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Regiment Prinz Ferdinand Nr. 34 1742 bis 1806
ОглавлениеUnüberwundnes Heer,
O Heer, bereit zum Siegen oder Sterben.
Ewald von Kleist
Bei Jena, da hatte der Preuße verspielt,
Die Franzosen hatten wie Teufels gezielt,
Und viel preußisch Blut war geflossen.
George Hesekiel
Die Gründung des Regiments
Uniformierung, Kanton und Garnison
Unmittelbar nach seiner Thronbesteigung ging Friedrich II. an die Umgestaltung beziehungsweise Neubildung von Regimentern. Bei dieser Gelegenheit entstand aus dem 2. Bataillon des Ruppiner Regiments »Kronprinz« Nr. 15 das Regiment Nr. 34. Der König verlieh es (1742) seinem jüngsten Bruder Ferdinand und gab ihm dementsprechend den Namen: Regiment Prinz Ferdinand. Es führte denselben vierundsechzig Jahre lang, bis zur Auflösung der Armee. Die Offiziere, die ihm bei seiner Errichtung zugewiesen wurden, hatten bis dahin teils dem Regimente Nr. 15, teils dem Regimente Nr. 6 angehört. Regiment Nr. 6 waren die berühmten »großen Blauen«, das Potsdamsche Riesenregiment Friedrich Wilhelms I.
Wie das Regiment unmittelbar nach seiner Errichtung beschaffen war, darüber fehlen alle sicheren Notizen. Die Taten des Regiments Prinz Ferdinand sind aufgezeichnet worden, aber weder über Zahl und Zusammensetzung noch über Uniformierung und Kommando desselben existieren bis zum Jahre 1785 bestimmte und spezielle Angaben.
Erst in der Stammliste des eben genannten Jahres heißt es: »Regiment Prinz Ferdinand hat ponceaurote offene Aufschläge, Kragen und Klappen, zitronengelbe Unterkleider (Hose und Weste). Die Offiziere haben Aufschläge, Kragen und Klappen von feinem Plüsch, eine breite gebogene Tresse um den Hut und Achselbänder. Die Grenadiermützen sind oben blau und haben unten weißes Blech.«
Dementsprechend also war die Erscheinung des Regiments in den letzten Lebensjahren Friedrichs des Großen. Unter seinem Nachfolger wurde die Uniform geändert; ob dies aber unmittelbar nach dem Thronwechsel oder erst nach der Rückkehr aus der Rheincampagne (1795) geschah, ist nicht mit Bestimmtheit festzustellen gewesen. Im letzten Lebensjahre Friedrich Wilhelms II. war laut Stammliste von 1797 die Uniform des Regiments die folgende: ponceaurote Aufklappen, blaue Aufschläge und Kragen. Die Offiziere haben unter den Klappen drei, auf der Tasche drei und auf dem Aufschlage drei schmale gestickte silberne Knopflöcher, hinten einen gestickten kleinen Triangel und um den Hut eine schmale silberne Tresse mit einer großen silbernen Agraffe und schwarzer Kokarde. In das »Triangel«-Abzeichen ließe sich allerhand hineingeheimnissen; aber ich verzichte darauf.
Sechs Jahre später, unter Friedrich Wilhelm III., begegnen wir abermals einer Änderung. »Regiment Prinz Ferdinand« – so heißt es in der Stammliste von 1803 – »hat ponceaurote Kragen, Klappen und Aufschläge. Die Offizieruniform ist mit achtzehn verschlungenen silbernen Schleifen mit losen Puscheln (wie beim Regiment Nr. 10) besetzt; um den Hut eine schmale silberne Tresse. Die Gemeinen haben auf dem Rock sechs weiße wollene Bandschleifen, wovon zwei unter den Klappen und zwei hinten stehen.«
Dies wird genügen, um zu zeigen, daß die sogenannte »alte Armee« wie in ihrem Wert, so auch in ihrer Erscheinung keineswegs immer dieselbe war. Das, was 1740 entstand und 1806 begraben wurde, war inzwischen durch viele Phasen gegangen und stellte nicht ein Bild, sondern viele Bilder dar.
Auch die Kanton- und Garnisonsverhältnisse des Regiments blieben im Laufe der Zeit nicht genau dieselben.
Was zunächst den Rekrutierungsbezirk (Kanton) angeht, so heißt es in der Stammliste von 1785: »Das Regiment Prinz Ferdinand hat seinen Kanton im ruppinschen Kreise und in einem Teile der Prignitz, dazu in den Städten Ruppin, Nauen, Lindow und Rheinsberg.« Achtzehn Jahre später haben sich diese Dinge geändert, der Bezirk hat sich erweitert, und wir finden in der Stammliste von 1803: »Regiment Prinz Ferdinand hat seinen Kanton in Teilen des ruppinschen und uckermärkischen Kreises, dazu in einem Teile der Prignitz. Es gehören ihm zu: 366 Dörfer sowie die Städte Alt- und Neu-Ruppin, Lindow, Nauen, Rheinsberg, Lychen, Neustadt a. D., Freienstein, Wilsnack und Templin.«
Sein Hauptgarnisonsort war immer Ruppin, doch scheinen zeitweilig auch in andern Städten kleine Kommandos gelegen zu haben. 1803 standen die beiden Musketierbataillone in Ruppin, die beiden Grenadiercompagnien in Templin und das 3. Bataillon in Nauen.
Wir gehen nun zur Aufzählung der Aktionen über, an denen das Regiment teilnahm.
Das Regiment Prinz Ferdinand während des Siebenjährigen Krieges
Die voraufgehenden beiden Schlesischen Kriege gaben dem Regimente nur zweimal Gelegenheit, sich zu bewähren; es focht bei Chotusitz (Caslau) am 17. Mai 1742 und bei Kesselsdorf am 15. Dezember 1745. Weitere Details werden nicht berichtet.
Auch die Nachrichten über die Beteiligung des Regiments an den Schlachten des Siebenjährigen Krieges fließen nicht reichlich.
1756 waren die Grenadiere mit bei Lobositz (1. Oktober); die Musketierbataillone befanden sich unter den Truppen, die zur Einschließung des Lagers bei Pirna zurückgeblieben waren. Hier blieben sie bis zur Kapitulation der Sachsen am 15. Oktober.
