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Kapitel 6 Die Mühlsteine
Оглавление„Hallo, Ched“, sagte Biola, als sich alle Bewohner des Mäuseschlosses nach der Knabberstunde in der Eingangshalle trafen.
„Hi, Biola“, antwortete Ched und lächelte. Dann flüsterte er: „Ich freue mich schon auf unseren Ausflug heute Nacht!“
„Und ich erst!“, raunte Biola zurück. Sie war guter Laune, wenn sie an den Ausflug dachte. „Das wird aufregend!“, wisperte sie. Dann wurde sie von Großvater Mascarpones lauter Stimme unterbrochen. Er sprach wie immer in getragenem, staatsmännischem Ton zu den versammelten Mäusen: „Bevor wir nach unten gehen, um die Tribute der Menschen einzusammeln, möchte ich die Gelegenheit nutzen und einige Worte sagen: Es ist Sommer, und die Tribute sind zahlreich vorhanden. Wir leben im Überfluss, aber wird das auch immer so bleiben? Nein! Es werden schlechte Zeiten kommen! Zeiten der Not und Entbehrung! Zeiten des Hungers und … und … des Magenknurrens! Darum wollen wir heute für den Winter sammeln. Jeder sammelt nicht nur für heute und morgen. Wir alle wollen gemeinsam unsere Kornkammer füllen für die schlechten Zeiten. Und mehr noch: Wer dabei besonders fleißig ist, den werden wir ehren. Ich werde abzählen, wie viele Körner jeder bringt, und wer das meiste Getreide sammelt, dem verleihen wir morgen den großen Mäuseverdienstorden des Weißen Schlosses mit silbernem Stern aus Schokoladenfolie!“
„Bravo!“, riefen einige Mäuse. Koriander fühlte die kleine Pfote von Ricotta auf seinem Rücken ruhen und seufzte. Biola und Ched aber hatten gar nicht zugehört. Sie waren abgelenkt. Biola hatte bemerkt, dass Onkel Gorgonzolo bei der Versammlung fehlte. Und jetzt sah sie auch, wo er war.
„He, Ched! Schau mal. An der Treppe.“
„Das ist ja dein Onkel! Was trägt er denn da? Eine seiner Erfindungen?“
„Vielleicht. Scheint wieder eine Maschine zu sein. Aber wofür?“
„Seltsam“, meinte Ched. „Er verhält sich, als hätte er etwas zu verbergen. Warum wartet er nicht, bis die Versammlung zu Ende ist, mit dem, was er vorhat? Und was hat er eigentlich vor?“
Mascarpone sprach noch einige Zeit weiter. Endlich aber gab er das Signal zum Aufbruch. Er selbst setzte sich an die Tür des Mäuseschlosses, wo er die Körner zählen wollte, die von den Mäusen nach Hause gebracht wurden. Biola und Ched indessen folgten den Mäusen, die jetzt alle das Schloss verließen. Die meisten sprangen die hölzerne Treppe Stufe für Stufe hinunter zu den Kornsäcken. Man brauchte sich dabei nicht vorsehen. Um diese Zeit war niemand in der Mühle, sodass man ganz ungestört Getreide sammeln konnte: Die Menschen waren schon fort und die Ratten noch nicht da. Die Mühle war ganz still, und alle Räume waren in abendliches Halbdunkel getaucht. Das Mahlwerk schwieg, und die Getreidesäcke standen schattenhaft überall auf dem so genannten „Steinboden“ herum – so bezeichneten die Menschen das Stockwerk, in dem die schweren Mühlsteine ihre Arbeit taten.
