Читать книгу Heiße Wüstennächte in Kairo | Erotischer SM-Roman - Tara Silver - Страница 6
ОглавлениеTod eines Traums
Layla Jang war immer ein gutes Mädchen gewesen. Und deswegen schien es ihr ungerecht, dass sie jetzt mit zwölf anderen Frauen in einer aufgeheizten Wellblechhütte ohne Fenster mit einem stinkenden Eimer in der Ecke gefangen gehalten wurde und einer ungewissen Zukunft entgegensah.
Sie hätte ihre Familie niemals verlassen dürfen.
Layla hatte ihrer Mutter stets gehorcht, wenn die von ihr verlangte, härter zu arbeiten. Sie hatte sich nicht beschwert, weil ihre Brüder jeden Tag den eineinhalbstündigen Schulweg zur Schule antreten durften und sie stattdessen zu Hause blieb und lernte, wie man nähte und kochte. Sie hatte ihren großen Bruder Jamal mit Respekt behandelt und sich versteckt, wenn ihr Vater von seinen Reisen nach Hause kam und die Mutter anschrie, weil es keinen Schnaps im Haus gab.
Layla war an fast jedem Tag ihres Lebens, solange sie sich zurückerinnern konnte, aufgestanden, sobald die erste Sonne die Nacht grau färbte, und hatte zusammen mit ihrer Mutter Korn gemahlen, damit die Familie frühstücken konnte und die Brüder eine Stärkung erhielten, bevor sie zur Schule ging. Tagsüber hatte sie Wasser in Plastikeimern auf ihrem Kopf zur Hütte geschleppt, erst vom fünfzehn Minuten entfernten Ufer des Blauen Nils und später vom Haus des Bürgermeisters, dem ein Freund aus Europa einen Wasserhahn an die Wand des Hauses montiert hatte.
Layla war wie die meisten Frauen im Dorf mit dem Wasserhahn nicht zurechtgekommen und hatte ihn meistens laufen lassen, wenn ihr Eimer voll war. Wem schadete es, wenn das Wasser in den Sand lief? Der Fluss strömte doch ebenfalls freigiebig den ganzen Tag. Doch der Bürgermeister, dieser Geizhals, schimpfte jedes Mal, wenn er einen dabei erwischte, und drehte die Quelle zu, so fest, er konnte. Dann musste die nächste Frau damit kämpfen, das Wasser wieder zum Fließen zu bringen, wobei sich der metallene Knauf schmerzhaft in ihre Hände bohrte. Natürlich ließ sie das Wasser dann wieder fließen, aus Rücksicht auf die nächste Frau, die sich diesen Kampf nicht antun sollte. Auf diese Weise führten die Frauen des Dorfes einen stillen, aber erbitterten Kampf mit dem Bürgermeister und senkten bescheiden den Blick, sobald er sie deswegen ausschimpfte.
Layla war ein stilles Mädchen gewesen und hatte auf ihren täglichen Wegen nie mit den Jungen des Dorfes geschäkert. Möglicherweise, nur vielleicht, hatte sie in ihren Träumen die Welt bereist und aufregende Abenteuer erlebt, aber davon hatte sie niemandem etwas verraten. Die Welt war schließlich für Männer und nicht für junge Mädchen gemacht, deren Sphäre die heimische Hütte zu bleiben hatte.
Einmal in der Woche hatte Layla mit ihren Freundinnen im Fluss gebadet und sie hatten sich gegenseitig die Haare gewaschen und neue Zöpfe geflochten. An diesen Tagen lachten sie miteinander, im sicheren Bewusstsein, dass die Männer sich fernzuhalten hatten, spritzten sich gegenseitig nass und erzählten sich von den Ungerechtigkeiten ihrer Mütter und den Jungen, in die sie verliebt waren. Doch selbst dabei hatte Layla sich zurückgehalten, den anderen zugehört und eigene Geschichten vermieden. Sie war immer ein braves Mädchen gewesen und hatte sich an die Regeln guten Benehmens gehalten.
Bis zu dem Tag, an dem der Fremde in ihr Dorf gekommen war.
Layla hatte immer schon heimlich davon geträumt, eines Tages die große weite Welt zu erforschen. Jamal hatte sie einmal mit ins Kino genommen, das einmal im Monat im Gebäude der Schule veranstaltet wurde. Es war nur ein Raum, in dem alle sich an die am Boden festgeschraubten Schultische quetschten und auf ein schmutziges Laken schauten, auf das ein Film projiziert wurde, aber für Layla war es Magie gewesen. An die Seite ihres großen Lieblingsbruders geschmiegt und vor allem Bösen beschützt, gab sie sich dem Zauber hin und vergaß den Rest der Welt um sich herum.
