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Regiment Mecklenburg-Schwerin Nr. 24
ОглавлениеSei ruhig, bin in Gottes Hut,
Er liebt ein treu Soldatenblut.
Das jetzige Ruppiner Regiment Nr. 24, das während der Befreiungskriege den Namen: »12. Reserve-Infanterieregiment« führte (erst im Mai 1815 erhielt es die Nummer 24), wurde während der Waffenstillstandswochen von 1813 aus drei Reservebataillonen errichtet, und zwar aus dem
4. Reservebataillon des Leib-Infanterieregiments, Major von Herrmann,
4. Reservebataillon des 2. westpreußischen Infanterieregiments, Major von Laurens,
7. Reservebataillon, Major von Zepelin.
In dieser Reihenfolge bildeten sie das 1., 2. und 3. Bataillon des neuerrichteten Regiments, zu dessen Kommandeur der Major von der Goltz ernannt wurde. Das Regiment kam zum Yorckschen Corps, und zwar zur 8. Brigade Hünerbein, die sich aus dem brandenburgischen Infanterieregimente (jetzt Grenadierregiment Nr. 12), aus dem 14. schlesischen Landwehrregiment und unserem 12. Reserve-Infanterieregiment zusammensetzte.
Am 3. August, Königs Geburtstag, wurden alle drei Bataillone zum erstenmal vereinigt, und am 11. August fand am Zobtenberg eine große Parade vor König Friedrich Wilhelm III. und dem Kaiser von Rußland statt. Der spätere Oberstlieutenant von Görschen, der als eben ernannter junger Offizier mit in der Parade stand, gibt davon folgende Schilderung:
»Voll höchster Erwartung marschierten wir am Morgen des 11. nach dem Paradeplatze, wo wir das Antlitz unseres teuren Königs sehen und sein ermutigendes ›Guten Morgen‹ hören sollten. Die Truppen wurden aufgestellt, die Kavallerie im ersten, die Infanterie im zweiten Treffen; unsere 8. Brigade am linken Flügel. Jetzt sah man links einen Wald von Federbüschen, und Offiziere, Unteroffiziere, Jäger und Soldaten, alles reckte sich auf den Zehen aus den Kolonnen empor. Der Wald nahte, das Kommando zum Präsentieren wurde gegeben, und aus voller Brust stimmte jeder in das Hurra ein. Noch immer folgten Federbüsche. ›Hast du ihn gesehen?‹ riefen die Nebenleute einander zu, und andere antworteten über die Glieder und Züge hinweg mit Ja oder Nein. Der Vorbeimarsch wurde nunmehr befohlen. Mit gespanntester Neugier, aber freilich auch mit desto geringerer Haltung und Richtung kamen wir vorüber. Ich selbst kehrte mich, als wir in Nähe der beiden stattlichen Reiter waren, die einige Schritte vor der langen Reihe der zuschauenden russischen und preußischen Offiziere hielten, kurz nach meinem Zuge um und rief den Jägern zu: ›Das ist er.‹ Und dann hörte ich, wie sie einander zuflüsterten: ›Das ist er, er, der den Degen gezogen hat. In eigener Person hat er uns dem Kaiser vorgeführt.‹ Auf dem Rückmarsch nach dem Lager aber erscholl es überall: ‹Das war er, er hat das Schwert selbst gezogen! Er führt uns selbst; wie sollten wir da nicht siegen!‹«
Das 12. Reserve-Infanterieregiment
1813
Am 11. August Parade. Am 14. setzte sich die ganze schlesische Armee in Bewegung und rückte aus ihrem Lager bei Strehlen gegen den Bober vor. Nach Ablauf einer Woche begannen für unser Regiment die Gefechte: am 21. August bei Seifersdorf, am 23. bei Goldberg, am 26. Schlacht an der Katzbach. Bei diesem ersten größeren Engagement verweilen wir in der Kürze.
Die Schlacht an der Katzbach
Es kann uns nicht obliegen, eine Schilderung dieser Schlacht überhaupt zu geben, nur das Nötigste finde hier Erwähnung, wobei uns eine Lokalkenntnis zustatten kommt, die wir uns neuerdings (1872) verschaffen konnten.
Das Terrain, auf dem die Schlacht geschlagen wurde, liegt südlich von Liegnitz. Es ist ein nach Süden hin steil abfallendes Plateau, das an ebendieser Stelle von der Wütenden Neiße, nach Westen hin aber von der Katzbach begrenzt und umfaßt wird. An der Südwestecke, wo die von Ost nach West fließende Wütende Neiße in die von Süd nach Nord fließende Katzbach einmündet, biegt letztre kurz vor dem Einmündungspunkte jener (der Neiße) auf 2000 Schritt östlich aus und schafft dadurch auf der entsprechenden Strecke einen Wasser-Doppellauf. Katzbach und Neiße, sonst in rechtwinkliger Stellung zueinander, laufen hier auf eine kurze Strecke hin parallel und haben nichts als einen schmalen Wiesen- und Weidegrund zwischen sich. Dieser Umstand wurde für die Franzosen besonders verderblich; General Sacken warf das Neysche Corps in die Katzbach, General Yorck das Macdonaldsche Corps in die Neiße, und zwar speziell da, wo beide Flüsse nebeneinander laufen, weshalb denn auch das Macdonaldsche Corps die größeren Verluste hatte. Im ganzen kann man das Terrain, auf dem die Schlacht unsererseits angenommen wurde, nur mit tiefem Mißtrauen betrachten und muß das Kopfschütteln Yorcks noch nachträglich gerechtfertigt finden. Nur wenn wir guten Grund hatten, uns überlegen zu fühlen, hatten wir auch guten Grund, dem Gegner auf so diffizilem Terrain eine Schlacht zu bieten. Aber an solchen »gutem Grunde« gebrach es durchaus. Man stand drei Corps gegen drei, und bei gleicher Zahl hatten die Franzosen damals die Chancen für sich. In der Tat schwankte die Schlacht mehr als einmal, und bei besserer Führung des Feinds hätte uns sehr wohl das Los zufallen können, den Plateauabhang hinunter und in die Katzbach und Neiße hineingeworfen zu werden. »Alles Glück, nichts als Glück«, raisonnierte der alte Yorck. Und er hatte recht.
Die Schlacht verlief wie folgt. Sacken hatte den rechten, Langeron den linken Flügel; Yorck schob sich zwischen beide. Langeron, in der Tiefe haltend, führte beinah ein selbständiges, übrigens keineswegs allzu glückliches Gefecht. Die Entscheidung erfolgte auf dem Plateau, auf dem Yorck und Sacken standen, Yorck links, Sacken rechts, mit Front gegen Westen. In ebendieser Front floß die Katzbach, in der linken Flanke die Neiße.
Die Aufstellung des Yorckschen Corps war die, daß die Brigaden Hünerbein und Horn das erste Treffen bildeten, Brigade Herzog Karl von Mecklenburg das zweite, Brigade Steinmetz in Reserve.
Brigade Hünerbein hatte den linken Flügel und lehnte mithin an den Abhang, zu dessen Füßen die Neiße fließt. An der Tête der Brigade standen die Bataillone Laurens, Zepelin und Othegraven, jene von unsrem, dieses vom brandenburgischen (jetzigem 12.) Infanterieregiment.
An dieser Stelle begann der Kampf. Drei feindliche Bataillone mit vier Geschützen in der Front anvancierten. Das coupierte Terrain führte zu einer momentanen Teilung, und eins der Bataillone betrat bereits das Plateau, während die beiden anderen noch auf der Schrägung des Abhanges marschierten. Zwischen diesen beiden die vier Geschütze. Jetzt Halt! und Carré. Wir standen einander auf wenige hundert Schritt gegenüber. Hier (deployiert) Brigade Hünerbein, dort die drei ebenso viele Vierecke bildenden französischen Bataillone. Das Bataillon Othegraven warf sich mit Hurra auf das einzelne, schon auf dem Plateau haltende Bataillon und schlug es mit dem Kolben zusammen. In zehn Minuten lag alles tot am Boden. Unsere am äußersten linken Flügel aufgestellten Bataillone von Laurens und von Zepelin aber stürzten sich gleichzeitig auf die noch am Abhange marschierenden zwei französischen Carrés und trieben alles, was nicht dem Kolben und Bajonett erlag, die Schrägung hinunter, in die Wütende Neiße hinein. Auch die vier Geschütze wurden genommen.
So wurde durch die Brigade Hünerbein, und zwar ganz speziell durch die Bataillone von Othegraven, von Laurens und von Zepelin, die Schlacht glänzend eröffnet. Was noch folgte: Kavallerieattacke des Obersten von Jürgaß, dann Aufnahme der zurückgehenden Reiterei durch die Brigade Herzog Karl von Mecklenburg, schließlich das Vorrücken der ganzen Linie, rechts Sacken, links Yorck, gegen das verzettelt auf dem Plateau stehende Macdonaldsche Corps, sind Momente, die jenseits unserer Aufgabe liegen. Die Brigade Hünerbein, und mit ihr unser Regiment, nahm an diesen Hergängen keinen Teil mehr und hatte nur noch Verluste durch eine von hüben und drüben fortgesetzte Kanonade. Regimentskommandeur Major von der Goltz fiel. Er hielt in Front unsres ersten Bataillons, als ihm sein Adjutant bemerkte, daß es wohl das Geratenste sein dürfte, den gefährlichen Standpunkt aufzugeben. Von der Goltz aber erwiderte: »An meinem Beispiel hängt alles.« In demselben Augenblicke traf ihn das Sprengstück einer Granate und warf ihn tot vom Pferde.
Der Gesamtverlust des Regiments an diesem Tage betrug 213 Mann. Im Vergleich zu den opferreichen Kämpfen, die noch bevorstanden, eine geringe Zahl.
Major von Laurens übernahm das Kommando.
