Читать книгу Black Heart - Spin-Off 2: Der Weg ins Licht - Tatjana Weichel - Страница 7
ОглавлениеEngland
Oktober 2017
❤
Das wird bestimmt eine gute Erfahrung!« Mein Onkel sagt das bestimmt zum dreißigsten Mal, und genauso oft war ich versucht, zu widersprechen. Aber ich lasse mir meine Unsicherheit nicht anmerken, also nicke ich wie all die Male davor.
»Wir haben das doch besprochen. Es wird guttun, was Neues zu sehen«, antworte ich ihm. »Wir sparen Geld, ich verdiene was dazu, und im Frühjahr schauen wir weiter.«
»April.« Trevor legt mir die Hand auf die Schulter. »Dann kommst du wieder. Gab, das alles tut mir so leid. Ich hatte mir so gewünscht, dass es besser läuft.«
»Es ist, wie es ist. Wir haben gewusst, dass das Café immer ein Risiko ist. Und nun müssen wir schauen, dass wir es halten können. Wenn ich dafür eine Weile woanders Geld verdiene, ist das okay.« Dass dieser Ort eine magische Schule in Österreich sein würde, hätte ich mir allerdings nicht einmal in meinen kühnsten Träumen ausgemalt.
»Melde dich, wenn du angekommen bist, ja?« Er nimmt meinen Koffer und hebt ihn ins Auto.
Ich habe mich für wenig Gepäck entschieden, ich weiß nur noch nicht genau, warum. Ob ich neu anfangen will oder nicht lange bleiben, diese Entscheidung steht noch aus. Ausgemacht haben wir ein halbes Jahr. Bis dahin könnte ich einiges gespart haben, und mehr Zeit wollte ich John auch nicht zugestehen. Wenn ich in sechs Monaten nichts erfahren habe, was seine Vermutung bestätigt, wars das.
Ein halbes Jahr. Das ist überschaubar.
Meine Wohnung vermieten wir per Airbnb, meine wenigen wertvollen und persönlichen Sachen sind bei Trevor untergebracht.
Ich bin bereit, aufzubrechen.
Wir umarmen uns lange. Es geht ihm nicht gut damit, dass ich wegfahre.
Kurz schweifen meine Gedanken zu David. Er hat noch versucht, mit mir zu sprechen, aber wenn ich nicht reden will, will ich nicht reden, da bin ich stur wie ein Esel. Julie kann ein Lied davon singen.
Sie hat sich zwei Jahre die Zähne an mir ausgebissen.
Von Sam und Miles habe ich mich verabschiedet, sie sind wieder eng an mich herangerückt seit diesem Abend, an dem sie für mich da waren. Sie befürworten, was ich tue. Dass ich eine Weile weggehe, dass ich David verlasse, dass ich an den Palast reise.
Dass ich herausfinde, was mit unserem toten Freund passiert ist.
❤
Kurze Zeit später bin ich auf dem Weg nach Österreich. Mein erster Zwischenstopp ist die Fähre in Dover. Ich schaue aufs Meer, verabschiede mich von England und meinem bisherigen Leben.
Es erschien mir immer undenkbar, mein Zuhause zu verlassen. Zu groß war die Angst, dass es nicht mehr da ist, wenn ich zurückkomme.
Warum ich jetzt gehe, kann ich mir selbst nicht erklären. Ich habe Johns Bitte aus allen Perspektiven betrachtet. Mich dagegen gewehrt, sie als verrückt abgelehnt und in Betracht gezogen.
John hat mir alle Informationen gegeben, die ich brauchen werde. Ich habe jetzt schon mehr über den Palast der Träume und die magische Welt erfahren, als ich wissen wollte. Es hat leider nicht dazu beigetragen, dass ich sie mehr mag.
In der magischen Welt gibt es Hexen und Wächter.
Hexen sind Frauen, deren Fähigkeiten von alltäglichen Kleinigkeiten bis hin zu Dingen reichen, die John haben blass werden lassen, und da ist ein langsames Altern noch harmlos.
Wächter sind die Männer, die einmal eine Hexe beschützt und sich dadurch den Zugang in diese magische Welt verdient haben. Riskier dein Leben, und du darfst mitspielen. Wächter haben keine Magie, sie sterben also in einem meist normalen Lebenszyklus. Aber sie werden am Palast zu einer Art Agenten ausgebildet und schützen die magische Welt.
