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Es gab eine dreistufige Pagode, errichtet auf einem kleinen Hügel oberhalb des Flusses, der wie geriffeltes Glas schimmerte. Die Einheit hatte den Fluss zu einem Pool aufgestaut. Sie kauerten darin in ihrem Unterzeug und schrubbten sich mit Seife den Augustdreck aus den Falten und Ritzen ihrer Körper. Haubitzen waren um sie herum auf den Hügeln aufgestellt wie Schutzmonster. Trotzdem wuschen sich die Marines in aller Eile, weil sie sich ohne ihre Stahlhelme, ihr Tarnzeug und ihre gelben Leinenbeinlinge, die seitlich geschnürt waren, ungeschützt fühlten. Erkennungsmarken baumelten um ihre Hälse und blitzten in der koreanischen Sonne.

Rory stand aus dem Pool auf und spürte, wie das kalte Wasser wie ein Umhang an seinem Körper hinabglitt. Seine bloßen Füße mit den weißen Zehen standen auf den runden, glatt gewaschenen Steinen wie die auf dem Berg bei ihm zu Hause. Er ging den Hügel hinauf in Richtung des Tempels mit dem Ziehharmonikadach, wo sie einquartiert waren, vorbei an olivfarbenen Hemden und Hosen, die auf Felsen und Büschen trockneten und wie Tierhäute ausgebreitet waren. Die Luft fühlte sich an, als wäre sie voller Zähne. Früher am Tag, als sie ein verlassenes Dorf durchsucht hatten, waren sie unter Beschuss von Heckenschützen geraten. Ihr erstes Mal. Sie waren zwar Marines, aber trotzdem naiv. Das Knallen der Schüsse hatte ihnen die äußere Schicht Mut vom Rücken gepellt; ihre Knochen waren jetzt dichter unter der Oberfläche.

Ein Paar steinerne Löwen bewachte den Eingang der Pagode, von Flechten überzogene Tiere mit eckigen Köpfen und großen Pfoten. Die Marines nannten sie »Foo dogs«. Es gab einen Nisei in ihrer Einheit, Sato, dessen älterer Bruder im 442. Infanterieregiment im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatte. Alles japanischstämmige Amerikaner.

»Komainu«, sagte er. »Wächterlöwen. Sie halten die bösen Geister fern.«

Einer hatte sein Hemd über eins der Tiere geworfen. Rory nahm das Kleidungsstück herunter, damit die Kreatur etwas sehen konnte. Er betrat den Tempel. Die Luft fühlte sich kühl und abgestanden an wie in einer Höhle. Die dunklen Geister abgebrannter Kerzen spukten um die Wandleuchter. Der Ort roch nach Weihrauch und Lucky Strikes und nervösen Marines. Ihre Ausrüstung war an den Wänden aufgereiht. Er war noch nie an einem so alten Ort gewesen. Granny hatte für Kirchen nichts übrig – »Gottesschachteln« nannte sie sie –, und die in den Bergen schienen im Vergleich zu dieser hier nicht sehr stabil zu sein. Hastig zusammengeschusterte Bretter, manche lediglich aus Unterholz. Doch hier halb nackt und allein im Zentrum des Tempels fühlte er sich mit dem Stein von Generationen wie gepanzert. Keine Kugel konnte ihn hier treffen. Kein Gefühl von Angst ihn beschleichen.

Er wollte an diesem Ort bleiben, der so still und freidlich war inmitten der waffenstarrenden Hügel. Aber ein kalter Wind pfiff durch den Tempel und traf ihn am Rücken, und ihm fiel wieder ein, dass der Herbst früh begonnen hatte, für die Blätter und die Menschen. Leuchtendes Blut auf den sägezahnförmigen Gebirgskämmen und das Schreien, das nicht aufhören wollte.

Er konnte es nicht vergessen.

Rory wachte gegen Mittag auf, er hatte die Bettdecke weggestrampelt, und sein Körper war trotz der Oktoberkälte von einem Schweißfilm überzogen. Das Bein, das er verloren hatte, pochte, als befände es sich noch an dem zerbeulten Stumpf unterhalb seines Knies. Er stand auf und zog sich rasch an. Sein Zimmerfenster war beschlagen, und die vier Scheiben schimmerten blassgolden. Bilder ohne Rahmen bedeckten die Wand. Tiere des Feldes, Vögel der Luft – ihre Körper geflammt, wo die Sonne auf sie fiel. Sie erinnerten ihn daran, welcher Tag war: Sonntag.