1757, im Mai und Juni, lag das Regiment vor Prag, an der Belagerung der Festung teilnehmend. Am 7. September fochten die Grenadiere bei Moys (wo Winterfeldt fiel), die Musketiere in der Schlacht bei Breslau am 22. November. Bei Leuthen, 5. Dezember, war das ganze Regiment.
1758 teilten sich die Bataillone; das eine war bei der Belagerung von Olmütz, das andere gehörte mit zur Bedeckung des großen Munitionstransportes für die Belagerer. Dieser Teil des Regiments wurde bei Domstadtl angegriffen, verteidigte sich aber mit so viel Bravour, daß ein Teil der Wagen gerettet wurde.
1759 wird das Regiment nicht genannt. Es scheint also ebensowenig wie bei Zorndorf und Roßbach (1758), so auch bei Kunersdorf nicht mit engagiert gewesen zu sein.
1760 ist das Glanzjahr des Regiments. Die Grenadiere wurden bei Landeshut, 23. Juni, unter Fouqué nahezu aufgerieben, der Rest in Gefangenschaft geschleppt; die Musketiere fochten am 15. August in der Schlacht bei Liegnitz und scheinen, neben dem Regiment Anhalt-Bernburg, den Hauptanteil am Siege gehabt zu haben. Der König verlieh allen Capitainen den Pour le mérite, dazu ein Geschenk von 100 Friedrichsdor. Namentlich dies letztere, bei den damaligen Kassenzuständen, deutet darauf hin, daß es dem Regiment an diesem Tage gelungen sein mußte, sich die Zufriedenheit des Kriegsherrn in einem besonders hohen Grade zu erringen. Andererseits (auch das mag Erwähnung finden) werden nicht viele in der Lage gewesen sein, von dieser besonderen Huld des Königs Nutzen zu ziehen, denn es heißt in aller Kürze: »Die Musketierbataillone waren beinah völlig ruiniert worden.«
Die Schlacht bei Liegnitz war die einzige, die dem Regimente zu besonders ruhmreicher Betätigung Gelegenheit gab. Es mag deshalb gestattet sein, bei dieser überhaupt glänzenden und zugleich poetisch-eigentümlichen Aktion einen Augenblick zu verweilen und eine kurze Schilderung derselben zu geben.
»Es war eine ungemein schöne Sommernacht. Der gestirnte Himmel hatte kein Wölkchen, und kein Lüftchen wehte. Niemand schlief. Die Soldaten hatten sich zwar mit ihrem Gewehr im Arm gelagert, allein sie waren munter, und da sie nicht singen durften, so unterhielten sie sich mit Erzählungen. Die Offiziere gingen spazieren, und die Generale ritten umher, um alles Nötige zu beobachten. Was den König angeht, so hat Gleim die Situation gegeben:
Auf einer Trommel saß der Held
Und dachte seiner Schlacht,
Den Himmel über sich zum Zelt
Und um sich her die Nacht.
Es fing eben an zu dämmern, als sich Laudon näherte, der mit seiner 30 000 Mann starken Armee den linken Flügel der Preußen im Lager angreifen wollte. Bald aber wurd er mit Erstaunen gewahr, daß er die ganze Armee des Königs vor sich habe, dessen zweites Treffen auch sogleich auf ihn losfiel und ihn von einer in der Nacht aufgeführten Batterie her begrüßte. Das erste Treffen hatte Friedrich zur Beobachtung Dauns bestimmt, der seinem rechten Flügel gegenüberstand. Laudon, auf die Unterstützung seines Oberfeldherrn rechnend, wich dem Kampfe nicht aus, sondern bot den Preußen die Spitze und überließ den Ausgang der Tapferkeit seiner Truppen und dem ihn so oft begleitenden Glück. Er ließ seine Kavallerie vorbrechen, sah aber, daß diese zurückgeworfen und in die Moräste getrieben wurde. Nun erst ging unsere Infanterie vor und schlug nach einem hartnäckigen Kampfe (an dem die Regimenter Prinz Ferdinand und Anhalt-Bernburg in erster Reihe teilgenommen zu haben scheinen) die österreichische Infanterie aus dem Felde. Die letztere machte noch den Versuch, mit einer ganzen Kolonne durch das vor der preußischen Front gelegene Dorf Panthen zu rücken, allein die Unseren steckten es durch Haubitzgranaten in Brand und zwangen den Feind, das Gefecht auf den linken Flügel einzuschränken.
Daun, auf dessen Erscheinen Laudon gerechnet hatte, kam ohne sonderliches Verschulden zu spät, da der Wind so stand, daß der Kanonendonner nicht gleich anfangs gehört wurde, trotzdem die Entfernung nur eine gute halbe Meile betrug.
Laudon, der alles getan und sich persönlich der größten Gefahr ausgesetzt hatte, zog sich nun zurück und überließ dem Könige das Schlachtfeld. 6000 Österreicher waren gefangen, 4000 tot oder verwundet; dabei waren ihnen 23 Fahnen und 82 Kanonen verlorengegangen. Bei Friedrichs Heere zählte man 1800 Tote und Verwundete, die zu erheblichem Teil auf die beiden genannten Regimenter entfielen.
Die Auszeichnungen, die dem Regimente Prinz Ferdinand zuteil wurden, hab ich bereits namhaft gemacht. Anders, aber nicht geringer war der Lohn, der dem Regiment Anhalt-Bernburg zufiel. Dieses Regiment hatte sich kurz vorher bei der Belagerung von Dresden (wo es bei einem Ausfall des Feindes zurückgeschlagen worden war) die Ungnade des Königs zugezogen, und die gemeinen Soldaten hatten zur Strafe die Seitengewehre, die Unteroffiziere und Offiziere die Huttressen verloren. Dies ward als ein solcher Schimpf empfunden, daß das ganze Regiment entschlossen war, bei nächster Gelegenheit die verlorene Ehre wieder zu erkämpfen oder zugrunde zu gehen. Diese nächste Gelegenheit war: Liegnitz. Der König, dem nichts entging, hatte gesehen, welche Opfer gebracht worden waren. Nach der Blutarbeit ritt er bei dem Regiment vorbei. Die Offiziere schwiegen, vier alte Soldaten aber fielen dem König in den Zügel, umfaßten seine Knie und flehten um die verlorne Gnade. ›Ja, Kinder, ihr sollt sie wieder haben, und alles soll vergessen sein!‹ Noch am selben Tage erhielten die Soldaten ihr Seitengewehr und die Offiziere ihre Tressen zurück.
