Читать книгу Die Universität Basel in den fünfzig Jahren seit ihrer Reorganisation im Jahre 1835 - Teichmann Albert - Страница 5

1. Einleitung. — Die Gesetze von 1818 und die Sprüche des Schiedsgerichts.

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Inhaltsverzeichnis

Bis in den Anfang dieses Jahrhunderts hatte die Universität als Korporation eine unabhängige Stellung behauptet. Dies änderte sich, als durch das Gesetz vom 19. Mai 1813 die der Universität in den Jahren 1460, 1532 und 1539 ertheilte Verfassungsurkunde, Statuten und Privilegien zurückgenommen und aufgehoben wurden. Fortan sollte dieselbe allgemeine höhere Lehranstalt des Kantons sein und zu diesem Zwecke in einer den Zeiten angemessenen und gemeinnützigen Weise eingerichtet werden. Durch Gesetz vom 17. Juni 1818 über die Organisation der Universität wurde sie der Oberaufsicht und Leitung der Regierung unterstellt. Letztere übertrug diese Oberaufsicht und Leitung der zufolge Gesetzes vom gleichen Datum bestellten neuen Staatsbehörde, dem Erziehungsrath, dessen engerer Ausschuss (Curatel) die der Universität unmittelbar vorgesetzte Behörde wurde. Der Regenz der Universität — bestehend aus sämmtlichen ordentlichen Professoren — verblieb die Leitung der inneren Angelegenheiten, die Aufsicht über die akademischen Anstalten und Sammlungen und die Verwaltung des Universitätsvermögens. Die bisherige Universitätskommission erhielt, unter bester Verdankung ihrer Arbeiten, durch Rathsbeschluss vom 24. Juni 1818 ihre Entlassung. Die der Regenz noch gelassene Civilrechtspflege für die Angehörigen der Universität (sog. Universitätsbürger) entfiel 1821 bei der neuen Organisation des Gerichtswesens.

In den vier einander gleichgestellten Fakultäten sollten 18 Professoren mit einer Besoldung von je Fr. 1600 a.W. angestellt und diese Stellen nach öffentlicher Auskündung und eröffnetem Konkurse besetzt werden; in Fällen, wo es zum Vortheil der Anstalt gereiche, sollte der Kleine Rath, auf motivierten Vorschlag des Erziehungsrathes, durch unmittelbaren Ruf Professoren ernennen können. Hiemit war die früher übliche Verwendung des Looses, die öfters eine verhängnissvolle Rolle gespielt hatte, glücklich beseitigt.

Dieses Gesetz über die Organisation der Universität, auf das man im Jahre 1865 zurückgriff, berücksichtigte in angemessener Weise die einzelnen Unterrichtsfächer und fand bei einsichtsvollen Männern volle Billigung. So erklärte Troxler (Die Gesammthochschule der Schweiz und die Universität Basel, Trogen 1830, S. 58):

»Es ist seinem wesentlichen Inhalte nach eine zweckmässige und zeitgemässe Grundlage einer wohlberechneten und verheissungsvollen Herstellung und Erhebung der Hochschule, im Geiste der ersten Gründung gedacht, würdig der grossen Erinnerungen, durch Erfahrungen geläutert, die Ansprüche und Bedürfnisse einer neuen Zeitbildung berücksichtigend, sowie selbst die weitern Verhältnisse des Gesammtvaterlandes umfassend.«

Der schöne Beweis von Achtung für Wissenschaft, von Eifer für Bildung und von hochherziger Vaterlandsliebe, den der Grosse Rath an den Tag gelegt hatte, stellte eine gedeihliche Entwicklung in Aussicht. In der That finden sich unter dem Lehrpersonal der nächsten Jahre manche klangvolle, weitberühmte Namen von In- wie Ausländern. Aber man zögerte zu sehr mit Durchführung der Organisation im vollen Umfange, sodass schon 1823 der Rektor der Hochschule, Prof. de Wette, in seiner Rektoratsrede am 12. Mai mit Freimuth und Nachdruck äussern durfte: »Und jetzt an dieser Stelle, als zeitiger Rektor der Universität und Mitglied des Erziehungsrathes, im Namen der Anstalt, an deren Spitze ich zu stehen die Ehre habe, fordere ich Sie, weise Häupter und Räthe, feierlich auf, das Werk der Wiederherstellung der Universität fördersamst zu vollenden! Noch sind eine Lehrstelle der Rechte, zwei der Arzneikunde und die der Philosophie unbesetzt, und die der Geschichte ist von Neuem erledigt. Jedes Halbjahr, welches unter diesen Mängeln verstreicht, ist ein Verlust für die studierende Jugend, und der ganze Unterrichtsgang ist dadurch gelähmt. Je länger man aufschiebt, desto mehr ermattet der Eifer, desto mehr gewöhnt man sich an das Mangelhafte.«[1] Wieder vier Jahre darauf mahnte noch eindringlicher der damalige Rektor, Prof. Gerlach, an schleunige Vervollständigung[2] und schloss mit den verheissungsvollen Worten:

»Reichthum ist ein vergängliches Gut; — Ruhm, erworben im Felde der Staatskunst, ist trügerisch und oft von zweideutiger Art; — der aber lebt ewig im dankbaren Andenken der Nachwelt, dessen Name geknüpft ist an das Gedeihen einer Schule der Wissenschaft, die Jahrhunderte blühte, die in der Gegenwart sich auf's neue erhebt, die nicht untergehen wird im Strome kommender Zeiten.«

Die nächsten Jahre erfüllten die hochgespannten Hoffnungen noch nicht — es nahte die dem Basler Staatswesen verhängnissvolle, mit muthiger Entschlossenheit durchgekämpfte Zeit, auf welche — wie der trefflichste Darsteller der Ereignisse jener Periode sagte[3] — »Basel sonder Scham und sonder Reue zurückblicken konnte, weil es das Bewusstsein davon trug, dass es billigen Begehren willig entsprochen hatte, dass es der Drohung und Gewalt beharrliche Entschlossenheit entgegengesetzt hatte und dass seine Bürger das Gesetz, für das sie kämpften, auch durch Gehorsam zu ehren wussten.«

Vergeblich war man bemüht, von dem gut eingerichteten und weise geleiteten Staatswesen den schwersten Schlag abzuwenden. Es war umsonst! — Der am 17. August 1833 gefasste, am 26. August durch eingelangte Ratifikationen in Kraft erwachsene Beschluss der Eidgenössischen Tagsatzung erklärte den Kanton Basel in Bezug auf die Verwaltung in zwei besondere Gemeinwesen getheilt und verfügte, »es solle das gesammte Staatseigenthum des Kantons an Kapitalien, Gefällen, Gebäuden, Kriegsmaterial u.s.w. ohne irgend eine Ausnahme, und ausdrücklich mit Inbegriff der Kirchen-, Schul- und Armenfonds, auf billigem Fusse zwischen beiden Landestheilen ausgeschieden und getheilt werden.«

Diesem Beschlüsse zufolge wurden zu Schiedsrichtern erwählt:

1. Herr Alt-Bürgermeister Joh. Herzog, von Effingen, in Aarau für Basel-Stadttheil.
2. Herr Alt-Bundespräsident Joh. Friedrich Tscharner, von Chur
3. Herr Obergerichts-Präsident Joachim Leonz Eder, in Frauenfeld für Basel-Landschaft.
4. a) Herr Carl Schnell, J.U.D., Regierungsstatthalter zu Burgdorf (bis Ende 1833)
b) Herr Ludwig Schnyder, Appellationsrichter von Sursee, (von Anfang 1834 an)

und seitens derselben als Obmann:

Herr Friedrich Ludwig Keller, J.U.D., Obergerichtspräsident von Zürich.

Das Schiedsgericht trat am 16. September 1833 in Zürich zusammen, begann seine Sitzungen am 30. September in Aarau und schloss dieselben erst im April 1835 in Bern.[4] Hier interessieren nur diejenigen Beschlüsse, welche — zufolge Antrages der Landschaft, auf das Inventar der Staatsliegenschaften die Gebäude und Fonds der Universität zu setzen — die Frage betrafen: »ob das Vermögen der Universität in die Theilung gezogen werden solle oder nicht?«

Schon am 9. November 1833 erging der Obmannsspruch:

 1) Es gehöre das Universitätsgut zu dem in Theilung fallenden Staatsvermögen;

 2) Sei das Inventar desselben von Basel-Stadt vorzulegen.

Dieser Entscheid rief natürlich grosse Bestürzung hervor und fand namentlich in juristischen Kreisen scharfe Kritik.[5] Dem Entscheide sich fügend, legte der Stadttheil am 6. Januar 1834 das »Inventarium über das der Universität angehörige und unter ihrer Verwaltung stehende Vermögen« zur Mittheilung an die Landschaft vor, welche zwar einige Punkte bemängelte, auf erhaltene Auskunft aber diese Bemängelung fallen liess.

