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Schöpferkraft weiblicher Säugetiere und Menschen

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Eltern ursprünglicher Wirbeltiere leisten keinen anderen Aufwand, als möglichst viele Eier oder Samen zu erzeugen und diese, bei einem Treffen mit fruchtbaren Individuen des anderen Geschlechts, ins umgebende Wasser abzulassen. So wie es die meisten Fische heute noch tun. Falls eine dieser ‚mutterlosen’ Keimzellen außer dem Genom zufällig mehr Nährstoffe mitbekommt, relativ zu anderen derselben Spezies – vielleicht, weil das erzeugende Elternindividuum besonders groß oder wohlgenährt war – kann daraus der heranwachsende Nachkomme seinen anfänglichen Energiebedarf decken. Sein Start ins Leben ist von der Umgebung unabhängiger als der artgenössischer Konkurrenten. Vermehrter Aufwand von Eltern für die Ernährung ihrer Nachkommen wirkt als ein erster Schritt deren Ausbreitung qualitativ umzugestalten. Denn dadurch werden auch Eltern selektiv begünstigt, die nährstoffreichere ‚Kinder’ mit anfänglich verbesserten Überlebenschancen hervorbringen. Die Evolution der betroffenen Spezies verläuft dann in zwei Richtungen. Die biologische Wissenschaft spricht in solchen Fällen von ‚disruptiver Selektion’. Eine alternative Fortpflanzungsstrategie entsteht, bei welcher Elternindividuen selektiert werden, immer mehr Nährstoffe je Keimzelle für bessere Überlebenschancen der eigenen Nachkommen aufzuwenden.

Befruchtete Eier, Larven sowie Embryonen sind sehr verletzliche Entwicklungsstadien auf dem Weg zum artgemäß ausgereiften Erwachsenen. Je komplexer sich Organismen für vielfältige Lebensleistungen ausbilden müssen, umso länger dauert regelmäßig ihre individuelle Entwicklung vom Ei zum funktionstüchtigen Nachkommen. Umso relativ überlegener wirkt auch vermehrter Elternaufwand je Keimzelle als Fortpflanzungsstrategie.

Für die erwachsenen Hochleistungskörper der gleichwarmen Vögel und Säugetiere mit konstanter Körpertemperatur ergab sich bei allen Spezies für jeden einzelnen Nachkommen ein umfangreicher elterlicher Aufwand - sehr große Eier oder lebend geborene Junge. In diesen beiden Stämmen des Tierreichs puffert zusätzlich ausgedehnte Brutpflege schädliche Umwelteinflüsse auf eigene Nachkommen ab, bis die Heranwachsenden sich selbst schützen können. Elternkörper sind dabei auf vielfältige Weise einbezogen: Die befruchteten Eier werden in Erd- oder Baumnester gelegt und je nach den Bedürfnissen der Spezies mit Wärmezufuhr, Feuchtigkeit oder Hitzeschutz versorgt – auch von Vätern. Wenn Eier nach erfolgter Befruchtung in Körperfalten herumgetragen werden oder im Eileiter bleiben, sind sie in ihren empfindlichsten Entwicklungsstadien vor allen Unzuträglichkeiten der Welt abgeschirmt. Die höchstentwickelten Gattungen mit sehr langsam reifenden Körpern kümmern sich auch noch um ausgeschlüpfte oder lebendgeborene Tierkinder. Für eine bestimmte Zeitspanne werden diese von ihren Eltern gefüttert, gewärmt und gesäubert sowie gegen Gefahren aus der Umwelt beschützt. Erst wenn die Jungen ihre Körper und Fähigkeiten artgemäß ausgebildet haben, enden alle Elterninvestitionen.

Brutpflege wird in der biologischen Terminologie auf die Pflege von gelegten Eiern und zur Welt gebrachten Jungtieren beschränkt. Da die Übergänge von Ei- und Nachkommenpflege aber fließend sind, auch sowohl innerhalb wie außerhalb von Elternkörpern stattfinden - überall im Tierreich, doch insbesondere bei lebendgebärenden Spezies - umfasst der im Folgenden verwendete Brutpflegebegriff sämtliche Leistungen erwachsener Artgenossen an Keimzellen und lebenden Jungen.

