Читать книгу Im Dienst der Föderation - Tanya Huff - Страница 7
Drei
Оглавление»Ganz hübsch hier.« Aus dem Orbit sah man die beiden großen Landmassen Silsvahs sowie ein halbes Dutzend kleinere. Obgleich der Planet etwas kleiner war als Terra und über etwas weniger Meere verfügte, fand Torin ihn angenehm vertraut – allerdings war sie auf Paradise geboren, der ersten Kolonialwelt, und hatte die Heimat der Menschheit nie persönlich aus dem Weltraum gesehen.
»Im Übrigen«, murmelte sie nachdenklich vor sich hin, »trägt die Tatsache, dass uns niemand bei der Landung abzuschießen versuchen wird, enorm zur Attraktivität dieser Welt bei.«
Als die Berganitan über einen Sturm hinwegglitt, der über der halben südlichen Hemisphäre zu hängen schien, machte sich ihr Implantat bemerkbar.
*WÜRDENTRÄGER IM ANMARSCH.*
Sie verzog das Gesicht, schaltete es mit der Zunge leiser und eilte quer über das Flugdeck Lieutenant Jarret entgegen. Sergeants und noch höhere Ränge hatten das Silsviss-Übersetzungsprogrammen erhalten, und der Upload hatte ihre Grundeinstellung durcheinandergebracht, sodass sie jetzt fast jede Funktion neu justieren musste. Ihre nächste Beförderung würde ihr ein neues Implantat bringen, und sie musste zugeben, dass es zwar unschön war, wenn die Techniker ihr die Kiefer brachen, sie sich aber dennoch auf die neue Hardware freute. Unter anderem würde es ihr direkten Zugang zum Navy-Netz und genügend Reichweite bescheren, um jedes Schiff zu erreichen, das sich nicht im Susumiraum befand, falls die Kompanie eine Evakuierung brauchte. Ihre nächste Beförderung würde ihr auch ein paar Jahre ohne Kampfeinsätze bringen, und sie musste zugeben, dass sie sich auch darauf freute.
»Haben Sie gehört, Sir?«
Jarret grinste, sein lila Haar zuckte wild umher. »Ja. Machen Sie sie bereit, Staff Sergeant.«
»Jawohl, Sir.« Während sich die Schleuse öffnete, ließ sie den Zug strammstehen. Sie hatte alle in die Shuttles schaffen wollen, ehe die Zivilisten an Bord kamen, aber der Lieutenant hatte gewollt, dass alle einander schon mal gesehen hatten, ehe sie das Schiff verließen. Das war eine gute Idee – je weniger Überraschungen es auf dem Planeten gab, desto besser –, aber sie war ein wenig überrascht gewesen, dass sie von ihrem brandneuen Second Lieutenant gekommen war.
Der Zug sah gut aus. Nicht ganz so gefährlich wie voll bewaffnet, aber dennoch gut. Falls einige der Leute ein paar unerlaubte Waffen an unerlaubten Stellen versteckt hatten, nun, die Marines waren es gewohnt, mit allen Tricks zu überleben, und das würde sie ihnen ganz gewiss nicht untersagen.
Die Mictok und die Rakva erschienen am oberen Ende der Gangway, noch ehe die vier Dornagain das Flugdeck halb überquert hatten. Mit ausdrucksloser Miene vergnügte sich Torin damit zu beobachten, wie jede bewusste Bewegung neue Glanzlichter auf ihr dichtes Fell zauberte. Dann vergnügte sie sich damit, sich vorzustellen, wie sie gegnerischem Beschuss auszuweichen versuchten. Dann war sie nicht mehr vergnügt.
Captain Carveg hätte sie vor einer Stunde runterschicken sollen – dann hätten wir vielleicht rechtzeitig aufbrechen können.
Der Dornagain-Botschafter erreichte das Ende der Gangway.
Vielleicht auch schon vor zwei Stunden.
Die Rampe diente dem Be- und Entladen gepanzerter Personentransporter. Nach einigen Diskussionen über Gewichtsverteilung und Belastung erklommen die Dornagain sie paarweise.
Irgendwie bezweifle ich, dass der ehrenwerte Der-gut-zuhört-und-alles-bedenkt einen Gedanken daran verschwendet hat, wie nervig diese Langsamkeit für uns anderen alle sein wird.
Als das letzte Glanzlicht im Fell der Bugkabine verschwunden war, scheuchte Torin ihren Trupp zügig in den Bauch der Bestie, vorbei an den beiden GPTs und der Waffenkammer in den Truppenbereich.
»Sergeants, Meldung, wenn die Schwadronen gesichert sind.«
»Schwadron eins gesichert.«
»Schwadron zwei gesichert.«
»Haysole, sichern Sie Ihre Füße, sonst schneide ich sie Ihnen ab«, knurrte Glicksohn, als der di’Taykaner einen seiner Füße aus den Gurten befreite.
Haysole kniff die türkisfarbenen Augen zusammen und legte das Haar an, schnappte sich aber den Gurt. »Ich mag es nicht, wenn ich meine Füße nicht bewegen kann, Sarge.«
»Was Sie mögen, interessiert mich einen Dreck. Gurt anlegen.« Glicksohn zurrte sein eigenes Geschirr fest, warf Torin einen »Warum ich?«-Blick zu und vermeldete zackig: »Schwadron drei gesichert.«
»Trupp für die Landung gesichert, Sir.«
Lieutenant Jarret hatte die Information kaum an den Piloten weitergegeben, da setzte die Berganitan die VTA auch schon ab. »Wollen die den Zeitverlust durch die Dornagain wieder reinholen?«, fragte er sich laut, während der ganze Zug in seine Sicherungsleinen gepresst wurde. »Oder nur schneller sein als dieser Sturm, der über der südlichen Hemisphäre tobt?«
»Vermutlich eher Gewohnheit«, erklärte Torin. »General Morris hat in seiner unendlichen Weisheit einen Kampfpiloten auf diese Mission geschickt – vermutlich immer noch im Versuch, die Silsviss mit unserer militärischen Macht zu beeindrucken. Kampfpiloten, die VTA-Truppentransporter fliegen, landen so schnell wie möglich, damit sie und ihre Fracht auf dem Weg nach unten nicht abgeschossen werden können.«
»Überlebt die Fracht das Ihrer Erfahrung nach?«
»Ja, Sir.« Sie grinste mit zusammengebissenen Zähnen, um sich nicht bei einer besonders heftigen Turbulenz in der Atmosphäre die Zunge abzubeißen. »Meistens.« Ein rascher Blick zu ihrem Zug zeigte ihr, dass alle den Flug mehr oder weniger genossen. »Was auch immer Sie da essen, Ressk, schlucken Sie es, bevor wir landen.«
»Kein Problem, Staff.«
»Die Frage lautet doch eher, wen immer er da isst«, murmelte Binti neben ihm.