Die Schlacht bei Liegnitz hatte nur zwei Stunden gedauert. Um fünf Uhr früh war alles vorüber. Um neun Uhr marschierte bereits die ganze Armee den Russen unter Tschernyschew entgegen. Noch am selben Tage wurden drei Meilen zurückgelegt.«
Archenholz, dem die vorstehende Schlachtschilderung im wesentlichen entlehnt ist, tut des Regimentes Prinz Ferdinand – dessen glänzende und ausschlaggebende Beteiligung an der Liegnitzer Affaire historisch feststeht – nicht Erwähnung. Überhaupt gehört unser Ruppiner Regiment nicht zu denen, die seitens dieses trefflichen Geschichtsschreibers (dessen Darstellung des Siebenjährigen Krieges ich bei dieser Gelegenheit erneut mit dem allergrößten Interesse gelesen habe) bevorzugt worden sind. Die Regimenter Itzenplitz und Manteuffel, Schwerin und Winterfeldt, Prinz Heinrich und Anhalt-Bernburg, vor allem das Regiment Forcade werden wiederholentlich genannt, auch andere noch, aber dem Regiment Prinz Ferdinand ist nicht eine Zeile gewidmet. Die Billigkeit erheischt, hinzuzusetzen, daß mit Ausnahme der Liegnitzer Schlacht die Aktion des Regiments nirgends eine hervorragende gewesen zu sein scheint. 1761 war es noch in Polen und Pommern, namentlich vor Kolberg, tätig; 1762 nahm es an der Belagerung von Schweidnitz teil. Dann kam der Frieden. Über das Garnisonleben, das nun eintrat, sprech ich erst weiterhin, davon ausgehend, daß die Formen dieses Lebens nach der Rheincampagne nicht wesentlich anders waren als nach dem Siebenjährigen Kriege.
Das Regiment Prinz Ferdinand während der Rheincampagne 1793 und 1794
1792 war das Regiment mit unter den Truppen, die am 19. August, 42 000 Mann stark, die französische Grenze überschritten und etwa drei Wochen später in die Champagne einrückten. An der Spitze des Regiments stand damals Oberst von Koschitzky der wahrscheinlich schon aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges her dem Regiment angehörte. Wenigstens find ich in der ältesten mir bekannt gewordenen Rangliste: »Zustand der preußischen Armee, 1778«, von Koschitzky als ältesten Capitain.
Sehr wahrscheinlich war das Regiment mit bei Valmy (20. September 1792), doch fehlen in den Aufzeichnungen, die mir darüber zugänglich waren, alle bestimmteren Angaben. Erst 1793, während des eigentlichen Rheinfeldzuges, geschieht des Regimentes speziell Erwähnung. Es war bei der Kanonade von Ginsheim, später bei der Blockade und Belagerung von Mainz. Die Erstürmung der Zahlbacher Schanze und nach der Übergabe von Mainz die zweimalige Wegnahme des Kettricher Hofes geschah durch das Regiment, welches auch bei der Diversion in die Vogesen die Avantgarde machte. Das 2. Bataillon vertrieb den Feind vom Igelberge bei Lembach.
1794 wurde die Leibcompagnie des Regiments »auf dem Sande« von einem weit überlegenen Feinde angegriffen, hielt aber das Feuer desselben mehrere Stunden lang standhaft aus, ohne ihren Posten zu verlassen. Das ganze Regiment war bei dem Angriff auf Lautern und Trippstadt. Ferner war das erste Bataillon bei Johanniskreuz. Es warf den mit überlegener Macht angreifenden Feind und hielt ihn so lange, bis eine allgemeine Retraite erfolgte.
So die spärlichen Aufzeichnungen aus jener Zeit, die wohl nur mit Hilfe von Kriegsministerialakten oder von Briefen und Tagebüchern erweitert werden können. Andere Truppenteile, trotzdem das Regiment Prinz Ferdinand keineswegs zu den »unliterarischen« gehörte, sind nach dieser Seite hin vom Glück begünstigter gewesen. So beispielsweise das Regiment Herzog von Braunschweig in Halberstadt. Aus der Feder Karl Friedrichs von dem Knesebeck (des späteren Feldmarschalls), der, nachdem er anfänglich als Junker im Infanterieregiment von Kalckstein gestanden hatte, dem vorgenannten Regimente Herzog von Braunschweig angehörte, existieren zahlreiche Briefe, die speziell über die Kriegsereignisse von 1792 bis 1794 die interessantesten Mitteilungen machen, aber Regiment Prinz Ferdinand, unter dessen jüngeren Offizieren sich ein Bruder Karl Friedrichs von dem Knesebeck befand, mußte auf solche Auszeichnungen verzichten. Die Taten, die unberichtet bleiben, sind nicht viel anders wie nicht geschehen.
Das Regiment Prinz Ferdinand während der Friedensjahre von 1795 bis 1806
1795 kehrte das Regiment vom Rhein in seine alte Garnison zurück. Oberstlieutenant von Tschammer, der es nach dem Rücktritte Koschitzkys während des größeren Teils der Campagne geführt hatte, avancierte zum Obersten, und von Gloeden, du Rosey, von Seydlitz und von Byern waren um diese Zeit die vier Majore des Regiments. Von Tschammer blieb Kommandeur bis 1800 oder 1801. In diesem Jahre ging das Kommando an Major von Böhmken oder Bömcken (beide Schreibweisen kommen vor) über, der auch, inzwischen zum Obersten avanciert, 1806 das Regiment bei Auerstedt führte.
Die Friedensjahre, die zwischen 1795 und 1806 lagen, scheinen glückliche Jahre gewesen zu sein. Die Stadt wuchs nach dem Brande von 1787 schöner wieder auf, und die lichtvollen Straßen und Plätze, die damals im frischen Anstrich ihrer Häuser noch mehr heiter als monoton wirkten, gaben dem ganzen Leben ein freundliches Gepräge. Die glückliche Eigenart der Personen, die an der Spitze der Bürgerschaft wie der Garnison standen, wirkte zu diesem günstigen Resultate mit. Oberst von Tschammer gehörte in die Reihe jener Offiziere der alten Armee, die Pflege des Schönen, Sinn für die Wissenschaften und Eifer für das allgemeine Wohl mit straffer Haltung im Dienst zu verbinden wußten. Er rief eine Garnisonschule ins Leben, gewährte der Stadt bei ihren Anlagen und Verschönerungen mannigfache Hilfe und war der erste, der in dem damals Tschammerschen, jetzt Gentzschen Garten die friderizianischen Erinnerungen zu pflegen begann.