Wenn Eltern ihren Aufwand je Keimzelle vergrößern, um die Überlebenschancen eigener Nachkommen zu verbessern, muss die Anzahl ihrer befruchteten Eier abnehmen, da Energiereserven und Lebenszeit jedem Individuum materielle Grenzen setzen. Bei den Gleichwarmen ergibt sich infolgedessen regelmäßig weniger Nachwuchs, denn Nährstoffkalorien und Pflegeleistungen verteilen sich effizienter, indem die Größe eines Geleges oder eines Wurfs von Neugeborenen den elterlichen Kräften zur Aufzucht der Jungen angepasst wird. Daher sind gleichwarme Vögel und Säugetiere durchweg selektiert worden relativ geringe Anzahlen von Nachkommen pro Erwachsenen zu erzeugen. Nicht Abermillionen wie wechselwarme Fische und Lurche, sondern nur einige Hundert oder Tausend.

Zur Brutpflege kann jeder Elternteil natürlich selektiert werden, welcher bei seinem Gelege oder auch neugeborenen Jungen anwesend ist – egal von welchem Geschlecht dies schützende, fütternde, wärmende Elterntier etwa ist. Meist indem sich einfach die Zeit verlängert, in welcher die Eltern mit ihren Nachkommen zusammenbleiben. Das geschieht oft, wenn ein Tier sein Revier verteidigt und darin abgelegte Eier automatisch mit. Solchermaßen vor Fressfeinden sichere Eier oder Jungtiere können deutlich begünstigt sein gegenüber unbeschützten und damit neue Standards für die Konkurrenz unter Artgenossen setzen. Weil bei vielen Fischen und Amphibien (Lurchen inkl. Frösche) die Männchen Reviere halten, trifft eine Selektion dieser Spezies zu vermehrter Brutpflege gehäuft Väter. Territoriale Eltern, die bei ihren besamten Eiern anwesend sind, können ihre Gene durch relativ mehr überlebende Nachkommen verstärkt ausbreiten, wenn sie das eigene Gelege schützen, zusätzlich putzen, also von Parasiten reinigen, dann noch herumtragen, um wärmere, sicherere, allgemein günstigere Orte aufzusuchen, schließlich lebende Junge versorgen, verteidigen, belehren. Weibliche und männliche Tiere verschiedenster Gattungen sind oftmals natürlich selektiert worden solche Brutpflege zu leisten.

Ein großes Ei – relativ zum mütterlichen Körpergewicht gerechnet – bedeutet einen schwer zu ersetzenden Aufwand an Energien aus dem Stoffwechsel. Die fehlgeschlagene Befruchtung eines der zahlreichen kleinen Fischeier bedeutet für beide Geschlechter keinen wesentlichen Verlust. Aber bei einer Vogelmutter, die aus ihren Nahrungsreserven nur wenige Eier pro Jahr herstellen kann, ist jede misslungene Besamung ziemlich viel verlorener Elternaufwand. Da innere Befruchtung im weiblichen Körper wesentlich höhere Befruchtungssicherheit bietet als Ablaichen nach außen, wurde dies technisch effizientere Verfahren der Keimzellenvereinigung begünstigt durch natürliche Selektion. Je größer die artgemäßen Eier im Wettbewerb vermehrter Nährstoffbeigaben der Mütter stammesgeschichtlich selektiert wurden, umso mehr wirken sie als Voranpassung für eine Selektion zusätzlicher Brutpflegeorgane im weiblichen Elternkörper.

Die Ausbreitung der Reptilien (Kriechtiere) – also Eidechsen, Schlangen, Dinosaurier – auf dem Trockenen fester Kontinente, machte innere Befruchtung unverzichtbar für jede Keimzellenvereinigung. Denn der Natur der Sache nach, müssen zwei hoch empfindliche Eiweißgallerte örtlich zusammengebracht werden, um miteinander zu verschmelzen. Getrocknetes Eiweiß lebt nicht weiter, sodass Eier und Samen schon aus biotechnischen Gründen ständig feucht gehalten werden müssen. An der Luft kommt noch ein Temperaturproblem hinzu: in der Sonne gebratenes Eiweiß bleibt nicht lebensfähig und gefrorenes nur selten. All diese Risikofaktoren bewirken bei landlebenden Tieren eine verbesserte Umwelteignung von Eltern, die ihre großen Eier solange im eigenen Körper heranwachsen lassen, bis sie irgendwelche Schutzvorrichtungen ausgebildet haben. Vögel erzeugen die allbekannten Kalkschalen, bei Reptilien sind Ei-Hüllen auch pergamentartige und mehr oder weniger fertiger Jungtiere kommen zur Welt.

