Читать книгу Der Untertan von Heinrich Mann: Reclam Lektüreschlüssel XL - Theodor Pelster - Страница 5
2. Inhaltsangabe
ОглавлениеAbb. 1: Übersicht über die Struktur des Romans
Der Roman Der Untertan behandelt schwerpunktmäßig den Zeitraum von 1890 bis 1897 und spielt in der fiktiven preußischen Kleinstadt Netzig, in der Hauptstadt Berlin, in Zürich und in Rom.
1. Diederich Heßling, »ein weiches Kind, das am liebsten träumte, sich vor allem fürchtete und viel an den Ohren litt« (S. 7), verlebt seine Heßlings KindheitKindheit in der Kleinstadt Netzig. Der Vater ist Fabrikbesitzer. Er hat in dem wirtschaftlichen Aufwind, den das Land nach den Kriegen gegen Österreich und Frankreich erfahren hatte, eine »Papiermaschine« und eine »Schneidemaschine« gekauft – einen sogenannten »Holländer« (S. 8) –, kann jetzt also alte »Lumpen« (S. 8) zerkleinern und daraus Bogen Papier herstellen.
Den Vater achtet und fürchtet der Sohn, während er für die ängstliche Mutter keine Achtung übrighat. In der Schule begegnet ihm »die kalte Macht« (S. 11), an der er leidet, die er aber auch verehrt und die er mit allen Mitteln für sich erstrebt.
Mit der Abiturreife verlässt Diederich die Schule und wechselt zur Studium und VerbindungUniversität Berlin. Dort fühlt er sich zunächst verloren, findet vorübergehend Kontakt zu der Familie des Zellulosefabrikanten Göppel, der ebenfalls aus Netzig stammt, lebt aber erst auf, als er in einer schlagenden Verbindung, der Neuteutonia, zunächst Gast, dann Mitglied wird.
Von der Mutter wird er nach Hause gerufen, als der Vater im Sterben liegt. Aus dem Testament geht hervor, dass Diederich »neben dem alten Buchhalter Sötbier zum Vormund seiner beiden Schwestern bestimmt« (S. 49) ist. Von Sötbier wird er über die Geschäftslage des Unternehmens informiert, ehe er nach Berlin zurückgeht, um das Studium mit einer Promotion im Fach Chemie abzuschließen.
Durch Beziehungen gelingt es ihm, die Militärpflichtzeit abzukürzen. In den »naßkalten Februartagen des Jahres 1892« (S. 62) gerät Diederich in Arbeiterdemonstrationen, steht plötzlich völlig überrascht in der Prachtstraße »Unter den Linden« vor dem Erste Begegnung mit dem KaiserKaiser, der ihn »vom Pferd herunter [an]blitzte«, so dass er, Diederich, sich »mit Wucht in einen Tümpel« (S. 69) setzt: »Da lachte der Kaiser. Der Mensch war ein […] Untertan« (S. 69), wie er ihn gerne sah.
2. Noch überwältigt von der Begegnung mit dem Kaiser, erkennt er auf einer Parkbank Agnes Göppel, die von der Menge mitgerissen wurde, sich nun gern von Diederich begleiten lässt und ihn dazu einlädt, die Sonntagsbesuche bei ihrer Familie wieder aufzunehmen. Eine Eine LiebesbeziehungLiebesbeziehung entwickelt sich – von der Familie Göppel zunächst nicht erkannt, von Diederich zunehmend als gefährlich angesehen und von seiner Seite am Ende brutal abgebrochen.
In den Tagen der Examensvorbereitung erhält Diederich Besuch von Wolfgang Buck, der ebenfalls aus Netzig stammt, in Berlin Jura studiert, sich aber mehr für das Theater und die Schauspielerei interessiert.
Nach Studienabschluss in Berlinbestandener »Doktorprüfung«, einem letzten »Frühschoppen, der bis gegen Abend dauerte« (S. 103), und nach einer kaltblütigen Zurückweisung von Vater Göppel, der an Diederichs Pflichten gegenüber seiner Tochter Agnes erinnert, lässt er sich von »Hoffriseur Haby« (S. 109) der Mode der Zeit entsprechend zurechtstutzen. Zumindest im Äußeren versteht sich Heßling so dem Kaiser anzugleichen. Über den nach Netzig zurückkehrenden Diederich Heßling heißt es: »Die Korporation, der Waffendienst und die Luft des Imperialismus hatten ihn erzogen und tauglich gemacht« (S. 109).
