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Karl Wie der Vizeadmiral Vernon die 1000 Pfund gewinnt und die beiden Wildhall befriedigt.

m Abend hatte sich der Vizeadmiral etwas zeitig in die Taverne begeben und saß guten Mutes schon einige Zeit bei seinem Weine im Stübchen, als sich auch Onkel und Neffe bald nach einander einfanden. Welcher von beiden zuerst kam, ließ sich natürlich nicht sagen, denn dies musste erst noch enträtselt werden und zwar, wie die beiden Gegner hofften, noch heute, denn die Miene Edward Vernon’s war zuversichtlicher denn jemals.

Der Admiral hatte einen ziemlich großen Kessel mit Wasser bringen und selbigen übers Kaminfeuer stellen lassen.

„Ihr werdet beide,“ sagte er, „wofern es Euch noch Ernst damit ist, Eure Frage heute entschieden zu sehen, ein Glas Wasser zu Euch nehmen müssen und da wir sehr kühles Wetter haben, wollt’ ich Euch kein kaltes Wasser zumuten.“ — Bevor er ihnen aber näher eröffnete, auf welche Weise sich ihre Sache entscheiden sollte, wartete er, bis jeder an seiner gewohnten Stelle sich ordentlich niedergesetzt und seinen gefüllten Becher vor sich hatte. Dann fuhr er fort:

„Geehrte Herren und Freunde, Ihr werdet voller Erwartung sein, ob und wie ich Euch befriedigen kann. Ich hab‘ in der Tat seit gestrigem Abend hin- und her gesonnen, um die Frage auf bequeme und erfreuliche Weise zu erledigen; das scheint aber kaum irgendwie möglich, und so hab’ ich mich am Ende genötigt gesehen, bei einem Mittel stehen zu bleiben, welches zwar vollkommen entscheidend und also ganz genügend, aber nur leider zugleich etwas barbarischer Natur ist. Ich hätte dies Mittel an Euch anwenden können, ohne Euch im Voraus die Beschaffenheit desselben zu sagen; allein das durft’ ich mir nicht erlauben, denn es ist notwendig, dass Ihr ganz aus freiem eigenem Antriebe Euch dazu versteht. Wie gesagt, Ihr müsst jeder ein Glas Wasser aus jenem Kessel dort trinken.“

„Das ist unbequem und unerquicklich“, sagte Paul, „doch seh’ ich im Grunde keine Schwierigkeit dabei.“

„ Durchaus nicht, „ stimmte Johannes ein, „zumal wenn man ein Glas Wein hinterdrein zu sich nehmen kann. Aber wie soll das unserm Zwecke dienen?“

„In folgender Weise“, sagte Vernon ruhig und ernst. „Ich habe ein Pulver mitgebracht, ein Gift, wovon ich in jedes Glas Wasser eine gleiche Partie schütten werde. Wer von Euch beiden diesen Trunk ohne unangenehme Folgen aushält, unter welche unter andern auch der Tod gehören wird, der ist offenbar Oheim, nämlich der Sohn des Doktors Wild, welcher Gift zu verdauen verstand. Ich kann’s Euch aus hundert historischen und völlig beglaubigten Beispielen nachweisen, dass eine solche Eigenschaft stets unfehlbar auf den Sohn forterbt. Das ist mein Mittel.“

Keiner der beiden Wildhall vermochte den andern gerade anzusehen, denn jeder fürchtete die nicht ganz freudige Überraschung zu verraten, die beiden des Admirals Erklärung bereitete; Sie beschäftigten sich schweigend mit ihren Gläsern.

„Meiner Treu“, sagte der Admiral nach einer kleinen Pause, „es scheint das Euch Herren nicht ganz zu behagen und Ihr seht mir fast aus, als wäret Ihr alle Beide Neffen. Dünkt Euch mein Mittel vielleicht gar zu entscheidend?“

„O nein!“ sagte Paul. „Dies Mittel könnte nicht besser gewählt sein, es ist augenscheinlich probat. Ich kann’s auch getrost darauf wagen; aber darf ich den Johannes ein solches Getränk nehmen lassen, während ich weiß, dass es ihn töten wird?“

„O, ich weiß, dass ich meines Vaters Magen habe!“ rief Johannes. „Aber ich würde ja einen Mord begehen, wenn ich den da das Zeug trinken ließe.“