Ein weißes Mädchen vom Land, gehüllt in enge und glänzende Kleidung, wie Layla sie noch nie zuvor gesehen hatte, reiste in eine große Stadt. Hier war alles voller Glitzer und Licht. Autos fuhren über Wege, die grau und fest waren und wirbelten keinen Staub auf. Überall war Musik. Alle Menschen waren glücklich und ihre Gesichter schimmerten blass und mit rosigen Wange. Die junge Frau fand eine Bar, in der sie als Sängerin auftrat. Layla verstand nicht die ganze Geschichte, aber sie sah, dass manche Menschen die Frau beneideten und ein reicher, junger Mann sich in ihre Stimme und ihr Lächeln verliebte. Er war reich, und am Ende fragte er sie, ob sie ihn heiraten würde.
Layla wusste, dass auch sie eine schöne Stimme hatte und singen konnte. Vielleicht würde ihr eines Tages das Gleiche passieren?
Sie verbarg diesen Traum tief in ihrem Herzen und senkte den Blick noch bescheidener als früher. Es schien unmöglich, dass ein Dorfmädchen aus dem Sudan wie sie eines Tages das gleiche Wunder erleben und die große weite Welt erobern würde. Aber die Frau aus dem Kino war ebenfalls aus einem Dorf gekommen, auch wenn das Dorf sauberer und reicher schien als das, in dem Layla lebte. Sie hatte es geschafft. Warum sollte Layla es nicht ebenfalls schaffen? War sie etwa weniger wert, nur weil ihre Haut dunkel und ihre Nase breiter war?
Sie blieb schüchtern und ignorierte scheinbar die Neckereien der jungen Männer, die das Erblühen ihres jungen Körpers mit Pfiffen und Neckereien kommentierten und ihr auf diese Weise versicherten, dass sie schön genug war, um mehr als einem zu gefallen. Doch jeden Tag, wenn sie mit gebeugtem Kopf Körner mahlte oder mit hocherhobenem Kinn Wasser nach Hause trug, sang sie leise vor sich hin und träumte von dem Wunder, das ihr eines Tages widerfahren würde.
Als der Fremde ins Dorf kam, schien sich ihr Traum zu erfüllen. Er war charmant und brachte mit seinem Lächeln alte und junge Frauen dazu, ihn anzuhimmeln, doch sein Blick wanderte immer wieder zu Layla. Es schien, als bestünde zwischen ihren Augen ein geheimes Einverständnis, das ihr Blut in Wallung brachte, wie es nie zuvor gelodert hatte. Und als man ihn fragte, woher er käme, sagte er, dass er seine Familie besucht hatte, um ihr Geld zu bringen – und jetzt wieder auf dem Weg in die Stadt war, um mehr zu verdienen!
Laylas Herz pochte wie verrückt.
Der Fremde wurde als Gast in die Hütte des Dorfältesten eingeladen, wo seine beiden Frauen sich darum stritten, wer ihm das Essen servieren durfte. Abends saßen die Männer auf dem Dorfplatz, redeten über Politik und Ernte und wichtige Dinge, bei denen die Frauen zu schweigen hatten, bis sie später in der Nacht ihre Ehemänner in der Verschwiegenheit des Ehelagers beraten durften.
Layla hatte beim Kochen geholfen und schaffte es, beim Servieren scheinbar zufällig die Finger des Fremden zu berühren, als sie ihm ein Trinkgefäß reichte. Es fühlte sich an, als würde ein elektrischer Blitz ihre Finger durchzucken und die Knospen ihrer zarten, mädchenhaften Brüste zum Erblühen bringen. Wieder trafen sich ihre Blicke und erfüllten Layla mit ahnungsvoller Erwartung. Der Fremde sah stolz und verwegen aus. Beinah wie ein König aus vergangenen Zeiten, von denen die Großmutter früher abends erzählt hatte.
An diesem Abend erzählten die Männer in ihrem Kreis in der Mitte des Dorfes Geschichten. Die Frauen blieben außerhalb davon und lauschten ebenfalls, auch wenn sie ständig in Bereitschaft blieben, ob einer der Männer sein Trinkgefäß hob und nachgefüllt bekommen wollte. Sie machten bewundernd »Ah« und »Oh«, als der Fremde erzählte, wie viel Geld er in der Stadt verdiente und jeden Monat an seine alte Mutter schicken konnte – und wie sehr es ihn schmerzte, dass er in der Stadt allein in seiner luxuriösen Wohnung leben musste, weil die Mutter in ihrem Dorf bei den Schwestern und Freundinnen bleiben wollte.
