem.«

»Bis man dich erwischt.«

Er führte mit einem Fuß einen Becher Sah an den Mund und nahm einen tiefen Schluck. »Werde ich das je?«

»Was denn? Bedauern, dass du Hollices Daumen nicht gegessen hast, als du Gelegenheit dazu hattest?« Binti Mashona, das vierte Mitglied ihres Feuerteams, nahm ihm den Becher aus den Zehen und stellte ihn wieder auf den Tisch. »Du weißt, ich hasse es, wenn du das mit Lebensmitteln machst.«

»Du bist nur neidisch, weil meine Spezies körperlich leistungsfähiger ist als deine.«

»Ich denke lediglich daran, dass dieser Fuß den Großteil des Tages beim Exerzieren in Stiefeln verbracht hat.«

»Apropos körperlich leistungsfähig«, unterbrach Juan sie und beugte sich aus seiner Koje herüber. »Hattest du auf der Station Glück mit dieser Servicetechnikerin?«

»Nein.« Binti entnahm ihrem Spind eine Spielekarte und schob sie in ihr Tablet. »Sie wollte sich nicht mit jemandem von einer Kampfeinheit einlassen.«

»Einlassen? Scheiße, ich dachte, du wolltest nur Sex.«

»Warum hast du nicht einen di’Taykaner gefragt, wenn du nur Sex wolltest?«, staunte Mysho.

»Weil ich keine Wahl mehr habe, sobald ihr eure Dämpfer abnehmt. Ich könnte es mir dann nicht mehr anders überlegen.«

»Aber wenn du doch Sex wolltest ...«

Ressk schnaubte. »Das ist so ein Menschending, Mysho, das verstehst du nicht.«

»Apropos Menschendinge, habt ihr gehört, was der Staff heute Abend vorhat?«, grinste Binti, und ihre Zähne blitzten weiß und hoben sich prächtig vom dunklen Mahagoniton ihrer Haut ab. »Großer, schicker Empfang für diese Diplomaten, denen wir als Ehrengarde dienen sollen. Essen in übersichtlich kleinen Mengen auf Tabletts, schwarze Paradeuniformen und höfliche Konversation.«

Für einen Augenblick herrschte verblüffte Stille, dann schüttelte Juan langsam den Kopf. »Das wird der Staff furchtbar auf den Sack gehen.«

»Möchte jemand sehen, wie sehr?« Ressk tippte vielsagend auf sein Tablet. »Ich kann mich in die Sicherheitskameras des Schiffs hacken ...« Er verstummte, als die um den Tisch versammelten Marines einander fragende Blicke zu warfen und sich dann gleichzeitig in Richtung Mysho wandten.

»Was?«

»Du bist die ranghöchste, Mysh.«

»O nein, Conn hat lange vor mir seinen zweiten Streifen gekriegt.«

»Conn ist aber gerade unterwegs, um irgendwelchen Nippes für Myrna aufzutreiben. Deine Entscheidung.« Sie murmelte etwas in ihrer Sprache und hob dann resigniert die Hände. »Warum nicht? Du tust es ja eh, Ressk, dann können wir genauso gut alle einen Blick darauf werfen.«

***

»Kann mir mal jemand helfen? Die Jacke will einfach nicht richtig sitzen.«

Neben der Luke, die die Quartiere der Staff Sergeants vom Aufenthaltsraum der Unteroffiziere trennte, stand Sergeant Mike Glicksohn und winkte Torin heran. »Du bist wirklich der Inbegriff kriegerischer Eleganz.«

»Ja, nicht wahr«, stimmte sie zu und reichte ihm ihren Gürtel. »Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich das letzte Mal so aufgebrezelt habe.«

»Bei der Beförderung zur Staff?«

»Nein, das war eine Beförderung im Feld – ich war von oben bis unten mit den Eingeweiden Staff Sergeant Guntahs bedeckt, und das einzig Schwarze an mir waren die Stellen an meinen Fingernägeln, wo die Erfrierungen begonnen hatten.«

»Ich erinnere mich.« Anne Chou sah von ihrem Tablet auf. »Der Planet war nahezu unbewohnbar – wir hätten ihn ignoriert, wenn die Anderen nicht versucht hätten, dort eine Bergbaustation zu errichten.«

»Jetzt haben wir dort eine Bergbaustation, und eines Tages werden wir zu diesem Eisloch am Arsch des Weltraums zurückkehren müssen, um sie zu beschützen.«

»Krieg ist Fortschritt«, murmelte Glicksohn und trat zurück. »Fertig.«

»Danke.« Torin trat an die Wand und polarisierte den Bildschirm. »Glaubst du, es hat einen Grund, warum diese Kragen so eng sind?«, fragte sie und betrachtete ihr Spiegelbild. »Ist euch auch so heiß?« Sie bewegte die Schultern unter dem schwarzen Stoff und fragte sich, warum sie sich plötzlich so ... »Trey!«

Die drei Menschen wandten sich dem anderen Ende des Raumes zu, wo die di’Taykaner-Sergeantin gerade aus der Dusche kam.