In Abstammungslinien, wo lebend gebärende Spezies naturhistorisch entstanden sind, gibt es meist eine Entwicklungsreihe mit mehreren Zwischenstufen:

• direkte Ablage der befruchteten Eier in warme, geschützte Nester;

• längeres Herumtragen sexuell vereinigter Keimzellen im Eileiter, sodass Embryonen sich entweder noch im Ei weiter entwickeln oder als Larven zur Welt kommen;

• schließlich echte Lebendgeburt fertiger Jungtiere, mit artgemäßen Schutzhüllen – Schuppen, Federn, Fell – und Bewegungsorganen.

Fast alle Formen halber und ganzer Lebendgeburten haben sich im Anschluss an innere Befruchtung entwickelt. Auch hier gilt: natürliche Selektion für vermehrte Brutpflege nutzt und verändert immer nur anwesende Eltern, die mit ihren befruchteten Keimzellen zusammenbleiben. So können wechselwarme Schlangenmütter ihren Nachkommen einen besseren Start ermöglichen, wenn sie die Eier bis zur Schlüpfreife im Körper behalten und jeweils zu den sonnigen Plätzchen tragen, wo auch in kälteren Klimazonen geeignete Temperaturen herrschen. Die nordeuropäische Kreuzotter wurde auf diese Weise zu einer lebendgebärenden Spezies selektiert, während nahe Verwandte wärmerer Regionen ihre Eier zum Ausbrüten durch Sonnenschein im Sand ablegen, wie die meisten Reptilien.

Generell entsteht echte Lebendgeburt, wenn Eier nach der Befruchtung nicht abgelegt, sondern eine Zeit lang im Eileiter herumgetragen werden: bis die Entwicklung von Embryonen artgemäß abgeschlossen ist und Jungtiere daraus geworden sind. Oft fertige Miniaturausgaben ihrer Spezies. Eine solche Evolution zu vermehrter Brutpflege-je-Nachkomme innerhalb eines Elternkörpers, hat sich unter Wirbeltieren etliche Male ereignet. In allen Abstammungslinien mit Ausnahme der Vögel. Zweifellos behindert Schwangerschaft das Fliegen!

Im Zusammenhang mit Anpassungen für einen Lebenszyklus ohne Gewässer, entstand das ‚Amnion-Ei’ der Reptilien: Eine feuchte Kammer um jeden Keim herum, ein klitzekleines Aquarium mit Nahrungsvorrat und fester aber durchlässiger Außenhaut. Jeder kennt es eigentlich vom Hühnerei: In einer wässrigen Eiweißgallerte schwimmt der Keim; ein großes Dotter ernährt den Embryo während der Brutzeit; drum herum hält eine Blase aus durchscheinender Haut alles zusammen. Diese Außenhaut ist halbdurchlässig und mit Kalk beschichtet. Das macht Eier formstabil und schützt das zähflüssige Innere gegen Austrocknen. Der Wirbeltierforscher Alfred Romer hat dieses – für die Landtiere – bahnbrechende Brutpflegeteil in seinen einzelnen Funktionen beschrieben: „Während der Entwicklung des Embryos bilden sich um ihn herum eine Reihe außerordentlich nützlicher Hüllen. Der Embryo eines Amphibiums entwickelt sich im Wasser; im Reptilienei umschließt [ihn] das Amnion, eine mit Wasser gefüllte Haut ... Die Niere beginnt bereits beim heranwachsenden Embryo zu funktionieren, und eine weitere Membran, die Allantois, bildet eine sackartige provisorische Blase, sodass innerhalb der Eierschale alle Abfälle beseitigt werden können. Ein Embryo muss atmen; die Allantois dehnt sich aus, legt sich an die poröse Schale an, und ihre Oberfläche wirkt als embryonale Lunge.“