„Beruhigt Euch“, sagte Vernon. „Man kann dem Dinge vielleicht noch auf gelinderem Wege beikommen. Bei einer kleinen Dosis, die ich Euch zunächst nehmen lassen könnte, folgt nicht der Tod, sondern nur ein deutlich sichtbares Übelbefinden des Trinkers; dieses würde vielleicht schon entscheidend für Euch sein; wo nicht, so kann man zur größeren Dosis schreiten. Tritt dieses Übelbefinden bei dem annoch fraglichen Neffen ein, so braucht sich der Oheim alsdann nicht zu große Sorge zu machen; denn drüben in der Gaststube sitzt der Schiffschirurg Mercileß, den ich im Notfall gleich rufen kann. Der Mann ist in solchen Sachen sehr erfahren und hat stets gute Hilfsmittel zur Hand.“

Während dieser Auskunft hatten die Gesichter der Wildhall ihre Munterkeit so ziemlich wieder gewonnen. Aber Vernon bemerkte mit noch größerem Ernste als vorher:

„Überlegt’s Euch noch wohl, Ihr Herren! Wie leicht könntet Ihr Euch in der Hitze des Streites zum Genusse der größeren Dosis hinreißen lassen! Dann würde selbst Mercileß das arme Opfer nicht mehr retten können. Um Alles in der Welt möcht’ ich nicht die bittere Reue des Überlebenden von Euch sehn! Lieber lassen wir die Sache beim Alten und ich verzichte auf die 1000 Pfund.“

„Nein, nein!“ riefen Beide. „Wir wollen Entscheidung! Nur her mit dem Gifte!“

Die Kunde von der Nähe des erfahrenen Schiffschirurgen und der Gedanke an die kleine, nicht allzu grimmige Dosis hatte offenbar ermutigend gewirkt.

„Nun wohlan! Es ist Euer Wille!“ sagte Vernon feierlich.

Vor jeden stellte er ein Glas, welches er mit dem Wasser aus dem Kessel füllte. Er zog keineswegs ein Papierchen oder ein niedliches Schächtelchen mit dem fraglichen Gift aus der Tasche, sondern trug schweigend eine zwei Hand hohe Büchse von einem Seitentische herbei, welche mit einem weißen Pulver gefüllt war.

„Heiliger Himmel! Diese Masse Gift“ sollen wir heute noch zu uns nehmen!“ rief Paul mit keineswegs fröhlichem Staunen. „O, da gibt sich schon im Voraus die Scheu des Neffen kund!“ sagte Johannes, der mit geringem Erfolge eine triumphierende Miene zu erkünsteln suchte, denn seine Augen waren beim Anblicke des Gefäßes ebenfalls sehr groß geworden.

„Die Quantität wär’ eigentlich Nebensache, „ sagte Vernon. „Der Apotheker versicherte mir, dass von diesem Gifte schon eine Messerspitze voll vernichtend auf den Magen wirkt, der nicht dazu geboren ist. Übrigens bin ich auf Eure Bequemlichkeit bedacht gewesen und diese Masse ist nur Schein; ich habe nämlich, um Euch den Geschmack des Giftpulvers zu entziehen, der wenigstens dem Neffen unangenehm auffallen würde, selbiges unter Zucker gemischt. Daher diese scheinbare Menge. Aber überlegt nochmals! noch ist’s Zeit! Wie leicht konntet Ihr Euch zum Äußersten hinreißen lassen. Teilt Euch friedlich in Eure 1000 Pfund, lasst’s beim Alten und ich stelle das Gift wieder bei Seite.“

Beide ermutigte jedoch vielleicht die geheime Hoffnung, dass die Entscheidung schon eintreten würde, lange bevor man zum Äußersten schritte.

„Nein!“ rief daher Johannes eifrig. „Ich bin entschlossen. Überdies gibt Euer Vorschlag ein entscheidendes Mittel an die Hand, und selbst wenn wir keinen Gebrauch davon machten, hättet Ihr die 1000 Pfund gewonnen. Liefre die Summe aus, Paul.“

„Hier ist das Geld“, sagte Paul, ein Päckchen Banknoten aus seiner gigantischen Brieftasche ziehend und dem Admiral reichend. „Ihr seht, dass wir’s schon bereitgehalten haben und das Geschäft ist gemacht.“

„Aber wenn Ihr Euch nun doch zum Äußersten fortreißen ließet? Wie ist’s mit Euren Testamenten? Binnen einigen Stunden kann Einer von Euch starr und kalt sein —’“ „Ich habe keinen Erben außer meinem Neffen dort; ich bedarf keines Testaments; werd’ überdies heute, selbst im schlimmsten Falle, nicht sterben“, sagte Johannes.

