Читать книгу Rosinen aus dem Kuchen: Kriminalroman - Theodor Horschelt - Страница 7
2. Kapitel
ОглавлениеIch zog vorsichtig die Tür zu und betrat die Straße. Was ich da gehört hatte, verwunderte mich nicht besonders. Genau das hatte ich erwartet. Ich sah Max Grabble vor mir, den müden, verbrauchten Mann, und ich hatte gerade Nora Grabble kennengelernt. Eine junge Frau, die sich bestimmt nicht nur langweilte. Sie hatte die Abwesenheit ihres Mannes wohl nur benutzt, um sich einen netten Freund anzulachen.
Nichts besonders Überragendes. Aber Max Grabble tat mir leid.
Da ich nun schon mal hier draußen in der Siedlung war, wollte ich der Sache so schnell wie möglich auf den Grund gehen. Sie hatte diesem Joe am Telefon empfohlen, vorsichtig zu sein. Ich war sicher, dass die lieben Nachbarn bei aller Vorsicht doch bereits wussten, was in dem Haus Nummer 129 gespielt wurde. Man unterschätzt Nachbarn nur allzu leicht. Vor allen Dingen Nachbarn in einer geschlossenen Siedlung, die noch dazu weit draußen vor dem Zentrum der Stadt liegt. Die Leute starben vor Langeweile und hatten nichts Besseres zu tun, als in die Töpfe ihrer Mitmenschen zu schauen.
Ganz abgesehen davon passte es durchaus in meinen Schwindel, dass ich als angeblicher Versicherungsvertreter auch in den Nachbarhäusern vorsprach. Das Haus links von der Nummer 129 war wie aus dem Ei gepellt.
Ich sah den Besitzer schon im Geiste vor mir. Es war wahrscheinlich irgendein biederer Angestellter, der jede Minute Freizeit ausnutzte, um an seinem Haus herumzustreichen. Der Farbensinn dieses Hausbesitzers war sehr ausgeprägt. Es gab kein Stück Holz, das er nicht mit Farbe überzogen hatte, und er hatte sich in den einschlägigen Geschäften bestimmt gut umgesehen und keine Möglichkeit außer Acht gelassen, Leben in die Malerei zu bringen.
Auf mein Klingeln hin öffnete ein kleiner Junge von etwa acht Jahren. Er trug Nietenhosen und eine Davy-Crockett-Jacke. An seiner Hüfte baumelte ein Spielzeugcolt. Als er mich sah, duckte er sich zusammen und langte nach seinem Schießeisen. Ich nahm sofort die Hände hoch.
„Komm ‘rein, Fremder“, sagte er zu mir. Er hielt es für selbstverständlich, dass ich auf sein Spiel einging. „Mach keine falsche Bewegung, sonst puste ich dich aus.“
Er presste mir sein Schießeisen in den Rücken. Das heißt, so ganz hoch kam er nicht. Ich spürte den Lauf des Spielzeugcolts knapp über meinem Gesäß. Er dirigierte mich in die Diele des Hauses, und ich musste mich mit dem Gesicht gegen die Wand stellen.
„Sag mal, Davy, ist deine Mam zu Hause?“, meinte ich lächelnd.
Er war etwas verblüfft, und ich spürte, dass er seinen Colt wegnahm. Er suchte nach einer entsprechenden, handfesten Westlerantwort, aber die fand er nicht so auf Anhieb. Er begnügte sich damit, zu sagen: „Keine Bewegung, Fremder.“
Ich war wie erlöst, als ich Schritte hinter einer Tür hörte. Sie wurde aufgestoßen, und vor mir stand eine Frau, die gleich ihrem Häuschen wie aus dem Ei gepellt zu sein schien. Sie war korpulent und vielleicht fünfundvierzig Jahre alt. Sie trug eine frisch gestärkte, weiße Schürze und lächelte mich verzeihend an.
„Ich habe Pech gehabt“, sagte ich. „Ich bin glatt in eine Falle gelaufen.“
Sie schmunzelte und schob den Wildwesthelden zur Tür.
„Sie warten draußen auf dich“, sagte sie zu dem kleinen Kerl. „Und schieß nicht wieder so wild herum. Du weißt, sonst gibt es Ärger mit den Nachbarn.“
„Sie haben ein fabelhaftes Häuschen“, sagte ich.
