Читать книгу Pat Browning und die goldene Spinne: Kriminalroman - Theodor Horschelt - Страница 7

2. Kapitel: Der Inspektor

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Vorweg ‘ne kleine Frage, Freunde. Kennt ihr Inspektor Norton von der Mordabteilung in Frisco? Es ist einer, den man nicht vergisst, wenn man ihn mal kennengelernt hat. Er ist dick. Er sieht fett aus, aber viel davon sind tatsächlich Muskeln. Und er tut furchtbar griesgrämig und schlecht gelaunt, aber wenn‘s drauf ankommt, hat er mitunter sogar Humor, obwohl er doch Beamter ist! Und oft macht es ihm Spaß, so zu tun, als könne er nicht bis drei zählen. Dabei hat er dann manchmal schon längst viel, viel weiter gezählt als man selber.

So einer also ist der Norton. Als ich gegen die Tür seines Büros klopfte und dann sofort reinging, sah er nur kurz zur Tür, um sich dann kraftlos in seinen Schreibtischsessel fallen zu lassen.

„Mensch“, stöhnte er, „wenn ich eure Gesichter sehe, möchte ich mich am liebsten sofort krankschreiben lassen. Euch sieht man schon auf zehn Kilometer Entfernung die sadistische Freude an. Die Freude, einem neue Arbeit zu bringen!“

„Na, Inspektor, nun mal sachte!“, sagte Jimmy beschwichtigend. „Sind Sie Leiter der Mordabteilung oder wir? Ich kann Ihnen nur eins sagen: Wenn ich‘s wäre, kein Aas würde es wagen, noch ‘n Mord zu begehen.“

„Bis auf einen. Nämlich den an Ihnen!“ Der dicke Inspektor lehnte sich lässig in seinem Stuhl zurück und deutete tatsächlich einladend auf zwei ziemlich abgewetzte Sessel, auf denen sicher schon mancher arme Sünder geschwitzt hatte, ohne dafür bezahlt zu werden.

Wir setzten uns.

„Na?“, machte der Dicke.

„Hatte eben eine nette Unterhaltung mit ‘nem Kollegen von Ihnen. So ‘n stämmiger kleiner Polizeileutnant vom Unfallkommando. Schlitzaugen und Knollennase.“

„Freeman. Na und?“

„Leider hat er mir nicht verraten, wie der Tote heißt.“

„Na, das habe ich mir gedacht. Wenn ihr beide in der Nähe seid, dann riecht es gleich ‘n bisschen nach Friedhof. Was für ‘ne Leiche, bitte?“

„‘ne tote!“, sagte Jimmy wahrheitsgemäß.

„Tatsächlich?“

„Ja. Aber nur von einem Verkehrsunfall.“

„Na, wunderbar. Nett von dem Mann, dass er sich unter ‘n Auto, und nicht vor ‘ne losgehende Maschinenpistole geschmissen hat.“

„Die Wahl war nicht ihm überlassen“, sagte ich.

Norton sah auf. Sein Blick war sofort aufmerksam.

„Ja, ja“, sagte ich. „Ich bin überzeugt, es war Mord.“

„Und warum? Wieso wollen Sie unbedingt so was?“

„Moment mal, Inspektor. Wir waren‘s ja nicht!“

„Und wie kommen Sie auf so was Schreckliches?“

„Weil der Mann ein paar Minuten vorher telefonisch um unsere Hilfe gebeten hat.“

„Potzblitz!“, sagte Norton und stand auf. Er ging an den Schrank rüber und holte eine Whiskypulle heraus.

„Haben Sie keinen Rum?“, fragte Jimmy. „Sie wissen doch Bescheid!“

„Ach so, ja!“ Der Dicke grinste. Seit einiger Zeit ist Jimmy für Rum. „Klar, Mister Flannegan. Hier ist noch ‘n Rest Rum drin.“

Inspektor Norton goss drei Gläser bis zum Rand voll. Er sagte weder „Zum Wohl“ oder

„Prost“ oder „Na denn“ oder sonst was. Er nahm sein Glas, hob es an die Lippen und goss es in sich hinein. Dann nahm er den Hörer vom Telefon und sagte: „Freeman bitte!“

Während er wartete, tranken wir unsere Gläser aus. Es schmeckte genau so gut, wie wenn Norton „Prost“ oder „Na denn“ gesagt hätte.