Für die Vertretung der Rechte der Universität Namens des Standes Basel-Stadttheil bei den Verhandlungen beschloss man Zuziehung des Hofgerichtsadvokaten Bertheau von Mannheim und bestellte zur Schätzung des Universitätsvermögens Sachverständige.

Die vom Obmann für die von beiden Theilen ernannten Sachverständigen entworfene Instruktion war für Basel-Stadt und die Universität durchaus günstig.

In der Sitzung vom 14. April 1834 wurde bei getheilten Stimmen der Schiedsrichter durch Entscheid des Obmanns anerkannt, »dass auf dem Universitätsgut zu Gunsten der Stadt Basel die Beschwerde des Ausschlusses solcher Verfügungen über dasselbe hafte, in Folge welcher für ihr Bedürfniss wissenschaftlicher Anstalten nicht mehr gesorgt sein würde,« und wurde im Urtheile vom 11. Juli festgesetzt:

dass bei den im Inventar auf Fr. 543,662.45 angegebenen akademischen Fisci wegen darauf haftender Beschwerden Fr. 120,662.45 in Abzug zu bringen seien;

dass auf den Sammlungen von Amerbach, Fäsch, Huber, d'Annone und Bernoulli die Beschwerde hafte, dass dieselben an die Oertlichkeit der Stadt Basel gebunden sind;

dass das gesammte Universitätsgut als eine untheilbare Einheit und dem Zwecke des höheren Unterrichtes bleibend gewidmet zu betrachten sei;

der Kanton Basel-Stadttheil einen billigen Anspruch habe, dass ihm auf den Fall, wenn er zur Uebernahme des gesammten Gutes als berechtigt und verpflichtet angesehen werden sollte, diesfalls eine gewisse Erleichterung, welche in der Bestimmung des Preises für das Ganze zu finden, verstattet werde.[6]

In Abänderung einzelner dieser Punkte erging am 6. August 1834 das Endurtheil dahin:

 1) es sei das gesammte Universitätsgut mit Nutzen und Beschwerden, und unter der Verpflichtung, dasselbe seiner Bestimmung getreulich zu erhalten, dem Kanton Basel-Stadttheil allein und ausschliesslich zugetheilt;

 2) es sei der durch die bisherigen Schätzungen und Urtheile ausgemittelte Gesammtwerth von Fr. 621,060, mit Hinzurechnung des in seinem Werthe noch nicht ermittelten Mobiliar-Bestandes, um 25% herabzusetzen und der sich ergebende Betrag als der definitive Preis und als die von Basel-Stadttheil einzuwertende und unmittelbar in Theilung fallende Summe festgesetzt;

 3) sei der Kanton Basel-Landschaft bei seiner Erklärung, das ihm zufallende Capital einzig für höhere wissenschaftliche Anstalten zu benutzen und zu verwenden, feierlich behaftet.

Durch Einverständniss der Parteien wurde am 12. August der Werth des Mobiliarbestandes — worunter auch Scepter und Pokale der Universität auf Antrag der Landschaft aufgenommen werden mussten — auf Fr. 1440 bestimmt.

Mit dem ganz eigenen, im November gestellten Antrage: »es möchte — da verlaute, dass Basel-Stadttheil Willens sei, die Universität aufzuheben oder einzuschränken — das Schiedsgericht die Rechte der Landschaft durch ein ferneres Urtheil so wahren, dass die Universität zu keiner Zeit von Basel-Stadttheil aufgehoben oder beschränkt werden könne, oder wenn man demselben freie Befugniss darüber einräumen wolle, der Stadttheil angehalten werden, der Landschaft, der gemachten Abzüge und der niedern Schätzung wegen, noch eine Entschädigungssumme von Fr. 256,619 herauszubezahlen,« — wurde die Landschaft einmüthig am 17. November abgewiesen; dagegen der Stadttheil auf Antrag der Landschaft angehalten, Zinsen von dem ihr zukommenden Antheil vom 18. März 1832 bis 15. December 1834 zu 4% zu entrichten.