»Du solltest deine Finger nachzählen«, schlug er vor. »Du bist so blöd, dass du gar nicht merken würdest, wenn dir einer fehlt.«
»Vielleicht solltest du gren sa talamec to.«
»Das reicht, Leute.«
Als die Föderation die di’Taykaner und die Krai in ein überwiegend menschlich geprägtes Militär aufgenommen hatte, hatten die Xenopsychologen der älteren Rassen mit allen möglichen Problemen gerechnet. Die meisten davon waren nicht eingetreten. Nach der Begegnung mit den Mictok und den H’san hatte keine der drei jüngeren Rassen – die alle aus zweibeinigen Säugern bestanden – größere Schwierigkeiten mit dem Aussehen der jeweils anderen gehabt. Kulturelle Unterschiede wurden in die bestehende militärische Kultur integriert, und die verbleibenden Probleme hatte man mit der äonenalten militärischen Tradition bewältigt, »Leck mich am Arsch« in der Sprache anderer Rassen sagen zu lernen. Die »Wir-gegen-sie«-Mentalität des Krieges brachte seltsame Bettgesellen hervor.
Torin war sich der Tatsache sehr bewusst, dass Lieutenant Jarret dicht neben ihr angeschnallt war und zuckte bei diesem letzten Gedanken innerlich zusammen. Sex mit einem di’Taykaner war zwar völlig normal ...
Sie fragte sich, ob diese Hintergedanken sie während ihrer gesamten Mission begleiten würden. Denn wenn ja, erscheint mir eine therapeutische Lobotomie langsam wie eine verdammt gute Idee.
»Wir sind über Shurlantec und haben Gesellschaft bekommen – sieht von hier nach Kurzstreckenjägern aus. Landung in siebzehn Minuten.«
Captain Daniels’ Ansage holte sie in die Gegenwart zurück. »Alle mal herhören, Leute, wir gehen ein letztes Mal den Positionierungsplan durch. Schwadron eins links unten an der Rampe, zwei rechts, drei links und rechts parallel davon. Wenn unsere Zivilisten aussteigen, folgt ihnen Schwadron drei, und eins und zwei flankieren die Gruppe zu beiden Seiten. Denkt daran, wir sind eine Ehrengarde, ich will also keine gezogenen Waffen sehen. Mir ist egal, ob die Silsviss euch in den Arsch beißen – es gibt keinerlei Reaktionen unsererseits. Wir sind hier, um Freunde zu gewinnen, und Freunde sprengen wir nicht in die Luft, jagen sie nicht hoch und machen keine Löcher in sie. Ist das klar? Ja, Checya?«
Der schwere Schütze sah sie mit jämmerlicher Miene an. »Ich fühle mich ohne mein Exoskelett nackt. Scheiße, ich bin noch nie ohne gelandet.« Die anderen acht schweren Schützen des Trupps nickten zustimmend. »Außerdem ist es kein schöner Gedanke, sich Checya nackt vorzustellen«, murmelte jemand.
»Ich verstehe das, aber unser Befehl lautet: nur Handfeuerwaffen.« Sie warf einen Seitenblick auf ihr eigenes KC-7 und unterdrückte ein Lächeln. Klein war relativ – das KC war eben abgesehen von Messern, Fäusten, Stiefeln, Zähnen und Hirn ihre kleinste Waffe. Von einem Marine erwartete man, dass er es überlebte, nackt im Feindesland abgesetzt zu werden, und diese Erwartung hatte schon den einen oder anderen am Leben gehalten. Wahrscheinlich hatte sie auch schon den ein oder anderen umgebracht, erkannte Torin, aber da die Anderen keine Gefangenen machten, kam es wirklich darauf an, sich nicht erwischen zu lassen.
Da denke ich doch lieber an Sex mit dem Lieutenant.
Ihr Implantat meldete sich, und sie drückte den zentralen Entriegelungsknopf für die Sicherheitsgurte. »Wir sind gelandet. Auf gehts.«
Im Schutz des anschließenden Lärms beugte sich Lieutenant Jarret zu ihr herüber und murmelte: «Ich stelle Ihre Entscheidung nicht infrage, Staff, aber warum diese komplizierte Choreografie? Warum lassen wir sie nicht einfach aussteigen und in Reihe und Glied antreten?«
»Aus zwei Gründen, Sir. Zum einen beeindruckt militärische Schlagkraft die Silsviss, also zeigen wir Ihnen, dass wir wild entschlossen sind, unsere Zivilisten zu verteidigen, auch wenn das nicht nötig sein wird. Zum anderen wird es hässlich werden, wenn wir diesen Haufen zu lange untätig herumstehen lassen. Ich sagte, du sollst vor der Landung schlucken, Ressk!« Sie seufzte. »Ich hatte General Morris darauf hingewiesen, dass wir eine Kampfeinheit sind.«
»Sie machen sich zu viele Sorgen, Staff. Das ist doch mal etwas anderes für sie.«
Die Frage war allerdings, ob der Trupp darauf scharf, etwas anderes zu erleben. Knochen brechen, Flaschen zerschlagen, Verhandlungen stören? Ja. Es genießen, in einer Paradeuniform herumzustehen, während Diplomaten Entscheidungen trafen, für deren Umsetzungen sie letztlich alle ihre Marsch würden riskieren müssen? Nein. Aber sie sagte nur: »Jawohl, Sir.«
Am Fuße der Rampe erstreckte sich die örtliche Version von Beton bis zum Horizont, wo sich eine Mauer aus augenscheinlich demselben Material erhob. Abgesehen davon, dass es keine Brandflecken und keine Einschusslöcher gab – hier hatten offenbar anlässlich ihres Eintreffens größere Instandsetzungsarbeiten stattgefunden –, hätte es sich um jedes beliebige Landefeld einer befreundeten Macht in der Föderation handeln können.
Abgesehen von den Riesenechsen, die sich von ein Uhr nähern, setzte Torin gedanklich hinzu. Sie waren noch zu weit weg, um Einzelheiten erkennen zu können, und sie wusste, warum es den schweren Schützen so Probleme bereitet hatte, ihre Exoskelette nicht zu tragen, denn sie vermisste ihren Helm wirklich. Mit seinem Scanner hätte sie die Streifen auf den einzelnen Schuppen zählen können. Ohne war sie nicht einmal sicher, ob die Neuankömmlinge Schuppen hatten, empfand allerdings die Krallen, die aus deren Füßen ragten, als unangenehm groß.
Sie schienen nicht viel an zu haben, doch angesichts der feuchten Hitze war das nicht besonders überraschend. Die Wärme würde die Krai glücklich machen und war für Menschen erträglich, aber sie würde dafür sorgen müssen, dass die di’Taykaner nicht dehydrierten.