Sie lächelte etwas gequält, und ich verbesserte schnell. „Das Haus“, sagte ich, „wirkt ja direkt wie eine Privatvilla. Ja, es ist gut, wenn man für sein Leben vorsorgt. Aus diesem Grund bin ich auch hier, Mrs. Lambert.“
„Sie kommen von einer Versicherung?“, schloss sie messerscharf.
„Allerdings“, erwiderte ich. „Wir haben neue Tarife ausgearbeitet, und ich kann Ihnen einen erstklassigen Vorschlag machen.“
„Da haben Sie Pech gehabt“, sagte Mrs. Lambert und ordnete mit beiden Händen ihr wohl onduliertes Haar. „Mein Mann arbeitet in der gleichen Branche. Es gibt bei uns nichts, was nicht versichert ist.“
„Oh, da habe ich allerdings Pech gehabt“, sagte ich. „Drüben bei Mrs. Grabble hat es besser hingehauen. Ich glaube, dass ich mit ihr abschließen kann.“
„Mrs. Grabble?“, echote sie. Sie sprach den Namen sehr kühl und distanziert aus. Sie schien Wert darauf zu legen, mich wissen zu lassen, dass sie nicht viel von dieser Familie hielt. Dieser Tonfall in ihrer Stimme zeigte mir, dass ich an der richtigen Adresse war.
„Das Haus sieht allerdings nicht so gepflegt wie Ihres aus“, sagte ich. „Man merkt doch sofort, wer seinen Grundbesitz erhält und ihn pflegt.“
„Nicht wahr?“, sagte Mrs. Lambert. „Dieses Haus neben uns ist direkt eine Schande für die ganze Siedlung. Es ist verkommen. Haben Sie sich schon einmal den Garten angesehen?“
„Mister Grabble ist sicher oft unterwegs“, sagte ich entschuldigend.
„Das ist mein Mann auch“, erwiderte sie. „Aber kommen Sie doch herein. Ich habe gerade Kaffee aufgeschüttet. Sie werden mir doch eine Tasse gewiss nicht abschlagen.“
Jetzt war ich vollkommen sicher, dass ich die Geschichte des Ehepaares Grabble zu hören bekam. Ich folgte ihr in die Küche. Wie nicht anders zu erwarten war, befand sich noch nicht einmal eine ungespülte Tasse auf dem Abwaschbrett. Es war penetrant sauber. Ich schnupperte und glaubte sogar, Lysolgeruch zu riechen. Mrs. Lambert war eine Frau, die bestimmt jeden Tag Hausputz hielt.
„Ihr Mann ist auch oft unterwegs?“, nahm ich den Faden wieder auf. „Da kann ich Ihnen nur meine Hochachtung aussprechen, Mrs. Lambert. Dann haben Sie ja den Löwenanteil an der Pflege dieses Besitzes.“
„Ich kümmere mich auch darum und habe nicht Flausen im Kopf“, sagte sie mit einer deutlichen Anspielung auf Nora Grabble.
„Sehr solide wirkte sie tatsächlich nicht“, legte ich meinen Köder aus.
„Da sind Sie aber der erste, der so urteilt“, antwortete sie, und ein Zug von Befriedigung legte sich auf ihr Gesicht. „Ich kann die meisten Männer nicht verstehen. Wie kann man sich nur für solch eine Frau interessieren?“
„Tut man das denn?“
„Ich weiß doch, was gespielt wird“, sagte sie. „Die Männer in der Siedlung sind alle verrückt nach ihr.“
„Und sie lässt sich das gern gefallen, ja?“
„Nach außen hin“, sagte Mrs. Lambert, „spielt sie natürlich die Unnahbare, aber man weiß ja schließlich, woher sie kommt. Mich kann sie zum Beispiel nicht hinters Licht führen. Na, ich will aber lieber nicht darüber reden.“
„Ich hörte, dass sie Serviererin war“, sagte ich. „Mrs. Grabble sprach davon.“
„Dann hat sie noch geprahlt“, sagte die blitzblanke Hausfrau, in deren Innerem es aber weiß Gott nicht so gescheuert und sauber aussah. „Man müsste ihrem Mann eigentlich den Star stechen. Ich habe schon oft mit meinem Mann darüber geredet, aber er will das nicht. Er sagt immer, wir sollten uns nicht in andere Dinge einmischen.“
„Na ja, es gibt Grenzen“, sagte ich. „Ein verantwortungsbewusster Mensch ist direkt verpflichtet …“
Sie ließ mich gar nicht zu Ende reden.