Auch bei der Katzbach-Schlacht wiederum zeigte es sich, wie schwer es ist, über den Gang eines Gefechts etwas Sicheres in Erfahrung zu bringen. Es liegen mir vier Beschreibungen vor, die zum Teil in den wichtigsten Punkten abweichen! Wie die Brigaden untereinander und dann wieder wie die Bataillone jeder einzelnen Brigade gestanden haben, darüber herrscht Widerspruch. Einige lassen das Neysche Corps eine Rolle spielen, nach andern erschien es so gut wie gar nicht. Ein Bericht spricht von vier Geschützen beim ersten französischen Angriff, ein anderer von drei Batterien. Am meisten Übereinstimmung herrscht noch in betreff unserer Brigade Hünerbein, ganz speziell auch darüber, daß es das Bataillon Othegraven und »zwei andere Bataillone« (nach Zychlinski die unseren) waren, die die Schlacht glänzend einleiteten.
Der Schlacht an der Katzbach folgte als nächstes wichtiges Ereignis der Elbübergang bei Wartenburg am 3. Oktober. Dazwischen lag eine Anzahl von Gefechten, die zum Teil blutiger verliefen als der Katzbach-Tag. Es waren: am 4. September Gefecht bei Hochkirch, am 15. bei Langenwolmsdorf, am 20. bei Großharthau, am 21. bei Bischofswerda. Namentlich das erstgenannte (Hochkirch) legte dem 3. Bataillon, das hier seitens unseres Regiments allein in Aktion trat, große Opfer auf. Es verlor von 479 Mann 108. Unter den Gefallenen war der Kommandeur Major von Zepelin. Den Elbübergang machte unser Regiment mit, ohne in das Gefecht selbst mit verwickelt zu werden. So schritt man auf Leipzig zu, dem blutigen Tage von Möckern entgegen.
Die Schlacht bei Möckern, 16. Oktober
Napoleon, von dem Heranrücken der schlesischen Armee unterrichtet, stellte derselben das 6. Corps unter Marmont entgegen. Marmont lehnte seinen linken Flügel an Möckern und die Elster, den rechten an den Rietschke-Bach bei Eutritzsch. Der linke Flügel war der strategisch wichtigere, weil er die nächste Straße nach Leipzig deckte. Um Dorf Möckern und die hart daneben gelegene Höhenposition drehte sich denn auch recht eigentlich der Kampf. Hier setzte das Yorcksche Corps seine beste Kraft ein, speziell auch unser Regiment. Das 2. Bataillon focht in der Avantgarde und war unter den Truppen, die Dorf Möckern nahmen und behaupteten. Das 1. und 3. Bataillon aber richteten, wie das Gros des Corps überhaupt, ihre Angriffe gegen die östlich vom Dorf gelegene Höhe von Möckern. Über beide Kämpfe ein kurzes Wort.
Das 2. Bataillon im Dorfe Möckern
Alle Häuser und Scheunen waren verrammelt und mit Schießscharten versehen; die Tirailleurs prallten ab. Jetzt wurden unsererseits vier Bataillone zum Angriff vorgezogen.
Unser 2. Bataillon und ein Landwehrbataillon hatten die Tête. Der Feind, sechs Bataillone stark, stand hinter den Ziegelscheunen des Dorfes. Trotzdem avancierten die Unsern bis auf 150 Schritt und wechselten Bataillonssalven mit dem Gegner. Nunmehr ging dieser zum Angriff über, und unser 2. Bataillon mußte zurück. Inzwischen aber waren die Bataillone der zweiten Linie nachgerückt, und mit diesen vereint gingen wir aufs neue gegen Möckern vor. Das Dorf wurde mit dem Bajonett genommen, verloren und wieder genommen. Ein Häuserkampf folgte. Chaotisches Getümmel. Alle Bataillone, die hier vorgegangen waren, fochten aufgelöst durcheinander.
Das 1. und 3. Bataillon gegen die Höhe von Möckern
Gegen die östlich vom Dorf gelegene Höhe von Möckern waren inzwischen die Brigaden Steinmetz und Karl von Mecklenburg avanciert. Die Bataillone fielen rottenweise. Jetzt erging Befehl auch an die Brigaden Horn und Hünerbein, sich von Lindenthal aus (das sie vorher besetzt hatten) rechts zu schieben und bei Wegnahme der Höhe von Möckern mit einzugreifen. Eine allgemeine Begeisterung ergriff die Gemüter; Generale, Offiziere, Soldaten, alle waren von dem Gedanken beseelt, daß hier nur zwischen Sieg und Tod zu wählen sei. Unser 1. Bataillon drängte mit andern aus der zweiten in die erste Linie vor, die feindliche Stellung wurde durchbrochen und Viereck auf Viereck niedergemacht. Lieutenant und Adjutant des 3. Bataillons von Johnston zeichnete sich hierbei durch glänzende Bravour aus, und Lieutenant Goßlar vom 1. Bataillon folgte, wiewohl verwundet, mit seiner Schützenabteilung dem weichenden Feinde.
Diesem jungen Offizier – später Oberst und Kommandant von Schweidnitz – verdanken wir eine glänzende Schilderung des Tages von Möckern, soweit unser Regiment in Betracht kommt.
»Die Reveille am 16. Oktober bracht uns die Gewißheit, daß es heute zur Schlacht kommen werde. Es war ein feierlicher Morgen. Gewehr und Munition wurden nachgesehen und letztere kriegsmäßig ergänzt. Jeder brachte sein Bindezeug in Ordnung, und alles Überflüssige (namentlich Karten) wurde fortgeworfen.
Es war schon voller Tag, als das Corps gegen Leipzig aufbrach; wir hatten vollständig abgekocht. Die Gewehre wurden beim Antreten geladen. Anfänglich bewegten wir uns in der gewöhnlichen Marschordnung; als es aber das Terrain neben der großen Straße zu gestatten begann, formierten wir Angriffskolonne, was unser Vorgehen gegen die Höhen von Möckern beschleunigte. Bald gerieten wir in ein heftiges Granatfeuer, avancierten aber bis zu einer Terrainfalte, wo wir vor den feindlichen Wurfgeschossen einigen Schutz fanden und während eines kurzen Haltes Atem schöpfen und unsere schon etwas gelichteten Rotten wieder voll machen konnten. Eine Kanonenkugel schlug hier in unser 1. Bataillon und tötete den Secondelieutenant Knopki, mit dem ich mich kurz vorher wegen seines reglementswidrigen Platzes in der Kolonne gestritten hatte. Er usurpierte den Platz, der mir zukam, und wurde dafür statt meiner mit dem Tode bestraft. Ich habe mich darüber lange nicht beruhigen können.
Als für uns der Moment zum ersten Bajonettangriff gekommen war, stiegen unsere Stabsoffiziere vom Pferde, und nun hörte eigentlich alles Kommando auf. Wir hatten die junge französische Garde samt einem Marinebataillon unter Marmont gegen uns, und im weiteren Vordringen, unter unbarmherzigem Kleingewehr- und Kartätschfeuer, waren wir ihren Kolonnen häufig ganz nah auf den Leib gerückt. Sie wichen in größter Ordnung zurück, immer nur, um wieder Front zu machen. So standen die Dinge, als plötzlich eines der diesseitigen, übrigens nicht unserm Regimente zugehörigen Bataillone kehrtmachte, wodurch die Nachbarbataillone mit zurückgerissen wurden. Die Intervallen gingen verloren, die Treffen vermischten sich, und war dies ein für die Offiziere aller Grade verzweiflungsvoller Augenblick. Da half kein Befehlen und Bitten, auch nicht, daß scharf druntergefuchtelt wurde. Ich meinerseits ließ mich in meiner jugendlichen Ekstase zu einem Fußfall verleiten. Erfolgloses Bemühen! Einem sechzehnjährigen Tambour unsres 1. Bataillons war es endlich vorbehalten, die Ordnung wieder herzustellen. Er sprang aus dem verworrenen Knäul heraus und schlug, ganz allein vorgehend und aus Leibeskräften, mit einem Trommelstocke den Sturmmarsch. Das half! Unser Bataillon machte Front, und das verlorene Terrain ward um so leichter wiedergewonnen, als der Feind, in Befürchtung eines diesseitigen Kavallerieangriffs, überhaupt gar nicht gefolgt war. Major von Othegraven vom brandenburgischen Infanterieregiment (jetzt Nr. 12) hat diese Handlung des Tambours, unmittelbar nach der Schlacht, als Zeuge zur Sprache gebracht. Der Lohn des Tapferen war das Eiserne Kreuz. Seinen Namen hab ich vergessen, aber er selbst lebt in meiner Erinnerung als ein Hauptheld des Tages fort.
Mit dem Dunkelwerden war auf dieser Seite von Leipzig der Sieg erfochten, und General von Horn ließ das Leibregiment einen großen Kreis schließen und einige Hautboisten ›Nun danket alle Gott!‹ blasen. Da die Brigaden ganz nahe beieinander standen und die Gewehre zusammengesetzt hatten, während es bei den Vortruppen immer noch knallte, so drängte sich alles zusammen, und ich werde den ungeheuren Eindruck nie vergessen, den es auf die Herzen aller Anwesenden hervorbrachte, als der General, nachdem das Lied verklungen war, sich mit uns allen auf die Knie warf und entblößten Hauptes ein lautloses Gebet verrichtete.
Das war ein freiwilliger Gottesdienst!
Nachdem die Bivouacs für die Nacht bezogen waren, wurd Appell gehalten – ein trauriger Appell! Wir hatten wohl zwei Drittel unserer Leute eingebüßt. Unser vortrefflicher Regimentskommandeur, Major von Laurens, war, an der rechten Hand schwer verwundet, zurückgebracht worden. Major von Pfindel, ein lustiger, mitten in der Schlacht singender Stabsoffizier, war zum Tode getroffen und starb bald nachher in Halle.