Ein rascher Blick zu Lieutenant Jarret zeigte, dass er das Haar angelegt hatte und dass seine Nasenflügel bebten. »Wenn man einen Planeten trotz der Landeabgase riechen kann«, sagte er und stellte die Temperaturkontrollen an seinem Armreif so niedrig wie möglich, »weiß man, dass es übel werden wird.«
»Der Geruchssinn von Menschen ist wirklich bedauerlich wenig ausgeprägt, Sir.« Die di’Taykaner machten kein Geheimnis daraus, für wie nutzlos sie menschliche Nasen hielten.
Dann sah er sie an. »Niemand mag Klugscheißer, Staff.«
»Sehr wahr, Sir.«
Die Mictok betraten das Feld zuerst, dann die Rakva und dann, was niemanden überraschte, die Dornagain. Bis die Dornagain sich von der Rampe gewuchtet und die dritte Schwadron die Nachhut gebildet hatte, hatte das Empfangskomitee der Silsviss zwischen zwei bunten Bannern und einer Formation eigener Soldaten Aufstellung genommen. Es waren genauso viele wie die Marines, und sie standen exakt gleich verteilt.
Die wussten, wie viele wir sind ... Einen schmerzhaften Stich im Herzen später fiel ihr wieder ein, dass das dieses Mal kein Problem darstellte.
Ganz am Rand neben den Soldaten zeichnete eine kleine Gruppe, bei der es sich wohl um Reporter handeln musste, den Augenblick für die Nachwelt auf. Ihre technischen Geräte mochten unvertraut wirken, aber was sie taten, war nicht zu verkennen.
Obgleich Torin sich vergewissert hatte, dass ihr Übersetzungsprogramm richtig funktionierte, achtete sie nicht besonders auf die Begrüßung. Auf dem Landefeld wird man sowieso nichts von Belang erörtern, also nutzte sie die Zeit, um ihre potenziellen Verbündeten einzuschätzen, nachdem sie Ressks Blick aufgefangen und ihn angefunkelt hatte, bis er seine Zähne wieder mit der Oberlippe bedeckte.
Die Dornagain waren nach wie vor deutlich die größte anwesende Spezies. Die soeben eingetroffenen Silsviss waren alle etwa so groß wie ein hochgewachsener Mensch oder ein durchschnittlicher di’Taykaner, doch Torin hatte keine Ahnung, ob diese Gruppe für die gesamte Rasse repräsentativ war. Vielleicht gingen kleine Silsviss nicht zur Armee oder in den öffentlichen Dienst. Es sah jedoch so aus, als gingen größere Silsviss zur Armee, denn nur ein oder zwei der Zivilisten waren so groß wie die Soldaten. Sie hatten durch die Bank kurze Schnauzen, etwas länger als die der Krai, und dicke Hälse mit nicht besonders ausgeprägten Rückenkämmen. Wie bei den beiden anderen Reptilienspezies in der Föderation zuckten ihre Zungen beim Sprechen heftig zwischen beeindruckenden Zahnreihen hin und her.
Die Anwesenden waren graugrün gefleckt – wobei ihre Körpervorderseite etwas monochromer zu sein schien –, aber Torin ging davon aus, dass geographische Variationen in der Farbgebung existierten. Vor dem Treffen mit »allen Silsvah« würden sie noch vier weitere Zwischenstopps an anderen Orten machen, und wenn die Silsviss nicht wirklich einzigartig in der Galaxis waren, würden sie einige dieser Variationen zu sehen bekommen.
Ihre Schwänze hatten etwa denselben Durchmesser wie ihre Unterarme, waren am Ansatz nicht viel dicker als an der Spitze und bewegten sich ständig. Einige der Zivilisten trugen glänzende Metallbänder daran, und es war zwar auf die Entfernung schwer zu erkennen, doch es sah aus, als trügen die Soldaten mattere Bänder, die weniger dem Schmuck als vielmehr der besseren Verwendbarkeit ihrer Schwänze als Waffen dienten.
Sie kämpfen also mit zwei Händen und dem Schwanz. Gut, dass sie auf unserer Seite stehen werden. Eine der Dienerrassen der Anderen war geschwänzt gewesen, und es war ein komplettes Umdenken erforderlich gewesen, als ein Versuch, so viele wie möglich von der Forschungsstation zu retten, in Nahkämpfen geendet hatte. Nachdem ein halbes Dutzend Marines aufgrund von Schwanzschlägen, die wie Kopftreffer mit einem Gummiknüppel gewesen waren, zu Boden gegangen waren, hatten sie gelernt, sich nicht zu entspannen, wenn der Gegner beide Hände hob, um sich zu ergeben.
Die Silsviss hatten ähnliche Schwänze. Ähnlich verstärkte Schwänze.
Sie hatten runde, weit auseinanderliegende Augen, die ebenso tiefschwarz zu sein schienen wie die der Mictok, wobei die Silsviss nur über die üblichen zwei verfügten. Noch hatte die Evolutionsbiologie keinen guten Grund dafür formuliert, doch die Entwicklung empfindungsfähiger Lebensformen schien häufig mit Doppelstrukturen einherzugehen. Ihre Hände waren langfingrig, und sie hatten zwar offenbar so etwas wie Daumen, doch Torin war zu weit weg, um Einzelheiten zu erkennen.
Sie konnte keine Geschlechtsmerkmale erkennen und wusste daher nicht, ob die wenige Kleidung nur zu Schmuckzwecken diente oder geschlechtsspezifisch war. Nicht einmal die Soldaten trugen viel, obgleich ihre Harnische und die beeindruckende Anzahl an Waffen natürlich so etwas wie eine Uniform bildeten. In Anbetracht der Hitze und der Luftfeuchtigkeit, die dazu führte, dass man fast das Gefühl hatte, Suppe zu atmen, schien wenig Kleidung eine gute Entscheidung zu sein. Die nackte Haut ihres Gesichts und ihrer Hände war bereits schweißbedeckt.
Sie hatte zu ihrer internen Merkliste gerade hinzugesetzt »Die Sergeants die Menschen in ihren Schwadron daran erinnern lassen, ihre Waffen fest in der Hand zu halten«, als ihr General Morris’ Worte wieder einfielen: »Sie werden neue Welten kennenlernen, neuen Lebensformen begegnen und ausnahmsweise mal nicht auf sie schießen.«
Ihr wurde klar, dass sich das vollkommen falsch anfühlte. Ich muss wirklich mal für eine Weile einen weiten Bogen um jegliche Form von Kampf machen.
» ...marschieren, damit ihre Leute einige der vielen Lebensssformen bewundern können, die die Galaxisss zu bieten hat.«
Marschieren? Ihr Blick fiel wieder auf den Dornagain, und sie fragte sich, ob es wohl eine diplomatische Formulierung für »Sie sind ja wohl nicht ganz bei Trost« gab.
Offenbar ja, und man schaffte Transportmittel heran.