Ein neuer Geist fing an sich unter dem Einflusse französischer Ideen und Siege zu regen, aber freilich ragte das Alte vielgestaltig in das Neue hinein, und während die Stichworte der »Freiheitsära« von Mund zu Mund gingen und Humanität und Toleranz den Inhalt jeder Ressourcenrede bildeten, regierte draußen der Zopf und der Stock unverändert weiter, und an nicht wenig Tagen im Jahre tat sich die bekannte Gasse auf, und der Delinquent mußte sie durchlaufen. Uns überkommt ein Schauder, wenn wir jetzt die Einzelheiten dieser Vorgänge beschrieben lesen, aber wie Pastor Heydemann in seiner »Geschichte Ruppins« sehr richtig bemerkt: »Die Rücken waren damals härter.« Die Prügelstrafe war allgemein, die Eltern schlugen ihre Kinder, die Lehrer ihre Schüler, und wie es beim Nähr- und Lehrstande war, so durft es ohne viel Aufhebens auch beim Wehrstande sein. Man war an solche Prozeduren gewöhnt und hielt die rauhe Behandlung der Soldaten für ganz in der Ordnung. Ja, die davon Betroffenen sahen es selbst derartig an und versagten ihren Vorgesetzten keineswegs ein gewisses Maß von Zuneigung, wenn sich nur Gerechtigkeit mit der Strenge paarte.
In der Tat, unsre nachträgliche Verurteilung all dieser Dinge trifft nicht voll das Richtige, und um so weniger, wenn wir im Auge behalten, aus welchen Elementen sich die damalige Armee zwar nicht ausschließlich, aber doch zu sehr erheblichem Teile zusammensetzte: rohe Gesellen, die nicht eins der Zehn Gebote hielten, verlorene Söhne, deren Moral so weit reichte wie ihre Furcht, und Ausländer, die zu allem andern auch noch das Gefühl gesellten: was uns umgibt, sind Fremde oder Feinde.
Ein Vorkommnis, das Heydemann erzählt, ist höchst charakteristisch für die Naturwüchsigkeit damaliger Zustände. Man führte Schäferspiele auf und schrieb Idyllen, aber man war weder nervös noch sentimental. Die Geschichte selbst aber ist die folgende.
Ein Soldat, ein heftiger, leicht aufbrausender Mensch, bewarb sich um die Gunst eines Mädchens, das in der Offizierküche diente. Sie lehnte seine Anträge, die ehrlich gemeint waren, ab. Eines Tages, als sie vom Bäcker gegenüber den für den Offiziertisch bestimmten Braten holte, trat der Soldat mitten auf dem Damm an sie heran und fragte: ob sie noch nicht entschlossen sei, ihn zu heiraten. »Nein.« Im selben Augenblick empfing sie einen Messerstich in den Hals. Sie ließ (auch charakteristisch) den Braten nicht fallen, schritt vielmehr weiter, setzte die Schüssel auf den Tisch und sank dann ohnmächtig zu Boden. Die Wunde war nicht tödlich, aber der Soldat, der sich inzwischen auf der Wache selbst gemeldet hatte, mußte auf Tod und Leben laufen. Er überwand die furchtbare Strafe und diente weiter, während das Mädchen nach Potsdam hin übersiedelte. Ebendahin kam auch der Soldat; ein Zufall fügte es so. Hier nun erneuerten beide ihre Bekanntschaft, Mordversuch und Gassenlaufen waren vergessen, und vor dem Altar der Garnisonkirche besiegelten sie den Bund ihrer Herzen.
Die Hauptvorkommnisse des Ruppiner wie jedes damaligen Garnisonlebens waren die Desertionen. Die ganze Bevölkerung, auch die der Nachbardörfer, wurde dabei in Mitleidenschaft gezogen. Ruppin erwies sich für etwaige Fluchtversuche sehr günstig, da mehrere mecklenburgische Gebietsteile derartig eingesprenkelt im Preußischen lagen und noch liegen, daß der Weg bis beispielsweise zur Enklave Netzeband hin kaum zwei Meilen betrug. Netzeband war gleichbedeutend mit Freiheit. In vielen hundert, um nicht zu sagen tausend Herzen hat sich damals alles Denken und Wünschen um die Frage gedreht: Werd ich Netzeband erreichen oder nicht? Und alles, was sich nur ersinnen ließ, um das Desertieren unmöglich zu machen, ward infolge davon angewandt. Das Hauptmittel hieß Verheiratung. Der Arm der Frau hielt fester als der Arm des Gesetzes. Aber nicht jeder wollte heiraten. Da galt es denn andere Sicherheitsmaßregeln ausfindig zu machen. Nicht nur durchstreiften Patrouillen die Stadt während der Nacht, sondern auch Unteroffiziere gingen von Haus zu Haus und riefen die in Bürgerquartier liegenden Soldaten an, um sich zu überzeugen, daß sie noch da seien. Wurd aus diesem oder jenem Grunde dem Anruf nicht geantwortet, so blieb nichts anderes übrig, als den Wirt zu wecken und an die einzelnen Schlafstellen heranzutreten. Erwiesen sich aber all diese Mittel umsonst und war es dem einen oder andern nichtsdestoweniger gelungen zu entkommen, so ward eine Kanone, die draußen am Wall stand, mehrere Male abgefeuert. Man konnte die Schüsse in Katerbow, einem dicht vor Netzeband gelegenen preußischen Dorfe, hören. Was Friedrich der Große von ganz Preußen gesagt hat, »es müsse immer en vedette sein«, das galt doppelt und dreifach von Katerbow. An Katerbow hing viel. Es war für den Flüchtling die »letzte Gefahr«, und erst wenn er diese glücklich hinter sich hatte, war er frei. In Ruppin selbst aber ließ man es nicht bei den Alarmschüssen bewenden, die Deserteurglocke auf der Klosterkirche wurde geläutet, und entdeckte man die Stelle, wo der Entronnene über die Mauer gestiegen war, so verfielen die beiden zunächst stehenden Schildwachen ebenfalls der Strafe des Gassenlaufens.