3. Im Zug begegnet Diederich Guste Daimchen, die sich als Verlobte Wolfgang Bucks vorstellt und von der man in Netzig weiß, dass sie reich geerbt hat.
Zu Hause spielt Diederich sofort die Rolle »als wirkliches Haupt der Familienoberhaupt und FirmenchefFamilie« (S. 114); in der Fabrik versammelt er die gesamte Belegschaft, erklärt den neuen »Kurs«: »Einer ist hier der Herr, und das bin ich« (S. 115), und trifft erste Anordnungen, vor deren Konsequenzen der erfahrene Buchhalter Sötbier vergeblich warnt.
Später macht Diederich seine Antrittsbesuche bei dem hoch angesehenen alten Herrn Buck, Mitglied im Magistrat und Vater von Wolfgang Buck, bei dem Bürgermeister Scheffelweis, der gerade mit Herrn »Assessor Jadassohn von der Staatsanwaltschaft« (S. 133) konferiert, und bei Pastor Zillich.
Als Jadassohn, der Pastor und Diederich in einer Gastwirtschaft nahe dem Regierungsgebäude des Bezirkskommandos einen »Dämmerschoppen« (S. 150) nehmen, fällt ein Schuss: Der wachhabende Soldat hat einen Arbeiter, von dem er sich – so nimmt man an – provoziert fühlte und der am Morgen aus Heßlings Fabrik entlassen worden war, erschossen. Der hinzugekommene Arzt Doktor Heuteufel, der nur den Der Tod eines ArbeitersTod des Arbeiters feststellen kann, missbilligt das vorschnelle Handeln des Soldaten, während Heßling darin »etwas direkt Großartiges, sozusagen Majestätisches« (S. 158) sieht. Die Meinungen stoßen hart aufeinander. In der Auseinandersetzung provoziert Heßling den Fabrikbesitzer Lauer zu der Äußerung, dass auch das Fürstenhaus der Hohenzollern »verjudet« (S. 160) sei. Diese Behauptung scheint den Tatbestand der Majestätsbeleidigung zu erfüllen. Jadassohn wird Anklage erheben, Heßling soll als Zeuge auftreten. Stark alkoholisiert, beschließen die Kaisertreuen, dem Kaiser eine Depesche an den KaiserErgebenheitsdepesche zu senden, und Diederich entwirft zusätzlich ein Telegramm, mit dem der Kaiser angeblich höchstpersönlich den Todesschützen belobigt. Beide Texte spielen sie dem Redakteur Nothgroschen zu, der dafür sorgt, dass sie in der »Netziger Zeitung« erscheinen.
4. Vorübergehend gerät Heßling dadurch in Schwierigkeiten, dass er eine in Auftrag gegebene Maschine nicht bezahlen kann. Auch die Stimmung in der Stadt und in der eigenen Familie ist ihm nicht günstig. Mit Sorge sieht er dem Prozess wegen der provozierten »Skandalaffäre« (S. 194) entgegen, in dem Wolfgang Buck die Rolle der Verteidigung von Fabrikant Lauer übernehmen wird.
Die Wendung zum Besseren tritt ein, als das in die Zeitung lancierte Telegramm von Berlin aus bestätigt wird, der Vertreter der Maschinenfabrik, Herr Kienast, die schon gelieferte Maschine zu günstigen Bedingungen zurücknimmt und gleichzeitig Magda Heßling, der Schwester Diederichs, einen Heiratsantrag macht.
Im Der Prozess gegen LauerProzess stoßen dann Heßling und der redegewandte Wolfgang Buck aufeinander. Für kurze Zeit scheint die Sache unentschieden zu stehen; dann wird das Urteil über Lauer gesprochen: »[S]echs Monate Gefängnis« und Verlust »der vom Angeklagten bekleideten öffentlichen Ämter« (S. 265). Damit ist der Fabrikant, ein Konkurrent Heßlings, erledigt. Die Zeitung berichtet: »Aus einem unter den größten persönlichen Opfern geführten Kampf sei Diederich als lauterer, echt deutscher Charakter hervorgegangen« (S. 269).