Torins Übersetzer bestand darauf, die drei Fahrzeuge als Pritschenwagen zu bezeichnen, auch wenn sie solche Pritschenwagen noch nie gesehen hatte. Sie sahen ein bisschen aus wie eine Kreuzung aus den Schlitten, die sie zum Transport schwerer Geschütze nutzten, und den landwirtschaftlichen Maschinen, die sie auf ihrer Heimatswelt zurückgelassen hatte: funktional, aber alles andere als bequem. Offenbar erwartete man, dass beide militärische Eskorten zu Fuß gehen.
»Ich finde, die di’Taykaner sollten als Ehrengarde für unsere Diplomaten fahren, Sir. Die – und damit auch Sie – kommen mit dieser Hitze nicht gut klar«, setzte sie hinzu, als sich das Haar des Lieutenants fragend aufrichtete. »Wir müssen es ja nicht unbequemer als nötig haben.«
»Glauben Sie nicht, dass die Silsviss etwas dagegen haben werden?«
»Ich glaube, die Silsviss werden davon ausgehen, dass wir an einem unbekannten Ort Vorsicht walten lassen und die gleiche Zahl ihrer Leute an Bord der Fahrzeuge positionieren.«
Da die Dornagain überraschend schnell einstiegen, blieb ihnen keine Zeit für Diskussionen.
»Gut und schön, aber ich werde mit dem Rest des Zuges zu Fuß gehen.«
Sie wollte zunächst widersprechen, doch dann nickte sie. Ein höherer Rang brachte Verantwortung und Privilegien gleichermaßen mit sich. Außerdem würden die Silsviss nicht den Schluss ziehen, dass die anderen di’Taykaner fuhren, weil sie nicht laufen konnten, solange er zu Fuß ging. Davon wäre sie bei einer Begegnung unter umgekehrten Vorzeichen ausgegangen, aber wenn Lieutenant Jarret zu Fuß ging, würde man das Ganze als seltsames Ritual von Fremdweltlern abtun. Wenn sie vorhaben, sich der Föderation anzuschließen, sollten sich die Silsviss daran am besten schnell gewöhnen ... Sie unterdrückte bei der Erinnerung an ihre erste Anwesenheit bei einem Festmahl der Krai ein Schaudern. Damals hatte sie den Drang verspürt, die Vorspeisen zu befreien, ehe sie den Tisch erreichten.
Während des komplexen diplomatischen Manövers des Besteigen der Fahrzeuge – während also sowohl die Offiziellen der Silsviss als auch die Delegierten der Föderation sich mit der Frage beschäftigten, mit welchen Aliens sie wohl am besten zusammen fuhren, um ihre politischen Interessen voranzubringen – sorgte sie dafür, dass alle di’Taykaner ihre Temperaturkontrollen auf Minimum geschaltet hatten. Die Silsviss schickten tatsächlich genauso viele Wachen in die Fahrzeuge wie die Föderation, und Torin tauschte mit dem Soldaten, der dafür verantwortlich war, einen anerkennenden Blick aus. Höhere Uffzs empfanden eine Verbindung zueinander, die über Rassenzugehörigkeiten erhaben war und erkannten in jeder Form von Gesicht die Miene, die besagte: »Wessen großartige Idee war das denn jetzt wieder?«.
Lieutenant Jarret und der Silsviss-Offizier standen leicht abseits nebeneinander und tauschten höchstwahrscheinlich Höflichkeiten aus, zwei Offiziere, die sich gegenseitig versicherten, dass all dieses Getue weit unter ihrer Würde war. Die beiden waren gleich groß, und die Körpersprache des di’Taykaners schien auszudrücken, dass ihre Rangordnung noch ungeklärt war. Dasselbe schien für die Körpersprache des Silsviss zu gelten, aber Torin hatte schon lange gelernt, keine Schlüsse von einer Rasse auf eine andere zu ziehen.
Als sie sich ihnen näherte, wobei ihre mit Stahl verstärkten Stiefelabsätze energisch auf dem Landefeld knallten, sah sie ihr reptilisches Pendant einen parallelen Kurs einschlagen. Beiden war völlig klar, was der jeweils andere vorhatte, und sie waren nicht gezwungen, aufgrund einer Rangordnung freundlich zueinander zu sein, also ignorierten sie einander.
Torin blieb eine Körperlänge hinter den Offizieren stehen und hörte den Silsviss gerade noch sagen: » ...keine Angssst vor der Menge. Die Bürger in und um Shurlantec sssind sssehr für unssseren Beitritt zur Föderation.«
Torin fragte sich, ob das bedeutete, dass die Bewohner anderer Gebiete das anders sahen. Als sich der Lieutenant ihr zuwandte, nahm sie Haltung an.
»Der Zug ist in Position, Sir.«
»Danke, Staff Sergeant.«
»Ret Assslar.« Der Silsviss-Uffz NCO knallte das Metallband an seiner Schwanzspitze hart aufs Pflaster. »Unsssere Truppen sssind ebenfallsss in Position.«
Das Übersetzungsprogrammen ließ Namen und Titel stehen, übertrug aber alles andere in die Terminologie der Föderation. Torin wusste nicht, warum es beschlossen hatte, die langgezogenen Zischlaute zu übernehmen, doch sie vermutete, dass ihr das ganze Gezische ziemlich bald auf die Nerven gehen würde.
Ret Aslar nahm die Information zur Kenntnis und wandte sich dann wieder an Lieutenant Jarret. »Wir werden zweifellosss in der Botschaft Gelegenheit haben, weiter miteinander zu sprechen, Lieutenant.« Sein Schwanz traf das Pflaster genauso hart wie zuvor der seines Uffzs. »Bisss dann.«
***
»Er war definitiv schon früher diplomatisch tätig«, murmelte Jarret, als sie auf ihre Position zugingen.
»Er, Sir?«
»Ret Aslar. So gut in Smalltalk wird man nur in einem Raum voller Fremder, die angewiesen sind, höflich zu sein.«
»Woher wissen Sie, dass er männlich war, Sir?«
»Geruchssinn. Die großen sind männlich. Genau wie alle Soldaten.«
Nur ein di’Taykaner konnte das Geschlecht einer Spezies riechen, die nicht einmal demselben Phylum angehörte. Torin machte sich eine geistige Notiz, Haysole im Auge zu behalten, der entschlossen schien, der typischste di’Taykaner der Mission zu sein.