»Reg dich ab«, seufzte sie und schritt nackt zu ihrem Raum. »Wo soll ich ihn denn anbringen? Außerdem bist du ein Mensch, Triebhemmung ist gut für dich. Du«, fuhr sie fort und blieb stehen, um Torin anzugrinsen, »solltest mir dankbar sein, denn bevor das Corps di’Taykaner aufnahm, hättest du dazu eine Mütze tragen müssen.«

»Danke«, sagte Torin in Richtung der geschlossenen Tür. »Ah, dir danke ich auch«, setzte sie hinzu, als Chou die Luftaufbereiter hochfuhr. »Apropos Dämpfer, weiß jemand, wo Haysole ist? Ich habe ihn seit dem Andocken kaum gesehen.«

»In der Schwerelosigkeitsblase. Er sagte, er wolle versuchen, sich durch die Mannschaft der Berganitan zu arbeiten.«

»Auch die Vakuumjockeys?«

»Nicht alle.« Glicksohn lehnte sich in seinem Stuhl zurück und griff sich den Bierschlauch, den er zuvor aus der Hand gelegt hatte. »Ich habe für 2130 ein Spiel angesetzt, und ein paar haben Interesse gezeigt.«

»Spielt ihr auf neutralem Boden?«

»Soweit das in diesem fliegenden Aquarium möglich ist.«

»Wer kommt mit, falls die VJ sich danebenbenehmen?«

Glicksohn schnaubte. »Tun sie das jemals nicht?«

»Mike ...«

»Sam Austin kommt mit, und Esket von der Luftfahrzeugsbesatzung. Zufrieden?« Als sie nickte, grinste er. »Du machst dir zu viele Sorgen.«

»Das ist meine Aufgabe. Apropos, hat einer von euch ...«, bei ihren Worten trat Trey aus dem Quartier, »nachgeprüft, zu welchen Spezies die Diplomaten gehören?«

»Dornagain und Mictok«, antwortete Trey und ließ sich auf einen Stuhl fallen.

Glicksohn warf ihr ein Bier zu. »Ich dachte, die Silsviss wären Reptilien. Warum schicken wir da keine Raszar oder Niln? Damit sie wissen, dass sie nicht die einzigen Echsen im Club wären, bevor sie sich uns anschließen.«

»Oder H’san?«, fragte Chou. »Jeder mag die H’san.«

»Ich schätze, man schickt keine Reptilien, um keinen Konkurrenzdruck aufzubauen.« Torin wischte ein Stäubchen von ihren Einsatzabzeichen. »Im Erstkontakt-Team war übrigens ein H’san. Die Silsviss erwähnten dauernd, wie sehr er nach Essen rieche.«

»Wie gesagt, jeder mag die H’san.«

»Ich weiß, die Mictok sind angeblich großartige Diplomaten«, murmelte Glicksohn, »aber jedes Mal, wenn ich eine sehe, schreit eine leise Stimme in meinem Kopf unablässig: Nehmt sie von mir weg! Nehmt sie von mir weg!«

Ehe sie antworten konnte, zirpte Torins Implantat.

*Lieutenant Jarret wartet auf dem Gang auf Sie.*

***

Vor den di’Taykaner hatten sowohl das Marine Corps als auch die Navy blaue Paradeuniformen getragen, aber die Aufnahme einer Rasse mit pastellfarbenem Haar und ebensolchen Augen hatte in diesem Punkt eine Veränderung erforderlich gemacht. Die Navy hatte sich für Grau entschieden – Taubengrau für die Piloten, etwas dunkleres Grau für die Ingenieure, dank derer sie den Susumiraum überhaupt erreicht hatten, und Anthrazit für alle anderen. Das Corps trug Schwarz. Ungeachtet seines Aufgabenbereichs, seines Ranges oder seines Namens war ein Marine immer in erster Linie ein Marine.

Zum Glück gingen die, die ein Problem mit der Kombination aus Pastellfarben und Tarnfleck hatten, zumeist nicht in Kampfeinheiten.

Lieutenant Jarret wartete an der Leiter, die den Zug mit der Luftunterstützung ein Deck höher verband, auf sie. Das Corps war stolz auf seine logistische und personelle Flexibilität und konnte im Handumdrehen Transporteinheiten für jede nur denkbare Truppenzusammenstellung konfigurieren. Als Torin zu ihm trat, kamen gerade die Pilotin und der Copilot die Leiter heruntergerutscht.