Ums Gassenlaufen – fast noch über das Desertieren hinaus – drehte sich ein gut Teil des allgemeinen Interesses. Es gehörte, wie die Hinrichtungen, zu den derberen Volkslustbarkeiten. Das Bedürfnis nach Sensation, das jetzt in »Armadale« oder in dem »Vermischten« unserer Zeitungen seine Nahrung findet, fand damals in den Hergängen des Lebens selbst seine Befriedigung. Es liegen uns ganz minutiöse Schilderungen vor, wie nun die Prozedur eingeleitet und seitens des Profoses die von ihm geschnittenen Ruten – um derentwillen er der »Regiments-Federschneider« hieß – an die in der Gasse stehenden Soldaten verteilt wurden. Aber wir leisten auf Wiedergabe dieser häßlichen Dinge Verzicht und erfreuen uns lieber an humoristischen Zügen, die nicht minder aus den Zeiten jenes militärischen Terrorismus berichtet werden. Aus allen geht hervor, daß man nicht sonderlich eingeschüchtert war und immer noch Muße fand zu Übermut und guter Laune. Selbst zu Wortspielen.
Einer der Soldaten hieß Winter. Es war um die Zeit, wo das Tauwetter begann, und die Eiszapfen schmolzen bereits an den Dächern. Winter, der sich schlüssig gemacht hatte, die nächste Nacht zu entspringen, sah seinen Hauptmann im Fenster liegen, der sich, rauchend, der Märzensonne freute. Winter grüßte hinauf und rief: »Herr Hauptmann, ich glaube, der Winter geht ab.« – »Das glaub ich auch.« Und am andern Morgen war Winter fort. Er war über den gefrorenen See nach Wuthenow hin entkommen.
Ein anderer verkleidete sich als Schornsteinfeger. In rußiger Kleidung, eine schwarze Leiter auf der Schulter, den Besen in der Hand, war er glücklich zum Tor hinausgekommen und schritt gradeswegs auf das Mecklenburgische zu. Da kam ihm, zu weiterem Glück, ein Netzebander Bauer nachgefahren und fragte: »Schornsteinfeger, wohin?« – »Nach Netzeband, da brennt ein Schornstein, den ich löschen soll.« – »Das ist am Ende bei mir.« – »Kann wohl sein.« Und der Bauer ließ nun den vermeintlichen Schornsteinfeger aufsteigen und jagte auf Netzeband zu, wo sich der Gerettete für gute Fahrt freundlich bedankte.
Sehr ansprechend ist die folgende kleine Geschichte, mit der wir diesen Teil des Kapitels schließen wollen. Ein Mann, der später als Lehrer und Oberküster eine bekannte Persönlichkeit in Neuruppin war, gehörte in seiner Jugend ebenfalls dem Regiment Prinz Ferdinand an. Er war verlobt und wünschte sich zu verheiraten, da man aber (weil er zu den Bevorzugten zählte) seines Bleibens im Regiment ohnehin sicher zu sein glaubte, wurd ihm seitens des Obersten der unerläßliche Konsens verweigert. Die Folge davon war: Desertion. Und so schritt denn unser Freund auf Netzeband zu und hatte den halben Weg bereits glücklich zurückgelegt, als er das Prusten von Pferden hinter sich hörte und gleich darauf einen Wagen neben sich sah, in dem, in höchsteigener Person, der gestrenge Herr Oberst saß. »Wohin?« fragte dieser. »Nach Netzeband; ich will mir Tuch kaufen.« – »Da will ich auch hin; setz dich nur auf den Bock.« Und so fuhr denn der Oberst den Deserteur nach Netzeband hinein. Als sie vor dem Kruge hielten, sprang der Soldat vom Wagen, trat an den Kutschenschlag und sagte: »Herr Oberst, ich melde mich als Deserteur.« Der Oberst wetterte nun durch alle Register durch, legte sich aber endlich aufs Kapitulieren. »Was hilft's! stell deine Bedingungen.« – »Generalpardon, Herr Oberst, und den Konsens, zu heiraten.« – »Beides sollst du haben; steig nur wieder auf.« Und so geschah es. Er kam mit seinem Obersten, als ob nichts vorgefallen wäre, nach Ruppin zurück und empfing, ohne vorgängige Strafe, die gewünschte Heiratserlaubnis.
Das Regiment Prinz Ferdinand bei Auerstedt 14. Oktober 1806
Der Krieg gegen Frankreich war endlich beschlossene Sache. Am 9. August erging die Mobilmachungsordre, und am 31. August verließ das Regiment Prinz Ferdinand Neuruppin, um es nicht wiederzusehen. Nur Individuen kehrten zurück, kein Regiment.
Der Marsch ging zunächst auf Magdeburg, das samt Umgegend den Sammelplatz für die märkischen und magdeburgischen Truppen bildete. Der Herzog von Braunschweig, in seiner Eigenschaft als Oberkommandierender, verlegte am 13. September sein Hauptquartier nach Halle und setzte die bei Magdeburg versammelten Truppen, und unter diesen auch unser Regiment Prinz Ferdinand, am 15. auf Naumburg zu in Bewegung. Am 21. und 22. wurden bei letztgenanntem Orte die Kantonierungen bezogen.
Die Hauptarmee, 57 000 Mann stark, bestand aus den Divisionen Schmettau, Wartensleben und Prinz von Oranien und aus einer abermals zwei Divisionen starken Reserve. Die Schlacht bei Auerstedt ward im wesentlichen mit den erstgenannten drei Divisionen, also mit etwa 30 000 Mann geschlagen. Den beiden Reservedivisionen – die zweifellos imstande gewesen wären, die Niederlage in einen Sieg zu verkehren – fiel nur die Aufgabe zu, den Rückzug zu decken. Sie hatten hierbei, einzelne Abteilungen abgerechnet, nur geringe Verluste.
