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Das Leben mit liebevollen Augen betrachten
ОглавлениеIn diesem unübersichtlichen, sorgenvollen Leben sind wir manchmal nicht mehr Herr unserer selbst. Manchmal werden wir von Schwierigkeiten, Trübsinn, Wut, Angst oder Unzufriedenheit davongetragen. Wenn diese emotionalen Energien an uns zerren, dann sind wir nicht mehr wir selbst.
Ich unterrichte das Dharma [die Lehre des Buddha] an vielen Orten, ich komme mit vielen verschiedenen Menschen aus unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft in Kontakt. Von Inhaftierten in einem Gefängnis über Menschen des Bürgertums, Angestellte und erfolgreiche Unternehmer bis hin zu Politikern… jeder von ihnen hat den gleichen grundlegenden Wunsch: Glücklich und friedlich leben zu können. Welches Ziel auch immer sie verfolgen, sie hoffen alle, dass sie nach Erreichung dieses Ziels glücklich und zufrieden sind. Wenn sie jedoch erreicht haben, was sie wollten, dann empfinden sie oft lediglich eine kurzfristige Befriedigung. Sie werden nicht wirklich glücklich, und häufig erleben sie parallel zu dieser Befriedigung eine gewisse Energie der Unruhe in sich.
Wenn ich mit den Menschen in Kontakt trete, schaue ich ihnen in die Augen. Oftmals sehe ich, dass in ihren Augen nicht mehr viel Aufrichtigkeit, Reinheit, Licht und Liebe zu erkennen ist. Stattdessen sehe ich Sorgen, Wut, Feindseligkeit, Unsicherheit und Zweifel.
Ein altes vietnamesisches Sprichwort lautet: „Die Augen sind das Fenster zur Seele“. Aus meiner Sicht ist das absolut wahr. In den Augen spiegeln sich alle unsere Gedanken, Wünsche und Gefühle wie z.B. Angst, Zorn, Trauer, Kummer, aber auch Freude und Vergnügen. Sogar unsere Pläne, die wir in der Zukunft verwirklichen wollen, sind in unseren Augen zu sehen. Doch wie können wir all diese Dinge in den Augen anderer Menschen erkennen? Wenn unser Geist vollkommen still und friedlich ist, dann werden wir allmählich ganz von alleine diese Dinge sehen können. Alle Zen-Meister, alle Menschen, die die wahre, reine Natur ihres Selbst in ihrem Inneren erkannt haben und vollkommen präsent in diesem wahren Selbst verweilen, strahlen ganz von alleine das Licht der Weisheit und die Energie des Friedens aus. Das ist deshalb möglich, weil diese Energien der Weisheit und des Friedens kontinuierlich in ihrem Inneren strömen. Wenn wir in der Nähe eines solchen Zen-Meisters sind, fühlen wir uns friedlich, wir empfinden Liebe und Empathie in unserem Herzen. Ein Zen-Meister kann sehr viele Dinge in unserem Inneren und in unseren Augen erkennen, in dem Fenster zu unserer Seele. Doch wir brauchen uns deshalb nicht zu sorgen, denn er richtet seinen Blick auf uns stets mit Liebe und Nachsicht.
Die wahre, reine Natur des Selbst gibt es nicht nur in einem Zen-Meister, sondern in jedem von uns. Um diese wahre, reine Natur des Selbst in uns zu erkennen, um die Liebe und das Verstehen in uns zu nähren, müssen wir stets in der Wirklichkeit verweilen, die gerade in diesem Moment geschieht. Um uns dieser Wirklichkeit bewusst zu sein, müssen unser Körper und Geist eins sein. Wo immer der Körper ist, muss der Geist sich ebenfalls aufhalten.
Außerdem müssen wir üben, das Leben in all seinen Facetten mit den Augen der Liebe zu betrachten. Wenn wir, während wir von negativen Emotionen beherrscht werden, immer noch in der Lage sind, unseren liebevollen Blick beizubehalten, dann werden wir dadurch eine große Transformation erleben. Mit liebevollen Augen auf das Leben zu schauen wird uns viel Frieden und Befreiung bescheren.
Das Leben mit liebevollen Augen zu betrachten
Wird unser Leid vertreiben.
Mitgefühl und Weisheit werden wachsen
Und der Frieden wird zur Wirklichkeit.