Aufwändig und kompliziert, wie Amnion-Eier sind, bedeutet jedes einen viel größeren weiblichen Elternaufwand als der männliche Spermienerguss dieser Gattungen. Innere Befruchtung, die Verlustrisiken deutlich mindert, findet daher generell in weiblichen Körpern statt. Eine natürliche Selektion zu verlängerten Tragzeiten und Lebendgeburten unter Reptilien setzt dann durchweg bei den Müttern an. Wenn Väter gleich nach ihrer Samenabgabe verschwinden, kann keine selektive Begünstigung ihrer Nachkommen durch vermehrte Brutpflege auf sie einwirken. So entstanden infolge innerer Befruchtung durch natürliche Selektion auch zusätzliche Nährorgane im weiblichen Geschlecht einiger Reptilien und davon abstammenden Säugetieren.

Diese unterschiedliche Evolution von mütterlichen und väterlichen Elternkörpern landlebender Tiere veränderte die Abflüsse von Keimzellen aus dem Inneren der Leibeshöhle. Für das weibliche Geschlecht aller Vierfüßer gibt es seit den Amphibien einen neu entstandenen Eileiter. Nach seinem Entdecker ‚Müllerscher Gang’ genannt. Dieser bildet sich durch eine Spaltung des primären Harnleiters, wobei sein bewimperter Trichter aus Zellen der Vorniere erwächst. Aus dem einfachen Schlauch, der die weiblichen Eier einer Fröschin aus dem Körperinneren nach außen ablässt, entwickelte sich bei den Reptilien ein kompliziertes Brutpflegeorgan: In seinem mittleren Abschnitt entstanden im Laufe ihrer Stammesgeschichte und bei den weiter entwickelten Warmblütern verschiedene Drüsen – entsprechend den jeweiligen Umweltanforderungen. Eiweiße und Gallerte können abgesondert werden, bei einigen Reptilien und allen Vogelarten auch die Kalkschalen zur Umhüllung ihrer Eier. In der Säugetierevolution bildete sich aus diesem Teil des Müllerschen Ganges eine Gebärmutter – anfangs ohne, später mit Nährorgan genannt Plazenta, mehr oder weniger leistungsfähig, angepasst der artgemäß notwendigen Brutpflege.

Die Leitungen zum Abfluss männlicher Keimzellen sind in der Wirbeltierevolution weniger umgestaltet worden: Spermien fließen bei den Amphibien direkt über die Nierenkanäle nach außen ab; bei den Reptilien, Vögeln und Säugern bildet sich die Niere als eigenes abgetrenntes Organ aus und der Urnierengang wurde zum reinen Samenleiter. Dieser sogenannte ‚Wolffsche Gang’ blieb auch bei Säugetieren und Menschen ziemlich unverändert – ohne irgendein Organ für Brutpflege.

Innerliche Befruchtung musste nicht unbedingt zur Konzentration sämtlicher Brutpflegeorgane im weiblichen Geschlecht führen. Es hätte naturhistorisch auch anders kommen können. Was sich am Beispiel der ebenfalls warmblütigen und äußerst brutpflegebedürftigen Vögel aufzeigen lässt: Zwei Drüsen am Hals männlicher Tauben können ‘Kropfmilch’ geben. Sie sondern eine eiweißhaltige Flüssigkeit ab, mit der Taubenväter ihre aus Eiern geschlüpften Jungen füttern. Männliche Milchdrüsen hätten theoretisch für die Klasse Säugetiere ebenfalls im Bereich des biologisch Möglichen gelegen – auch noch nach der Evolution innerer Befruchtung und Lebendgeburt. Doch so wie die Naturgeschichte tatsächlich verlief, haben sie sich einfach nicht verwirklicht. Martin Daly kommt in seiner faszinierenden Untersuchung darüber, warum männliche Säugetiere keine Milch geben – betitelt: ‘Why male mammals don’t lactate’ – zu dem Schluss: die männlichen Individuen der ursprünglichen Säugetierarten seien nicht sehr territorial gewesen und waren deshalb nicht anwesend, wenn ihre Jungen geboren wurden. Er findet keine körperliche Begründung für die fehlende Milchbildung männlicher Brustdrüsen:

- Viele Säugetiere haben kaum vorpubertäre Geschlechtsunterschiede an Milchgängen, Drüsengewebe und Zitzen. Erwiesen für Affen und Hundeartige sowie junge Ratten vor ihrem 30. Lebenstag. Auch bei Kindern ist die Menge und Gewebestruktur der Milchdrüsen, vor ihrer Pubertät, in beiden Geschlechtern annähernd gleich.

- In männlichen Säugetierkörpern kommen sämtliche bekannten Botenstoffe für die weibliche Milchbildung ebenfalls vor: Prolaktin, Cortikosteroide, Wachstumshormone. Mit geringerer Bedeutung außerdem: Insulin, Thyraxin und Parathormon.

- Milchfluss lässt sich bei etlichen Säugetierarten durch Hormongaben im Experiment auslösen. Als Nebenwirkung hormoneller Therapien von Hodenkrebs ist eine künstlich veranlasste Milchabsonderungen für erwachsene Männer bewiesen.

- Männliche und weibliche Sexualhormone sind so weitgehend ähnlich in ihrer molekularen Struktur, dass sich in einzelnen Geweben deren Umwandlung vom einen ins andere entwickeln könnte: Androgene in Östrogene beispielsweise für die Brustdrüsen. Solche Umbauvorgänge gibt es in manchen besonderen Zellen tatsächlich sowie im männlichen Körper während der Wechseljahre.

- Eine Berührungsempfindlichkeit haben männliche Zitzen genauso wie weibliche und es ergibt sich auch eine Ausschüttung von Prolaktin bei ihrer Stimulation. Somit könnte männliche Milchabsonderung durch den gleichen Mechanismus aufrechterhalten werden wie weibliche: Saugen und Berührungen von einem Babymund.

Martin Daly schlussfolgert aus alldem, dass männliche Laktation bei Säugetieren nicht wegen fehlender organischer Voraussetzungen unentwickelt geblieben ist, sondern weil ihre stammesgeschichtliche Umwelt – die physikalische ebenso wie die soziale – eine stärkere Ausbildung väterlicher Nährorgane niemals sehr begünstigt hat. Stillende Väter seien ‘Non-Starter’ unter den Lebensbedingungen aller heute bekannten Säugetierarten und ihrer direkten Vorfahren unter den eierlegenden, milchgebenden Schnabeltieren.

Diese ursprünglichste noch lebende Säugetierspezies ähnelt in mancher Hinsicht Reptilien. Ihre Mütter legen Eier und ernähren geschlüpfte Jungtiere mit einer Milch, die einfach aus ihrem Bauchfell tropft. Bei den Schnabeltieren steht an jeder Drüsenöffnung ein steifes Haar, an dem entlang die Milch ausläuft. Ihre frisch ausgeschlüpften Jungtiere ernähren sich, indem sie die Milchtropfen von den Borsten ablecken. Für die natürliche Entstehung solch einfacher Milchdrüsen gibt es eine durch Fossilienfunde gut belegte Hypothese: Die Schweißdrüsen bestimmter Reptilienspezies, sogenannter ‚Therapsiden’, sind demnach die stammesgeschichtlichen Vorläufer weiblicher Brüste. Während der Zeit des Eierlegens vergrößerten sich diese Schweißdrüsen und sonderten ihre Flüssigkeit ab, um die Eier feucht zu halten, möglicherweise auch die später ausgeschlüpften Jungen. Diese haben das Sekret wahrscheinlich aufgeleckt, sodass es sie tränken und nähren konnte. Der anfangs empfindliche Nachwuchs dieser Eltern wurde damit etwas unabhängiger gegenüber selektierenden Umweltfaktoren, insbesondere Dürreperioden und Nahrungsmangel. Milchdrüsen gingen stammesgeschichtlich also aus echten Hautdrüsen hervor, die sich im Laufe der Säugetierevolution in größeren Gruppen auf einem gemeinsamen Drüsenfeld sammelten. Frauen haben zwölf bis fünfzehn in jeder Brust.