Die Verhandlungen ergaben für das Universitätsvermögen folgende Summen:

A. Akademische Fisci (laut Urtheil) Fr. 423,000.—
B. Gebäude (laut Schatzung) » 120,060.—
C. Sammlungen (laut Schätzung) » 78,000.—
D. Scepter und Pokale Fr. 812.50 — übriges Mobiliar 627.50 = » 1,440.—
Summa Fr. 622,500.—
abzüglich 25% » 155,625.—
blieben Fr. 466,875.—
wovon nach Urtheil vom 10. Juni 1834 der Landschaft 60% gebührten, also » 298,800.—
nach Gewährung von Fr. 195 in Mobiliar blieben auszuweisen » 298,605.—
welche Summe sich durch Zinsen mit Fr. 32,846.55 erhöhte auf » 331,451.55

Dies war die Auskaufssumme, welche an die Landschaft zu entrichten war.

Wie so vielen anderen, genügte Basel-Stadt auch dieser Verpflichtung aufs Pünktlichste. Nach beendeter Vermögenstheilung konnten die in der Zwischenzeit ausgestellten Bürgschaftsinstrumente sehr bald entkräftet werden. Den muthig und hochherzig für die Interessen des Staatswesens eingetretenen Bürgern von Zürich und Basel wurde der gebührende Dank bezeugt.

Unter den vielen Aufgaben, die nunmehr rücksichtlich der Reorganisation der Staatsverwaltung zu lösen waren, war die Frage der Organisation der höheren Lehranstalten von grösster Bedeutung. Auch hier bewährte sich, was schon die Alten erkannt haben, dass im Unglück der Sporn zur Ausdauer und zu neuer Thatkraft liegt.

Unmittelbar nach Erlass des schiedsgerichtlichen Urtheils vom 6. August wurde durch Rathsbeschluss vom 13. August dem Erziehungskollegium[7] der Auftrag ertheilt, zu berathen, was nun in Hinsicht der Universität angenommen und vorgekehrt werden solle. Zu diesem Zwecke ernannte dasselbe eine Kommission.

Aber auch die Regenz musste zu den Sprüchen des Schiedsgerichts Stellung nehmen. Sie that dies, indem sie dem Amtsbürgermeister zu Handen des Grossen Rathes am 23. September eine ausführliche Protesterklärung gegen jene Sprüche überreichen liess, worin sie schliesslich, unter Anrufung der heiligsten Gefühle der Gerechtigkeit, der Wissenschafts- und Vaterlandsliebe, die Zuversicht aussprach, E.W.W. Rath werde vermöge seiner Weisheit und rechtlichen Gesinnung durch zweckdienliche Anordnungen dafür sorgen, dass das Universitätsgut nicht nur ungeschmälert und dem Zwecke des höheren Unterrichts gewidmet bleibe, sondern auch für die Zukunft eine solche rechtliche Stellung erhalte, wodurch es niemals durch irgend mögliche Wechselfälle seiner Bestimmung entrissen werden könne und wodurch auch wieder nach einer so niederschlagenden Erfahrung bei der Bürgerschaft Muth und Zutrauen geweckt würde, durch neue Stiftungen die Lehrmittel und Kräfte der Universität zu vermehren.[8]

Ebenso wurde von der Kommission des naturwissenschaftlichen Museums in einer Sitzung vom 6. Oktober eine Erklärung beschlossen, wonach fortan »alle Geschenke und Legate nur unter dem bestimmten Vorbehalte gemacht und angenommen werden sollen, dass sie unabänderlich und unveräusserlich in der Stadt Basel zu möglichst gemeinnützigem Gebrauche sollen aufgestellt bleiben, in allen Wechselfällen die Bedingung der Unentfremdbarkeit dieser Gegenstände von der Stadt Basel heilig und unverletzt gehalten werden solle, auch zur Wahrung dieser Bestimmung in keinem denkbaren Falle, weder dem Staate, zu dem die Stadt Basel jeweilen gehören wird, noch der Stadt Basel selbst irgend ein Opfer rechtmässig auferlegt werden könne, so dass folglich jede Theilung, jede Auferlegung einer Auskaufssumme, jede zu diesem Zwecke vorgenommene Schatzung der aus Schenkungen und Legaten herrührenden Bestandteile der Sammlung, sowie überhaupt jede Massregel ähnlicher Art als Raub und offenbare Gewaltthat zu betrachten wäre.«

Diese Wünsche fanden bald die gebührende Berücksichtigung.

Die Universität Basel in den fünfzig Jahren seit ihrer Reorganisation im Jahre 1835

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