Читать книгу WHO I AM NOT. Von Lügen und anderen Wahrheiten - Ted Staunton - Страница 11

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4. Kapitel

Es war fast schon zu einfach. Shan war eine Quasselstrippe. Ich kam kaum mit. Sie hatte Fotos dabei, weil sie mir zeigen wollte, wie die Familie jetzt aussah. »Nur damit du keinen Schreck bekommst. Oh, der Opa sieht gebrechlich aus, findest du nicht auch? Und er hinkt jetzt. Er hatte letztes Jahr einen Schlaganfall.

Roy und die Kinder und ich wohnen jetzt in Port Hope. Ich arbeite in einem Krankenhaus am Empfang und Roy ist Gott sei Dank immer noch bei GM, trotz der vielen Entlassungen. Brooklynne fängt im September mit der Schule an und Matt ist dann in der fünften Klasse. Sie sind groß geworden, nicht wahr? Matt kann sich noch daran erinnern, wie er oben auf der großen Rutsche Angst bekommen hat und du zu ihm hoch bist und so getan hast, als wärst du ein Affe, um ihn wieder von da runterzuholen. Er rutscht immer vor dem Fernseher rum, genauso, wie du das früher immer gemacht hast. Manchmal, wenn ich reinkomme und ihn von hinten sehe, denke ich für eine Sekunde, dass du das bist.«

»Rumrutschen?« Ich versuchte, mehr herauszufinden. Meine Stimme klang angespannt. Ich konnte nichts dagegen tun. Das Ganze war schon verrückt genug und dazu kam noch, dass ich noch nie geflogen war.

»Ach, du weißt schon.« Shan war immer noch dabei, sich die Fotos anzusehen. »Du hast doch früher immer die Hände flach auf den Boden gelegt und bist dann mit dem Hintern so rumgerutscht. Ich dachte immer, es sieht aus, als würdest du Anlauf nehmen, um abzuheben und für immer zu verschwinden.« Sie sah zu mir hin. »Oh Gott. Dein Blick. Es tut mir leid. Ich wollte damit nicht sagen, dass du weggelaufen bist, als das alles … Jetzt wissen wir ja, dass sie dich mitgenommen haben.«

Sie zögerte kurz, dann griff sie nach meiner Hand, die sich an die Armlehne klammerte. Ich zog sie zurück. Ich holte tief Luft. »Schon okay. Es ist nur so, dass …« Sag die Wahrheit, wenn du kannst. Es ist einfacher. Ich starrte auf die Lehne vor mir, in die ein kleiner Fernsehbildschirm eingelassen war. »Ich mag es nicht, wenn man mich anfasst. Weil …«

Aus den Augenwinkeln heraus sah ich, wie sie die Lippen zusammenkniff, während sie mich beobachtete. »Ach, Schätzchen. Ich weiß, dass es schlimm war. Josh hat es mir erzählt.«

Ich nickte und starrte weiter geradeaus. »Ich möchte nicht darüber reden.«

»Das brauchst du auch nicht.«

Ich wartete eine Sekunde, dann versuchte ich, noch etwas mehr herauszufinden. »Hast du … hat Mom … geglaubt …«

»… dass du weggelaufen bist?« Sie sah mich eindringlich an. »Ach, Schätzchen. Wir waren verzweifelt. Wir wussten nicht, was wir denken sollten. Und die Polizei …« Sie schloss die Augen. »Sie dachten alles Mögliche. Sie dachten, da… ich meine, du …« Sie wedelte mit den Händen in der Luft herum. »Oh Gott. Es tut mir leid, Schätzchen. Wir haben so lange gedacht, dass … Ich muss das jetzt erst einmal alles verarbeiten … Oh mein Gott. Es ist egal. Es ist egal, was die Polizei gedacht hat. Es ist alles egal. Es war furchtbar. Aber es ist egal. Du brauchst das nicht zu wissen.«

»Was wissen?«

Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf, schnell, heftig, als würde sie versuchen, schlechte Erinnerungen aus ihrem Gehirn zu bekommen. Dann hörte sie damit auf und holte tief Luft. Sie sprach leise und eindringlich, als wollte sie mich dazu bringen, mich zu erinnern. »Zu Hause war es nicht immer gut. Deshalb bist du ja auch zu Pflegeeltern gegeben worden, zweimal, damit du bei einer anderen Familie lebst. Und kurz bevor du … verschwunden bist, war es auch nicht gut. Für niemanden.«

Ich nickte.

»Ty hat sich sehr schlecht benommen und er hat allen Angst gemacht, immer diese Wutausbrüche und die Schläge. Dich hat er auch geschlagen, du brauchst nicht so zu tun, als wäre nichts gewesen. Und mit Mom war es auch nicht einfach. Aber damals warst du noch jünger und sie hatte es mit dir auch nicht leicht, du warst immer ziemlich wild und so. Okay? Aber dann, als es richtig schlimm wurde … sie hat sich Vorwürfe gemacht. Sie hat gesagt, es sei alles ihre Schuld und dass Da… dass du deshalb weg bist. Sie und Ty waren völlig fertig. Ty ist durchgedreht, als du verschwunden bist. Es kann sein, dass das mal jemand erwähnt. Aber weißt du, was?« Shan versagte die Stimme. Sie kramte ein Papiertaschentuch hervor. »Es hat Mom dazu gebracht, mit dem Trinken aufzuhören. Und sie nimmt auch keine Drogen mehr. Sie ist clean. Und nüchtern. Ty geht es jetzt auch viel besser. Er wohnt inzwischen in Peterborough. Ist das nicht großartig? Und jetzt wird alles wieder gut werden, weil du wieder da bist. Es wird für alle ein neuer Anfang sein.« Sie weinte, während sie sprach.

Ich nickte wieder. Mehr konnte ich im Moment nicht tun, weil das Flugzeug gerade wild herumgeschüttelt wurde. Ich starrte stur auf den Fernsehbildschirm vor mir. Ich klammerte mich an die Armlehnen. Als es wieder ruhiger wurde, sagte ich: »Ich bin noch nie geflogen.«

»Ach, Danny, ist schon okay«, hickste sie durch ihre Tränen hindurch. »Als Roy und ich mit den Kindern nach Orlando geflogen sind …«

Ich ließ sie reden, bis sie einnickte. Sie hatte mir gesagt, dass sie seit dem Telefonanruf keine Minute geschlafen hatte. Ich wusste genau, wie sie sich fühlte.

WHO I AM NOT. Von Lügen und anderen Wahrheiten

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