„Mit mir ist es ganz der nämliche Fall“, sagte Paul. „Mir wird der Trunk nichts anhaben, und wenn ich einst sterbe, so ist schon gesorgt, dass mein Neffe um nichts kommt.“

„Wohlan denn, so trinkt!“ sagte Vernon, welcher die Banknoten kaltblütig in seine Tasche versenkte und nun in jedes Glas Wasser einen großen gehäuften Löffel voll von dem vergifteten Zucker schüttete und umrührte. „Ich hab’ Euch vorläufig zur Probe nur ganz kleine Dosen gegeben“, setzte er hinzu.

„Sei es, um sich Muth zu holen, sei es, um jedenfalls noch einen ordentlichen Trunk zu genießen, bevor das vielleicht unmöglich wurde: instinktmäßig leerten beide erst ihre Weingläser, bevor sie von dem Giftwasser zu nippen begannen. Sie warteten dann wieder in feierlicher Stille ein Weilchen unter dem guten Vorwande, es sei noch allzu heiß. Plötzlich aber überwog bei beiden die Furcht, sich vor dem Gegner bloßzustellen, und jeder Tat einen sehr großen Schluck. Unwillkürlich schnitten beide daraus fürchterliche Gesichter, obwohl das Wasser doch nur vom Zucker süß schmeckte.

„Scheint Dir nicht besonders zu munden?“ sagte Johannes zu Paul.

„O, „ antwortete dieser, „gegen das Gift hätt’ ich nichts, nur gegen das verhenkerte Wasser.“

„Das glaub’ ich allerdings“ sagte Vernon. „Das Wasser ist ein elendes Getränk. Das Wasser ist gleichsam der Neffe, aber das Gift darin ist der Oheim. Indes fällt mir ein, dass ich Euch auch in dieser Beziehung die Sache noch etwas bequemer machen kann, um Euch nicht mit dem fatalen Wasser zu quälen.“

Er rief den Kellner, der auf sein Geheiß eine Flasche Rum herbeibrachte. Daraus füllte Vernon die um ein Drittel geleerten Giftgläser wieder an.

„Nun, Courage, und leer damit!“ rief er. „Was angefangen, muss vollendet werden!“

Die Gegner begaben sich von neuem an das schwierige Werk, vollendeten es aber wider Erwarten diesmal ziemlich rasch. Es vergingen darnach verschiedene Minuten, und man begann es auffällig zu finden, dass sich bei Keinem eine Spur von Schmerz oder Übelkeit einstellen wollte. Sehr unzufrieden schienen die beklagenswerten Trinker damit eben nicht zu sein, aber Vernon meinte, er möchte vermutlich die Dosis allzu winzig genommen haben und sie müssten sich schon entschließen, jeder ein zweites Glas zu leeren. Sie fügten sich in stummer Ergebung und der Admiral war so vorsichtig, des unangenehmen Wassers wegen diesmal sogleich ein reichliches Drittel Rum beizufügen.

Wieder tranken sie, wieder waren die Gläser leer und noch immer sank keiner vom Stuhle. Keiner empfand eine Wirkung des genossenen Giftes, selbst nachdem sie, bei immer gesteigerter Dosis, ein drittes Glas getrunken hatten.

„Das geht unmöglich mit rechten Dingen zu!“ sagte Vernon. „Solltet Ihr Herren am Ende gar alle Beide Oheime sein? Wer weiß, welches Geheimnis die Dienerin verschwiegen hat, die allein bei Eurer Geburt gegenwärtig war. Könnt es nicht sein, dass Ihr Zwillinge seid, während der Neffe tot zur Welt gekommen und in jener Sturmnacht unbemerkt über Bord gemusst hat? Meiner Treu! ich beginn’ Euch für Zwillinge zu halten, für zwei Oheime, die ganz getrost die Giftbüchse rein ausleeren können!

Die Wildhall schüttelten jedoch die Köpfe; sie waren zu sehr überzeugt von der einfältigen Ehrlichkeit jener Dienerin, die in hohem Alter und mit sehr ruhigem Gewissen verstorben war.