»Captain Fiona Daniels, Second Lieutenant Ghard, das ist Staff Sergeant Torin Kerr. Sie begleitet uns heute Abend auf Bitten Captain Carvegs von der Berganiter.«

»Freut mich, Staff. Gegenüber den VJs werden wir zahlenmäßig deutlich in der Unterzahl sein.«

Torin erwiderte das freundliche Lächeln des Captains. »Ich stärke Ihnen gerne den Rücken, Captain.« Fiona Daniels war gutaussehend und kess wie die Models auf den Rekrutierungsplakaten der Menschen. Dunkles Haar, grüne Augen, tiefe Grübchen, schöne, weiße Zähne – nur jemand, der aus erster Hand Erfahrungen mit plastischer Chirurgie gemacht hatte, konnte an einem leichten Farbunterschied erkennen, dass man die Haut ihrer gesamten linken Gesichtshälfte jüngst ersetzt hatte. Sie war eine der Pilotinnen gewesen, die die Sh’quo-Kompanie nach der letzten, desaströsen Außenmission vom Boden gerettet hatte, und wenn zum Rücken stärken gehörte, für sie ein paar Vakuumjockeys den Hintern zu versohlen, war Torin dazu nur zu gerne bereit.

Auf der anderen Seite der Schleuse hatten die Wände die Farben der Navy, und ihre Implantate fragten alle gleichzeitig nach ihrem Ziel.

Lieutenant Jarret legte kurz irritiert seine Haare am Kopf an, antwortete aber höflich: »Offiziersmesse.«

*Nehmen Sie am Ende dieses Ganges den Vertikalschacht zu Deck sieben. Die Offiziersmesse befindet sich drei Türen vom Vertikalschacht entfernt links. Bitte gehen Sie weiter.*

»Machen Sie sich nichts daraus, Jarret«, riet Captain Daniels, als sie aufbrachen. »Das ist so ein Navy-Ding. Die VJs finden ohne Leitstrahl ihren eigenen Arsch nicht.«

***

»Was geht denn hier?«

»Ressk observiert heimlich diese schicke Party, auf die die Staff muss.« Juan duckte sich, als Binti nach ihm schlug. »Hätte ich etwa lügen sollen?«

Corporal Hollice schob sich neben Mysho und beugte sich über den Kopf des Krai. »Das sind ... okay, waren ... Sicherheitscodes der Navy.«

»Ist er drin?«, fragte jemand von weiter hinten.

»Ich bin drin.« Ressk schob sein Tablet sehr vorsichtig in die Dockingstation der Videowand. Der Bildschirm wurde schwarz, dann grau, dann entstand langsam ein Bild.

Hollice seufzte. »Ich möchte festhalten, dass ich während dieses gewaltsamen Eindringens nicht zugegen war.«

»Wir haben dich verführt, dir das mit uns zusammen anzuschauen«, bestätigte Ressk und stellte den Kontrast ein.

»He, schaut mal, Mictok.«

Die versammelten Menschen unterdrücken das für ihre Rasse typische Erschauern, als drei Mictok von einem Mitglied der Intendantur Getränke entgegennahmen.

Der Kamerawinkel veränderte sich.

»Ich sehe überall Navytypen«, klagte Juan. »Wo ist unser Team?«

»Da, an der Luke.«

***

Während die beiden Piloten als erste den Raum betraten, warf Torin Jarret einen Blick zu. Der ständigen Bewegung seines Haars und der Art, wie er auf den Ballen ging, nach zu urteilen war er nervös. Sie konnte ihm daraus keinen Vorwurf machen. Die meisten Second Lieutenants lernten befehligen, während ihr Zug Teil einer Landemission in Bataillonsstärke war – nicht für alle sichtbar auf einer protokollarischen Mission. Da war es auch nicht besonders hilfreich, dass an jeder Brust im Raum außer an seiner und der der Diplomaten ein Regenbogen von Einsatzabzeichen prangte.

»Denk daran, dass die Navy auf unserer Seite ist, selbst wenn es manchmal nicht so klingt«, murmelte sie, während sie auf Captain Carveg zugingen. »Wir sind sowas wie Geschwister. Wenn es hart auf hart kommt, halten wir zusammen. Was die Zivilisten angeht, so halten uns die älteren Rassen für Wilde, weil wir bereit sind, für den Erhalt der Föderation zu kämpfen, weswegen bereits grundlegende Umgangsformen sie beeindrucken. Gute Manieren werden sie kollektiv von den Füßen hauen.« Er wandte sich halb um, und sein Haar hob sich leicht.

Sie zuckte die Achseln. »Oder von den Spinnwarzen. Was auch immer.«

Als die Offiziere vorgestellt und begrüßt waren, wandte sich Captain Carveg mit breitem Lächeln an Torin. »Die Staff Sergeant und ich sind einander schon begegnet, doch damals war sie noch Sergeant und ich nur Commander.«

Zwar hätte Torin das halbe Dutzend Krai der Sh’quo-Kompanie unter Tausenden erkannt, doch eigentlich sahen sie für sie alle gleich aus. Sie wusste, es war rassistisch, aber die Gesichtskämme, an denen die Krai einander so eindeutig erkannten, verrieten ihr lediglich das Geschlecht. Ihre Hautfarbe rangierte stets im Mittelbereich der menschlichen Norm, sie waren weder so dunkel wie Binti Mashona noch so hell wie Captain Rose. Die wenigen Haarbüschel an der breiten Schädelbasis waren auch keine Hilfe. Die di’Taykaner, die andere ebenso am Geruch erkannten wie am äußeren Erscheinungsbild, hatten da einen klaren Vorteil.