Dies vorausgeschickt, wenden wir uns jetzt der so verhängnisvoll gewordenen Bataille zu. Feindlicherseits kommandierte Marschall Davout, unsererseits Herzog von Braunschweig. Hüben und drüben traten drei Divisionen, und zwar echelonartig, in den Kampf ein. Unsere Division Schmettau stieß bei Hassenhausen auf die französische Division Gudin; dieses Dorf, nach kurzer Besitzergreifung unsererseits, ging wieder verloren, und nun wurde Hassenhausen der Punkt, um den sich ein mehrstündiges, mörderisches Gefecht drehte. Wer Hassenhausen hatte, hatte den Sieg. Der Division Schmettau folgend, griff diesseitig die Division Wartensleben ein, aber auch der Feind führte jetzt die Division Friant in den Kampf. Alle unsere Versuche, das Dorf wieder in unseren Besitz zu bringen, scheiterten; die Regimenter Alvensleben und Kleist, jenes von der Schmettauschen, dieses von der Wartenslebenschen Division, litten schwer. So standen die Dinge, als auf unserer Seite die Division Prinz von Oranien mit den Brigaden Lützow und Prinz Heinrich auf dem Kampfplatze eintraf. Schon vor ihrem Erscheinen war der Herzog von Braunschweig tödlich verwundet worden, und soweit noch in dem überhandnehmenden Wirrsal von Kommando die Rede sein konnte, war dasselbe auf den König in Person übergegangen. Im richtigen Erkennen dessen, worauf es ankam, dirigierte dieser die Division Oranien ebenfalls gegen Hassenhausen, und zwar derart, daß die Brigade Lützow am rechten Hügel der daselbst fechtenden und durcheinandergekommenen Truppenteile, die Brigade Prinz Heinrich aber nach vorgängiger Wegnahme des Dorfes Poppel am linken Flügel eingreifen sollte.
Bei der Brigade Prinz Heinrich befand sich neben dem Grenadierbataillon Rheinbaben und dem Regiment Puttkamer auch unser Regiment Prinz Ferdinand. Wir folgen dem Vorgehen dieser Brigade.
Die Brigade trat an; das Grenadierbataillon Rheinbaben nahm die Tête. Unter persönlicher Führung des Obersten Prinz Heinrich ging es gegen das ihm als nächstes Angriffsobjekt bezeichnete Dorf Poppel vor. Die Grenadiere vertrieben den Feind mit dem Bajonett, wurden aber beim Heraustreten aus dem Dorfe durch ein so heftiges Gewehrfeuer empfangen, daß sie sich in Unordnung durch Poppel und das ihnen zur Unterstützung nachgesandte zweite Bataillon Puttkamer hindurchzogen. Dieses letztre Bataillon wurde nunmehr von feindlichen Chasseurs angefallen, schlug indessen den Angriff ab, und als jetzt der Rest der Brigade: das erste Bataillon Puttkamer und das erste und zweite Bataillon Prinz Ferdinand, in gleicher Höhe anlangte, zog sich der Feind – wahrscheinlich das 108. französische Linienregiment – zurück.
Das Grenadierbataillon Rheinbaben blieb jenseits Poppel, die übrigen vier Bataillone der Brigade Prinz Heinrich aber gingen in gerader Richtung auf das durch drei französische Regimenter (21., 85. und 12.) teils direkt besetzte, teils in der linken Flanke soutenierte Hassenhausen vor, wo sie bald in ein heftiges Artillerie- und Gewehrfeuer gerieten. Die Verluste mehrten sich rasch, und als in diesem kritischen Moment auch französischerseits eine dritte Division – die Division Morand – mit elf frischen Bataillonen in den Kampf eintrat, wichen die Unseren auf der ganzen Linie. Prinz Heinrich hielt mit seinen vier Bataillonen bis zuletzt. An ihn schlossen sich wieder einige vorgebrachte Bataillone der Division Schmettau und das Grenadierbataillon Hanstein an, mit denen er noch einmal zu avancieren versuchte. Bald aber sah er sich isoliert und gezwungen, durch das mittlerweile vom Feinde wieder eroberte Poppel zurückzugehen. An die Spitze seiner Bataillone sich stellend, bahnte er sich den Weg mit dem Bajonett.
Die Grenadierbataillone Rheinbaben und Knebel unter Prinz August von Preußen nahmen an diesem Angriffe teil. Das Pferd des Prinzen Heinrich ward erschossen, der Prinz selbst beim Sturze desselben bedeutend verletzt. Oberst Scharnhorst gab ihm sein eigenes Pferd und passierte das durch den Angriff beider preußischer Prinzen momentan wiedergewonnene Poppel mit dem Gewehr in der Hand. Zwischen Poppel und Taugwitz drängte sich jetzt der ganze linke Flügel zusammen. Der Rückzug ging gegen Auerstedt und seitwärts gegen Reisdorf, teils aufgelöst, teils wieder einigermaßen geordnet.
Die Verluste waren groß. Von der gesamten Infanterie, die gegen Hassenhausen gestanden hatte, war beinah die Hälfte tot oder verwundet. Auch das Regiment Prinz Ferdinand hatte dementsprechend gelitten. Tot waren: Major von Selasinsky, Stabscapitain von der Hagen, Premierlieutenant von Goetze.
Das Regiment Prinz Ferdinand bis zur Kapitulation von Pasewalk, 29. Oktober
Wie Magdeburg Rendezvous vor Eröffnung der Feindseligkeiten gewesen war, so war es jetzt Sammelplatz für die bei Jena und Auerstedt geschlagenen und nach dem Tode des Herzogs von Braunschweig beide dem Fürsten von Hohenlohe unterstellten Armeen. Auch unser Regiment Prinz Ferdinand nahm auf Magdeburg seinen Rückzug. Dem von Hoepfnerschen Werke »Der Krieg von 1806 und 1807«, das wie für die Schlacht bei Auerstedt, so auch für das unmittelbar Folgende meine Hauptquelle war, entnehm ich die nachstehenden, in der umfangreichen Gesamtdarstellung jener Vorgänge zerstreuten Notizen.
In der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober marschierten die Musketierbataillone des Regiments nach Sondershausen. Am 21. finden wir sie bei Parchau in der Nähe von Burg, am 22. in Nielebock, Kreis Jerichow, am 23. in dem Bismarckschen Schönhausen, ebenfalls Kreis Jerichow, am 24. in Schrepkow, Ostprignitz, am 25. in Wittstock, hart an der mecklenburgischen Grenze.
Diesen ganzen Marsch vom 21. bis 25. hatte das Regiment im Brigadeverbande gemacht, und zwar innerhalb der Brigade Hagen, die aus folgenden Truppenteilen bestand: Regiment Treuenfels, Regiment Prinz Ferdinand (in Stärke eines Bataillons), ein Bataillon Zenge, ein Bataillon Pirch.