Ganz ohne Wirkung blieb—das ungewohnte Getränk aber doch nicht auf die Beiden. Sie waren beim dritten Glase schon in eine sehr sanfte und weiche Stimmung geraten, wie man sie sonst nicht an ihnen kannte. Ja, der Admiral glaubte endlich in ihren Blicken etwas zu bemerken, was ihm verdächtig vorkam und fast bereut’ er’s, ihnen schon das vierte Glas vorgesetzt zu haben. Er stand auf, um die Ansicht des Schiffschirurgen Mercileß einzuholen. Nach zwei Minuten kam er mit verstörtem Blicke wieder, der noch verstörter wurde, als er sah, dass auch das vierte Glas schon leer war.

„Meine Herren!“ sagte er mit stockender Stimme

„Mercileß belehrt mich, dass ich einen schauderhaften Missgriff begangen habe. Die Dosen, die ich für klein hielt, waren schon die stärksten und er sagt mir, dass eben nur die übermäßige Quantität des Giftes den Ausbruch der Wirkung noch hemmt, dass aber für den, der’s einmal nicht verträgt, an keine Rettung mehr zu denken ist. Ihr seht mich in Verzweiflung! wenn ein Neffe unter Euch ist, so muss der unwiderruflich sterben!“

Diese Schreckensbotschaft übte keineswegs die Wirkung, die man hätte erwarten sollen. Die Beiden schienen in ihrer weichen Stimmung für Schrecken und Grauen nicht mehr empfänglich zu sein.

„Bruder,“ sagte Paul, dem andern die Hand über den Tisch reichend, „Du wirst mir in dieser Nacht genommen werden. Vergib mir’s — ich bin schuld an Deinem frühen Tode! Wahrlich, ich wollte so gern für Dich sterben, wenn ich’s nur ändern könnte.“

„Ach, besinne Dich doch, Herzensfreund!“ erwiderte Johannes, dem die Tränen in den Augen standen; — „Du bist’s ja leider, der sterben muss und ich werde den Vorwurf Deines Todes gewiss nicht lange ertragen — ich folge Dir bald—“

Und beide erhoben sich und schlossen einander in die Arme, während sie vor Rührung nur noch abgebrochene Worte hervorbrachten. Diese Rührung teilte sich endlich auch Vernon mit.

„Meine lieben Herren“, sagte er. „Wir müssen uns die Stunden der Trübsal erleichtern und kürzen. Der Tod ist nun einmal in unserer Mitte. Sei es denn lieber ein rasches Ende in Frieden, als lange Qual. Trinkt noch ein Glas, um das Unvermeidliche zu fördern! Aber ich, der leichtfertige Mörder eines braven Mannes — ich kann's nicht mit ansehen, nicht überleben — ich muss mit Euch trinken!“

Vergebens baten beide Gesellschafter den Admiral flehentlich, von dem verhängnisvollen Entschlusse abzustehen und sein wertvolles Leben zu schonen. Er ließ sich nichts sagen, sondern bereitete wie für die andern auch für sich selbst einen Giftbecher.

Die drei armen Opfer saßen nun in sehr wehmütiger Stimmung bei einander, doch war diese Wehmut nicht allzu bang oder drückend, sondern sie hatte eher etwas Gemütliches.

Mehr als einmal stießen sie mit einander an und tranken in der verhängnisvollen Flüssigkeit auf ein fröhliches Wiedersehen in jener Welt.

Der Admiral schien jedoch ebenfalls nicht sehr leicht empfänglich für die Wirkungen des Giftes zu sein, denn man war bald genötigt, eine zweite Flasche Rum kommen zu lassen, um das Giftwasser, welches jetzt in Strömen genossen wurde, trinkbar zu machen.

Ja, die eigentümliche Stimmung, in welcher sich alle drei befanden, drohte noch die erschrecklichsten Folgen nach sich zu ziehen, denn sie vergaßen ganz, ein paar andere Gäste, die sich noch einfanden, zu unterrichten und zu warnen, sondern ließen selbige kosten und mittrinken. So konnte die heitere Taverne zum finstern Hause des Todes werden.