Mindestens vier Jahre war es her, dass sie einen Commander namens Carveg getroffen hatte ...

»Die CS Charest, die von Sai Genist aufbrach?«

Carveg nickte. »Ich bin überrascht, dass Sie sich erinnern.«

Torin grinste, achtete aber darauf, nicht zu viele Zähne zu zeigen. »Sie sind mit einem Schlachtkreuzer in die Atmosphäre gesprungen, haben einen Angriffskeil aus Schiffen der Anderen geröstet und damit mindestens ein Dutzend unserer Piloten gerettet. Aus meinem Blickwinkel war das eine beeindruckende Lightshow.«

»Mein Captain war bei dem Angriff gefallen, und es war die erste Schlacht, in der die Anderen die neue Clustertechnologie einsetzten«, erklärte Carveg den gespannt lauschenden Offizieren. »Ich bin ein Risiko eingegangen, das sich ausgezahlt hat, doch wenn ich bedenke, wie unser Rumpf hinterher aussah, muss ich davon ausgehen, dass mir unsere Ingenieure nie verziehen haben. Derweil zogen unten auf dem Planeten Sergeant Kerr und ihre Schwadron drei meiner abgestürzten Piloten aus den Wracks ihrer Rettungskapseln und hielten sie unter Risiken für die Schwadron am Leben, bis wir das System soweit gesäubert hatten, dass eine medizinische Evakuierung möglich war.«

»Was ist so gefährlich daran, Tragen zu schleppen?«, fragte eine di’Taykaner-Navyoffizierin.

Lieutenant Jarret antwortete, ehe Torin es vermochte. »Wenn man Tragen schleppt«, sagte er so freundlich, dass die Augen des anderen di’Taykaners aufleuchteten, »kann man keine Waffen einsetzen. Drei Tragen bedeuteten mindestens sechs wehrlose Marines, wodurch sich die Stärke der Schwadron fast halbierte. Aber wir lassen niemanden zum Sterben zurück.« Dass er das betonte, war ein sanfter, aristokratischer Tadel.

Ich wette, das ist eine di’Taykaner mit mehr als zwei Buchstaben im Namen, dachte Torin und unterdrückte ein Lächeln. Der jüngste Offizier im Raum war Spross einer Familie, die seit dem Anbeginn der Zivilisation seiner Spezies Macht besessen hatte. Im Umgang mit uns anderen steht er vielleicht noch ganz am Anfang, aber seine eigene Spezies hat er schon ganz gut im Griff.

»Glauben Sie bloß nicht, wir wüssten das nicht zu schätzen«, ermahnte ihn Captain Carveg, die sich nicht die Mühe machte, ihre Zustimmung zu verbergen. »Kommen Sie, ich möchte Sie den Leuten vorstellen, die Sie begleiten werden.«

***

»Was passiert jetzt?«

»Weitere Vorstellungen.«

Auf dem Bildschirm richtete sich einer der Dornagain zu voller Größe auf und verneigte sich förmlich.

»Scheiße, sind die riesig.«

»Deshalb hat man sie wahrscheinlich geschickt – für den Fall, dass es Ärger gibt.«

»Nein, deshalb schickt man uns. Die Dornagain kämpfen nicht.«

»Selbst wenn, hast du je einen gesehen, der sich schnell genug bewegen konnte, um sich am Arsch zu kratzen, bevor das Jucken weiterwandert?«

»Wenn sie nicht kämpfen, wofür haben sie dann diese beschissenen Klauen?«

»Meeresfrüchte.« Die Schwadron drehte sich zu Hollice um, der die Achseln zuckte. »Erinnert ihr euch nicht an eure Schulvideos zum Thema ›Gründer der Föderation‹?«

»Ich erinnere mich nur, dass die H’san jeden Sonnenaufgang mit Gesang begrüßen. Egal, um welche Sonne es geht.«

»Echt? Ich weiß nur noch, dass die H’san Käse mögen.«

»Das weiß doch jeder.«

***

»Lieutenant Jarret, Sergeant Kerr, das ist Botschafter Krik’vir.« Captain Carveg ersetzte das Mandibelklacken in der Mitte des Namens mit einem Aufeinanderknallen ihrer Zähne, auf das Torin unwillkürlich neidisch war. Der Zahnschmelz der Krai war so hart, dass Bioingenieure ständig versuchten, ihn zu replizieren, um ihn als Atmosphärenschild bei den Vakuum-zu-Atmosphäre-Schiffen der Föderation einzusetzen.