»Eindrücke meines First Sergeants, Staff?«
Sie brauchte einen Augenblick, um zu begreifen, dass er sich auf die Silsviss bezog. »Sie sehen aus, als hätten sie sich ihren Platz an der Spitze der Nahrungskette erkämpft und hätten nicht vor, ihn in absehbarer Zeit wieder zu verlieren.«
Lieutenant Jarret warf ihr einen verwirrten Blick zu. »Ihren was?«
»Ihren Platz an der Spitze der Nahrungskette.«
»Das würde die Föderation niemals verlangen.«
»Wann waren Sie das letzte Mal ohne Dämpfer unterwegs?« Als er den Mund öffnete, um zu antworten, setzte sie hinzu: »In einem Bereich, der nicht unter Kontrolle der di’Taykaner stand. Letztlich, Sir, ist die Föderation ein einziger großer Kompromiss, und ich habe nicht den Eindruck, als seien die Silsviss begnadete Teamplayer.«
»All diese Eindrücke haben Sie gewonnen ...« Irgendwie gelang es ihm, mit einem Nicken sowohl die Beamten als auch die Soldaten einzuschließen. » ...indem Sie diesem Haufen eine Stunde lang beim Herumstehen zugeschaut haben?«
»Jawohl, Sir.«
Seine Augen blitzten auf, als er auf sie herabsah. »Staff Sergeants haben also wirklich Superkräfte?«
Torin hatte gerade erklären wollen, dass Überlebende aus Erfahrung wussten, wie eine Spezies aussah, die vermutlich zuerst schoss und dann nicht fragte, sondern noch ein zweites und ein drittes Mal schoss, beschloss aber, lieber seine Frage zu beantworten und reagierte auf sein mokantes Lächeln mit einem möglichst neutralen Gesichtsausdruck.
»Jawohl, Sir.«
***
Außerhalb der hohen Mauern des Landefeldes machten hohe, farnartige Bäume es nicht nur unmöglich, weiter als ein paar Meter jenseits der Straße zu schauen, sondern erklärten auch, warum die Stadt aus dem Weltraum so schwer zu erkennen gewesen war. Torin hoffte nur, dass die Verteidigungssatelliten so gut waren, wie die Techniker annahmen, denn wenn die Anderen einen Durchbruch schaffen und versuchen sollten, die Silsviss zu versklaven, würde der Versuch, diesen überwucherten Planeten zurückzuerobern, ganz schön hässlich werden.
Nicht, dass es besonders leicht wäre, die Silsviss zu versklaven, gestand sie sich ein, während sie dem leisen, rhythmischen Klacken ihrer Krallen auf dem Pflaster lauschte.
Nach wenigen Schritten verflog allmählich der Geruch des von der Landung verbrannten Betons, und Torin roch Silsvah zum ersten Mal wirklich. Der Geruch erinnerte sie an heiße Sommernachmittage, an denen sie den Komposthaufen umgegraben hatte, an anaerobe Bakterien und ans Schrubben algenüberwucherter Wassertröge. Einer der vielen Gründe, warum sie den Hof ihrer Familie verlassen hatte.
Die Menge, die die Straßen säumte, zischte und deutete auf sie, und gelegentlich brachen kleine Grüppchen in schrilles, heulendes Geschrei aus. Es klang nicht freundlich, aber Torin war bereit einzugestehen, dass Ret Aslar seine Artgenossen besser kannte als sie – H’san, die die Heimmannschaft bei einem Spiel anfeuerten, klangen, als würden sie bei lebendigem Leibe gehäutet. Obgleich ein Teil des Trupps ein wenig nervös wirkte, als sie endlich am Rand eines großen Platzes Halt machten, nahmen ihre Leute ohne Zwischenfälle Formation ein.
Torin positionierte sich noch hinter den drei Sergeants, registrierte angespannte Schultern und angelegtes Haar und hoffte, dass was auch immer jetzt passieren würde nicht lange dauern würde.
Sie standen vor einem riesigen Säulengebäude, zu dem vom Platz aus eine Treppe hochführte, die breit genug für eine Graduierungszeremonie gewesen wäre. Die beiden Diplomatengruppen befanden sich zwischen ihren militärischen Eskorten und den Treppen. Medienvertreter füllten den äußeren Rand der ersten beiden Abschnitte, und ganz oben standen die Silsviss, die zu ranghoch waren, als dass sie sich die Mühe gemacht hätten, sich zum Landefeld zu begeben. Der Größe nach zu urteilen ein männlicher und drei weibliche oder ein großer und drei kleinere männliche Silsviss – oder ein großer und zwei kleinere männliche sowie eine weibliche Silsviss oder ein großer männlicher, zwei weibliche und ein kleinerer männlicher oder ... Diese Spezies könnte tatsächlich ein bisschen Rosa und Blau vertragen. Ihr Geschlecht war Torin eigentlich egal, sie hätte es nur gerne gewusst. Sie trugen Roben – die ersten, die sie auf dem Planeten sah – aus einem blassen, durchscheinenden Stoff, deren Sonnenlicht glitzerte, und alle vier strahlten eine fast greifbare Arroganz aus.
Mindestens die Hälfte der Medienvertreter schienen ihre Aufzeichnungsgeräte nach oben zu halten, und alle warteten offenbar darauf, dass etwas geschah.
Der große Mann am oberen Ende der Treppe trat vor, blähte einen grell gelben Kehlsack auf – und brüllte.
Scheiße! Torin hörte nichts mehr, so sehr klopfte ihr Herz, doch sie sah, wie mindestens drei Waffen in Anschlag gebracht wurden, und ihre eigenen Muskeln wollten instinktiv auf dieselbe Weise reagieren. Lieutenant Jarret trat vor und bewahrte sie damit davor. Stattdessen nahm sie den Platz ein, an dem er gerade noch gestanden hatte, dankbar für die Gelegenheit, sich zu bewegen. Das zumindest war in der Einsatzbesprechung geplant worden.
»Während der Zeremonie wird man uns irgendwann nach unseren Erfolgen in der Schlacht fragen.« Lieutenant Jarret hatte seine Sergeants ernst angeschaut, während er die wenigen bekannten Details des Tagesablaufs verkündete. »Staff Sergeant Kerr wird dann den Zug übernehmen, während ich antworte.«
Falls sich herausstellen würde, dass der Lieutenant gewusst hatte, wie diese Frage aussehen würde und es ihr vorenthalten hatte, würde ihm Torin so heftig in seinen aristokratischen Hintern treten, dass er zurück zur Ventris-Station flog, wo er den Kurs noch mal belegen konnte, wie man seine Uffzs auf dem Laufenden hielt.
Er betrat die erste Stufe, hob den Kopf und begann. »Wir gehören zur Sh’quo-Kompanie ...«
Ihm war eindeutig klar, dass er lautstärkemäßig nicht mithalten konnte, also modulierte er seine Stimme sorgfältig und begegnete der hitzigen Herausforderung des Silsviss mit eisiger Kälte. Während er die Geschichte der Kompanie beschrieb, lautete der Subtext eindeutig: Wir müssen dir gar nichts beweisen. Torin war beeindruckt. Sie spürte, wie die Stimmung des Zugs hinter ihr kippte, bis die Silsviss am Ende seiner Ausführungen so wenig in Gefahr waren wie noch nie seit der Landung der Marines.
Dann machte er auf dem Absatz kehrt und schritt zu seinem Zug zurück.
In diesem Augenblick war es seiner.
Schade, dass das nicht so bleiben wird, dachte Torin und nahm ihre ursprüngliche Position wieder ein.