„Nicht wahr?“, erklärte sie begeistert. „Man hat doch eine gewisse Verantwortung seinen Mitmenschen gegenüber. Mir tut Mister Grabble sehr leid. Er hat wahrscheinlich gar keine Ahnung, dass ihn seine Frau hintergeht.“
„Tut sie das wirklich?“
„Was soll es anders bedeuten, wenn sie sich zweimal in der Woche zumindest abholen lässt? Oh, sie glaubt, sehr klug zu sein, aber ich weiß, dass der Wagen, der sie abholt, da drüben neben der Methodistenkirche parkt.“
„Der arme Mister Grabble“, sagte ich. „Ich bin gespannt, ihn einmal kennenzulernen.“
„Verplappern Sie sich aber um Gottes willen nicht“, sagte Mrs. Lambert da ängstlich. „Ich will mit der ganzen Sache nichts zu tun haben. Was kümmert es mich, was die Grabble tut? Ich habe mit mir selbst zu tun. Wissen Sie, es gehört zu meinen Prinzipien, dass ich mich aus allem heraushalte. Klatsch und Tratsch liegen mir nicht.“
„Den Eindruck habe ich auch“, sagte ich ernst. „Wenn alle Frauen so schweigsam und so tolerant
wären wie Sie, sähe es anders in der Welt aus. Aber leider …“
Sie wollte mich noch zu einer zweiten Tasse Kaffee animieren, aber ich hatte schon von der ersten Tasse die Nase voll. Was die Lamberts an Farbe für ihr Haus anlegten, sparten sie am Kaffee wohl ein. Sie hatte mir eine braune Brühe eingegossen, die nicht erhebend gewesen war.
„Nicht wahr“, meinte sie noch einmal an der Haustür, „Sie vergessen doch, was ich über die Grabbles gesagt habe, ja?“
„Ich habe es schon vergessen“, sagte ich. „Ich werde doch die Gattin eines Kollegen nicht in Schwierigkeiten bringen.“
Ich hatte einen schalen Geschmack auf der Zunge, als ich an den übrigen Häusern entlangschritt, um Jimmy abzuholen. Dieser Geschmack rührte nicht nur von dem dünnen Kaffee her. Ich hasste diese Frauen wie Mrs. Lambert. Sie liefen in gestärkten, blütenweißen Schürzen herum und waren in Wirklichkeit schmutziger als eine Kellnerin in einer Kellerkneipe. Manchmal konnte einem in meinem Beruf übel werden. Man musste sich den lieben, langen Tag nur mit Schmutz befassen.
Der Kleine war erstaunlicherweise abstinent geblieben. Es lag wohl an den Sandwiches, die ihm hier in der Siedlung besonders schmeckten. Er war also durchaus gesprächsfähig. Ich stoppte seine
Fresslust und bugsierte ihn zu unserem Wagen hin.
„Was war?“, fragte er mich. Er kämpfte gegen die letzte Ladung Sandwiches an, die sich zwischen seinen Zähnen befand. Seine Aussprache war mehr als undeutlich.
„Eine übliche Dreiecksgeschichte“, sagte ich. „Wenn du Nora Grabble kennengelernt hättest, wüsstest du sofort Bescheid, Kleiner. Ich denke, dass wir sie morgen Abend mit einem gewissen Joe erwischen werden. Trotzdem, Jimmy, habe ich verdammt wenig Lust, Max Grabble den Star zu stechen. Der ist so ein Typ, der danach völlig zusammenbricht und zum Quartalssäufer wird. Ich glaube, er fühlt sich wohler, wenn er nichts weiß und sich weiter von ihr kühl-höflich behandeln lässt. Ich habe sie für heute Abend eingeladen. Du hättest mal sehen sollen, wie schnell sie zusagte. Mit dieser Nora ist verdammt wenig los.“
„Wir hätten die Sache erst gar nicht anfangen sollen“, erwiderte Jimmy.
„Wenn wir sie morgen Abend erwischen, werde ich sie mir kaufen und vornehmen“, sagte ich. „Vielleicht ist noch was zu retten an ihr.“
„So, wie du sie mir geschildert hast, ist das nicht anzunehmen“, sagte Jimmy.