Am Bivouacsfeuer wurde verzehrt, was jeder bei sich führte. Dann ruht ich ungestört bis zur Reveille, wobei mir und einem andern Kameraden der halbnackte Leichnam eines französischen Offiziers als Kopfkissen diente.
Der Morgen des 17. Oktober war regnicht und kalt. Jeder Lebende und Gesunde freute sich aber dankend seines Daseins, und das Frühstück – schwarzer Kaffee mit Rum – mundete herrlich. Das halb verschimmelte Kommißbrot schmeckte wie Marzipan.
Der alte Hünerbein ging mit uns auf dem nahe gelegenen Schlachtfeldterrain umher und wendete mit seinem Krückstock die schon ihrer Kleider beraubten Leichen von Freund und Feind um, wenn sie, wie gewöhnlich, auf dem Bauche lagen und mit ihren Zähnen ins Gras gebissen hatten. Und hier war es auch, wo wir die erschütternde Szene erlebten, daß unser Premierlieutenant von Kessel seinen getöteten Bruder vom brandenburgischen Regiment erkannte und ihn durch Soldaten unseres 1. Bataillons in ein Grab verscharren ließ.«
So Oberst Goßlar über den »Tag von Möckern«, den er als junger Offizier mitgemacht hatte.
Die Verluste waren enorm, selbst die von Vionville und St-Privat verschwinden daneben. Sie stellten sich wie folgt: 1. Bataillon, 415 Mann stark, verlor 235; 2. Bataillon, 513 Mann stark, verlor 387; 3. Bataillon, 389 Mann stark, verlor 136. Gesamtverlust, einschließlich von 15 Freiwilligen Jägern, 773 Mann. Dazu 12 Offiziere. Major von Laurens (schwer verwundet) erhielt das Eiserne Kreuz 1. Klasse. Nur 559 Mann stark zog unser Regiment dem Rheine zu. Es wuchs aber unterwegs.
Das 12. Reserve-Infanterieregiment
1814
Der Rheinübergang in der Nacht zum 1. Januar
In der Silvesternacht, scharf auf der Scheide der beiden verhängnisvollen Jahre, traf in den Cantonnements der Befehl ein, in aller Stille nach Kaub aufzubrechen. Der Rheinübergang stand also nahe bevor. Die Brigade Hünerbein, der man zur Entschädigung für Wartenburg den Vortritt lassen wollte, sammelte sich und trat in geschlossenen Kolonnen zusammen. Mit und in ihr unser Regiment. Es war sternenklar und scharfer Frost; man hörte das Rollen der Diligence, die nach Koblenz hinabfuhr, das Plätschern von Rheinkähnen, die von Lorchhausen und Lorch herangerudert wurden, das Geräusch des beginnenden Brückenbaues, das Auffahren einer zwölfpfündigen Batterie. Drüben blieb alles still und schien entweder ahnungslos oder aber auf Hinterlist zu sinnen. Endlich – die Spannung war aufs höchste gestiegen – begann von zweieinhalb Uhr ab die Einschiffung der Avantgarden-Infanterie auf den herbeigeschafften Kähnen. Den Übergang eröffneten 200 Füsiliere des brandenburgischen Infanterieregiments, demnächst folgte unser 2. Bataillon, diesem der Rest der Brigade. Das Licht im Douanenhäuschen jenseits brannte. Die Überfahrt währte eine Viertelstunde. Alles blieb still, bis man das verbotswidrige Hurra hörte, mit welchem die brandenburgischen Füsiliere das linke Rheinufer begrüßten. Gleich darauf fielen die ersten Schüsse aus dem Douanenhäuschen. Während die Füsiliere ein unbedeutendes Tirailleurgefecht zu bestehen hatten, landete auch unser 2. Bataillon, 271 Köpfe stark. Major Graf Brandenburg dirigierte die 6. und 7. Compagnie unter Führung des Hauptmanns Wiegand auf die große Straße nach Bacharach, die 5. und 8. Compagnie unter Kommando des Majors von Blücher aber seitwärts auf die Straße nach Oberwesel, von woher feindliche Détachements herbeigeeilt waren. Die Felsecke auf der Chaussee zwischen dem Douanenhäuschen und Bacharach war das Ziel, welches der Feind mehrere Male mit Nachdruck zu erreichen und zu halten suchte. Selbst Geschütze fuhren auf. Unser 2. Bataillon, dem eine Compagnie des 3. als Soutien nachgesandt wurde, verjagte den in der Verzweiflung kühnen Gegner, nahm Bacharach und setzte sich darin fest, bis es nach einigen Stunden Befehl erhielt, über Steeg nach dem Dorfe Rheinböllen zu marschieren. Als der Feind Bacharach geräumt hatte, erstiegen unser 1. und 3. sowie das 1. Bataillon des brandenburgischen Regiments den Talrand und besetzten das Dorf Henschhausen, wo demnächst die ganze Brigade sich sammelte. Das Ersteigen der Höhen war um so beschwerlicher, als der Morgen inzwischen Glatteis gebracht hatte. Dies veranlaßte ein häufiges Ausgleiten, welches denn auch nicht ohne Folgen blieb: der interimistische Regimentskommandeur Major von Herrmann beschädigte sich durch einen unglücklichen Sturz vom Felsen so sehr, daß er zurückbleiben und später wegen Invalidität seine Verabschiedung nachsuchen mußte.
Der Marsch der Brigade ging nun zunächst auf Saarbrücken, das am 7. Januar erreicht wurde, dann ins Lothringische hinein. Am 11. stand man bei St-Avold, am 18. aber überschritt man bei Pont-à-Mousson die Mosel und wurde den zur Einschließung von Metz bestimmten Truppen vorläufig zugeteilt. Das 1. Bataillon kam nach Moulins-les-Metz und Longeville, das 2. und 3. Bataillon in die Nähe von Plappeville, Namen, die seitdem wieder in unserem Ohr und Herzen lebendig geworden sind.
Der Aufenthalt vor Metz dauerte nur kurze Zeit; schon am 26. trafen russische Truppen als Ablösung ein. »Die Unseren wurden dadurch von einem Dienst befreit, der, infolge naßkalter Witterung und von Bivouacs im halbgeschmolzenen Schnee, zahlreiche Verluste herbeigeführt hatte.« Aufgabe war gewesen, das formidable Metz womöglich einzunehmen, was beim Yorckschen Corps, das bekanntlich eine schonungslose Kritik gegen alle Anordnungen des Blücherschen Hauptquartiers übte, vielleicht nicht ohne Grund die »Champagner-Disposition« genannt wurde.
Am 26. Januar brachen unsere Bataillone auf und marschierten auf St-Mihiel. Von dort aus auf Commerey, Ligny, St-Dizier, Vitry, also hart an der jetzigen Straßburg-Pariser Eisenbahnlinie hin. Am 3. Februar standen die Brigaden des Yorckschen Corps vor Vitry.
Am folgenden Tage wurde die Bewegung auf Châlons-sur-Marne fortgesetzt. Die 8. Brigade langte gegen Mittag vor der Festung an, und schon sollte zum Sturm geschritten werden, als General Yorck von jedem Vorgehen der Art Abstand nahm und die Stadt mit Granaten zu bewerfen begann.
Bald sah man Feuer aufgehen. Einige Zeit später ließ sich eine von einem französischen Offizier begleitete Deputation der Bürgerschaft melden, welche der General von Yorck auch empfing. Alles harrte neugierig des Ausgangs der Unterredung.
Endlich kam es zur Kapitulation, und speziell unsere Brigade, die jetzt vom Prinzen Wilhelm geführt wurde, rückte tags darauf in die Reimser Vorstadt ein, wo man (wie am Abend vorher in der Vorstadt St-Mihiel) volle Champagnerkeller fand und die schäumende Flüssigkeit, die man für Weißbier hielt, gierig hinunterstürzte. Die Folgen blieben nicht aus, und unter einem wilden Gejauchze drang man endlich in die Stadt selber ein.
Am 6. Februar sollte der Marsch in der Richtung auf Montmirail fortgesetzt werden. Die 8. Brigade blieb in Châlons. Mit ihr unser Regiment. Hier sollte nunmehr dem Champagnerrausch eine sehr unangenehme Ernüchterung folgen. General von Yorck ließ nämlich um zehn Uhr vormittags Generalmarsch schlagen und die Truppen bis nach eingetretener Dunkelheit beim ärgsten Regen unter dem Gewehr stehen.
Mitte Februars war die ganze Blüchersche Armee im »Lager von Châlons« vereinigt; sie zählte jetzt, nachdem auch General von Bülow eingetroffen war, vier Corps. Am 18. brach man auf. Es ging auf Paris.
Unter Gefechten wurde Laon erreicht. Am 9. März früh nahmen die Corps der Blücherschen Armee die durch das Terrain gebotene Aufstellung, das Yorcksche Corps in zwei Treffen. Man hörte die Schlacht auf dem rechten Flügel, dem Yorckschen Corps gegenüber aber zeigte sich kein Feind. Endlich nachmittags vier Uhr erschien Marschall Marmont auf der Straße von Reims. Die Batterien begannen ihr Spiel, und gegen Abend kam Befehl zum Angriff. Prinz Wilhelm, der jetzt eine Division führte, ging im Sturmschritt gegen das brennende Dorf Athies vor, das Bataillon Borcke mit seinen Schützen in der Front. Es ward immer finsterer; nur das flammende Athies, die auflodernden Bivouacfeuer, die brennenden Lunten bei den in Position gebliebenen feindlichen Kanonen und die Sterne leuchteten. Unser Bataillon Blücher folgte links dem Bataillon Borcke; beide drangen in die nordwestliche Ecke des Dorfes ein, stießen erst auf Tirailleure, dann auf Massen. Kein Schuß fiel, aber unter Trommelschall und Hurraruf stürzte man auf den Feind. Rechts weithin, immer ferner und ferner, antworteten andere Bataillone des Prinzen sowie der Division Horn und des Kleistschen Corps im wilden Echo. Der überraschte Feind floh im wilden Durcheinander. Man fand neben den eingestürzten Balken der brennenden Häuser die kurz zuvor erst aufgesetzten Feldkessel. Einzelne Abteilungen suchten sich hinter Hecken und Gartenmauern zu retten und schossen aus ihren Verstecken hervor. Aber zu ihrem Unheil. Sie wurden aufgespürt und über den Haufen gerannt. Der Mond ging auf und goß seine Streiflichter, gemischt mit denen des brennenden Dorfs, auf ein kurzes, aber wildes Handgemenge: der fliehende Feind, seines Weges unkundig, war ohne Wissen und Wollen in unsere Bataillone hineingeraten. Eine Meile weit ging die Verfolgung.