Die Botschafterin der Mictok senkte grüßend die Fühler. »Wir sind sehr erfreut, Sie beide kennenzulernen. Wir wissen es zu schätzen, dass so viele von Ihnen uns so spontan beherbergen können.«

Lieutenant Jarret neigte den Kopf. »Befehle von General Morris, Ma’am.«

»Ja, natürlich.« Amüsiert klackerten ihre äußeren Mandibeln leise gegen die inneren. »Wir vergessen, dass Sie nicht auf Konsens angewiesen sind. Manchmal wünschen wir, wir hätten dieselbe Freiheit. Gestatten Sie uns, unseren Stab vorzustellen. Er steht auch unter Ihrem Schutz.«

Nimm es weg! Nimm es weg! Torin gelang es nicht, Glicksohns Worte aus dem Kopf zu verbannen, als sie die nächste Stufe der Vorstellungszeremonie erreichten. Obgleich die Schönheit der Mictok Kunst fast jede bekannte Spezies berührte und ihre diplomatischen Fähigkeiten entscheidend zum Entstehen der Föderation beigetragen hatten, sahen Menschen in ihnen Riesenspinnen. Es war sehr förderlich für die Beziehungen zwischen Menschen und Mictok, dass es beinahe unmöglich war, Letztere vor den Kopf zu stoßen.

Botschafterin Krik’virs Stab bestand aus nur drei anderen Mictok, eine überraschend kleine Zahl für eine Gemeinschaftsspezies, allerdings ein Individuum mehr als die Mindestzahl. Unter den richtigen Bedingungen konnten drei Mictok ein neues Nest gründen, in dem dann eine zur Königin wurde, eine zum befruchteten Männchen und die dritte für das glückliche Paar sorgte, bis die ersten Jungen schlüpften. Wenn nötig würde der Mann auch zum Inkubator. Torin hatte sich schon oft gefragt, wie sie entschieden, wer welche Rolle übernahm, aber nie zu fragen gewagt.

Es folgte die Vorstellung des Botschafters der Dornagain und seines Stabes, eine Zeremonie mit vielen gegenseitigen Verbeugungen und dem Austausch belangloser Freundlichkeiten. Dornagainnamen klangen für menschliche Ohren seltsam, da sie sich auf Persönlichkeitsmerkmale oder körperliche Eigenschaften bezogen und sich im Laufe eines langen Lebens mehrfach veränderten. Der Botschafter trug derzeit den passenden, aber sperrigen Namen Der-gut-zuhört-und-alles-bedenkt.

Da ihr Rang oder vielmehr das Fehlen desselben sie aus weiten Teilen dieser sozialen Rituale ausschloss, konnte Torin im Hintergrund stehen und bewundern, wie sich Lieutenant Jarret schlug. Sein Haar hatte sich beruhigt, sobald sich seine Aufregung gelegt hatte, und er schien Spaß zu haben. Als Mitglied eines uralten Hauses war er vom Hintergrund her perfekt geeignet, um zivilen Schutzbefohlenen Honig um den Bart zu schmieren, und sie musste zugeben, dass er zwar noch grün hinter den Ohren sein mochte was Kampferfahrung anging, dass er aber der perfekte Mann war, um diese Mission zu befehligen.

Wenn erst einmal jemand anfängt, auf uns zu schießen, wird er bald nicht mehr so grün hinter den Ohren sein. In Torins Augen war ein Offizier, der Kommandoerfahrung hatte, ehe er in den Kampf zog, für alle Beteiligten ein Vorteil, und der Gedanke half ihr, etwas weniger sauer auf General Morris zu sein – trotz der drangvollen Enge ihrer Paradeuniform.

Aus Paritätsgründen mussten bei vier Mictok ebenso viele Dornagain anwesend sein. Ihnen war vollkommen klar, dass ihre Größe sie für kleinere Spezies furchterregend machte – also für so ziemlich alle anderen Mitglieder der Föderation –, weswegen sie sich langsam trennten, als die Vorstellungsrunde beendet war.

Mit den vier Marines im Schlepptau unterbrach Captain Carveg eine Diskussion über Zellplastizität, um ihnen Dr. Planton Leor vorzustellen ...

» ...den Umweltmediziner, der dafür sorgen wird, dass Sie während Ihres Aufenthalts auf Silsvah alle gesund bleiben. Er ist in erster Linie in der medizinischen Forschung tätig«, setzte sie in gedämpftem Tonfall hinzu, als sie sich entfernten. »Ich schicke vorsichtshalber auch ein paar Sanitäter runter.«

Die restlichen Zivilisten waren die diplomatische Geschäftsträgerin und ihre beiden Assistenten, alle drei Rakva wie der Doktor.