Er wusch Achseln und Gesicht, gelte das Haar zurück und betupfte seine Halskuhle mit Grannys hausgemachtem Eau de Cologne, das brannte. Er zog ein weißes Hemd an, das man bis zum Hals zuknöpfen konnte, legte eine schwarze Krawatte um und setzte die Melone seines Großvaters Anson auf. Er betrachtete sein Gesicht im Spiegel – es sah aus, als hätte sich über Nacht ein ganzes Jahrzehnt unter seiner Haut eingenistet. Die Haut unter seinen Augen schimmerte, als hätte ihm jemand einen Fausthieb verpasst.

Er saß auf der Veranda und kratzte den Schlamm von seinen Stiefeln, als Granny herauskam. Sie balancierte eine Pastetenform in ihrer Armbeuge.

»Ich nehme das«, sagte er und sprang auf.

»Ich bin vierundfünfzig Jahre alt. Ich bin nicht invalide.«

Sie saß steif und mit geradem Rücken in dem PS-starken Fahrzeug, als wäre es eine Pferdekutsche. Man konnte sich problemlos vorstellen, wie sie auf einer Wells-Fargo-Postkutsche fuhr, eine kurzläufige Schrotflinte im Schoß. Als er hinter das Steuer glitt, blickte sie ihn an.

»Hast du wieder schlecht geträumt?«

»Nein«, log er.

»Du solltest die Tinktur nehmen, die ich für dich zubereitet habe.«

»Das tue ich.«

»Von wegen, du kippst sie immer in das Astloch in der Bodendiele.«

Rory ließ den Motor an und fragte sich, woher sie so etwas wissen konnte.

Innerhalb einer Stunde waren sie unten im Tabakland, Quadrat um Quadrat hügeliger Felder, die links und rechts vorbeizogen, der rote Lehmboden wie Wunden zwischen den Bäumen. Riesige, grob gezimmerte Trocknungsscheunen schwebten oben auf den Hügeln wie verwitterte Archen, die Brightleaf-Tabak enthielten, der die weißen Zigarettenhüllen füllen würde, die mit Trucks im ganzen Land verteilt wurden. Chesterfields und Camels und Lucky Strikes. Pall Malls und Viceroys und Old Golds. Der Highway schlängelte sich durch Winston-Salem, wo das zwanzigstöckige Reynolds-Gebäude wie eine Miniatur vom Empire State Building in den Himmel ragte. Es war nach R. J. Reynolds benannt, der Zeitung lesend auf einem Pferd in den Ort geritten war und das Zigarettenpäckchen erfand, was ihn zum reichsten Mann des Staates gemacht hatte.

»Es heißt, es sei das höchste Gebäude in beiden Carolinas«, sagte Rory.

Granny saugte an ihren Zähnen und trug eine verächtliche Miene zur Schau, wie sie es immer tat, wenn sie gezwungen war, den Berg zu verlassen.

»Das is’n Fliegenschiss verglichen mit der Höhe, in der mein Haus steht, oder?«

Sie fuhren an Greensboro und Burlington vorbei, wo sich riesige Fabriken aneinanderreihten, deren Schornsteine Tag und Nacht schwarzen Rauch ausstießen, während weiter unten hübsche, kleine Städte mit Straßenbahnen und straff gespannten Telefonleitungen erblühten. Sie fuhren vorbei an Durham, dem Sitz von Duke Power, das beinahe den gesamten Staat mit Strom versorgte, dann hinein nach Raleigh, wo sie die von Eichen beschatteten Straßen entlangfuhren, und schließlich hinauf zur staatlichen Irrenanstalt namens Dix Hill. Es war ein riesiger, doppelflügeliger Sandsteinbau, der über der Stadt aufragte, vierstöckig, die schmalen Fenster dicht an dicht wie mittelalterliche Schießscharten. Der Mittelbau sah aus, als wäre er von Griechen errichtet worden, vier riesige Säulen, die ein dreieckiges Gesims trugen, mit einer Glaskuppel obendrauf.