Bei echten Säugetieren sind, entlang einem embryonalen Milchstreifen, der bäuchlings auf beiden Seiten zwischen Vorder- und Hinterbeinen verläuft, haarfreie Zitzen entstanden zum effizienteren Absaugen der Drüsenflüssigkeit. Die Evolution körperlich großer Spezies, mit nur einem oder zwei Jungtieren je Wurf, verminderte die Anzahl der Zitzen auf wenige Paare: bei Kühen und Ziegen auf die beiden Hinteren, bei Primaten auf das Vorderste, brustständige.

Wobei die Säugetierväter – nach Dalys Hypothese – gänzlich leer ausgingen, weil sie von Anfang an selektiert wurden ihre Nachkommenausbreitung auf eine Weise zu verfolgen, die vermehrter Brutpflege entgegen steht: durch Rivalenkämpfe oder die ständige Suche nach weiteren Gelegenheiten zu fruchtbaren Kopulationen. Dabei verschärft sich auch die Konkurrenz innerhalb des männlichen Geschlechts und der individuelle Aufwand für Kampf, Kraftentfaltung und sexuelle Reize. Härterer Wettbewerb um möglichst viele Paarungserfolge je Lebenszeit verstärkt immer die Wirkungen sexueller Selektion, von weiblicher Wahl und / oder dem Kampfgesetz. Für väterliche Möglichkeiten zur Brutpflege bedeutet Verschärfung innerartlicher Konkurrenz um fruchtbare Paarungen unter männlichen Artgenossen körperliche und lebenszeitliche Beschränkungen. Daraus folgte naturhistorisch eine ungleiche Verteilung artgemäßer Brutpflegeorgane auf die beiden Geschlechter sowie die Sexchromosomen- Evolution. Diese determinieren genetisch bei jedem Säugetier einen weiblichen oder männlichen Körper fürs ganze Leben.

Die allermeisten männlichen Säugetiere sind infolgedessen für die Fortpflanzung der Spezies überflüssig, ‚Surplus-males’ wie solche Individuen auf Englisch genannt werden. Sie erreichen aufgrund drastisch verschärfter Konkurrenz und tödlicher Rivalität unter Artgenossen niemals eine fruchtbare Kopulation. Das individuelle Leben verbringt und verliert dieser Männer-Überschuss in gewaltsamen Kämpfen um Reviere oder Rangerhöhung im Sozialverband. Wobei es letzten Endes um sexuelle Chancen bei fruchtbaren Artgenossinnen geht, welche allein das Überleben ihrer Erbanlagen bewirken können. Beispiele vom Platzhirsch über Leithengste bis zu Rinderherden mit nur einem erwachsenen Bullen sind allgemein bekannt.

Warum beim männlichen Geschlecht aller Säugtiere keinerlei Nährorgane im Erwachsenenkörper vorkommen, lässt sich zwar biologisch erklären, erscheint aber trotzdem nicht wirklich zweckmäßig – weder im Artinteresse die maximale Anzahl von Nachkommen hervorzubringen, noch für den Eigennutz menschlicher Individuen zu überleben und sich genetisch auszubreiten. Möglichkeiten zur Säuglingsernährung von beiden Eltern, wie es sie für manche Vögel und Fische gibt, wäre bei der ungewöhnlich brutpflegeintensiven Fortpflanzung des Homo sapiens zweifellos günstiger für Darwins ‚offspring propagation’ nach den Gesetzen natürlicher Selektion. Auch der fundamentale Geschlechterkampf, um elterliche Fürsorge, Überflüssigkeit vieler Männer und die Kinderzahl einer Frau, würde dadurch wesentlich entschärft.