***

»Als ich damals beim 9. war, hatte ein Rakva eine Kantine auf der Station«, sinnierte Ressk. »Toller Koch.«

»Warum hat dich das interessiert?«, fragte Binti und blickte von ihrem Tablet auf. »Du isst doch alles, was nicht schnell genug wegläuft, bevor du es dir in den Rachen schieben kannst.«

»Es gibt einen Unterschied zwischen Essen und Genießen«, erinnerte der Krai sie. »Der Typ konnte ein Juklae so leicht zubereiten, dass man das Gefühl hätte, man esse in der Schwerelosigkeit.«

»Echt? Zu schade, dass nicht er statt dieses Umweltarztes hier ist.« Sie schnaubte. »Als wären wir noch nie zuvor auf einem seltsamen Planeten gelandet.« Sie hob drohend den Finger und imitierte die pfeifende Stimme eines Rakva. »Nicht anfassen, wir wissen nicht, wo das vorher war.«

»Ich für meinen Teil schaue einem geschenkten Arzt nicht ins Maul.«

Grinsend sah Binti zum dunklen Rechteck der Koje von Corporal Hollice hinüber. »Ich glaube, einem Rakva kann man gar nicht ins Maul schauen, Hol. Dafür sind diese Schnabel Dinger nicht geeignet.«

Eine Hand wurde lange genug sichtbar, um eine sehr menschliche Geste auszuführen. »Kurzsichtig. Deshalb bist du immer noch Gefreiter.«

»Nein, du stirbst einfach nicht. Deshalb bin ich immer noch Gefreite.«

»Du bist demnach der Grund, warum ich noch lebe.«

»Ich fühle mich geehrt.«

»Das solltest du auch. Klappe jetzt, ich versuche zu schlafen.« Noch immer grinsend widmete Binti ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Tablet.

Der Rest der Schwadron fand es inzwischen langweilig, die diplomatischen Bemühungen zu beobachten – auch wenn sie sich die Möglichkeit dazu auf illegalem Wege verschafft hatten. Die meisten begaben sich in die Messe, aber Ressk klebte nach wie vor am Bildschirm. Als die Vorstellungsrunde vorbei war und Captain Carveg die Marines am Buffet allein ließ, programmierte er rasch die Parameter der Sicherheitskamera um, damit sie die Captain der Berganitan im Auge behielt.

»Das nenne ich mal zwei Amalorks«, murmelte er und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.

Staff Sergeant Kerr konnte er jederzeit anschauen. Weibliche Krai hingegen gab es bei der Infanterie selten.

***

Torin knabbert an etwas, das vage an Algen erinnerte, beobachtete, wie Lieutenant Jarret mit der Menge interagierte und fragte sich, warum er sich für den Kampf entschieden hatte, wenn er doch ein so guter ... nun, die höflichste Bezeichnung lautete wohl Diplomat, war, obwohl sie immer wieder an den Begriff »Arschkriecher« denken musste. Warum starb er eigentlich nicht halb in seiner Paradeuniform? Sie schob einen Finger unter ihren Kragen und nahm sich dann noch so ein Algending.

»Wir freuen uns, eine weitere reptilische Spezies in der Föderation willkommen heißen zu können.«

Torin hatte nicht gehört, dass sich die Mictok ihr von hinten genähert hatte, aber der Akzent war unverkennbar – Mandibeln waren für weichere Konsonanten einfach nicht geschaffen. Sie zwang sich, sich langsam umzudrehen und stand der Botschafterin mehr oder weniger von Angesicht zu Angesicht gegenüber.

»Das Erstkontakt-Team hat angedeutet, dass die Silsviss über eine sehr lebendige, reichhaltige Kultur verfügen. Wir freuen uns darauf, uns näher damit zu beschäftigen.«

Dazu fiel Torin nicht viel ein, also nickte sie nur lächelnd. Es war ein wenig verstörend, das eigene Spiegelbild im näheren Augenstiel der Botschafterin zu sehen, weswegen sie den Blick senkte und die bunten Muster betrachtete, die auf deren Exoskelett gemalt waren.

Der Augenstiel folgte ihrem Blick. »Gefällt es Ihnen, Staff Sergeant?«

»Es ist wunderschön, Ma’am.«

»Das finden wir auch, aber wir waren nicht sicher, wie es auf eine Spezies mit zwei Augen wirkt.« Das Vorderbein mit der kleinsten Anzahl Finger erhob sich und tippte gegen Torins Abzeichenleiste. »Das ist nicht nur Schmuck, richtig?«

»Ja, Ma’am. Die Abzeichen stehen für die Orte, an denen ich gewesen bin und meine dortigen Taten.« In einem Kurs über speziesübergreifende Beziehungen, an denen sie sich kaum noch erinnern konnte, hatte man ihr nahegelegt, kulturelle Erklärungen so einfach wie möglich zu halten. Einfacher ging es eigentlich gar nicht mehr.