Ched und Biola benutzten nicht die Treppe, um zum Steinboden zu kommen, sondern einen anderen Weg. Die Treppe war ihnen zu langweilig. Sie huschten hinüber zum Aufzug für die Getreidesäcke. Durch ein viereckiges Loch im Boden hingen hier mehrere Seile von der Decke herab – bis hinunter zum Erdgeschoss der Mühle. Mit dem Aufzug transportierten die Menschen die angelieferten Getreidesäcke von unten hinauf zum Steinboden, wo sie in das Mahlwerk entleert wurden. Menschen konnten nicht mit dem Aufzug fahren, dafür war er zu klein. Aber die jungen Mäuse des Weißen Schlosses liebten es, zu dem Aufzugsloch im Boden zu gehen, in den mehrere Stockwerke tief gähnenden Abgrund zu schauen und hinunterzuspucken.
Die Seile hingen nicht weit von der Kante entfernt, sodass man sie mit einem kleinen Sprung erreichen konnte. Das war zwar gefährlich, aber wie die meisten Mäuse waren auch Ched und Biola sehr geschickt darin, sich an etwas festzuklammern. Zusammen mit den anderen jungen Mäusen des weißen Schlosses liefen die beiden jetzt auf den Aufzugsschacht zu, riefen „Attacke!“ und sprangen an die Seile. Dann ließen sie sich ausgelassen kreischend und piepsend daran herunter. Biola sprang sogar von Seil zu Seil, was sich nur wenige der anderen Mäuse trauten. Dann ließen alle ihre Taue im richtigen Moment los und landeten ein Stockwerk tiefer auf den Getreidesäcken, die man rund um den Aufzug gestapelt hatte.
„Eines Tages wirst du noch abstürzen!“, rief Ched, als er neben Biola gelandet war.
Biola lachte nur, sprang auf und rief: „Wer zuerst beim Mühlstein ist!“
Im Laufen war Ched schneller. Sie huschten über mehrere Säcke, vorbei an ihren Eltern und den anderen Mäusen, die schon damit beschäftigt waren, Getreide zu sammeln, und hinüber zu dem großen runden Kasten, in dem die beiden schweren Mühlsteine aufeinanderlagen. Cheds Pfote schlug zuerst an das Holz. Noch außer Atem sagte er: „Komm, wir sehen uns den Trichter an.“
Sie kletterten über mehrere Säcke hinauf zu dem Trichter, durch den das Korn zu den Mühlsteinen gelangte. Über dem Trichter hing eine Rutsche aus Holz, die hin und her rüttelte, wenn die Mühle lief. Das Rütteln bewirkte, dass das Getreide gleichmäßig hinabfiel und niemals zu viel Korn gleichzeitig ins Mahlwerk geriet. Jetzt allerdings stand die Mühle still, sodass sich Ched und Biola gefahrlos auf die Rutsche setzen und hinuntersehen konnten.
„Stell dir vor, man fällt da rein, wenn sich die Steine drehen“, murmelte Ched. „Ich kann mir einen schöneren Tod vorstellen, als von Mühlsteinen zerquetscht zu werden.“
„Ich würde lieber in den Mühlsteinen landen, als dass mich eine Katze fängt“, antwortete Biola. „Hier bist du wenigstens sofort tot. Wenn dich die Katze erwischt, spielt sie noch mit dir, bevor sie dich frisst.“
„Hör auf“, sagte Ched. „Von Katzen sprechen bringt Unglück!“
Biola und Ched sahen wieder hinab zu den Mühlsteinen.
„Ich verstehe nicht, warum die Menschen das Korn zermahlen“, sagte Biola. „Denken sie, dass wir uns darüber freuen?“
„Das ist wahr“, stimmte Ched zu. „Das gemahlene Korn fehlt bei unserem Tribut. Ich meine, es bleibt dann zwar immer noch mehr als genug übrig. Aber was wollen die Menschen mit dem weißen Körnerstaub?“
„Solche Sachen kommen nie in Großvaters Geschichten vor“, sagte Biola. In diesem Moment hörten sie Pecorini rufen: „Biola! Papa will was von dir! Biola! Wo bist du?“
„Wir sollen zum Sammeln kommen“, seufzte Biola.
„Also dann …“