Nach diesem Tage (9. März) hatte man auf ein rasches Vorwärts gerechnet. Aber es unterblieb, und man ging bis in das Bivouac bei Athies zurück. Erst am 18. kam wieder Bewegung in den großen Heerkörper. Eine Woche später empfand jeder: nun geht es wirklich auf Paris, und am 19. standen die Spitzen unsrer Armeen angesichts der französischen Hauptstadt. Das Yorcksche Corps hatte beim Vormarsch die Tête gehabt, die ihm zukam, denn bei ihm war der eigentliche Ernst des Krieges.
So kam der 30.
Schlacht vor Paris, 30. März
Schon um sechs Uhr hörte man Kanonendonner von Pantin und Romainville her, und um zehn Uhr stand die Avantgarde des Yorckschen Corps in Höhe von Pantin. Eine feindliche, hinter der Meierei Le Rouvray stehende Batterie beherrschte die Straße, darauf wir anrückten, und unser Musketierbataillon Blücher wurde zur Unterstützung der Avantgarde vorgezogen. Im Laufschritt, um dem Kartätschfeuer der bei Le Rouvray feuernden Batterie möglichst zu entgehen, ward eine eiserne, über den Ourcq-Kanal führende Brücke passiert und Le Rouvray selbst von unserem Bataillon Blücher besetzt, während andre Bataillone in Pantin einrückten. Die feindliche Batterie ging zurück. Mit ihr verschiedene Bataillone, die bis dahin die Position gehalten hatten.
In diesem Augenblick erhielt Major Blücher Befehl, dem sich zurückziehenden Feinde zu folgen. Aber dieser war minder erschüttert, als man diesseits erwartet hatte, kam zum Stehen und empfing die Nachstürmenden mit mehreren Salven. Gleichzeitig eröffnete eine jenseit des Kanals aufgefahrene Batterie ihr Feuer gegen die Unsern, und so in Front und Flanke zusammengeschossen, blieben im Nu 210 von 343 Mann. Fast zwei Drittel also waren tot oder verwundet. Der Rest, zurückeilend, suchte das schützende Vorwerk (Meierei Le Rouvray) zu erreichen. Der Feind nach. Da rafften Hauptmann von Rathenow und Lieutenant von Johnston ein paar Gruppen Fliehender zusammen, warfen sich den Verfolgern entgegen und retteten dadurch die Meierei.
Das andere Bataillon unseres Regiments, Major von Borcke, nahm nur mit einem Schützenzuge an den mehr nördlich sich hinziehenden Kämpfen teil und hatte geringe Verluste.
Tags darauf, am 31. März, war »Einzug in Paris«. Linie und Landwehr blieben bekanntlich davon ausgeschlossen. Unsere Bataillone besetzten an diesem Tage die Barrièren de l'Étoile und du Bassin.
Am 30. Mai Friedensschluß. Bald darauf Rückkehr der Truppen in die Heimat.
Das 24. Infanterieregiment
1815
Unser Regiment – damals noch unter seinem alten Namen: 12. Reserve-Infanterieregiment – war am 8. Juli 1814 in die ihm zugewiesene Garnison Luxemburg eingerückt. Major von Laurens, von seiner Verwundung hergestellt, übernahm wieder das Kommando. Nicht eben zum Vorteile des Regiments wurden viele Rheinländer eingestellt, was sich jetzt, nachdem sie aus »Muß-Preußen« längst zu loyalen Alt-Preußen geworden sind, ohne besonderen Anstoß sagen läßt. Sie wollten damals keine guten Preußen sein.
Die Reorganisation war nur erst oberflächlich beendet, als eine kurze Meldung das Friedenswerk unterbrach: »Napoleon zurück von Elba!« Also wieder Krieg. Am 27. Mai 1815 verließ unser Regiment – das seit dem 1. Mai letztgenannten Jahres den Namen 24. Infanterieregiment führte – Luxemburg und marschierte in die Niederlande hinein, um seine Stellung innerhalb der 1. Brigade des 1. Corps einzunehmen. Die Stärke des Regiments belief sich, alles in allem, auf etwa 2200 Mann, und zwar: 1. Bataillon 21 Offiziere und 717 Mann, 2. Bataillon 19 Offiziere und 727 Mann, Füsilierbataillon 20 Offiziere und 694 Mann, Summa 60 Offiziere und 2138 Mann.
Die 1. Brigade, General von Steinmetz, bestand aus dem brandenburgischen Infanterieregiment (Nr. 12) und dem 24. Regiment und dem 1. westfälischen Landwehrregiment. Dazu das 6. Ulanenregiment und eine Fußbatterie. Am 7. war Revue der Brigade, am 8. Vorlesung der Kriegsartikel, am 9. kündigte sich der Feind an, aber sein Erscheinen verzögerte sich. Am 14. Aufstellung auf der großen Straße nach Binche; am 15. fanden bereits einzelne Rencontres statt. So kam der Tag von Ligny, der auch unserm Regiment erhebliche Opfer auferlegte.
Ligny, 16. Juni
Napoleon stand bei Fleurus mit vier Corps: Grouchy, Gérard, Vandamme und den Garden, Blücher eine Meile weiter nördlich, hart links an der von Fleurus auf die Chaussee Brüssel-Namur führenden Straße. Er hatte nur drei Corps zur Hand; das vierte Corps (Bülow) war noch zurück. Im Vertrauen auf die Unterstützung Wellingtons – die später, nach Lage der Sache, ausbleiben mußte – nahm er die Schlacht an. Diese hat man sich einigermaßen ähnlich vorzustellen wie die Schlacht bei Vionville: drei an einer Chaussee liegende, stark besetzte Dörfer, gegen die sich von Süden her drei Angriffskolonnen richten. Was am 16. August 1870 die Dörfer Mars-la-Tour, Vionville und Rezonville waren, das waren am 16. Juni 1815 die Dörfer St-Amand, Ligny und Sombreffe. Gegen die rechten Hügeldörfer geschah an beiden Tagen nichts Erhebliches; wie sich der eine Tag bei Mars-la-Tour und Vionville entschied, so der andere bei St-Amand und Ligny.
St-Amand, Ligny, Sombreffe – so folgten die Dörfer einander von West nach Ost. Da wir mit Front gegen Süden standen, von wo Napoleon angriff, so war St-Amand unser rechter, Sombreffe unser linker Flügel; Ligny Zentrum.
St-Amand war durch das Zietensche, Ligny durch das 2., Sombreffe durch das Thielemannsche Corps besetzt.
Um zwei Uhr ging Napoleon vor. Vandamme, französischer linker Flügel, gegen St-Amand, Gérard, Zentrum, gegen Ligny, Grouchy, französischer rechter Flügel, gegen Sombreffe. Nach mehrstündigem Hin- und Herschwanken entschied sich der Kampf dadurch, daß Napoleon, die Garden zur Unterstützung Gérards vorziehend, mit diesen unser Zentrum bei Ligny durchbrach. Blücher, sich an die Spitze einiger Kavallerieregimenter setzend, suchte die Schlacht wieder herzustellen. Aber vergeblich. Geworfen, entging er nur wie durch ein Wunder der Gefangennahme.
Soviel über den Gang der Schlacht überhaupt.
Unser Regiment stand am diesseitigen rechten Hügel (Zietensches Corps) teils bei St-Amand, teils tausend Schritt weiter nördlich bei dem Dorfe St-Amand-la-Haye. Hier nahm es an den erbitterten Kämpfen dieses Nachmittags teil. Wir geben nun einige Details.
Um eineinhalb Uhr durchschritt der greise Feldmarschall das Bivouac der 1. Brigade: 12. und 24. Infanterieregiment, und ermunterte die Soldaten mit ein paar kräftigen Worten: »Seht, dort bei Fleurus, da zieht sich's zusammen. Nun gilt es, Kinder.«
Um dieselbe Stunde erhielt unser Füsilierbataillon, Major von Blücher, Ordre, in St-Amand einzurücken. Bis dahin hatte das Bataillon in einem Garten in Front des Dorfes gelegen. In Gemäßheit dieser Ordre war man eben damit beschäftigt, die südwestliche Lisière von St-Amand mit Tirailleurs zu besetzen, als der Gegenbefehl eintraf, statt in das Dorf, in die Reserve zu rücken. Das Bataillon verließ St-Amand und marschierte bis St-Amand-la-Haye, wo es östlich neben dem Dorfe Stellung nahm. Hier befand sich ein Backofen, von dessen Höhe aus, über St-Amand hinweg nach Fleurus zu, unsere Offiziere die Einleitungen zum Gefecht, wie sie auf französischer Seite stattfanden, deutlich verfolgen konnten.