»Im Hinblick auf Ihre Kampfeinsätze?«

»Ja, Ma’am.«

Die Mictok seufzte – zumindest deutete Torin das Geräusch, dass sie von sich gab, so. »Wir begreifen nicht, warum die Anderen darauf bestehen, in den Föderationsraum einzudringen. Wir mögen den Gedanken nicht, dass eine empfindungsbegabte Spezies sterben muss, auch wenn in diesem Fall wenige sterben, um die Vielen zu beschützen.«

»Uns gefällt der Gedanke auch nicht gerade, Ma’am.«

Wieder gab sie dieses Geräusch von sich. »Davon sind wir ausgegangen. Wir haben uns oft gefragt, warum man nicht eine präzisionsgelenkte Waffe bauen kann ...«

»Verzeihung, Ma’am«, unterbrach Torin steif, »aber Sie haben im Augenblick zweiundvierzig präzisionsgelenkte Waffen an Bord. Fünfundvierzig, wenn man unsere Luftunterstützung mitrechnet«, setzte sie hinzu, als sie vom anderen Ende des Raums Captain Daniels Stimme hörte. »Aber kein Computer könnte alle denkbaren Variablen eines Kampfes berechnen.«

»Was wäre, wenn wir endlich echte künstliche Intelligenz hätten?«

»Dann würden wir einfach nur eine andere empfindungsfähige Spezies in den Tod schicken.«

Botschafterin Krik’vir tippte wieder gegen Torins Abzeichenleiste. »Wenn keine davon für Ihre Diskussionsfähigkeiten steht, Staff Sergeant Kerr, finden wir, Sie sollten eine solche bekommen. Lieutenant Jarret trägt keine Farben«, fuhr sie fort, ohne auf eine Antwort zu warten. »Er ist noch ganz neu.«

Das war keine Frage gewesen, deshalb wartete Torin, bis die Botschafterin zur Sache kam.

»Er weiß, wie wichtig die Silsviss für unsere Verteidigungsmaßnahmen in diesem Sektor sind?«

»Ja, Ma’am, das ist ihm bewusst.«

»Wir haben gehört, die Silsviss ließen sich von Kriegern beeindrucken. General Morris hat eine interessante Wahl getroffen.«

»General Morris weiß, was er tut, Ma’am.« Ungeachtet ihrer persönlichen Meinung über den General würde Torin nicht zulassen, dass ihn ein Nichtmarine kritisierte. Abgesehen davon hatte der Abend sie ziemlich überzeugt, dass Jarret hier war, um sich um die Diplomaten zu kümmern und es dem Rest von ihnen überlassen bleiben würde, die Silsviss zu beeindrucken. Als die Botschafterin ihren Gedanken laut wiederholte, war sie so verblüfft, dass sie der Mictok in die Augen sah. Acht Spiegelbilder ihrer selbst starrten sie überrascht an. Sie konnte nicht umhin festzustellen, dass sie wie eine Idiotin aussah, schloss den Mund, und ihre acht Spiegelbilder taten es ihr nach.

Botschafterin Krik’virs äußere Mandibeln klackten gegen die inneren. »Wir können keine Gedanken lesen, Staff Sergeant, aber es war nicht schwer, die Ihren zu erraten.« Mit einem Vorderbein deutete sie auf den restlichen Raum. »Hier sind heute Abend vier Marines, vier Mictok, vier Dornagain und aus Paritätsgründen vier Rakva. Das ist, wie Sie Menschen zu sagen pflegen, geradezu widerwärtig politisch korrekt. Wir glauben, Sie werden weniger Probleme bei der Erfüllung Ihrer Aufgabe haben als Ihr Lieutenant bei der seinen. Schließlich müssen Sie nur eine Spezies beeindrucken.«

Das war möglicherweise eine Warnung gewesen. »Das werden wir auch, Ma’am.«

»Gut. Wir entschuldigen uns, Sie bei der Nahrungsaufnahme gestört zu haben, freuen uns aber, diese Gelegenheit zu einem Gespräch gehabt zu haben.«

Während die Botschafterin sich wieder unter die Menge mischte, schnappte sich Torin ein Glas von einem Tablett, das ein Kellner vorbeitrug, und nahm einen großen Schluck. Nimm es weg, seufzte sie in Gedanken.

***

»Ich bin etwas überrascht, dass Sie mit uns zurückkommen.« Captain Daniels legte die Hand aufs Identifikationsfeld und ließ den anderen drei den Vortritt, dann folgte sie ihnen und schloss die Schleuse. »Ich hätte gedacht, Sie würden mit einem anderen di’Taykaner anbändeln und die Nacht woanders verbringen.«

»Tatsächlich habe ich mich gefragt, was geschehen würde, wenn ich in unmittelbarer Nähe eines Dornagain den Dämpfer ablegen würde.«

»Eines Dornagain?«

»Die meisten empfindungsfähigen auf Kohlenstoff basierten Säugetiere reagieren.«

»Sind Sie wahnsinnig? Weibliche Dornagain wiegen bestimmt knapp zweihundert Kilo, und die männlichen sind nicht viel kleiner. Wenn Sie nicht zerquetscht würden, würden Sie ...« Dann sah sie Jarrets Gesichtsausdruck. »Ich kann nicht glauben, dass ich darauf hereingefallen bin.«

Das Grinsen wurde breiter. »Worauf?«

Das Problem ist, dachte Torin, die den drei Offizieren folgte, dass man bei einem di’Taykaner nie genau weiß, wann er scherzt. Manche von ihnen würden bei passender Gelegenheit ihre Dämpfer vor einem Dornagain abnehmen, nur um herauszufinden, was dann geschah. Lieutenant Jarret schien nicht so zu sein, aber ihr erster Kontakt bewies zweifellos, dass er in der Lage war, ihn sehr schnell abzunehmen, wenn sich eine passende Partnerin fand. Daran wirst du nie wieder denken, ermahnte sie sich und berührte mit der Zunge ihr Implantat, um den Dienstbericht abzurufen.