Laylas Herz pochte noch schneller, als er das erzählte. Eine ganze Wohnung für sich allein – in ihrer Vorstellung war eine Wohnung eine Hütte, die noch größer war als die des Bürgermeisters, und in der so luxuriöse Möbel standen wie aus dem Film mit der weißen Frau – war mehr, als sie sich vorstellen konnte.
In ihrer Vorstellung betrat sie das Haus des Fremden, das viel mehr Zimmer hatte als die kleine Hütte, in der sie mit ihren Eltern und Geschwistern lebte und schlief. Der Boden bestand nicht aus festgestampftem Lehm, sondern aus glänzendem Holz oder Steinen, oder er war mit einem Teppich bedeckt, der aussah wie Fell. Jeder Schritt darüber bereitete den Fußsohlen sinnliches Vergnügen. Fenster mit riesigen Glasscheiben und schweren, leuchtenden Vorhängen sperrten die Außenwelt aus. Sie mussten nicht auf Kissen auf dem Boden sitzen, sondern besaßen kunstvolle Stühle und Tische, an denen das Essen aus dem dünnen, bemalten Geschirr gleich dreimal so viel Freude bereitete.
Und sie selbst hätte nichts weiter zu tun, als den ganzen Tag all die Herrlichkeiten zu putzen, zu polieren, sich daran zu erfreuen und abends ihren Mann willkommen zu heißen.
Wenn er nach Hause kam, würde sie ihn liebevoll umarmen und von ihm zu einem leidenschaftlichen Kuss gezwungen werden, der das Feuer anfachte, das sich während eines Tages voller Glück in ihr aufgestaut hatte. Er würde ihren Körper streicheln, ihre Brüste, ihren Hintern und irgendwann vielleicht sogar die Stelle zwischen ihren Beinen, die nur für den Ehemann gedacht war.
Wie glücklich sie als Frau eines solchen Mannes sein würde! Jeder Tag wäre erfüllt von Freude und Dankbarkeit, und sie würde ihm statt ihrer Schwiegermutter die Füße massieren, um zu zeigen, wie sehr sie ihn für die Chance dankte, die er ihr ermöglicht hatte.
Und irgendwann würde sie eine Bar finden, in der sie einfach auf die Bühne ging und zu singen begann – wie die Frau aus dem Film. Und dann …
Weiter als bis zu diesem Punkt konnte sie nicht träumen. Ihr fiel nicht ein, wie es weitergehen könnte.
Wenn der Fremde sie mitnahm, wenn sie in seiner Stadt Sängerin würde und er sie ebenfalls eines Tages heiratete … dann hätte sie nicht mal eine Schwiegermutter im Haus, die von ihr erwarten würde, dass sie ihr die Füße küsste und ihr jeden Wunsch von den Augen ablas. Sie wusste, dass es kein anständiger Gedanke war, aber die Vorstellung gefiel ihr. Alles, wofür sie sorgen müsste, wäre sie selbst und der schöne Fremde, dessen Haut heller war als die aller anderen im Dorf.
Die Schwiegermutter würde selbst sehen müssen, wie sie klarkam.
Vielleicht war es dieser Augenblick, in dem sie den Weg des Guten verließ. Ein kleiner Gedanke nur – aber einer, der sie für immer von den netten und anständigen Mädchen im Dorf entfernte, die wussten, dass man nie nur für sich selbst Verantwortung trug. Das eigene Handeln hatte immer auch Auswirkungen auf andere.
Aber daran wollte sie in dieser Nacht nicht denken.
***
Viel später, als alle längst schliefen und das kleine Feuer in der Mitte des Dorfplatzes ausgetreten war, erhob sich Layla von dem Lager, das sie sich mit ihren drei Schwestern teilte, als hätte sie ein kleines Bedürfnis. Sie verließ die Hütte und genoss die kühle Nachtluft auf ihrer Haut. Die struppigen Palmen des Dorfes ragten in den Himmel. Sie waren so vertraut, dass Layla sie normalerweise nicht mal wahrnahm. Doch in dieser Nacht kam es ihr vor, als stünden sie wie Waffen mit Gewehren um sie herum, um sie festzuhalten in diesem alten Leben, das ihr mit einem Mal viel zu klein vorkam.
Sie schlich zur Hütte des Bürgermeisters. Der Staub des Dorfplatzes streichelte ihre nackten Fußsohlen. In der Luft lag der Duft von Blumen. Es kam Layla vor, als würde das Licht des Mondes und der Sterne auf ihrer Haut schimmern.