Das geflügelte Wort aus dem angelsächsischen Kulturkreis: ‘Du kannst machen, was du willst, du bekommst keine Milch beim Ziegenbock’, illustriert sehr schön, dass – jenseits aller psychosozialen Konstruktion der Geschlechter – lebenswichtige Unterschiede existieren, zwischen männlichen und weiblichen Individuen der Säugetiere. Neue Zicklein wachsen auch nicht im Ziegenbock. Drei weibliche Brutpflegeorgane – Gebärmutter, Plazenta und Milchdrüsen – ermöglichen Nachkommen herumzutragen und zu nähren. Innerhalb sowie außerhalb des mütterlichen Körpers, mehr oder weniger ausgiebig, je nach den Bedürfnissen von Keimzellen und Jungen der betreffenden Spezies.

Jetztmenschen gehören ebenfalls zur Klasse Säugetiere (Mammalia), deren spezielle Brutpflegeorgane allein in weiblichen Körpern zur Funktionsreife heranwachsen. In männlichen sind sie zwar angelegt, werden aber nicht funktionstüchtig ausgebildet, sondern bis zur körperlichen Reife abgebaut. Wie am tatsächlichen Verlauf der Stammesgeschichte aufgezeigt, häufte die Evolution zu höheren Säugetieren (Eutherien) sämtliche Brutpflegeorgane im weiblichen Geschlecht an. Das männliche Geschlecht dieser Abstammungslinien wurde als Besonderheit unter höheren Wirbeltieren mit keinem einzigen Nährorgan für den Nachwuchs begabt. Natürlich frei davon! Diese ungleiche Verteilung der körperlichen Befähigung Nachkommen hervorzubringen ist für sämtliche Spezies dieser ganzen Tierklasse eine biologische Notwendigkeit.

Gleichheit von Artgenossen ist kein Zweck natürlicher Selektion. Es geht in jeder Generation ums Überleben, der am besten für ihre jeweilige Umwelt geeigneten Einzellebewesen und letztendlich um Erhalt sowie Ausbreitung ihrer Gene für eine Zukunft der Spezies. Die jeweiligen erblichen Eigenschaften eines Individuums müssen – bei Strafe der Vernichtung – mitsamt den artgemäßen Genen in lebendige Körper einer Folgegeneration übertragen werden. Das kann natürlich sowohl asexuell (mitotisch) durch einfache Zellteilungen geschehen, als auch sexuell (meiotisch) mit Reduktionsteilung der Chromosomen und Kombination von Genen zweier Artgenossen. Spezies mit Sexchromosomen sind biologisch notwendig auf sexuelle Fortpflanzung, mitsamt ihrer genetischen Kombination zweier Artgenossen, eingeschränkt

Menschen haben nährende, zusätzliche Elterninvestitionen je Nachkommen als urweiblich wahrgenommen. Bis heute wird das gesamte weibliche Geschlecht darüber definiert: Alle relativ größeren Keimzellen jedweder Spezies werden in biologischen Beschreibungen stets 'Eier' genannt und ihre Erzeuger gelten immer als 'weiblich'. Wodurch Geschlecht mit Brutpflege vermengt worden ist – auch in der wissenschaftlichen Begriffsbildung – und Weiblichkeit gleichgesetzt wurde mit nähren, elterlicher Fürsorge, Muttern. Es gab immer und gibt auch heute noch eine Fülle von weiblichen Tieren, die kaum Brutpflege treiben, ihre Nachkommen also überhaupt nicht bemuttern – die meisten Fischweibchen beispielsweise. Gar nicht so selten tun das ihre männlichen Artgenossen. Auch bei Amphibien, etlichen Lurchen und Fröschen haben sich im männlichen Geschlecht allerlei Nährorgane und Brutbeutel entwickelt. Doch als die Biologen erkannten, dass es sich bei diesen ausgiebig Brutpflege leistenden Tieren um Väter handelt, gehörte weibliches Muttern schon einige tausend Jahre lang zum selbstverständlichen Konzept kultivierter Ideen über die Geschlechter. Die wissenschaftliche Terminologie setzte noch eins drauf und spricht bei den fürsorglichen Vätern und kämpfenden Müttern der Fische und Vögel von ‘sexroll reversed species’, auf deutsch: Spezies mit umgekehrten Geschlechtsrollen. Was die Bergriffsverwirrung komplett macht, da in den Sozialwissenschaften eine ‘Rolle’ gerade jene Eigenschaften und Verhaltensweisen bezeichnet, die erworben sind – eben nicht ererbt über Gene.

