Читать книгу Der Untertan von Heinrich Mann: Reclam Lektüreschlüssel XL - Theodor Pelster - Страница 7
Kaiser Wilhelm II. als Romanfigur
ОглавлениеWilhelm II., der 1859 geboren wurde und 1941 im Exil starb, der als König von Preußen und deutscher Kaiser von 1888 bis 1918 regierte und dessen Regierungszeit in den Geschichtsbüchern »Wilhelminische Ära«als »Wilhelminische Zeit«10 bezeichnet wird, ist bis in die Gegenwart Gegenstand intensiver historischer Forschungen. In Heinrich Manns Roman ist er eine literarische Figur, die von der historischen Person abgeleitet, mit dieser aber nicht identisch ist.
In zwei Episoden – einmal in Berlin (S. 64–69) und einmal in Rom (S. 402–409) – tritt der Kaiser direkt auf; indirekt ist er allgegenwärtig: Er ist die Leitfigur, an der sich die anderen Figuren des Romans ausrichten, indem sie sein Tun und Lassen kommentieren, aus seinen Reden zitieren, ihn nachahmen oder zu ihm auf Distanz gehen.
Der Kaiser selbst stellt sich als Der Kaiser als »Majestät«Majestät dar. Das lateinische Wort maiestas, abgeleitet von maius, der Komparativform von magnus ›groß‹, bedeutet Hoheit, Würde, Ansehen und verleiht seit Kaiser Augustus den römischen und später den mittelalterlichen Kaisern eine Sonderstellung. Die Höherstellung galt im Mittelalter als von Gott gegeben. Auch im zweiten deutschen Kaiserreich ist Majestätsbeleidigung noch ein Delikt, das gemäß Strafgesetzbuch je nach Schwere mit Zuchthaus, Gefängnis, Festungshaft und Verlust der bürgerlichen Rechte bestraft wurde. Zweifellos steht der Kaiser an der Spitze der Gesellschaft.
Wichtiger: Der Kaiser ist die personifizierte Die personifizierte MachtMacht. Er muss sich nicht legitimieren. Er muss nicht einmal handeln. Er braucht sich nur zu zeigen. Als der Kaiser »zum Besuch des Königs von Italien« (S. 400) anreist, ist sein Untertan Diederich Heßling schon da, um ihm zu huldigen und um die Auftritte des Kaisers zu begleiten und auszugestalten. Er opfert sich auf, um den »Kaiser im Tschako«, den Kaiser in »neue[r] Uniform« (S. 404), schließlich dessen »siebente Uniform« (S. 405) zur Geltung zu bringen. Uniform und Tschako sind die Zeichen der inszenierten kaiserlichen Macht.