Diese Brigade Hagen war samt mehreren Kavallerieregimentern dem General Schwerin unterstellt, der eine der vier Rückzugskolonnen der gesamten Hohenloheschen Armee kommandierte. Diese vier Rückzugskolonnen waren die folgenden:
1. Hauptkolonne, drei Divisionen stark. Bei dieser Kolonne befand sich Fürst Hohenlohe in Person sowie Oberst von Massenbach.
2. Arrière-Garde, der Hauptkolonne folgend, unter General von Blücher.
3. Rechte Seitenkolonne unter General von Schimmelpfennig.
4. Linke Seitenkolonne unter General Graf Schwerin.
Die Hauptkolonne, die zugleich die Zentrumskolonne war, marschierte über Ruppin, Gransee, Schönermark auf Prenzlau und kapitulierte hier.
Die Arrière-Garde, General von Blücher, folgte bis Boitzenburg in der Uckermark. Hier erfuhr der genannte General die am selben Tage (28.) erfolgte Kapitulation der Hohenloheschen Hauptkolonne und bog sofort links-rückwärts aus, um einem gleichen Schicksal zu entgehen. Er erreichte Lübeck und besetzte es. Am 6. November stürmten die Franzosen die Stadt. Am 7. erfolgte die Kapitulation des Blücherschen Corps bei Ratkau.
Die rechte Seitenkolonne, General von Schimmelpfennig, hielt sich am Rhinluche hin, passierte Protzen, Walchow, Langen, Rüthnick und Gutengermendorf und hatte am 26. Oktober das Gefecht bei Zehdenick. Nach diesem Gefecht hörte alle Führung auf. Aber dies gestaltete sich eher zum Guten als zum Schlimmen, und so traf es sich denn, daß von dieser schlecht oder gar nicht geführten Kolonne mehr Truppenteile über die Oder entkamen als von irgendeiner anderen.
Die linke Seitenkolonne, General Graf Schwerin (die unsere), zog sich von Wittstock aus an der preußisch-mecklenburgischen Grenze hin bis über Mirow, Alt-Strelitz-Wesenberg, Hasselförde und Rutenberg bis Pasewalk, wo sie nach unsagbaren Strapazen eintraf. Besonders hatte die Infanteriebrigade Hagen während dieser Märsche gelitten. Die Leute stürzten vor Hunger und Erschöpfung tot nieder. Der 26. oder 27., an dem man sechs Meilen marschierte, kostete der Brigade ein Drittel ihres Bestandes.
Um vier Uhr nachmittags am 28. Oktober – ich gebe nun Details, soweit solche zu finden waren – rückte die Infanteriebrigade Hagen in Pasewalk ein. Die Kavallerie bezog ein Bivouac in der Nähe der Stadt. Gegen Abend erfuhr man die am selben Tage erfolgte Kapitulation Hohenlohes bei Prenzlau. Die Gemüter aller wurden dadurch nur noch bedrückter. Oberst von Hagen, der um diese Zeit anstelle des Generals Grafen von Schwerin das Kommando der ganzen Kolonne, Kavallerie wie Infanterie, geführt zu haben scheint, berief alle Stabsoffiziere zu einer Konferenz. Man kam überein, trotz äußerster Erschöpfung der Mannschaften, am andern Morgen um vier Uhr aufbrechen zu wollen, um dann über Löcknitz Stettin zu erreichen.
In der Nacht indes glaubte der Major Prinz Gustav von Mecklenburg-Schwerin vom Regiment Henckel-Kürassier, welcher die Postenkette kommandierte, Bewegungen auf der Prenzlauer und Stettiner Straße wahrgenommen zu haben. Er ritt deshalb nach Pasewalk hinein und meldete dem Obersten von Hagen: die Kavallerie werde immer mehr vom Feinde eingeschlossen. Der Oberst fragte, »was zu tun wäre«, da die Pferde der Kavallerie zu ermattet seien, um ein Gefecht anzunehmen. Der Prinz antwortete, »daß er nur in der Kapitulation einen Ausweg sähe«. So kam diese zustande. Die Bedingungen, die französischerseits durch den Großherzog von Berg gewährt wurden, gingen dahin, daß die Truppen das Gewehr strecken, die Offiziere auf ihr Ehrenwort entlassen und die Gemeinen in die Kriegsgefangenschaft abgeführt werden sollten. Es kapitulierten an dieser Stelle im ganzen 185 Offiziere und 4043 Mann, wovon 110 Offiziere und 2086 Mann auf die Kavallerie: Leibcarabiniers, Heising-, Holtzendorff-, Bünting- und Henckel-Kürassiere, entfielen.
Der Rest, 75 Offiziere und 1957 Mann, war Infanterie von der Brigade Hagen, wie schon hervorgehoben: Regiment Treuenfels, je ein Bataillon Pirch und Zenge und Trümmer vom Regiment Prinz Ferdinand.
Diese Trümmer unseres Ruppiner Regiments wurden nun, in Ausführung des betreffenden Kapitulationsparagraphen, in die Gefangenschaft abgeführt. Ruhmlos war das Ende. Das Schicksal des Ganzen bestimmte das Los des einzelnen. Ein Gericht vollzog sich, zu groß, zu gewaltig, als daß sich die Krittelei der Menschen, tadelnd oder besserwissend, daran versuchen sollte. Dennoch bleibt wahr, was General von der Marwitz in seinen Memoiren über Pasewalk und Prenzlau geschrieben hat: »Diese Kapitulationen gaben das Signal zu allem, was folgte; sie recht eigentlich überlieferten die Festungen. ›Der König hat keine Armee mehr, was helfen ihm noch einige Städte‹, so dachte jeder pflichtvergessene Kommandant. Die Kapitulationen pflanzten den Kleinmut in alle Herzen, streuten die Vorstellungen von Verrat unter das Volk und verbreiteten den jede Tatkraft lähmenden Gedanken, ›daß doch alles verloren‹ sei. Wie eine große mannhafte Tat fortwirkend Größeres erzeugt und aus Männern Helden macht, so sind auch umgekehrt mit der Vollbringung einer schmählichen Tat deren Folgen nicht abgeschlossen, sie bleibt verdammt, fortwährend Mattes und Schwaches zu erzeugen, wirkt wie ein schleichendes Gift und macht Männer zu Weibern.«
Nachspiel
Die Trümmer des Regiments Prinz Ferdinand hatten bei Pasewalk kapituliert und wurden in größeren und kleineren Trupps in die Gefangenschaft abgeführt. Viele befreiten sich unterwegs, und ihre Erzählungen bildeten, bis die Ereignisse des Jahres 1813 dazwischentraten, die Lieblingsunterhaltung auf der Bierbank und am häuslichen Herd. Manches davon hat Prediger Heydemann in seinem schätzenswerten Buche »Neuere Geschichte der Stadt Ruppin« aufgezeichnet.