Sie unterschrieben die Papiere, setzten sich und warteten. Als die Krankenschwester kam, um sie abzuholen, ging Rory als Erster hinein. Seine Mutter durchquerte leichtfüßig den Besucherraum, die Sohlen ihrer weißen Leinenschuhe kaum hörbar. Ihre Gestalt war dementsprechend, beinahe durchscheinend wie ein Windhauch. Sie konnte im selben Raum mit einem sein, ohne dass man es bemerkte. Ihr schwarzes, mit silbernen Strähnen durchzogenes Haar war nach hinten gekämmt und reichte ihr bis zur Taille. Ihre Haut war geisterhaft weiß, so als bestünde sie aus Licht. Als könnte man, wenn man nur kräftig genug zwinkerte, ihre Knochen sehen.

»Wirst du gut behandelt?«, fragte Rory.

Sie nickte und nahm seine Hände. Ihre Augen strahlten so hell bei seinem Anblick, dass sie ihm Löcher ins Herz bohrten. Sie sagte nichts. Sagte nie etwas. Sie sei schon immer ein stilles Mädchen gewesen, hatte Granny ihm erzählt, das in seiner eigenen Welt lebte. Verrückt, wie manche behauptet hatten. Sonderlich. Dann kam der Abend, als Gaston ermordet worden war, und sie sprach nie wieder ein Wort. Rory hatte noch nie ihre Stimme gehört. Er kannte ihren Geruch, wie bevorstehender Regen, und die langen, v-förmigen Sehnen, aus denen ihr Hals bestand. Er kannte die winzigen Fältchen von der Größe eines Kolibrikrallenfußes in ihren Augenwinkeln. Er wusste, wie sich ihre Hände anfühlten, so leicht und kühl. Hände, die mit einer Nagelklaue einem Mann ein Auge herausgerissen und den Augapfel anschließend in der Tasche ihres Kleids versteckt hatten.

Sie waren zu dritt gewesen, Night Riders, alle drei mit Sackkapuzen. Es war das Jahr 1930 gewesen. Die Männer hatten sie mit dem Sohn eines Fabrikbesitzers in einer leeren Hütte am Fluss erwischt. Der Ort war aufgegeben worden, dazu bestimmt, überschwemmt zu werden, wenn das Wasser stieg. Sie prügelten den Jungen mit Axtstielen zu Tode, aber sie wehrte sich, fand eine Nagelklaue in einem Haufen Werkzeug, gespalten wie eine Zunge. Sie teilte aus, so gut sie konnte.

Und erbeutete ein Auge.

Keiner von ihnen wurde je erwischt.

Der Junge, den sie totgeschlagen hatten, hieß Connor Gaston. Er sei ein seltsamer Kerl gewesen, sagten die Leute. Aber klug. Er hatte Vögel gemocht, Violine gespielt. Sein Vater leitete die Strumpffabrik am Ort. Ein Junge mit beträchtlichen Privilegien, wohingegen sie die Tochter einer Prostituierten war. Wahrscheinlich war sie selbst eine, hieß es. Lebte sie nicht in einem Hurenhaus? War sie bei den Blicken und dem Aussehen nicht schon volljährig? Hatte sie den Jungen nicht dorthin gelockt, damit er zusammengeschlagen und ausgeraubt wurde?

Sie lehnte es ab, sich zu verteidigen. Ein paar behaupteten, ein kräftiger Schlag auf den Kopf hätte sie verstummen lassen. Andere meinten, es sei Gott gewesen. Die Ärzte waren sich nicht sicher. Sie schien mit einem Bein in einer anderen Welt zu stehen. Sie hatte die Schwelle zum Tod teilweise überschritten. Die Gastons wollten nichts mit ihr zu tun haben, begraben und vergessen. Dieser Schandfleck auf dem Namen ihres Sohnes. Der Richter hatte sie für geistesgestört erklärt und sie dem Staat übergeben. Ihr Bauch war bereits zu sehen gewesen, als man sie fortgebracht hatte. Rory kam im Krankenhaus von Dix Hill zur Welt. Die Gastons waren verschwunden – hatten ihre Sachen gepackt und waren nach Connecticut zurückgekehrt, ohne Nachsendeanschrift.