»Was denken Sie, Staff?«

Abrupt wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihren Begleitern zu, schaltete mit der Zunge ihr Implantat ab und zuckte entschuldigend die Achseln. »Tut mir leid, Sir. Ich habe nicht zugehört.«

»Haben Sie nach den Kindern gesehen?«, fragte Jarret.

»Ja, Sir.«

Er nickte zufrieden. Torin war beeindruckt. Sehr viele jüngere Offiziere brauchten Monate, um zu begreifen, wie gut es war, wenn es nichts Neues gab. Manche begriffen das nie.

»Ich habe mich gefragt«, setzte Captain Daniels sie ins Bild und sah ihr in die Augen, »ob Sie eine Meinung zum Verlauf des Abends haben.«

Torin hatte mehr Gespräche belauscht als geführt. Die meisten davon waren unglaublich belanglos gewesen. »Eine militärische Meinung?«

»Bitte. Ich glaube, wir haben alle mehr uninformierte Meinungen über die Qualität des Büfetts, die anderen anwesenden Spezies und die aktuelle Staffel von All meine Sprösslinge gehört, als gut für uns ist.«

»Es gibt nichts Schöneres, als wenn ein Mictok deine Lieblingsserie totanalysiert«, seufzte Lieutenant Ghard.

Jedenfalls wäre Torin nichts eingefallen. »Die Zivilisten scheinen nicht sicher zu sein, ob sich die Silsviss auf unsere Seite schlagen werden«, begann sie und sammelte sich, während sie sprach, »und dem Doktor gefällt die Vorstellung nicht, eine vierte aggressive Spezies in die Föderation aufzunehmen.«

Vertreter der drei anderen aggressiven Spezies schnaubten.

»Die Navy scheint zu befürchten, die Anderen könnten herausfinden, was wir planen und diese neuen Verteidigungsmaßnahmen torpedieren, ehe wir sie zum Laufen kriegen. Einer der VJs, der das Erstkontakt-Team abgesetzt hat, meinte, wir sollten die Silsviss besser rekrutieren, ehe die Anderen es tun, denn sie wolle, ich zitiere, diesen Hurensöhnen nicht in der Schlacht begegnen.«

Jarret nickte. »Das habe ich auch gehört. Gut, dass wir ihnen als Freunde begegnen.«

***

»Also, Leute, die Uhr läuft wieder. Noch neunundvierzig Stunden bis zur Landung. Ihr habt alle die Videos über die Silsviss gesehen, habt gehört, wie wichtig es ist, sie so zu beeindrucken, dass sie sich der Föderation anschließen, ehe die Anderen an sie herantreten. In Anbetracht dessen werden wir in den nächsten neunundvierzig Stunden morgens, nachmittags und abends protokollarischen Drill durchführen. Zumindest, soweit das an Bord eines Schiffes geht.«

»Ach, Staff, wir haben doch schon exerziert ...«

»Ich weiß.« Torin fixierte Haysole mit einem Basiliskenblick. »Ich habe es gesehen.« Sie hob den Blick und musterte den gesamten Zug. »Ich habe euch alle gesehen. Deshalb wird jetzt weiter exerziert.«

»Ich dachte, wir wollten die Silsviss durch unsere militärische Stärke beeindrucken«, murmelte eine menschliche Stimme.

»Ich habe eine bessere Idee, Drake ...«

Der schwere Kanonier zuckte zusammen, während die Umstehenden über sein Unbehagen kicherten.

» ...fangen wir doch damit an, wie gut wir unseren linken Fuß vom rechten unterscheiden können. Alle Mann. Flugdeck, bewaffnet, 0830. Wegtreten.«

Sie trat einen Schritt zurück neben den Lieutenant, während der Zug grummelnd die Messe verließ.

»Müssen sie wirklich noch exerzieren?«, fragte er leise.

»Eigentlich nicht. Dafür, dass seit der Grundausbildung keiner von ihnen mehr protokollarischen Dienst versehen hat, sind sie überraschend gut.«

»Warum dann der Drill?«

»Sie sollen vor einer Außenmission nicht zu viel nachdenken.«

»Aber das ist keine Außenmission wie jede andere.«

»Keine Außenmission ist je wie eine andere, Sir. Keine.«

Im Dienst der Föderation

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