Von Natur ist ein direkter Zusammenhang sexueller Weiblichkeit mit Nachkommenfürsorge nicht biologisch notwendig. Die Evolution zu besonderen Brutpflegebedürfnissen echter Säugetiere schuf eine Ausnahme in dieser Hinsicht.

So wie die Stammesgeschichte der Säugetiere tatsächlich verlaufen ist, häuften die kombinierten Wirkungen natürlicher und sexueller Selektion sämtliche Organe zur Brutpflege im weiblichen Geschlecht an, sodass sich gerade für diese Tierklasse, woraus der Jetztmensch hervorging, eine generative Schöpferkraft weiblicher Körper ergibt. Die kreativen Potenzen von Frauen und Männern sind infolgedessen ungleich: Über die allgemein menschlichen Schöpfungen von Kopf und Hand hinaus, können weibliche Menschen mittels ihrer Gebärmutter, Plazenta und Milchdrüsen zusätzlich Kleinkinder hervorbringen, neue Menschen der nächsten Generation. Zukünftige Arbeitskräfte. – Allerdings nicht sehr viele und immer nur genetisch ähnliche, Neukombinationen ihrer eigenen familiär ererbten Eigenschaften. Das bedeutet einerseits doppelte kreative Chancen für die Frau, andererseits doppelte Gefahr sich zu überfordern und zu verzetteln. Worin wohl eine besondere weibliche Weisheit wurzeln könnte, denn weise Beschränkung auf das Wesentliche wäre an etlichen Stellen ihrer Lebenswege vonnöten, zum Wohle der Menschheit ebenso wie dem eigenen.

Doch Frauen sind auch nur Menschen und suchen Erfolg auf derzeit übliche Weise. So steckt heutzutage eigentlich die gesamte zivilisierte Weiblichkeit in einem Dilemma zwischen den Anforderungen von Ausbildung, Berufskarriere, Erwerbstätigkeit einerseits und andererseits Kinderwünschen, Partnersuche, Schwangerschaftsrisiken, Stillwonnen, schließlich Haus- und Erziehungsarbeit. Eine Professorin für Sozialwissenschaften mit zwei Kindern hat diesen Grundkonflikt jeder beruflich sehr engagierten Frau anschaulich beschrieben: „Wollte sie die Belange des Kinderversorgens schmälern, schmälerte sie zugleich die Belange ihrer eigenen Bedürfnisse, deren Befriedigung sie sich doch so sehr erhofft hatte. Schmälerte sie die Belange ihrer beruflichen Karriere, dann schmälerte sie damit die Bereitschaft aller Personen, die ihr bislang Anerkennung und Reputation gezollt hatten, sie weiterhin als vollgültige vollwertige Frau mit Beruf zu betrachten. Sie schmälerte auch so die Belange ihrer Bedürfnisse, nämlich derjenigen, die über ihre berufliche Identität auch persönliche Identität gestiftet hatten.“

Solche mütterliche Zerrissenheit ist das Resultat einer halben Frauenbefreiung lediglich vom biologischen Fruchtbarkeitszwang. Sichere und massenhaft verfügbare Techniken zur Geburtenkontrolle, die Kultur zuverlässiger Verhütungsmittel in weiblicher Hand ergab sowohl sexuelle Freiheit, als auch die Wahl ‘ob Kinder oder keine’. Dieses neue Geschlechterverhältnis postmoderner Industriegesellschaften charakterisiert die Sozialwissenschaftlerin Evelyn Sullerot so: „An die Stelle der Philosophie der Einwilligung (mit deren negativer Form, der ohnmächtigen Revolte) konnte die Frau eine Philosophie der Wahl, der bewussten Entscheidung, der Eigenverantwortlichkeit setzen.“ Kulturelle Entkoppelung von Sexualität und Fruchtbarkeit eröffnet der Frau zusätzliche Möglichkeiten über ihren eigenen Körper zu verfügen, ihr mütterliches Engagement zu planen: wann und vor allem mit wem. Sie kann dafür als freie Vertragspartnerin Bündnisse schließen – selbständig und in eigener Verantwortung.


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