Rory und seine Mutter saßen lange Zeit am Tisch und hielten Händchen. Rory stellte ihr Fragen, und sie nickte oder schüttelte den Kopf, als wäre sie zum Sprechen zu schüchtern.

»Irgendwelche neuen Bilder?«

Sie nickte und nahm den Notizblock von ihrem Schoß. Es waren hauptsächlich Vögel, Schornsteinsegler und Raubwürger und Rauchschwalben. Spechtmeisen, bläulich mit rotem Bauch, und eisengraue Goldhähnchen mit rubinrotem Scheitel. Carolinazaunkönige, haselnussbraun mit weißen Streifen über den Augen, rotschwarze Stare, die weiß gesprenkelt waren. Walddrosseln mit zimtfarbenen Schwingen, die helle Brust braun gesprenkelt, und Seidenschwänze mit zitronenfarbener Brust und einer schwarzen Maske über den Augen. Rotkardinale, mit einer hohen Haube auf dem Kopf, und rotschwänzige Habichte, die todbringend über der Erde kreisten.

Sie waren nicht wie die Druckgrafiken an den Wänden. Diese Vögel waren wie aufs Papier geworfen, jede Kreatur kantig und ungestüm und leuchtend, die Flügel ein geisterhafter Anklang an Flugbewegungen. Sie waren mit Wasserfarben gemalt, ein wenig durchscheinend, so als hätte sie nicht den Körper, sondern den Geist des Vogels aufs Papier gebracht, jede Feder wie eine züngelnde Flamme. Es waren seltsame Feuer, die grün und violett, rostfarben und königsblau brannten. Rory wusste, dass Adler mehr Farben sehen konnten als Menschen. Sie sahen ultraviolettes Licht, das von Schmetterlingsflügeln abgestrahlt wurde, und Spuren von Urin ihrer Beute, erkannten die wachsartige Schicht auf Beeren und Früchten. Manchmal fragte er sich, ob seine Mutter auch so war, ob sie die Welt in Schattierungen unterteilte, die andere nicht sehen konnten. Ob das Kreisen und Gleiten eines Vogelflugs für sie eine Figur bildeten, ein in einer fremden Sprache hingekritzeltes Gedicht, das die anderen nicht kannten.

Sein Herz wurde wie immer schwer. Tränen traten ihm in die Augen.

»Sie sind wunderschön«, sagte er.

Wie immer gab sie ihm eins mit. Diesmal war es ein Papagei, lindgrün mit roten Punkten um die Augen. Er würde es in seinem Zimmer an die Wand hängen, ein neues Mitglied in seinem voller werdenden Vogelhaus, das ihm Gesellschaft leistete.

Es war später Nachmittag, als sie sich wieder auf den Heimweg machten. Rory zündete sich eine Zigarette an, Granny ihre Pfeife. Ihr Rauch zerstob im Fahrtwind. Sie fuhren an Stadtautos in Schwanenweiß oder Flamingorosa, Grasgrün oder Babyblau vorbei – schimmernd wie Kaugummikugeln unter den Bäumen. Sämtliche Gärten waren hübsch gepflegt, in vielen prangten eingepflockte Schilder mit der Aufschrift »We like Ike«. Die Leute, an denen sie vorbeikamen, wirkten seltsam reinlich und frisch und gleichförmig, wie Mitglieder derselben Modellreihe.

Rasch ließen sie die von Eichen beschatteten Straßen hinter sich, und der Verkehr wurde schwächer, löste sich schließlich ganz auf, und das Land begann in sanfte Hügel überzugehen wie ein Meer aus Erde.

Früher hatte Rory Granny immer gebeten, ihm Geschichten über seine Mutter zu erzählen. Darüber, wie wunderschön und gütig sie war. Wie sie einmal Totenwache für einen riesigen Grashüpfer gehalten hatte, den sie sterbend auf der Veranda gefunden und dem sie leise Wiegenlieder gesungen hatte, während er auf dem Rücken gelegen und gestrampelt hatte, grün wie ein Blatt im Frühling. Wie sie ihn mit einem Kreuz aus Streichhölzern hinterm Haus begraben hatte.