Der Rest der Zeremonie verlief konventioneller. Zwei der drei hochrangigen Frauen – oder kleineren Männer – hielten Begrüßungsansprachen, die beiden Botschafter erwiderten sie, und schließlich verkündete der dritte kleinere Silsviss oben an der Treppe, man überließe den Besuchern für die Dauer ihres Aufenthalts in Shurlantec einen ganzen Flügel des Cirsarvas.
Dann drängten die Medienvertreter heran, um ein letztes Bild von ihren politischen Führern zu machen, die neben Außerirdischen standen.
***
»Das war doch gar nicht so schlimm«, grunzte Ressk, streifte die Stiefel ab und bewegte seine Zehen.
»Das sagst du.« Mysho zog ihre Uniformjacke aus und warf sie über einen Hocker. »Ich komme mir vor wie abgekocht.«
»Ich muss auch nur noch abgeschmeckt und serviert werden«, ächzte ein anderer di’Taykaner.
Nur noch mit seinem Dämpfer bekleidet, der an einer Schlaufe um seinen Hals hing, ließ sich Haysole auf ein Bett fallen. »Seht es doch mal positiv, diese Matratzen sind breit genug für zwei.«
»Spezies mit Schwänzen brauchen mehr Platz«, sagte Corporal Hollice, der aus dem Gang eintrat. »Ihr solltet mal die Latrine sehen. Da geht es nicht nur um den Schwanz«, fuhr er fort und ging aus dem Weg, damit die Neugierigen einen Blick darauf werfen konnten, »sie stellen sich auf die Zehenspitzen und strecken die Beine durch wie die Dornagain.«
»Du und Kleers, ihr werdet einen verdammten Schemel brauchen«, kicherte Juan Ressk an, als er zurückkam. »Gut, dass es hier so viele davon gibt.«
»Schwänze«, wiederholte Hollice und massierte dabei geistesabwesend Myshos Schulter. »Mit einem Schwanz kann man nicht auf einem Stuhl mit Rückenlehne sitzen.«
»Na schön, Corporal Alleswisser, wie erklärst du dir dann, dass die Duschen ganz genauso aussehen wie die blöden Dinger an Bord?«
»Sie sind unbenutzt. Ich würde sagen, jemand hat die Maße runter geschickt, und die Silsviss haben sie extra für uns gebaut.«
»Die müssen gerochen haben, dass du kommst, Juan.« Grinsend wich Mysho dem Schlag des schweren Schützen aus und flüchtete sich in Bintis Arme.
Die andere Frau holte tief Luft und legte dann langsam einen stützenden Arm um die Taille der di’Taykaner. »Ich glaube, du musst deinen Dämpfer hochdrehen«, murmelte sie und vergrub ihr Gesicht in den wogenden bleichen Haarsträhnen.
»Ich fürchte, ich brauche leider eine kalte Dusche.« Seufzend löste sich Mysho von ihr. »Das liegt an der Hitze, ich muss meine Körpertemperatur senken, sonst gebe ich ununterbrochen zu viele Pheromone ab.«
Binti schnaubte und schlug Haysole auf den nackten Oberschenkel. »Wie kommt es dann, dass dieser Pheromonbursche hier nicht verführerischer ist als sonst?«, fragte sie, seinen Protest ignorierend.
»Keine Ahnung – vielleicht komme ich weiter aus dem Norden, vielleicht hat der Rekrutierungssergeant sich sein Psychoprofil angesehen und ihm einen extrastarken Dämpfer verpasst oder vielleicht ...« Ihr Tonfall wurde deutlich trockener. » ...liegt es daran, dass nicht alle Angehörigen derselben Spezies gleich auf Hitze reagieren.«
»Oder vielleicht«, fuhr Juan fort, ehe jemand anders antworten konnte, »sind deine Klimakontrollen am Arsch.« Er streckte die Hand aus. »Lass mich mal deine Uniformjacke anschauen, während du duschst.«
»Wir sind im Dienst.«
»Dann hol dir die Erlaubnis vom Sergeant – aber in Hemdsärmeln, damit ich mir deine Uniformjacke anschauen kann. Sie hilft dir sowieso nicht, und die Vorschriften sagen, wenn wir nicht auf einer Militärparade sind oder Wachdienst haben, müssen wir die Uniformjacke nicht tragen. Was denn?«, setzte er hinzu, als alle, die in Hörweite waren, sich zu ihm umdrehten und ihn anstarrten. »Lest ihr nie auf dem Klo?«
***
»Na toll, wenn die Klimakontrollen ausfallen ...«
»Wird es ihr mies gehen, aber sie wird es überleben.« Die Hände in die Hüften gestützt drehte sich Trey mitten in dem den Uffzs zugewiesenen kleinen Raum langsam im Kreis. »Ich werde einfach nicht fertig damit, wie leise es hier drin ist.«
»Altes Gebäude, dicke Wände«, erklärte ihr Torin kurz angebunden. »Alle Stromverbindungen sind auf Putz verlegt, das Ding ist also wahrscheinlich mindestens hundert Jahre alt. Ich hatte mir weniger Sorgen wegen Mysho als wegen der Auswirkungen auf den Rest des Zugs gemacht.«
»Dem wird es im Dienst mies gehen, und nach dem Dienst im Bett auch, aber auch sie werden es überleben. Haysole wird daraus wahrscheinlich die Erlaubnis ableiten, bei jeder sich bietenden Gelegenheit seinen Dämpfer auszuschalten, aber ansonsten sehe ich keine größeren Probleme.« Sie kniff die fuchsiafarbenen Augen zusammen. »Sonst machst du dir doch auch nicht so viele Sorgen über die di’Taykaner. Hat das etwas mit dem Lieutenant zu tun?«
»Inwiefern?«, erkundigte sich Torin und fragte sich, ob die heiße Nacht mit ihm sich jetzt rächen würde.
»Naja, vielleicht möchtest du ja der befehlshabenden Spezies ein bisschen in den Arsch kriechen ...«
Torin hoffte, dass man ihr die Erleichterung nicht ansah, als sie die Brauen hob. »Befehlshabend?«, wiederholte sie betont.