Inzwischen sahen unsere auf einem Höhenzuge unmittelbar nördlich von St-Amand stehenden Musketierbataillone ebenfalls über dies Dorf hinweg und nahmen gleicherweise das Vorrücken der Vandammeschen Kolonnen wahr, die sich von Fleurus aus gegen St-Amand dirigierten. Dieses war nach Abzug unseres Füsilierbataillons durch das 29. Regiment besetzt worden. Vandamme griff mit Übermacht an, bemächtigte sich des Dorfes und warf die Neunundzwanziger hinaus. Als er indessen von der nordöstlichen Lisière her in Kolonnen debouchieren wollte, ging ihm unsere 1. Brigade, rechts das 12., links das 24. Regiment, entgegen und drang mit einer glücklichen Attacke in das Dorf ein. Kaum war dieser Erfolg errungen, als frische feindliche Streitkräfte St-Amand wieder zu nehmen trachteten. Dies versagte jedoch. Unsere Musketiere gewannen sogar Terrain, nachdem sie dem Feinde, der sich mit der größten Erbitterung schlug, Gehöft nach Gehöft und Hecke nach Hecke hatten abringen müssen.
Aber der Feind führte jetzt abermals neue Bataillone gegen St-Amand vor. Unser Regiment mußte die südwestliche Lisière wieder aufgeben, da es an Patronen zu mangeln begann, und das Gefecht im Dorfe selbst erneuerte sich nunmehr. Endlich traf unsererseits die 2. Brigade Pirch zur Ablösung ein. Schwierig war es, die in lauter Trupps zerstreuten Mannschaften aus dem wütenden Kampfe herauszuziehen. Endlich gelang es. Laurens bestimmte als Sammelplatz einen tief gelegenen Punkt zwischen Ligny und St-Amand-la-Haye. Leider sicherte diese Vertiefung nicht ausreichend gegen das Einschlagen von Geschossen, und beide Musketierbataillone erlitten hier noch erhebliche Verluste. Dem Lieutenant von Wulffen riß eine Granate den Kopf weg, eine andere rasierte fünf Mann vom rechten Flügel der 5. Compagnie, eine dritte traf Laurens' Pferd und schleuderte diesen aus dem Sattel.
Was nun noch folgte, war, soweit unser Regiment in Betracht kommt, ein Hin- und Hermarschieren. Es ging nach Sombreffe und wieder zurück.
Auf diesem Rückmarsch indes war es unsern Vierundzwanzigern noch beschieden, an dem in gewissem Sinne wichtigsten Moment des Tages teilzunehmen. Blücher selbst, um Ligny wiederzugewinnen, führte zum Schluß des Tages, wie schon erwähnt, ein paar Kavallerieattacken aus. Aber sie mißglückten, Blücher stürzte und lag unterm Pferde. Die französischen Reiterungewitter donnerten über das Feld hin. In diesem Augenblicke trafen wie durch glücklichen Zufall unsere Musketierbataillone an dem Wasserlauf ein, der hart an Mont Potriaux vorüberfließt. Laurens ließ Carré schließen und kommandierte: »Zweites Glied, Feuer!« Dies wechselte darauf mit dem dritten Glied die Gewehre, und eine zweite Salve folgte. Beide hatten ihre Wirkung, die Reitermasse stob seitwärts und wurde von dem Punkt abgedrängt, wo Blücher unterm Pferde lag. Vielleicht wandten diese Salven eine Gefangennahme ab, die, nach allgemeiner Annahme, verhängnisvoll gewesen wäre.
Der Rückzug – Gneisenaus unsterbliches Verdienst – ging auf Wavre, das heißt den Engländern entgegen. Der Gesamtverlust, den unser Regiment an diesem Tage erlitt, belief sich auf 14 Offiziere und 340 Mann, die zur Hälfte auf das 2. Bataillon entfielen.
Belle-Alliance, 18. Juni
Wie bei Ligny an tapferer Verteidigung, so nahm unser Regiment bei Belle-Alliance an der siegreichen Offensive teil, die die letzten Stunden dieses Tages brachten. Es gehörte zu den Truppen, die recht eigentlich die Schlacht entschieden. Ihr bloßes Erscheinen bedeutete den Sieg.
Es war etwa sechs Uhr. als die 1. Brigade von Steinmetz auf dem Schlachtfelde eintraf. In diesem Moment waren die Engländer im Zurückweichen und getrennt vom Bülowschen Corps.
Die 1. Brigade (und in ihr unser 24. Regiment) stellte dadurch, daß sie zum Angriff vorging, den Feind warf und die Engländer zu neuem Vorrücken veranlaßte, die Verbindung wieder her und entschied auf diese Weise die Niederlage des französischen rechten Flügels. Auf einer von einem französischen Generalstabsoffizier herrührenden Zeichenskizze finden wir an einer Stelle, wo zwei Bataillone an der Spitze des heranziehenden Zietenschen Corps in den Plan eingezeichnet sind, zugleich die Worte: »Arrivée du corps du général Zieten, qui decida la défaite de l'aile droite.« Diese »zwei Bataillone« sind die Musketiere unseres 24. Regiments.
Der Feind wich, setzte sich aber noch einmal auf den dominierenden Höhen südwestlich von Smohain. Unsere Musketierbataillone, unter Laurens' persönlicher Führung, folgten. Sie hatten die französische Garde gegenüber, die jetzt mit höchster Anstrengung unsere so gut wie vollzogne Vereinigung mit den Engländern wieder zu lösen trachtete. Die diesseitige Tirailleurkette wurde verstärkt und wieder verstärkt, bis zuletzt die halben Bataillone aufgelöst kämpften. Alles umsonst. Der heftige Widerstand der alten Garde brachte den Angriff ins Stocken; ein Wanken begann, das ein Weichen zu werden drohte. In diesem Augenblick trat Laurens, wie es in den Berichten heißt, »mit seiner kräftigen Gegenwart« ein, schob das Füsilierbataillon nach links, um dadurch Verbindung mit dem rechten Flügel des 4. Corps zu gewinnen, nahm gleichzeitig die Soutiens der Musketierbataillone zusammen und führte sie, durch die Tirailleurschwärme hindurch, zu neuem Angriff vor. Im Vorgehen wurde nach rechts hin Verbindung mit den Bergschotten gewonnen, die an dieser Stelle standen und kämpften. Vorwärts! Wohl erkannte man die Gefahr, als es so gerad im Sturmschritt auf die alte Garde losging (die noch dazu durch eine vorteilhafte Stellung begünstigt war), aber siehe da, es gelang. Der Feind wurde geworfen. Seit Beginn dieses Angriffs war kaum eine halbe Stunde vergangen. Von Position zu Position in den Kessel zurückgedrängt, zog sich die Garde von Frichermont auf la Belle-Alliance zu.
Der Nebel hatte sich inzwischen gänzlich geteilt. Noch einmal sah man die feindliche Kavallerie anrücken, jedoch bald halt- und kehrtmachen. Endlich verschwanden die französischen Kolonnen hinter Planchenoit.
Die prächtigste Sommernacht zog herauf, und ein glänzender Vollmond beleuchtete das Schlachtfeld, auf welchem die Engländer und Preußen nunmehr als Sieger vereint ruhen durften.
Unser Regiment vereinigte sich bei La Haye-Sainte und bezog daselbst ein Bivouac, dicht neben ihm einige Bataillone Hochländer. Als man sich einigermaßen eingerichtet hatte, ließ Laurens die Hautboisten und Sänger vor die Mitte des Lagers treten und zuerst »Nun danket alle Gott«, dann »Heil dir im Siegerkranz« anstimmen. Als die Hochländer diese Melodie hörten, die, wie bekannt, zugleich die der englischen Nationalhymne ist, fühlten sie sich freudig überrascht, fielen ein und sangen ihr »God save the King« mit, indem sie mit tränenvollen Augen ihren preußischen Waffengefährten in die Arme stürzten. Dann wurde noch lang in die Nacht hinein gejubelt und getanzt, obgleich der Boden von dem furchtbaren Regen der vorigen Nacht sehr aufgeweicht und durch die Kavallerieattacken gräßlich durchknetet war. Vierundzwanziger und Bergschotten im frohsten Durcheinander.
Die Verluste des Regiments waren mit Rücksicht auf das große Resultat gering zu nennen 137 Mann an Toten und Verwundeten, die, wie bei Ligny, so auch hier, größerenteils auf die beiden Musketierbataillone entfielen.
Die Friedensjahre
(von 1815 bis 1848)
Am 2. November 1815 trat das Regiment den Rückmarsch in die Heimat an; es marschierte über Brüssel, Köln, Braunschweig, Magdeburg nach Breslau und Neiße. In diesen Garnisonen wurde die Demobilisierung ausgeführt.
1817 trat das Regiment aus dem 6. (schlesischen) Armeecorps in das 3. (brandenburgische) über und wurde nach Frankfurt a. O. hin gelegt. In Frankfurt und Umgegend stand das Regiment drei Jahr und rückte erst im September 1820 in seine neuen Garnisonen Ruppin und Prenzlau ein.
Die Regimentskommandeure der Vierundzwanziger waren von 1815 bis 1848 die folgenden: Oberstlieutenant von Laurens bis 1816, Oberst von Romberg bis 1821, Oberst von Petery bis 1834, Oberst von Wulffen bis 1838, Oberst Chlebus bis 1844, Oberst Ehrhardt bis 1848. – 1824 wurde der Erbgroßherzog Paul Friedrich von Mecklenburg-Schwerin Chef des Regiments, 1842 der Sohn Paul Friedrichs, der jetzt regierende Großherzog Friedrich Franz.
Das 24. Regiment im Jahre 1848 und 1849
Am 24. Februar 1848 erfolgte die »Februarrevolution«, und in weniger als drei Wochen zog das revolutionäre Wetter über ganz Europa hin. Überall fand es reichlichen Zündstoff, und überall schlug es ein. Auch bei uns. Es war eben nicht alles so, wie's sein sollte. Die Zusagen von 1815 waren unerfüllt geblieben, ein Druck war da, eine Luft, die das freie Atmen hinderte. Auch die Besten, wenn sie nicht Unzufriedene waren, waren wenigstens unbefriedigt.