5. Das gestiegene Ansehen der Familie Heßling kommt auch darin zum Ausdruck, dass Diederichs Schwestern Magda und Emmi eingeladen werden, Rollen in dem von der Frau des Regierungspräsidenten von Wulckow verfassten Stück »Die heimliche Gräfin« zu übernehmen, das beim »nächsten Fest der ›Harmonie‹« (S. 271) aufgeführt werden soll. Der Regierungspräsident von Wulckow sieht in Diederich den kaisertreuen Mann, den er bei Gelegenheit gebrauchen kann.
Von Diederich angezettelt, verbreitet sich in Netzig das Gerücht, dass Guste eine voreheliche Tochter des alten Buck und ihr Verlobter Wolfgang Buck somit zugleich ihr Halbbruder sei, und man wittert einen weiteren Skandal. Doch Wolfgang Buck wollte ohnehin zurück zu seinen Schauspielern in Berlin und die Verlobung lösen. Er überlässt Eheschließung mit Guste DaimchenGuste und deren Erbschaft Diederich, der sich seinerseits bereit zeigt, Guste zu ehelichen.
Neue Herausforderungen stehen insofern bevor, als in Berlin der Reichstag aufgelöst wird und Neuwahlen anstehen. In Netzig muss der Magistrat neu besetzt werden. Durch geheime Absprachen und Intrigen unterschiedlicher Art versuchen die Parteien und die Kandidaten die Wahlen in ihrem Sinne zu beeinflussen.
6. Inzwischen haben Diederich Heßling und Guste Daimchen geheiratet und befinden sich auf Hochzeitsreise. Im Hotel in Zürich erfährt das Hochzeitspaar, dass Kaiser Wilhelm zu einem Staatsbesuch nach Rom aufgebrochen ist. Sofort beschließt Diederich, dem Die zweite Begegnung mit dem KaiserKaiser nachzureisen. Wie einst bei der Begegnung in Berlin macht sich Diederich auch bei diesem »Wettrennen« (S. 400) lächerlich.
Als der Kaiser wegen der politischen Lage in Berlin den Aufenthalt in Rom abbricht und den Reichstag auflöst (S. 409), reist auch das Hochzeitspaar zurück nach Netzig, um rechtzeitig in den Wahlkampf eingreifen zu können.
Im »Kampf gegen die Demokratie« und den »Umsturz« (S. 412) setzt sich Diederich dafür ein, dass das erwartete Erbe des Landgerichtsrats Kühlemann für die Errichtung Das Kaiser-Wilhelm-Denkmaleines Kaiser-Wilhelm-Denkmals verwendet wird und nicht zum Bau eines Säuglingsheims, für das vor allem Doktor Heuteufel eintritt, und auch nicht für ein Gewerkschaftshaus, das die Sozialdemokraten fordern.
Durch ein Zweckbündnis zwischen Diederich Heßling und dem Sozialdemokraten Napoleon Fischer, das allein vom Machtstreben der beiden geprägt ist und nicht von ihren angeblichen gesellschaftspolitischen Überzeugungen, erreicht Fischer, dass er in den Reichstag gewählt wird; Diederich Heßling setzt sein Kaiser-Wilhelm-Denkmal durch und wird zum Festredner bei der Einweihung des Denkmals bestimmt; von Wulckow bereichert sich durch Grundstücksspekulationen. Heßling übernimmt die Konkurrenzfirma in Gausenfeld und gilt nun als der einflussreichste und reichste Mann von Netzig. Als er bei der Einweihung des Denkmals seine Festrede dazu benutzt, Kaiser, Vaterland und sich selbst zu preisen, setzt ein heftiges Gewitter ein, bei dem das Geplatzte FeierPublikum wegläuft, so dass Diederich am Ende allein im Regen steht. Als Diederich schließlich enttäuscht, aber mit einem kaiserlichen Orden geschmückt vom Festplatz nach Hause geht, kommt er an dem Haus des alten Buck vorbei, der einst als höchste Autorität in Netzig galt und nun im Sterben liegt.