Warum allerdings sterbliche Männer mächtige Zauberinnen beschützen sollen, die Logik erschließt sich mir nicht so richtig.
In Calais werfe ich das Navi an. Knapp elf Stunden bis zum ersten Ziel. Ich werde in München übernachten. Ich möchte schlafen, und vor allem ausgeruht an meiner neuen Arbeitsstelle ankommen. Auch wenn ich nicht ganz glücklich bin mit diesem Plan, will ich doch einen guten Eindruck machen. Mein Einstellungsgespräch fand lediglich per Videokonferenz statt, trotzdem will ich Mr Mansour keinen Grund geben, seine Zusage zu bereuen, wenn er mich real kennenlernt.
Die erste Stunde bin ich mächtig überfordert davon, dass sich mein Lenkrad plötzlich auf der falschen Seite befindet, doch mit jeder Meile, die ich mehr auf dem europäischen Festland bin, England hinter mir lasse und meiner neuen Arbeitsstelle entgegenfahre, werde ich ruhiger, fühle ich mich freier und gelassener. Und mit jeder Stunde fühle ich mich meiner Aufgabe weniger gewachsen.
Die magische Welt hat mir von Anfang an Angst gemacht. Aber ich habe nie daran gezweifelt, was Yanis mir erzählt hatte, von sich, von Julie, von ihrer Schule.
Ich habe mit Trevor gesprochen, der sich als Wächter herausstellte.
Ich habe mit Yanis’ Eltern gesprochen, auch John ist ein Wächter.
Ich wollte diese Welt nicht kennenlernen, aber ich hatte keine Wahl, weil ich einen Mann geliebt habe, der ihr zum Opfer gefallen ist.
Ich war über so viele Monate verknallt, und dann ging ein Traum in Erfüllung, als wir endlich zusammengekommen sind. Eine Woche, die sich nach so viel mehr angefühlt hat, vor allem nach einer glücklichen Zukunft.
Yanis’ Tod hat mich verändert, und das nicht zum Guten. Früher war ich ein Spielball für viele Kerle, sie wollten sich daten, wollten Spaß. Mit Yanis war alles anders, von Anfang an ehrlich und direkt. Und als er gestorben ist, war ich wieder der unsichere Kerl von vorher, der niemandem weh tun will, der nimmt, was kommt, der nicht mehr für sich einstehen kann, weil er sich aus den Augen verloren hat.
Die Landschaft fliegt an mir vorbei, ich passiere die deutsch-französische Grenze und mache Pause in einem kleinen Städtchen mit zauberhaften kleinen Gassen und altem Kopfsteinpflaster. Doch die Gedanken werde ich nicht los, als ob ich in mir aufräumen muss, bevor ich diesen neuen Lebensabschnitt beginne.
Und ich kann ehrlich sein, hier mit mir allein.
Vielleicht zum allerersten Mal.
Ich wusste sehr genau, dass ich tief drinhing, dass ich längst hätte loslassen müssen. Dann kam David, und ich habe es wirklich versucht. Ich war Feuer und Flamme für ihn, aber ich habe schnell erkannt, dass ich wieder ein schlechtes Händchen bewiesen hatte. Alles war wie vorher, er war auch nicht bereit, zu mir zu stehen.
Diese eine Woche mit Yanis war so anders. Er hat allen, die ihm wichtig waren, von mir erzählt, wir waren ein Paar, ersichtlich für jeden. Ein Stück Freiheit, von dem ich nicht wusste, dass es mir fehlt, bis ich es verloren hatte.
David wollte ich eine Chance geben, habe mich von Yanis verabschiedet, habe ihm an seinem Grab erzählt, dass ich ihn loslassen muss, um einen neuen Weg einzuschlagen. Weiterzumachen. Und ich weiß, ich war auf einem guten Weg.
Schon seit Wochen denke ich darüber nach, warum es nicht funktioniert hat. Warum David mir nicht genug Zukunftsmusik war, warum es sich nicht so angefühlt hat wie mit Yanis. Und ich komme immer wieder zu der gleichen Antwort: Er wärs gewesen.
Dieses Abenteuer hier, und anders kann man diese Schnapsidee von John ja nicht nennen, ist für mich vor allem eins: Eine Möglichkeit, abzuschließen. Wenn ich herausfinde, dass Yanis wirklich und echt tot ist, dann kann ich vielleicht endlich weitermachen.
Dann kann ich endlich ich selbst sein.