„Ja, Tag, Freeman. ‘n Bekannter von mir rief mich eben an. Sagte, er hätte Sie bei ‘nem Unfall am Golden Gate gesehen. Wer ist ‘n der Tote? Soll ‘n Bekannter von mir sein. Haben Sie die Personalien?“

Er lauschte eine Weile und sagte dann: „Danke, Freeman!“

Er legte den Hörer langsam wieder auf die Gabel, und ich spürte, wie sich seine Gehirnwindungen in Betrieb setzten.

„Nun, los schon, Inspektor!“, sagte Jimmy ungeduldig. „Wer war der Kerl?“

„Der Kerl heißt Hugh Warner. Er war Detektiv-Sergeant. Ich habe ihn tatsächlich gekannt. Er hat in dem Zimmer hier direkt unter meinem gesessen. Im Rauschgiftdezernat.“

„Rauschgift. Sieh mal einer guck. Kann man erfahren, an was für ‘ner Sache er gerade arbeitete?“

„Nee.“

„Warum nicht? Nun seien Sie mal kein Frosch!“

„Säuft hier meinen Rum und nennt mich Frosch. Man kann‘s nicht erfahren!“

„Warum? Ist der Dezernent so ‘n Ekel, dass er keinen reinriechen lässt?“

„Nein, das nicht. Aber der wird‘s auch nicht wissen. Denn Warner war nicht mehr im Dienst. Er war beurlaubt.“

„Sieh mal einer guck!“, sagte Jimmy wieder. „Was ausgefressen?“

Norton nickte, aber ich sah ihm an, dass ihm das alles nicht passte.

„Man fand bei ihm im Schreibtisch versteckt ‘ne Brieftasche, die ihm nicht gehörte.“

„Ooch“, machte Jimmy.

„Gießen Sie noch einen ein!“, sagte ich.

„Verdammter Mist!“, sagte Norton.

Jimmy schob ihm die Flasche rüber.

„Sie sind der Gastgeber!“

Norton nahm die Pulle und goss unsere Gläser noch einmal voll. Er war mit seinen Gedanken ganz woanders.

„Kann‘s nicht ein Selbstmord sein?“, fragte er.

Er sagte es so schüchtern, wie ich es bei ihm noch nie erlebt hatte.

Ich stand auf und trat an das Fenster.

„Es war Mord, Inspektor, und Sie wissen‘s genau so gut wie wir!“

Norton nickte trübe vor sich hin. Dann nahm er plötzlich ein Aktenbündel hoch, um es mit aller Kraft wieder auf den Tisch zu schmettern.

„Verdammte Schweinerei!“, brüllte er. „Ich sage euch, Jungens, es steht mir bis hier!“ Er hob die Hand weit über seinen Kopf. „Aber ich mache diese Sauerei nicht mit! Ich nicht! Und dann ist es sogar mit der Pension aus!“

Jimmy sah mich an, und womöglich dachten wir beide dasselbe.

„Nun holen Sie erst mal tief Luft, Inspektor!“, sagte ich. „So, und nun trinken Sie Ihren Rum!“ Ich hob mein Glas.

Wir tranken, aber Nortons Miene hellte sich nicht auf.

„Ist er verheiratet gewesen?“, fragte ich.

Norton nickte.

„Hat ‘ne nette Frau. Und sie erwartet ein Baby.“

„Und er hat die Brieftasche nicht geklaut?“

„Soll ich das wissen?“, knurrte er böse. „Fragen Sie ihn doch selber!“

„Würde ich gerne tun. Aber es hat noch keiner ‘ne direkte Telefonverbindung nach oben gelegt.“

„Raus jetzt!“, sagte Norton plötzlich. „Raus, sage ich euch!“

„Es stinkt!“, sagte Jimmy. „Es stinkt mächtig. Nicht nur in Nortons Seele, sondern auch noch ganz woanders, nämlich hier! Hier in diesem Saftladen!“

„Macht, dass ihr rauskommt!“, sagte Norton. „Ich habe zu tun.“

„Okay, Inspektor, okay!“, sagte ich. „Nur noch eins! Ich zeige Ihnen hiermit offiziell an, dass sich Warner um Hilfe an uns gewandt hat und ein paar Minuten später einem scheinbaren Verkehrsunfall erlegen ist. Das dürfte Mord sein. Und das ist Ihr Ressort, glaube ich, ob‘s Ihnen nun passt oder nicht.“

„Es passt mir schon, Browning, es passt mir! Keine Sorge. Und jetzt habe ich zu tun!“

„Na schön!“, sagte ich. Wir waren an der Tür. Bevor wir sie hinter uns schlossen, sagte ich noch: „Und schönen Dank für den Rum! Und wenn Sie wieder mal jemanden brauchen, den Sie flegelhaft rausschmeißen wollen: Anruf genügt. Wir kommen sofort. Mit uns können Sie‘s ruhig machen.“

Dann schloss ich die Tür. Nicht sehr leise. Ich glaube, sie war mir ausgerutscht.