Trey grinste. »Guter Punkt. Jedenfalls würde ich mir wegen eines überhitzten Dampfers keine allzu großen Sorgen machen. Verglichen mit dem, womit wir es normalerweise acht Stunden nach der Landung zu tun haben, ist das ein Fliegenschiss.«
Torin grunzte zustimmend und ließ sich auf einen Hocker fallen, wobei sie sich gerade noch rechtzeitig an der Tischkante festhielt, um nicht rückwärts umzufallen. Stühle ohne Lehnen, Schreibtische ohne Hirn und ein klebriges Klima – lauter Unannehmlichkeiten, die man unter Beschuss leicht ignorieren konnte, aber unter den gegebenen Umständen ... »Ist es also ein Zeichen lauter Absichten, dass diese ›Botschaft‹ praktisch nicht zu verteidigen ist, oder hat man uns bewusst die schwächere Position zugewiesen?«
»Oder bist du vielleicht nur völlig paranoid?«
»Ich mache nur meinen Job.«
»He, Torin.« Eine Hand an die über und über mit überbordenden Schnitzereien verzierte Tür gelegt, beugte sich Mike Glicksohn ins Zimmer. »Der Schlitten ist endlich eingetroffen.«
»Wurde auch Zeit. Halt die Stellung«, warf sie Trey über die Schulter zu und betrat den Gang. »Ich gehe mir mein Tablet holen. Du«, wies sie Glicksohn im Vorübergehen an, »stellst ein Team zusammen und lädst alles ab, ehe uns die Silsviss ihre Hilfe anbieten.«
Die beiden Sergeants warfen einander einen vielsagenden Blick zu, während Torins Schritte draußen im Hof verhallten.
»Ist sie völlig paranoid?«, fragte Glicksohn nach einer Weile.
Trey zuckte die Achseln. »Offenbar ist das ihr Job.«
***
»He, ist jemandem von euch aufgefallen, wie einige der Silsviss-Soldaten diese Kehlsackdinger aufgebläht haben, als dieser große Typ auf der Treppe gebrüllt hat?«
»Mir nicht.« Ressk legte die Füße um die Querstange am unteren Ende seines Bettes und knackte mit den Zehengelenken. »Ich war zu sehr mit dem Versuch beschäftigt, die Feuchtigkeitssensoren in meiner Uniform nicht zu überfordern.«
Stirnrunzelnd hob Juan den Blick von dem Sensorarray in der Ellbogenbeuge von Myshos Uniformjacke. »Was zur Hölle soll das denn heißen?«
»Es bedeutet, er hat versucht, nicht vor Angst in die Hose zu pinkeln«, erklärte Binti von ihrem Bett aus. »Ich war bloß froh, dass mein Hirn wieder angefangen hat zu arbeiten, bevor ich abdrücken konnte.« Sie hob die Hand und streichelte den Kolben ihres KC. »Und da fragen sich Zivilisten, warum wir keine Smartwaffen verwenden. Aber Mama hat ihre Kleine sehr gern so dicht bei sich.«
Jedes Bett war mit einem Waffenständer versehen. Oder mit etwas, das aussah wie einer. Der Zug hatte individuell und kollektiv beschlossen, sich keinen Deut darum zu scheren, wofür die Silsviss das Gestell verwendeten.
Plötzliche Jubelrufe aus Richtung des Würfelspiels, das in der hinteren Ecke stattfand, erregte jedermanns Aufmerksamkeit.
Corporal Hollice zog den Kopf ein, um zwischen den Betten hindurch in Richtung der Spieler schauen zu können. »He, Drake, hast du die Fünfzig schon zurückgewonnen, die du mir schuldest?«
»Träum weiter!«
»Dann seid mal ein bisschen leiser, bevor noch einer der Sergeants auftaucht.«
Ein Mensch, der neben dem Spieltisch kauerte und dessen Haut nur etwas heller war als die Bintis, erhob sich und zeigte dem Corporal grinsend den Stinkefinger. »Schulde ich dir den nicht auch noch?« Dann erstarrte er. »Vielleicht auch nicht.«
Die Marines, die näher an der Tür standen, drehten sich um, um zu sehen, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte.
Sergeant Glicksohn lächelte. »Sie machen doch da hinten keine Glücksspiele, oder, Drake?«
»Äh, nein, Sarge.«
»Das höre ich gern. Raus jetzt. Der Schlitten ist gelandet und muss entladen werden.« Sein Lächeln wurde breiter. »Bringen Sie Ihre Freunde mit – und wenn Sie ...« Er deutete mit dem Finger auf Haysole. » ...nicht in drei Minuten Ihre Uniform wieder anhaben und auf dem Weg zum Schlitten sind, komme ich rüber und trete Ihnen in den nackten Arsch. Sie sind nicht außer Dienst, wir haben lediglich keine Gefechtsbereitschaft.«
»Aber es ist heiß, Sarge.«
»Ja und?«
»Die Silsviss tragen auch keine Kleidung.«
»Lassen Sie sich einen Schwanz wachsen, dann können wir darüber reden.« Als die Würfelspieler an ihm vorbeimarschierten, runzelte er nachdenklich die Stirn. »Es erscheint mir zweckdienlich, wenn Sie drei ...« Sein Stirnrunzeln galt Hollice, Juan und Ressk. » ...sich dem Team ebenfalls anschließen.«
»Ach, Sarge, ich bin noch mit Myshos Scheißuniformjacke beschäftigt.«
»Was stimmt denn nicht damit?«
»Das Kühlsystem ist im Arsch. Ihre Körpertemperatur steigt in Regionen, die ihr Dämpfer nicht in den Griff kriegt.«
»Das fehlt uns gerade noch. Na schön, Mashona, Sie gehen an seiner Stelle.«
Binti sprang aus dem Bett und murmelte so leise etwas vor sich hin, dass der Sergeant es gerade ignorieren konnte.
»Was laden wir denn ab, Sarge?«, fragte Ressk, während er seine Stiefel wieder anzog.
»Persönliche Gegenstände und Proviant«, antwortete ihm Glicksohn. »Nicht, dass das wichtig wäre, Sie würden es auf jeden Fall abladen.«
»Haben Sie schon herausgefunden, was die Silsviss trinken, wenn Sie Spaß haben wollen, Sarge?«, erkundigte sich Ressk, als sie Seite an Seite die Treppe zum Hof hinaufgingen.
»Bier. Die hiesige Brauerei beliefert die Armee mit ihren Erzeugnissen. Es gibt ein hellgrünes und ein dunkelgrünes.«
»Grün?«
Glicksohn grinste. »Vielleicht sind es Iren.«
»Iren?«
»Vergessen Sie es. Der Alkoholgehalt ist für unsere Begriffe niedrig, und da es keine für uns schädlichen Inhaltsstoffe hat, werden wir die Silsviss unter den Tisch trinken können, sobald wir uns an den Geschmack gewöhnt haben. Die Offiziere und die hochrangigen Zivilisten werden einen Fruchtbrand trinken, der stärker ist, aber riecht wie Socken nach einem Monat in Kampfstiefeln und sowohl bei Menschen als auch bei di’Taykanern Giftstoffe freisetzt. Ihnen als Krai wird er wie üblich nichts ausmachen.«
Hollice und Binti, die dicht hinter den beiden waren, warfen einander einen fragenden Blick zu.
»Wir sind erst ein paar Stunden hier und haben fast die ganze Zeit Zinnsoldaten gespielt. Wie konnte der Sergeant das alles so schnell herausfinden?«
Hollice zuckte die Achseln. »Es ist eine Gabe. Hoffen wir nur, dass er sie nie für das Böse einsetzt.«
»Ich habe die Hälfte der Zeit keine Ahnung, von was du eigentlich redest«, murmelte Binti kopfschüttelnd.