Aus dieser Stimmung heraus erwuchs unser »18. März«. Ohne den stillen Vorschub, den das gesamte Volksgefühl den Krawallern von Fach leistete, wäre dieser Tag nicht möglich gewesen.
Die junge Freiheit war geboren. Aber sie konnte ihren unmittelbaren Ursprung nicht verleugnen, und mit jedem Tage wurd es klarer, daß sie von der Gasse stammte. Das vielzitierte »Schaumspritzen« eines freiheitlichen Geistes wurde mehr und mehr unbequem, und die hohe Libertas trug das Kleid des Rehbergers. Unser Regiment war es, dem damals die Aufgabe zufiel, die Ausschreitungen der Hauptstadt im Zaume zu halten, weniger durch direktes Eingreifen als einfach durch seine Gegenwart. Die Übermütigsten wußten, daß wenigstens ein loyaler Faktor da war, mit dessen 3000 Bajonetten gerechnet sein wollte.
Sehr bald nach dem »18. März« waren unsere Vierundzwanziger in die Hauptstadt eingerückt und hatten in den Kasernen des 2. Garderegiments und der Gardeartillerie Quartiere bezogen. Speziell diese Kasernen waren wohl mit Rücksicht auf die nahe gelegene »Oranienburger Vorstadt« gewählt worden. Der Sicherheitsdienst befand sich in den Händen der Bürgerwehr, und nur einige wichtigere Punkte wurden unseren Vierundzwanzigern zugewiesen. Unter diesen das Zeughaus.
Ebendieses war auch am 14. Juni wieder durch eine Füsiliercompagnie Vierundzwanziger besetzt worden, als sich am Nachmittage genannten Tages jene Ereignisse vorbereiteten, die unter dem Namen der »Zeughaussturm« bekannt geworden sind. Ein sehr lehrreiches Kapitel in der Geschichte der Revolutionen, zugleich ein treffliches Beispiel dafür, daß Unternehmungen von einer nicht wegzudisputierenden historischen Bedeutung oft nicht bloß durch die zweifelhaftesten, sondern auch geradezu durch die kümmerlichsten Mittel in Szene gesetzt werden. 100 oder 200 verwegene Bursche, Bursche, die, was auch kommen möge, nur zu gewinnen haben, rottieren sich zusammen, und in weniger als einer halben Stunde sind aus den 200 zwanzigtausend geworden. Aber diese zwanzigtausend sind au fond nichts als eine Täuschung. Jeder will sehen und hören und vielleicht hinterher ein wenig renommieren, das ist alles; er denkt nicht daran, Hand anzulegen, wenn's Ernst wird, er will nicht kämpfen oder sich persönlich Gefahren aussetzen, er will nur mit schreien und möglichst mit unnütz sein, während die andern die Kastanien aus dem Feuer holen. Diese »andern« aber sind immer nur wenige. Wer dies im Auge hat, der wird solcher Bewegungen in der Regel leicht Herr werden, und meistens ohne große Opfer hüben und drüben; aber an diesem freien Blicke gebricht es in revolutionären Zeiten fast immer. Jeder ist angekränkelt, jeder erkennt der Auflehnung ein bescheidenes Maß von Berechtigung zu oder setzt auch wohl Mißtrauen in die Mittel und Wege, mit denen er in den Kampf eintreten soll. So wird die Entschlußkraft gebrochen. Das Schlimmste tuen dann schließlich noch die »Berater«. Unter diesen sind immer einige, die mit der Angst des eigenen Herzens die Herzen derer, bei denen die Entscheidung liegt, anzustecken wissen. Mitunter sind es auch Mitverschworene.
So war es am 14. Juni. Geschwätz, Zureden und, als alles nicht ausreichte, direkte Lüge brachen, ohne daß ein Schuß gefallen wäre, den Widerstand der Zeughausverteidiger, und die jubelnde Menge trat ein. Aber nicht lange sollte sie sich dieses Sieges erfreuen. Das mittlerweile gesammelte 1. Bataillon Vierundzwanziger erhielt Befehl, das Zeughaus wiederzunehmen, und vom Kupfergraben wie zugleich vom Kastanienwäldchen aus rückten alle vier Compagnien gegen dasselbe vor. Die Menge wich, und durch sie hindurch drangen jetzt die Hauptleute von Brause und von Stülpnagel in das Zeughaus ein, säuberten den Hof, nahmen in der obersten Etage dem Gesindel die bereits geraubten Waffen wieder ab und jagten dasselbe die Treppe hinunter oder zu den Fenstern hinaus. In Zeit von zwei Stunden war alles beendet und die Ordnung der Dinge wiederhergestellt.
So der Juni 1848. Ernster, bedeutsamer waren die Maiereignisse des folgenden Jahres, insonderheit
der Straßenkampf in Dresden.
Hier stand man einer wirklichen revolutionären Macht gegenüber. Auf diese Kerntruppe der Revolution paßte nicht mehr das, was ich vorstehend von bloßen Krawallern und Tunichtguten gesagt habe, hier befehdeten sich zwei Prinzipien, von denen jedes seine Truppen ins Feld stellte. Die Ereignisse von damals sind halb vergessen, sie sollten es nicht sein. Sie gaben uns einen Vorgeschmack von dem, was kommen wird.
Am 3. Mai war der Aufstand in Dresden ausgebrochen. An der Spitze standen Tzschirner, Todt, Heubner, Bakunin. Die Barrikaden (so wird erzählt) waren nach Anleitung Sempers errichtet, die revolutionäre Armee selbst aber bestand aus Turner-, Künstler- und Studentencorps, aus Teilen der Schützengilde, der Bürgerwehr, aus formierten Abteilungen militärisch eingeübter Bergleute und aus Umsturzmännern von Fach, namentlich Polen. Es handelte sich also nicht um »Gesindel«, das bekämpft werden sollte, sondern, wie schon hervorgehoben, um eine Elitetruppe, die nach Intellekt, Wissen und bürgerlicher Stellung erheblich höher stand als die uckermärkischen Füsiliere, die hier unsrerseits in den Kampf eintraten. Je bestimmter ich auf seiten dieser letztren stehe, desto freier auch darf ich es aussprechen, daß nichts falscher und ungerechter ist, als auf die Scharen des Maiaufstandes verächtlich herabzublicken. Die Schuld lag bei den Führern. Und auch hier ist noch zu sichten. Neben Ehrgeizigen und Böswilligen standen aufrichtig begeisterte Leute. Eine Republik herstellen wollen ist nicht notwendig eine Dummheit, am wenigsten eine Gemeinheit.
Das sächsische Militär war nicht stark genug, den Aufstand zu unterdrücken. Am 5. oder 6. Mai gingen deshalb von Berlin aus das 1. und das Füsilierbataillon vom Alexander-Regiment nach Dresden ab, um die sächsischen Truppen in ihrem Kampfe zu unterstützen. In der Nacht vom 7. zum 8. folgte unser vierundzwanziger Füsilierbataillon. Am 8. früh traf es in Neustadt-Dresden ein und rückte um ein Uhr mittags zur Ablösung der verschiedenen Détachements des Alexander-Regiments über die Elbbrücke. Die halbe Altstadt war um diese Zeit bereits zurückerobert, aber in der im Besitz der Insurgenten verbliebenen Hälfte steigerte sich der Widerstand, besonders am Altmarkt und in dem zwischen der Wilsdruffer-, Scheffel- und Schloßgasse gelegenen Häusercarré.
Unsere Füsiliere begannen den Kampf sofort, aber der Hauptangriff wurde doch bis zum 9. morgens verschoben.
Die 9. Compagnie (rechter Flügel) ging in der Frühe genannten Tages mit allen drei Zügen vor. Hauptmann von Malotki nahm das Postgebäude, Lieutenant von Glasenapp das Engelsche Haus, Lieutenant von Horn eine starke Barrikade an der Scheffel- und Wallstraßen-Ecke.
Die 10. Compagnie (linker Flügel) setzte sich vom Neuen Markt her in den Besitz des Café Français und avancierte von hier aus gegen die ebenfalls mit Insurgenten besetzte Kreuzkirche.
Die 11. und 12. Compagnie (Zentrum) arbeiteten sich in den Häusern der Sporer- und Schössergasse gegen den Altmarkt vor, während andre Abteilungen, bei denen sich der Bataillonskommandeur Major Schrötter befand, die Hauptstraße hielten und die hier errichteten, mit der roten Fahne geschmückten Barrikaden wegnahmen.
Die Hauptaktion hatte die 9. Compagnie. Noch geraume Zeit nachher bot das Postgebäude samt den angrenzenden Baulichkeiten ein deutliches Bild des Kampfes, der hier getobt hatte. Die Verluste der Insurgenten waren groß, der ganze Hergang aber, rein auf seinen militärischen Gehalt hin angesehen, hatte deutlich gezeigt, welches Widerstandes eine Stadt fähig ist, wenn sie den guten Willen hat, jeden Fußbreit Erde zu verteidigen.