Vor dem offenen Fenster in das Schlafzimmer, in dem der Fremde heute Nacht allein schlief, blieb sie stehen und hielt den Atem an. Was im Namen aller bösen und guten Geister tat sie hier?
Beinah wäre sie zurück zur Hütte der Familie gekehrt. Wenn sie jetzt leise fragte, ob der Fremde wach wäre, würde sie für immer den Schritt auf die andere Seite machen. Dann gäbe es kein Zurück mehr in das Leben des netten Mädchens, das sie einmal gewesen war. Dann hätte sie dem Wind und der Erde verraten, dass sie von einem Leben in der großen weiten Welt träumte und das Leben als Hausfrau im Dorf ihr nicht ausreichen würde.
Ihr Herz klopfte wie verrückt. Die Knospen auf ihren Brüsten stellten sich auf und drückten gegen den Stoff ihres Kleides. Sie umfasste ihre Brüste und spürte, wie sich die zarte Härte in ihre Handflächen drückte und die Lust sich in ihr ausbreitete. Es fühlte sich sinnlicher und süßer an als alles, was sie je zuvor erlebt hatte.
Es gab kein Zurück mehr, entschied sie. Sie hatte den Schritt in das neue Leben bereits gemacht, als sie wach auf dem Rücken gelegen und die Decke angestarrt hatte, während die kleine Schwester in ihrem Arm lag. Wenn sie im Dorf hätte bleiben wollen, hätte sie den Abtritt benutzen und zurückgehen sollen. Doch im Dämmerlicht dieses fast vollen Mondes, unter dem blassen Band der Milchstraße und beschienen von den Sternen drum herum, schien alles möglich.
Sie kratzte an einem Lehmziegel der Fensteröffnung und klopfte dann leise, als nichts passierte.
Ein leises Rascheln im Innern des Raums verriet, dass man sie gehört hatte. Offenbar veränderte der Fremde aber nur seine Schlafposition, denn er fragte nicht, wer da sei und warum sie mitten in der Nacht vor seinem Fenster wartete.
War es möglich, dass er nichts von dem Chaos ahnte, in das er Laylas Geist verwandelt hatte? Konnte es sein, dass er genauso friedlich schlief, wie sie auf ihrem Lager hätte schlafen sollen?
Die Vorstellung erboste Layla. Sie klopfte erneut gegen den Ziegel. »Hallo«, rief sie leise in den Raum. »Bist du wach?«
»Hm?« Der Fremde setzte sich in seinem dunklen Zimmer auf, zumindest schien es Laylas an das Licht des Mondes gewöhnten Augen so. Er rieb sich die Augen.
»Ich bin Layla«, flüsterte Layla und blickte sich hastig um, ob auch wirklich niemand sie beobachtete.
»Und was willst du mitten in der Nacht im Zimmer eines Fremden, Layla?« Seine hellen Zähne blitzten auf. Er legte die Decke ab und stand auf.
Seine Frage brachte ihr die Ungehörigkeit ihres Verhaltens schmerzhaft zu Bewusstsein. »Ich wollte …«
Die Worte auf ihrer Zunge erstarben. Was immer sie sagen konnte, es würde sie blamieren. Morgen früh würde er allen Männern im Dorf von dem jungen Mädchen erzählen, das seinen Schlaf so dreist gestört hatte. Schlimmer noch, sie war dumm genug gewesen, ihm ihren Namen zu verraten. Jetzt würde man nicht nur über die Dreistigkeit eines Mädchens reden, ohne zu wissen, welche es war, sodass Layla mit ihrer stillen Art ohne Verdacht bleiben konnte.
Der Mann kam zum Fenster und griff nach ihrer Hand, die immer noch am Fensterrahmen lag. Seine Finger waren warm und trocken. Er streichelte über Laylas zitternde Finger.
»Du bist sehr hübsch, Layla«, sagte er mit tiefer, freundlicher Stimme.
»Findest du wirklich?«, fragte sie und hasste sich dafür, wie unsicher ihre Stimme klang.
»Ich habe schon viele schöne Frauen gesehen.« Er nahm ihre Hand, führte sie an seine Lippen und küsste ihre Fingerspitzen. »Du hast etwas, was die meisten von ihnen nicht haben. Das macht dich zu etwas Besonderem.«
Layla hatte noch nie gesehen, dass ein Mann die Fingerspitzen einer Frau küsste. Er berührte ihre Hand erst mit den Lippen und fuhr dann mit der Zungenspitze über ihre Haut. Ganz leicht, aber es erregte sie.