Wir waren schon halb auf der Treppe, als etwas hinter uns schnaufte und stapfte.

„Kommt noch mal rein!“, sagte Norton.

Wir drehten auf der Stelle um. Als wir wieder in seinem Büro vor dem Schreibtisch saßen, schwiegen wir alle drei erst eine Weile, und dann sagte ich: „Ich kenne Sie gar nicht so sensibel, Inspektor. Sie tun so wie ‘ne ältere Jungfrau.“

Jimmy nickte bestätigend. „Die traurig darüber ist, dass sie immer noch eine ist.“

„Wenn ihr nur die Hälfte wüsstet …“

„Dann sorgen Sie dafür. Wir haben ‘ne Menge Zeit. Wenn Sie uns erst noch ‘n paarmal rausschmeißen wollen, bitte. Wenn‘s Ihre Nerven beruhigt? Bitte! Aber besser wär‘s schon, wenn Sie erzählen würden.“

„Ich kann euch beiden heute nicht mehr sagen als das eine: Man wird uns haufenweise Knüppel zwischen die Beine werfen. Und wir werden viel auf eigene Faust machen müssen.“

„Haben Sie einen konkreten Verdacht?“

„Bedaure, nein!“, sagte er. „Dann wäre ich nicht so wütend. Warner kann keiner wieder lebendig machen. Aber es ist doch ein beruhigendes Gefühl, wenn man seinen Mörder einnebeln kann.“

„Na, aber wir werden doch irgendwie feststellen können, wo das Motiv liegt“, sagte Jimmy. „Und dann werden wir auch den Täter finden, den Sie für Ihre Sauna in der Todeszelle haben wollen.“

„Und wie wär‘s, Norton, wenn wir‘s mal ausnahmsweise zusammen versuchten? Mal nicht gegeneinander? Für sportlichen Ehrgeiz ist doch bei so was wahrhaftig kein Platz.“

Norton nickte.

„Ich werde mit seiner Frau sprechen. Vielleicht weiß die was.“

„Gegenvorschlag: Sie tun gar nichts, sondern bleiben ganz im Hintergrund. Ich werde mit ihr sprechen, und wir treffen uns, ohne dass Sie ‘n großen Papierkrieg anlegen. Irgendwann, wenn wir weiter sind, schalten Sie den Polizeiapparat ein.“

Norton sah mich eine Weile ruhig an. Seine buschigen Augenbrauen hoben sich ganz leicht.

Er hatte kapiert, dass ich kapiert hatte. Irgendeiner in diesem Hause war nicht echt.

Er nickte.

„Na gut. Thomson ist in Ordnung. Wenn‘s nötig wird, informiere ich ihn.“

„Okay!“ Ich nickte ihm zu. Ich sah ihm an, dass er jetzt nicht in der Stimmung war, gesprächiger zu werden. „Wissen Sie die Adresse von Warner?“

Norton nahm den Hörer. Nach einer kurzen Rückfrage blickte er auf und sagte: „Washington Street achtundvierzig. Macht‘s gut. Ich fühle inzwischen mal ‘n bisschen im Rauschgiftdezernat vor. Hab da ‘ne alte unerledigte Akte. Da spielt Rauschgift mit rein. Das fällt nicht weiter auf.“

*

Wir hatten uns von Norton verabschiedet und waren gegangen. Unten im Wagen räusperte sich Jimmy so ausgiebig, als hätte er nicht drei, sondern dreißig Glas Rum getrunken.

„Verstehst du, was mit dem Dicken los ist?“

„Nee. Aber ich vermute.“

„Und zwar, du Schlaumeier?“

„Und zwar vermute ich Schlaumeier, dass Norton etwas weiß. Etwas, was ihm nicht gefällt. Etwas, was so sauer ist, dass er‘s nicht mal uns erzählen will. Etwas, was mit Warners Tod zusammenhängt. Und ich sage dir, Kleiner, der Dicke hat schon ganz genaue Vorstellungen, wie das alles zusammenhängt.“

„Fahren wir jetzt zu seiner Frau?“

Ich nickte.

„Hoffentlich weiß sie es schon.“

Ich überbringe nämlich nicht gern solche Nachrichten.

Pat Browning und die goldene Spinne: Kriminalroman

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