Glücklicherweise kann hier gleich die Versicherung gegeben werden, dass wenigstens an diesem Abende eine so traurige Katastrophe nicht eintrat. Keiner starb damals, weder die teilnehmenden Gäste, noch der Admiral, noch auch Neffe oder Oheim. Für beide letzteren war das schlimm, weil nun ihre Frage vor der Hand noch immer ungelöst blieb.

„So lieb mir’s ist, „ sagte Vernon, „Euch noch munter genug vor mir zu haben, so fängt es doch an, mir einige Verlegenheit zu machen. Unmöglich kann ich mir denken, dass mich der brave Apotheker betrogen hat und ich würde dabei bleiben, dass Ihr alle beide Oheime seid, wenn ich an mir selber und unsern Freunden hier die Wirkung des Giftes erst sähe.“

Die bisher noch uneingeweihten Gäste wurden in Folge dieser Bemerkung zu ihrem großen Unbehagen erst unterrichtet, in was für Gesellschaft sie heute fröhlich waren und in welcher Gefahr sie schwebten. Es durchrieselte sie ein nicht sehr angenehmes Gefühl.

Mut ist aber so gut ansteckend, wie Furcht, zumal wenn man bereits einige Gläser solchen Giftes geleert hat, und da sie nun vollends die andern drei, die schon viel davon getrunken, noch munter sahen, wurden sie von gleicher Todesverachtung beseelt und sie beschlossen, müssten sie einmal dahin, zum wenigsten fröhlich zu sterben, und so tranken sie denn mit den andern weiter von dem angenehmen Gifte, welches sich als ein etwas langsames bewähren zu wollen schien.

„Mein Versprechen hab’ ich doch wenigstens trotz alledem erfüllt“, sagte Vernon. „Was kann ich dafür, dass wir Alle so verzweifelt gute Mägen haben müssen, oder dass mir der Apotheker ein so langsames Gift gegeben hat. Aber Ihr beiden Herren wisst doch nun, wie Ihr Eure Streitfrage unfehlbar schlichten könnt, und wünscht Ihr das auf etwas geschwindere Weise zu tun, so könnt Ihr noch jede Stunde zu unvermischtem Arsenik greifen und etwa morgen damit das Experiment wieder vornehmen. Seid Ihr aber dennoch unzufrieden mit mir, so geb’ ich Euch die 1000 Pfund auf der Stelle zurück.“

Die Beiden waren jedoch offenbar ganzzufrieden und meinten, er hätte den Preis vollkommen wohl verdient. Sie waren auch entschlossen, bei der Anwendung des langsamen Giftes stehen zu bleiben, welches, davon waren sie überzeugt, doch einmal seine Wirkung zeigen würde, wenn auch vielleicht erst nach langen Jahren.

Ja, sie erklärten, schon andern Tages den Versuch wiederholen zu wollen. Sie dachten offenbar sehr klug. Nimmt ein Mensch Gift, so kann er sich vielleicht noch auf etwas besinnen, was er nicht gern auf der Welt versäumen wollte, er kann dem andern noch etwas zu sagen haben, und das Alles lässt sich bei langsam wirkendem Gift recht gut nachholen, während beim schnelltötenden bald Alles zu spät ist.

Es spielte im Seitenstübchen der silbernen Krone an diesem Abende eine der oben erwähnten Szenen, wo die Uhren gern stehen bleiben oder wo, wenn doch eine noch muntere naseweise Taschenuhr dem Gaste sagt, wie viel es geschlagen hat, ihm der Hausschlüssel beruhigend zuruft: „lass Dich nicht irren, ich bin da.“

Wenn man genau Acht hat, kann man da manchen Mann sehen, um welchen sich zwei, ein guter und ein böser Genius, streiten.

Der gute Genius des Seitenstübchens, der ihn darin fest zu halten sucht, und die Atra Cura, die ihm auf der Stuhllehne sitzt und ihm fortwährend zuraunt, „hin zu gehen, wo kein Tag mehr scheinet“, nämlich nach Hause.

In der silbernen Krone kam diesmal die Atra Cura nicht zum Worte und ein schönerer Abend war daselbst noch gar nicht erlebt worden.

Oheim und Neffe blieben zwar in ihrer gerührten Stimmung, umarmten einander noch manches Mal, und Vergossen sogar einige Tränen, doch schien dies Alles, wie ein heilsamer Kontrast, die fröhliche Laune der Andern nur noch zu erhöhen. —

Humoristische Geschichten - Zweiter Band

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