Der Straßenkampf in Iserlohn
17. Mai 1849
Am 11. Mai verließ unser Füsilierbataillon Dresden und vereinigte sich mit den andern Bataillonen des Regiments, um den inzwischen an einigen Orten Westfalens ausgebrochenen Aufstand niederzuschlagen. Das führte am 17. Mai zu dem Straßenkampfe von Iserlohn. Unsere Bataillone stürmten von drei Seiten her gegen die Stadt, nahmen die Barrikaden im ersten Anlauf und drangen in den Straßen, trotz lebhaften Feuers aus den angrenzenden Häusern, ohne Aufenthalt vor. Eine der Barrikaden, die von der 4. Compagnie erstürmt wurde, war aus Postwagen erbaut, andre waren mit Geschützen versehen. An die Spitze der 12. Compagnie hatte sich der Kommandeur des Füsilierbataillons, Oberstlieutenant Schrötter, gestellt; seiner Truppe weit vorauf, traf ihn eine Kugel, und tödlich getroffen sank er aus dem Sattel. Diesen Schuß hatten die Aufständischen teuer zu bezahlen. Das Haus ward erstürmt und von drei Seiten her der Marktplatz erreicht. Die Feder sträubt sich, die Zahl der Opfer anzugeben. Auf seiten des Regiments waren nur zwei Tote, darunter Oberstlieutenant Schrötter
Der Feldzug in Pfalz und Baden
Inzwischen hatten sich die badenschen und zum Teil auch die bayerischen Truppen (soweit sie in der Rheinpfalz standen) dem Aufstande angeschlossen. An die Stelle ihrer Offiziere, die mit kaum nennenswerten Ausnahmen ihrem Eide treu blieben, traten vielfach Revolutionärs vom Fach. Mieroslawski übernahm die Oberleitung.
Drei Corps setzten sich zur Bekämpfung der Aufständischen in Marsch. Das erste dieser Corps wurde vom General von Hirschfeld, das zweite vom General Graf Gröben, das dritte, aus deutschen Kontingenten gemischte, vom Generallieutenant von Peucker kommandiert. Den Oberbefehl über diese Armee übernahm der damalige Prinz von Preußen.
Unsere Vierundzwanziger kamen zum Hirschfeldschen Corps. Es war mehr ein Marschieren als ein Bataillieren, und zuletzt, als die Murg-Linie seitens der Aufständischen erreicht war, setzten sie sich, um einen letzten entschlossenen Widerstand zu versuchen. Dies führte am 29. und 30. Juni zu den ziemlich blutigen Gefechten bei Kuppenheim, von denen das eine diesseits, das andre jenseits der Murg geschlagen wurde. An dem Gefechte diesseits der Murg (29.) nahmen unsere Musketierbataillone, an dem Gefechte jenseits der Murg (30.) unsere Füsiliere teil. Besonders zeichnete sich am 29. das 2. Bataillon aus. »Das Erscheinen des 2. Bataillons 24. Regiments war entscheidend. Die Freudigkeit, mit der es ins Gefecht ging, ist über alles Lob erhaben, und bald war auch das verlorengegangene Terrain und noch mehr gewonnen. Der Feind zog eilig über die Murg nach Kuppenheim ab.«
Die verschiedenen Gefechte, die am 30. Juni stattfanden, entschieden über das Schicksal der Insurgentenarmee. Ein Teil warf sich nach Rastatt hinein, das sich bis zum 23. Juli hielt. Der Rest zerstob in alle Winde.
Damit war der Feldzug abgeschlossen, unsere Vierundzwanziger aber wurden dem Okkupationscorps zugeteilt, das bis November 1850 in Baden verblieb.
Die Verluste in allen Kämpfen des Jahres 49 (Dresden, Iserlohn, Baden) stellten sich für unser Regiment wie folgt:
Dresden: 6 Tote, 13 Verwundete.
Iserlohn: 2 Tote, 4 Verwundete.
Baden: 3 Tote, 18 Verwundete.
Damals hatten diese Zahlen ein Gewicht; jetzt blicken sie uns bescheiden an. Bei Vionville gab es Sekunden, die mehr kosteten als alle diese Kämpfe zusammengenommen.
Das 24. Regiment im Kriege gegen Dänemark
1864
Eine Epoche der »Mobilmachungen« folgte den Kämpfen von 1848 und 1849. Wer diese Mobilmachungen erlebt hat, weiß, daß es nichts Verstimmenderes und Lähmenderes gibt. Wer mobilisiert, muß auch schlagen. So wenigstens die Regel. Eine so große Rat- und Freudlosigkeit war über unser Volk gekommen, daß, als der Tod Friedrichs VII. und die sofort ausgesprochene Inkorporation Schleswigs in Dänemark zu neuen Mobilisierungen führte, niemand an den Ernst der Situation glauben wollte. »Es wird wieder nichts«, hieß es. Nebenher ging die Befürchtung, daß alles, was etwa doch geschähe, zu Nutz und Frommen Dänemarks geschehen würde. Es kam jedoch anders. Eine Epoche glänzender Kriege nahm ihren Anfang.
Anno 64 kam unser Regiment zur Brigade Roeder. Am 2. Februar war es mit bei Missunde, rückte am 7. mit in Flensburg ein und stand am 11. im Vorterrain von Düppel, etwa eine Meile von den Schanzen entfernt.
Am 22. Februar wurde die Büffelskoppel, am 14. März Wester-Düppel, am 17. März Kirch- und Oster-Düppel genommen. Endlich am » 18. April« erfolgte der so berühmt gewordene Sturm auf die Düppler Schanzen.
Unsere Vierundzwanziger standen der Schanze V gegenüber. Die Formation der Angriffskolonne war die folgende: eine Schützencompagnie: Hauptmann von Salpius vom 64.; eine Arbeitercompagnie: Hauptmann von Lobenthal vom 64.; eine halbe Pioniercompagnie: Premierlieutenant Lommatzsch; zwei Sturmcompagnien Vierundzwanziger unter Hauptmann von Hüllessem und Hauptmann von Sellin; zwei Reservecompagnien, Vierundzwanziger und Vierundsechziger, unter Hauptmann von Goerschen und Hauptmann Windell.
Alle stiegen mit dem Glockenschlag zehn rasch hintereinander aus der dritten Parallele hervor und avancierten in drei Linien. Die Compagnien von Sellin und von Goerschen, und ihnen vorauf die halbe Pioniercompagnie unter Premierlieutenant Lommatzsch, hatten nach drei Minuten schon den Graben in Front der Schanze erreicht. Hier aber geboten die Palisaden Halt. Es galt, dieses Hindernisses Herr zu werden. Mancher überkletterte die Pfähle, die meisten aber stemmten sich dagegen und wuchteten sie heraus, wodurch Lücken entstanden, die nun den Stürmenden den Weg auf die Brustwehr öffneten. Wie bei Schanze III, wo die Füsiliere vom Leibregiment den Lieutenant von Werdeck, eine reckenhafte Figur, mit Hülfe zusammengelegter Gewehre hineingehoben hatten, so trugen auch hier die Füsiliere vom 24. Regiment ihren Hauptmann von Sellin im Triumph in die Schanze. Mancher fiel. Premierlieutenant Lommatzsch, an der Spitze seiner Pioniere, erhielt einen tödlichen Schuß, Lieutenant von Falkenstein, vom 24., wurde schwer verwundet, aber schon sechs Minuten nach zehn Uhr war Schanze V in der Front erobert.
An dem erbitterten Kampfe, der der Erstürmung der Schanzen auf dem zwischen diesen und dem Sonderburger Brückenkopf gelegenen Terrain folgte, scheint die Brigade Roeder keinen Anteil genommen zu haben. Desto hervorragender war ihre Beteiligung an der Eroberung von Alsen.
Die Eroberung von Alsen geschah am 29. Juni 1864. In der am Tage zuvor in Schloß Gravenstein ausgegebenen Disposition hieß es: »Der Übergang geschieht mittels 160 Kähnen und durch den Pontontrain von vier näher zu bezeichnenden Punkten aus.« Unsere Vierundzwanziger hatten innerhalb der Brigade den rechten Flügel. Das 1. Bataillon ging in fünfzig Booten vom Südende des Satruper Holzes, das 2. Bataillon in zweiundvierzig Booten von der »Ziegelei« aus über den Alsensund. Ich gebe nachstehend einen Bericht aus den Reihen des 2. Bataillons.
»Solange man von Alsen sprechen wird, wird dieser Übergang als ein tollkühnes Unternehmen gelten. Vielleicht barg diese Kühnheit das Geheimnis des Erfolges. Ich, für mein Teil, bei aller Erkenntnis der Gefahren, denen wir entgegengingen, hatte das vollständigste Gelingen keinen Augenblick bezweifelt. Nun nehmt eine Karte zur Hand, um besser folgen zu können.
Die Disposition für den 29. lautete etwa wie folgt:
›Um zwölf Uhr nachts steht alles an den angewiesenen Plätzen. Anzug wie am Sturmtage; der Mann achtzig Patronen. Schlag zwei Uhr setzt die Brigade Roeder, als Avantgarde, über den Alsensund. Das 1. Bataillon vom 24. Regiment nimmt den rechten Flügel in der Richtung auf Arnkiel, das 2. Bataillon vom 24. nimmt die Mitte, sechs Compagnien vom 64. Regiment nehmen den linken Hügel und steuern auf Arnkiel-Öre. Die ersten Compagnien, die das feindliche Ufer erreichen, stürmen die dortigen Schützengräben und Batterien. Wenn dies geschehen, wendet sich das 1. Bataillon vom 24. auf das abgebrannte Gehöft Arnkiel, das 2. Bataillon durchstreift die Fohlenkoppel bis zum südlichen Ausgang derselben; die Vierundsechziger säubern den äußersten linken Flügel an der Augustenburger Förde und dringen ebenfalls bis zur Südlisière der Fohlenkoppel vor. Hier warten Vierundzwanziger und Vierundsechziger weitere Befehle ab.‹«
So das Allgemeine. Nun die Schicksale des 2. Bataillons.