»Einer«, so erzählt Heydemann, »hatte darauf gerechnet, daß die Gefangenen von Pasewalk über Berlin geführt werden würden. Dort gedachte er zu entspringen und bei seiner Schwester Zuflucht zu suchen. Aber die Gefangenen, von französischen Chasseurs transportiert, mußten über Templin, Oranienburg und Potsdam marschieren. Kurz vor Potsdam wurden sie von Nassau-Usingern und Hessen-Darmstädtern übernommen, die sehr streng mit ihnen verfuhren. Man las ihnen vor, daß jeder Gefangene, der auf der Flucht ergriffen würde, ohne weiteres die Kugel vor den Kopf bekäme, und so geschah es auch bei Wittenberg, wo zwei wieder eingefangene Flüchtlinge vor der Front erschossen wurden. Meistens mußten die Gefangenen nachts unter freiem Himmel liegen, ihr Schuhzeug war zerrissen. In Fulda (human genug) wurden 200 Paar Schuhe verteilt. An ebendiesem Ort erkrankte auch der Gefangene, über dessen Schicksal ich hier berichte. Er beschloß, trotz Krankheit, weiter mitzumarschieren und die nächste Gelegenheit wahrzunehmen. Und diese fand sich denn auch. In Steinau wurd er mit seinen Mitgefangenen in die Kirche gesperrt, in die bald danach ein alter Mann eintrat, um ihnen Essen zu bringen. Den bat er ohne weiteres, ihn zu befreien. ›Wes Glaubens bist du?‹ – ›Lutheraner.‹ – ›Gut dann will ich dir helfen. Ich habe sieben Kinder; wer weiß, wer ihnen einmal hilft.‹ Und er bracht ihm wirklich alte Kleidungsstücke, die der Gefangene bei Dunkelwerden anzog und in denen er gleich danach unter eine Bank kroch, um von den Aufpassern nicht erkannt zu werden. Da lag er denn in bitteren Ängsten die Nacht hindurch und nahm seine Zuflucht zum Gebet. ›Befiehl du deine Wege‹, sagte er zu allen seinen Versen zu vielen Malen vor sich her, bis er Trost und Ruhe darin fand. Und endlich brach der ersehnte Morgen an. Da kam, samt andern Leuten, auch der alte Mann wieder, mit zwei Töpfen in der Hand, als wenn er dem Gefangenen etwas zu essen bringen wolle. Die Töpfe waren aber leer. Er gab sie nun dem umgekleideten Soldaten, und dieser ging unerkannt zur Kirche hinaus. Erst acht Tage nach Ostern traf der auf diese Weise glücklich Entkommene wieder in Ruppin ein. Ein volles halbes Jahr war seit dem Kapitulationstage vergangen.«
Der Rest der Gefangenen passierte den Rhein und wurde zum größten Teil in und um Nancy interniert. Andere sahen sich bis in die Pyrenäen geschleppt und da keine Nachrichten von ihnen eintrafen, schuf ihr Schicksal Sorge und Ungewißheit in vielen Herzen. Auch äußere Not blieb nicht aus, namentlich im Kreise der Offiziersfrauen, für die man in jenen Unglücksjahren weder Pensionen noch Unterstützungen hatte. Denn nicht einer jeden ward eine so wunderbare Hilfe zuteil wie der Frau von der Recke, von der uns Heydemann erzählt. Der Gatte dieser, der sein Ehrenwort zu geben verweigert hatte, war gefangen auf eine der atlantischen Inseln abgeführt worden, und Frau von der Recke glaubte, daß er gefallen sei. Nur sein Handkoffer kam wie durch Zufall in ihre Hände; sie wagte jedoch nicht, ihn zu öffnen, weil sie nur Schmerz und Aufregung davon befürchtete. Ganz zuletzt erst, in immer wachsender Not, entschloß sie sich dazu, mutmaßlich, um den Inhalt des Koffers zu Gelde zu machen. Aber welch Erstaunen, als sie, sorglich zwischen die Wäsche gepackt fünfzig Friedrichsdor entdeckte, die Herr von der Recke von seinem Ersparten da hineingelegt hatte. Das half über die Not vieler Monate hinweg, und endlich traf auch ein Brief ein, der Auskunft über das Schicksal des schon tot Geglaubten gab.
Anno 9 erst kehrten die Gefangenen in ihre heimische Grafschaft zurück. Alle, die noch fähig waren, Waffen zu tragen, traten wieder ein; aber es geschah in neugebildete Regimenter. Das Regiment Prinz Ferdinand war hinüber, und endlich schien selbst die Erinnerung daran erloschen.
Da noch einmal wurde diese wieder wach.
Es war im Mai 66, die Glocken gingen, und alle die, die's noch nicht wußten, erfuhren auf ihre Frage, daß die alte Frau von Hagen heute begraben werde. Sie war dreiundachtzig. Am 31. August 1806 war der Hauptmann von Hagen (erst seit wenig Wochen vermählt) mit dem Regimente Prinz Ferdinand ausgezogen und hatte, von seinem ersten Marschquartier Fehrbellin aus, eine noch verspätet im Superintendentengarten blühende Rose als letzten Liebesgruß an seine Gattin geschickt. Seitdem kein Wort, kein Zeichen mehr, denn Hauptmann von Hagen war mit unter denen, die den Tag von Auerstedt nicht überlebten und am Abend, still für immer, am Dorfrande von Hassenhausen lagen.
Die Rose, sein einzig Vermächtnis, hatte ein treues Herz durchs Leben hin begleitet; jetzt war auch dieses still, und über beiden wölbte sich das Grab.
Das war die letzte Erinnerung an das Regiment Prinz Ferdinand.