***
Die Tür war offen, doch der Lieutenant war nicht allein. Torin überquerte leise den breiten Gang – was die stahlverstärkten Absätze ihrer Paradestiefel nicht gerade erleichterten – und blieb unter der Tür stehen. Aufgrund seines Ranges hatte man Lieutenant Jarret zwei nebeneinanderliegende Zimmer im oberen Stockwerk zugewiesen. Von den sechs verfügbaren hatte er sich zwei ausgesucht, die direkt am zentralen Treppenhaus lagen, und Torin musste zugeben, dass ihr die Symbolik gefiel. Feinde der Föderation würden erst einmal an ihm vorbeimüssen, um an die Zivilisten heranzukommen.
Etwas weniger gefiel ihr die Symbolik der Tatsachen, dass sich der Arzt und die Sanitäter direkt gegenüber eingerichtet hatten.
Das Zimmer, das der Lieutenant als Hauptquartier zu nutzen beschlossen hatte, war groß, in mattem Dunkelgrün gestrichen und weitgehend leer. Er enthielt das, was auf Silsvah als Schreibtisch durchging, einen langen, niedrigen Tisch an einer Wand, eine Reihe von unterschiedlich hohen Hockern, den Lieutenant und einen männlichen Silsviss. Zumindest vermutete Torin, dass es sich um ein männliches Exemplar handelte. Es war schwer, die Geschlechter ohne Größenvergleich und geblähte Kehlsäcke auseinanderzuhalten.
Er stand mit dem Rücken zu ihr vor dem Schreibtisch des Lieutenants. Zwei parallele Narben verliefen über seine dunkelgraue rechte Hüfte, eine weitere verunzierte seine rechte Schulter.
Linkshänder, dachte Torin. Schwächere rechte Hand.
An seiner Schwanzspitze trug er drei schmale Metallringe in gleichen Abständen, dazu einen militärischen Harnisch, an dem etwa halb so viele Waffen hingen wie an denen der Soldaten, die sie auf dem Landefeld empfangen hatten.
»Natürlich haben wir nicht die Absssicht, diesss zu Ihrer ständigen Vertretung zu machen, sollten wir beschließen, unsss Ihrer Föderation anzuschließen.« Auch seine Stimme zischte zwar unangenehm, doch sie war tief, und zumindest in der Übersetzung sprach er mit einem Selbstvertrauen, das Torin ziemlich beeindruckte.
Sie räusperte sich.
Der Silsviss reagierte einen Sekundenbruchteil vor dem Lieutenant, wartete aber, bis sein Gastgeber den Blick gehoben hatte, ehe er sich umwandte.
Pensionierter Offizier, vermutete sie. Einer von den Guten. Sie begegnete dem Blick des Lieutenants und sagte: »Verzeihung, Sir, aber Sie wollten den Dienstplan mit mir durchgehen.«
Lieutenant Jarret hatte eindeutig vergessen, dass er ihr diesen Befehl gegeben hatte, fing sich aber schnell und winkte sie herein. »Ja, natürlich. Staff, ich möchte Ihnen Cri Sawyes vorstellen, unseren Silsviss-Verbindungsoffizier. Cri Sawyes, Staff Sergeant Kerr.«
»Ah, ja, Ihr Rissstak.« Der ausdruckslose Blick seiner schwarzen Augen schätzte sie ab, ordnete sie ein. Dann stieß Cri Sawyes einen leisen Pfiff aus – eine weniger schallende Version des Geräuschs, das die Menge von sich gab, woraus Torin schloss, dass sie Gnade vor seinen Augen gefunden hatte – und wandte sich wieder an den Lieutenant. »Wir haben ein Sprichwort, das besssagt, ein guter Rissstak sssei ebenssso viel wert wie ein Geländevorteil und zahlenmäßige Überlegenheit.«
»Wir haben ein ganz ähnliches Sprichwort.«
»Sssoldaten sssind nun mal Sssoldaten, ungeachtet der Ssspeziesss.« Cri Sawyes klopfte leicht mit dem Schwanz auf den Boden und ging zur Tür. »Ich werde Ssie beide jetzt Ihren Pflichten überlasssen. Wenn Ssie mich brauchen ...«, er deutete auf die kleine, hellgrüne Box auf dem Tisch, » ...müsssen Ssie nur anrufen. Esss war mir eine Freude, Ssstaff Sssergeant.«
»Sir.« Torin wartete, bis das Klacken seiner Klauen verklungen war, dann beugte sie sich über den Schreibtisch. »Was ist das?«
»Ein Kommunikationsgerät.« Lieutenant Jarret musterte nachdenklich die Schlitze in der Box. »Es ist auf Klauen ausgelegt, aber ich schätze, ich kann es mit einem Eingabestift bedienen.« Er streckte die Hand nach ihrem Tablet aus. Seine warmen Finger streiften ihre – ein rascher Blick auf seine Manschette verriet ihr, dass seine Klimakontrollen noch immer auf Minimum standen. Das musste ihm unangenehm sein, aber er ließ es sich nicht anmerken. »Haben Sie für die Nacht, wenn es kühler ist, den Feuerteams di’Taykaner zugeteilt?«
»Jawohl, Sir.«
»Hervorragend.« Er überspielte den Dienstplan auf sein eigenes Tablet und gab ihr ihres zurück. »Sieht alles gut aus. Lassen Sie es mich wissen, wenn Sie Veränderungen vornehmen.«
»Jawohl, Sir.«
»Die Schreibtische sind nicht ganz das, woran wir gewöhnt sind, wie?«
»Jawohl, Sir.«
Er trommelte mit den Fingerspitzen auf das Holz und seufzte. »Tatsächlich bin ich geneigt, ganz offiziell zu sagen, dass sie nerven wie die Sau.«
Torin lächelte – vor allem über seine Empörung, aber das musste er ja nicht wissen. »Jawohl, Sir, sie nerven zweifellos wie die Sau.«
»Der Arzt sagt, heute Abend gibt es für uns alle nur Feldverpflegung, weil seine Tests der hiesigen Lebensmittel noch nicht abgeschlossen sind, aber mir steht eine Begnadigung bevor.«
»Eine Begnadigung?«
»Die hiesige Version eines Staatsbanketts.« Jarret ließ sich auf einen Hocker fallen. »Ich würde mich lieber erschießen lassen.«
»Nur, weil noch nie jemand auf Sie geschossen hat, Sir.«
Sein Haar hob sich. »An wie vielen Staatsbanketts haben Sie bisher teilgenommen, Staff?«
»An keinem, Sir.«
»Dann würde ich sagen, uns fehlt beiden die Basis für einen Vergleich.« Er lächelte zu ihr empor, lehnte sich zurück und fing sich gerade noch rechtzeitig ab, ehe er rückwärts vom Hocker fiel.