»Am 28. abends halb zehn Uhr marschierten wir, nach dreimaligem Hoch auf den König, aus der Büffelkoppel. Um eineinhalb Uhr morgens machten wir halt dicht hinter einer am Strande gelegenen Ziegelei. Von hier aus sollten wir übergehen. Die Pioniere und die zu ihrer Hilfeleistung kommandierten Schiffer waren eben damit beschäftigt, die Boote ins Wasser zu bringen. Eine mühevolle und nicht ganz geräuschlose Arbeit. Dennoch blieb am jenseitigen Ufer, welches man auf 800 Schritt im Dämmer erkennen konnte, alles in geheimnisvoller Stille. Nun, macht euch fertig. Zwei Uhr. Es kam der Befehl zum Einsteigen. Die Leute mußten, da viele unserer Boote nicht hart ans Ufer heranzubringen waren, bis an den Leib ins Wasser. Ein angenehmes Morgenbad. Die Patronen wurden im Brotbeutel um den Hals gebunden. Ungeachtet aller dieser Hindernisse ging das Einsteigen rasch vonstatten. Unserer 6. Compagnie war für diesen Tag ein kurhessischer Offizier, der Oberlieutenant von Loßberg, Neffe des General von Canstein, zur Dienstleistung zugeteilt.
Drei Minuten nach zwei Uhr schwammen wir auf dem Alsensund. Die 5. Compagnie und ein Teil der 6. hatten die Tête. Unser Boot war unter den vordersten. Wenn wir nach links hin blickten, sah es im Morgendämmer aus, als schwämmen Züge wilder Enten über den Sund. Alles still. Peinlichste Erwartung. Die Ruderer griffen rascher ein. Da mit einem Male brach ein Donnerwetter über unsern Köpfen los. Granaten-, Kartätsch- und Gewehrfeuer begrüßte uns vom andern Ufer, Fanale brannten auf, und das 1. Bataillon des 60. Regiments, das aufgelöst an der Lisière des Satruper Holzes stand und von dem Augenblick an, wo wir entdeckt sein würden, durch Schnellfeuer unseren Übergang decken sollte, knatterte jetzt ebenfalls über den Sund hin. Man war von hinten kaum sicherer als von vorn. Trotz aller Gefahr das großartigste Feuerwerk, das ich mein Lebtag gesehen habe. ›Hurra, vorwärts, vorwärts!‹ Es war zauberhaft. Die Kartätschen plätscherten um einen herum, daß das Wasser hoch aufspritzte. Eine Granate schlug einen Kahn unserer Compagnie in Stücke, eine ganze Wand war weggerissen, und im Moment gingen Boot und Mannschaften in die Tiefe. Alles schrie auf, und die nächsten Boote wollten retten. Aber ›vorwärts!‹ donnerte eine Kommandostimme dazwischen. Es stand Größeres auf dem Spiel. Drei ertranken. Andere tüchtige Kerls schwammen glücklich dem Ufer zu. Hut ab vor diesen braven Musketieren.
Die 5. Compagnie war die erste am Ufer. Mit Hurra ging es die steile Uferwand hinauf, auf die Schützengräben zu. Was sich wehrte, wurde niedergemacht, andere gefangengenommen. Noch andere wichen auf die Fohlenkoppel und wir hintendrein. Es war das reine Kesseltreiben. Endlich an der Lisière hielten wir, um Atem zu schöpfen. Aber fast im selben Moment kam General Roeder zu uns heran und rief uns, rückwärts deutend, zu, erst die Strandbatterie zu nehmen, an der wir in unserem Verfolgungseifer vorbeigestürmt waren, ohne ihrer zu achten. Nun also kehrt! Wahrhaftig, da krachte es von derselben Uferstelle aus, an der wir gelandet waren, oder doch keine 200 Schritt von ihr entfernt, immer noch über den Alsensund hin, als ob wir noch samt und sonders auf dem Wasser schwämmen. Aber es waren die letzten Schüsse. Nach zehn Minuten war die Schanze genommen, und drei schwere Geschütze samt einer Anzahl Espingolen, dazu zwei Offiziere und fünfzig Mann, fielen in unsere Hände. Die Gefangenen wurden dem Ufer zu getrieben und dort von den rückkehrenden Booten aufgenommen. Wir schwenkten dann wieder rechts, bis wir unter fortwährendem leichtem Gefecht die Südlisière der Fohlenkoppel erreichten.«
Dies war am 29. Juni. Drei Wochen später war der Krieg beendet.
Das 24. Regiment im Kriege gegen Österreich
1866
Genau zwei Jahre nach der Eroberung von Alsen, am 29. Juni 1866, hatten brandenburgische Regimenter einen neuen Ruhmestag: die 5. Division unter General von Tümpling stürmte die Brada-Höhe bei Gitschin. Die 6. Division, der unser 24. Regiment angehörte, kam nicht zur Aktion.
Auch am 3. Juli, bei Königgrätz, stand die 6. Division unter General von Manstein in Reserve. Sie hielt in der Nähe des Königs, auf dem Höhenzuge diesseits der Bistritz, die Lipa-Höhe vor sich. Zwischen den Höhen hüben und drüben: Sadowa und der Hola-Wald.
Um Mittag, als unsere Lage immer kritischer und das Festhalten des Sadowa-Wäldchens immer fraglicher geworden war, gab sich ein Verlangen kund, mit der noch völlig intakten 6. Division von Manstein über das Wäldchen hinaus gegen die Lipa-Höhe anzustürmen. Aber mit Recht wurde diesem Verlangen gewehrt, und das um zwei Uhr stattfindende Eintreffen der kronprinzlichen Armee bei Chlum und Rosberitz entschied die Schlacht. Es wird erzählt, General von Manstein habe dem Könige liebevolle Vorwürfe gemacht, die Schlacht ohne ein rechtes Dazutun der 6. Division und speziell der »Düppel-Brigade«, Regimenter 24 und 64, gewonnen zu haben, worauf der König gut gelaunt geantwortet hätte: »Aber, lieber Manstein, ich kann doch Ihretwegen nicht noch mal anfangen.«
Das 24. Regiment im Kriege gegen Frankreich
1870 und 1871
Auch im siebziger Kriege gegen Frankreich gehörte das 24. Regiment zur 6. Division, die jetzt vom Generallieutenant von Buddenbrock kommandiert wurde. Brigadekommandeur war Oberst von Bismarck, Regimentskommandeur Oberst Graf Dohna. Bataillonskommandeure: 1. Bataillon Major von Lüderitz, 2. Bataillon Major Rechtern, Füsilierbataillon Major von Sellin, derselbe, der schon vor Düppel eine Sturmcompagnie gegen Schanze V geführt hatte.
Die beiden hervorragenden Aktionen der 6. Division während des siebziger Krieges waren Vionville und Le Mans.
Vionville. Zwischen neun und zehn Uhr traf die 6. Division Buddenbrock auf dem so berühmt gewordenen Plateau südlich von Flavigny und Vionville ein; rechts rückwärts stand die 5. Division Stülpnagel im Feuer. Schwere Stunden kamen. Flavigny und Vionville wurden durch mehrere Bataillone der 6. Division genommen, während sich das Regiment 24 in langer Front von den Tronviller Büschen her, an der alten Römerstraße entlang, bis nach Vionville hin entwickelte. Dem gegen eine feindliche Batterie (nördlich Vionville) vorgehenden Füsilierbataillon von Sellin gelang es bei dieser Gelegenheit unter furchtbaren Verlusten ein Geschütz zu nehmen, das einzige, welches die Franzosen in dem Ringen am 14., 16. und 18. August verloren haben. Alle Offiziere des Bataillons waren tot und verwundet, die Fahnenspitze weggeschossen und die Stange in zwei Stücke gespalten.
Im verlustreichsten, passiven Feuergefecht kam die Mittagsstunde heran, und glühend strahlte die Sonne auf die ermattende Mannschaft nieder. Unsere Überflügelung, erst durch das französische 6. und im weitem Bogen durch das 3. und 4. Corps, wurd immer sichtbarer und gefahrdrohender, und keine Reserven waren zur Hand. So, den letzten Schuß im Lauf, wich endlich drei Uhr nachmittags das zusammengeschmolzene Regiment auf Dorf Tronville zu zurück. Ganze Compagnien waren führerlos. Wir hatten 54 Offiziere und 1200 Mann verloren.
Le Mans. Nicht so blutig verlief Le Mans. Aber die Strapazen, die dem endlichen Siege voraufgingen, zählen zu den größten, die dieser Krieg unsern Truppen auferlegte. »Wie der ganze Tag«, so heißt es in einem uns vorliegenden Briefe, »so wird uns auch der Abend des 10. Januar unvergeßlich bleiben. Es trat nämlich ein Schneefall ein, wie wir ihn in Frankreich noch nicht erlebt hatten. Die Flocken fielen so groß und dicht, daß wir in wenigen Minuten Schneemännern ähnlich waren. Und so saßen wir denn an demselben Wege, wo die erstarrenden Leichen vieler gefallenen Feinde den tapferen Widerstand derselben kundtaten, um mehrere Feuer geschart und gedachten mit dankerfülltem Herzen unserer Lieben daheim, ein Gedanke, der in solcher Lage für den Soldaten der süßeste, der liebste ist. Um ungefähr elf Uhr nachts brachte uns ein Marsch von einer guten halben Stunde hungrig, müde und am ganzen Körper fröstelnd in unsere Quartiere, die wir auf einigen erbärmlichen Fermen, auf Böden oder in den Ställen bezogen, um am Morgen weiter gegen Le Mans vorzugehen.«
Dem Kriege folgten die »Tage der Okkupation«. Unser Regiment gehörte jener aus vier Divisionen kombinierten Armee zu, die, bis zu völliger Zahlung der Kriegsschuld, in Frankreich zu verbleiben hatte. Speziell die Standquartiere der Vierundzwanziger waren Reims, Vitry-le-François, Étain, Verdun, von welch letzterem Ort aus sie, nach Abmarsch aller andern Truppenteile, mit den Vierundsechzigern als letzte Staffel folgten.
Am 19. September 1873 zogen sie unter einem Jubel, den selbst ein wolkenbruchartig herniederstürzender Regen nicht hindern konnte, in ihre alte Garnisonstadt Ruppin wieder ein.