»Das Mädchen hatte Engelsblut«, pflegte Granny zu sagen. »Keine Ahnung, woher sie das hatte. Jedenfalls nicht von mir.«

Die alten Geschichten waren wieder und wieder erzählt worden, bis auf eine. Bis auf die Geschichte, die nur seine Mutter erzählen konnte.

Darüber, was wirklich an jenem Abend im Tal passiert war.

Das Land erhob sich vor ihnen, immer zerklüfteter und steiler, und die Berge schwebten wie Rauch über dem Horizont. Howl Mountain war der höchste und steilste unter ihnen. Er erhob sich breitschultrig und gezackt wie der abgebrochene Eckzahn eines Riesentiers. Auf seinem Gipfel schwebte eine mit Tannen und Fichten gesprenkelte Insel, ein Relikt prähistorischer Zeit in großer Höhe. Der Wind peitschte und jagte zwischen den alten immergrünen Bäumen hindurch und pfiff wie eine Turbine, und er tat seltsame Dinge. Es hieß, die Schwerkraft sei auf der Bergspitze aufgehoben und im Herbst würden sich die Blätter wie von selbst vom Boden erheben und säuselnd durch den Wald schweben, als wollten sie zu den Ästen zurückkehren, die sie verlassen hatten.

Rory wusste, dass der Boden dort oben von Blut getränkt war. Widerstandskämpfer aus dem Bürgerkrieg, die Kehle durchgeschnitten oder erschossen oder am Strick baumelnd. Vor ihnen waren es Grenzbewohner gewesen, Siedler in den Bergen mit langen Gewehren, die sich mit den Cherokee bekriegt hatten und mit den Pfeilspitzen aus Feuerstein in ihren Leibern und Musketenkugeln zwischen den Zähnen gestorben waren. Und wer kannte schon die vielen rivalisierenden Stämme aus früheren Jahrhunderten, längst vergessene Blutfehden, lange bevor der erste Weiße aufgetaucht war, die Knochen der Gefallenen, die wie Auszüge aus Geschichten über den Berg verstreut lagen. Manche behaupteten, es wären die Seelen all derer, die sich zu erheben versuchten, welche die toten Blätter aufwirbeln ließen.

Rory dachte an das, was Eustace ihm erzählt hatte, als er klein war, wie die Menschen in den Bergen damit prahlten, einander die Augen auszustechen und die Nasen abzubeißen. Wie sich diese in der Wildnis geborenen Waldbewohner in einem Kreis aus johlendem, wettsüchtigem Volk wiederfanden, ihre langen, gekrümmten Daumennägel über Kerzenflammen gehärtet und mit Öl eingerieben, und wie Davy Crockett sich persönlich einmal damit gebrüstet hatte, einem anderen so leicht, wie man eine Stachelbeere auslöffelt, ein Auge ausgestochen zu haben. Damals gab es keine größere Trophäe, als das Auge eines anderen in seiner Tasche zu haben, dicht gefolgt von einer abgebissenen Nasenspitze. Eine grausame Geschichte, wie alle von Eustace, aber vielleicht deshalb so erzählt, damit der Junge stolz auf das war, was seine Mom in ihrer Bedrängnis getan hatte.

Was er auch war.

Er wünschte nur, es hätte sie nicht ihrer Stimme beraubt, und er fragte sich manchmal, ob mit ihm vielleicht alles in Ordnung war, dass gar nicht das, was er in Korea gesehen und getan hatte, ihn hatte verstummen lassen.

Er blickte zu Granny.

»Stimmt es, dass du das Auge von ’nem verknallten Deputy gestohlen und irgendwo versteckt hast?«

Sie schnaubte.

»Dieses Auge bringt nichts als Ärger, Junge. Manche Dinge lässt man besser ruhen.«

»Ich habe ein Recht darauf, es zu sehen.«

»Na klar. Und ich habe ein Recht darauf, dir zu sagen, dass du mich mal kannst.«

Maybelline

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