Sie sehen, es war wirklich eine völlig belanglose Sache für uns. Wir verloren auch weiter kein Wort darüber und unterhielten uns während der Rückfahrt in die Stadt über andere, interessantere
Dinge. Im Office angekommen, stürzte ich mich auf die Schriftstücke, die June Traven für mich vorbereitet hatte. Jimmy verließ nach etwa einer halben Stunde das Office, um bei der Handelskammer Nachforschungen für eine Firma anzustellen. Es handelte sich um irgendeinen Patentstreit zwischen zwei Lackfabrikanten. Es war eine Arbeit, die viel Geduld und Spürsinn erforderte. Genau das richtige für den Kleinen, der dabei Zeit und Gelegenheit hatte, Schokolade zu knabbern.
Zusammen mit June ging ich unsere Berichte und Aufstellungen durch. Wir arbeiteten gut eine Stunde und schonten uns nicht dabei. Mir rauchte der Kopf, als sie endlich mit ihrer erledigten Unterschriftenmappe in ihrem Zimmer verschwand. Papierkrieg musste sein, gewiss, aber es konnte einem schlecht dabei werden. Es war natürlich Blödsinn, sich darüber aufzuregen. Wir drei, Jimmy, June und ich verdienten sehr gut, und wir waren gefragt. Seit einigen Monaten war uns der Sprung in die große Wirtschaft gelungen. Wenn das so weiterging, verwandelten wir uns bis zum Ende des Jahres bestimmt in reine Wirtschaftsdetektive.
Ich zog mich nicht groß um. Nora Grabble war es mir nicht wert. Ich hatte nicht vor, groß mit ihr auszugehen. Sie war sicher zufrieden, wenn ich mich mit ihr in einem mittelgroßen Lokal hockte und Süßholz raspelte. Etwas anderes erwartete sie doch bestimmt nicht.
Zehn Minuten vor der verabredeten Zeit kreuzte ich mit dem Wagen vor ihrem Haus auf. Ich sah unauffällig zu der buntbemalten Nachbarvilla hinüber. Wie nicht anders zu erwarten war, bewegte sich die Gardine am breiten Giebelfenster. Die frisch gestärkte Schürze saß bestimmt auf Anstand und ließ ihre Augen rollen. Wie musste sie enttäuscht sein, dass ausgerechnet ich hier bei Nora Grabble auftauchte.
Nora Grabble hatte sich noch nicht umgezogen. Sie empfing mich in einem verwegen gemusterten Hausmantel.
„Ich bin gleich fertig“, sagte sie. „Setzen Sie sich schon ins Wohnzimmer. Es dauert nicht lange.“
Ich hatte vorgehabt, sie gegen 20.15 Uhr abzuschleifen. Es wunderte mich nicht, dass es 21 Uhr wurde, als wir endlich losfahren konnten. Sie war mächtig aufgekratzt und hatte sich wirklich gut zurechtgemacht.
Sie wirkte aufreizend und pikant. Aber sie hatte ihr Make-up um eine Nuance zu sehr betont. Man sah ihr an, woher sie kam.
„Haben Sie einen besonderen Wunsch, wo wir essen wollen?“, fragte ich.
„Och, das ist mir gleichgültig“, erwiderte sie.
„Ich kenne mich hier in der Stadt schlecht aus“, erklärte ich ihr. „Ich bin ja nur vertretungsweise
hier. Machen Sie doch einen Vorschlag, Nora.“ Ich sagte einfach Nora zu ihr, und sie akzeptierte es. Sie revanchierte sich und nannte mich auch beim Vornamen. Schneller konnte es eigentlich gar nicht gehen.
Sie nannte mir die Adresse eines Lokals. Selbstverständlich kannte ich die Bierkneipe. Sie lag im Osten der Stadt und es handelte sich um einen riesigen Bau, der im Stil des Münchener Hofbräuhauses hergerichtet war. Die Bedienung trug dort Seppelhosen und Dirndlkleider. Die Kapelle unter den riesigen Maßkrügen an der Wand spielte keinen Jazz, sondern Polka und Rheinländer. Es war kein schlechtes Lokal, aber es war auch nichts Besonderes. Allerdings war es klar, dass sie sich dort wohl fühlte. Dort spielte sie bestimmt die erste Geige, während sie in anderen Lokalen in der Menge gut zurechtgemachter Frauen untergegangen wäre.
Ihre Augen glänzten, als wir die Bierschwemme betreten hatten. Sie war aufgekratzt und winkte einigen Serviererinnen zu.
„Sie kennen sich hier aber aus“, sagte ich und gab meiner Stimme einen hochachtungsvollen Klang.
„Ich hab‘ doch mal hier gearbeitet“, sagte sie. „Ach, wissen Sie, Mac, es war eine schöne Zeit. Ich habe gern in meinem Beruf gearbeitet und ich wünschte, mein Mann würde mich nicht zu Hause einsperren.“
„Ist er oft unterwegs?“
„Das ist es ja“, sagte sie. „Man stirbt zu Hause vor Langeweile. Und dabei könnten wir es ganz gut vertragen, wenn wir noch etwas zusätzliches Geld hereinbekommen würden. Aber Max will einfach nicht. Es ist eigentlich komisch. Er hat eine Serviererin geheiratet und hasst es, in Lokale zu gehen. Ach, wissen Sie …“
Ihr Kummer war nicht gespielt, er war echt. Ich war der letzte, der Noras wegen diesen Joe verdammte. Sie hatte gewiss genau so ihr Päckchen zu tragen wie ihr Mann Max. Sie kam aber sehr schnell über diese triste Stimmung hinweg. Als wir uns in der Nähe der Blaskapelle an einen weiß gescheuerten Tisch setzten, geriet sie noch mehr in Stimmung, nachdem sie den ersten Steinkrug leergetrunken hatte. Mit den Fingern trommelte sie im Rhythmus zu den Märschen, die jetzt von der Empore herunter donnerten. Sie rauchte eine Zigarette nach der anderen und freute sich ehrlich, dass sie mal ausspannen konnte. Überraschenderweise legte sie es gar nicht auf einen Flirt mit mir an. Sicher, sie war nett und zutraulich, aber sie überschritt nie die Grenze des guten Geschmacks. Das war etwas, was mich ehrlich verwunderte.
Ihre Begeisterung war kaum noch zu bremsen, als ich für uns beide Steaks mit viel Zwiebeln, Bratkartoffeln und Bohnen bestellte. Sie konnte nicht nur gut trinken, sondern auch sehr viel essen.
Sie trank den zweiten Steinkrug leer und wurde dann wieder elegisch.
„Mein Gott“, sagte sie, „warum kann man das nicht mal öfter haben?“
„Gehen Sie denn nie aus?“, fragte ich.
„Max hat dazu keine Lust“, sagte sie.
„Er ist doch oft unterwegs“, sagte ich lächelnd.
„Sie wissen doch“, meinte sie gespielt schamhaft, „dass eine Frau nicht allein in solche Lokale gehen kann. Man würde dann vielleicht falsch angesehen.“
„Haben Sie denn keinen Bekannten?“, fragte ich. „Eine Frau wie Sie muss doch förmlich umschwärmt werden. Sie sind doch auch heute Abend mit mir ausgegangen, Nora?“
„Das ist doch wegen der Versicherung“, sagte sie. „Übrigens hab‘ ich mich entschlossen, eine Versicherung aufzunehmen. Ist es möglich, dass Max davon gar nichts erfährt? Er würde mir sonst wieder Vorwürfe machen, ich würfe mit dem Geld herum.“
„Aber sicher geht das“, erwiderte ich. „Wir können das morgen regeln, Nora. Ich lasse mich dann wieder sehen.“
Ich bestellte ihr einen dritten Steinkrug Bier und versorgte sie mit Zigaretten. Sie brachte mich sogar dazu, dass ich mit ihr Polka tanzte. Es gefiel mir besser, als ich angenommen hatte. Jetzt war sie unter dem Einfluss des Biers etwas anhänglicher geworden. Sie drückte sich fest an mich, und ich spürte ihren warmen Atem auf meiner Gesichtshaut. Plötzlich schob sie mich förmlich von sich weg. Ich sah sie erstaunt an. Sie hatte den Kopf herumgedreht und sah zu den Tischen neben der großen Theke hinüber. Ihre Augen waren schreckgeweitet.
„Entschuldigen Sie mich“, sagte sie dann unvermittelt. „Ich bin sofort wieder zurück.“ Sie ließ mich einfach auf der Tanzfläche stehen und ging zu den Tischen hinüber. Ein junger Mann erhob sich von seinem Stuhl und öffnete die Tür zu einem Seitenausgang. Höflich ließ er Nora Grabble vorausgehen. Es sollte wie zufällig aussehen, aber ich wusste mehr. Ich hatte das Gefühl, dass der gute Joe in Eifersucht machte …