Читать книгу Pat Browning und die goldene Spinne: Kriminalroman - Theodor Horschelt - Страница 9

4. Kapitel: Die Kneipe

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Ich sah erst auf meine Uhr und dann zu der kleinen Kneipe rüber, die direkt dem Eingang der Firma Broderson gegenüber war.

„Trinken wir einen!“, sagte ich und stieg aus. „Fahr den Schlitten ein Stück weiter und komm dann auch!“

Jimmy nickte. Für so was ist er immer.

Die Kneipe war von innen genau so schäbig, wie sie von außen aussah. Ein paar angeknabberte wacklige Stühle und ebensolche Tische, an denen noch die Speisereste vergangener Jahrhunderte klebten. Aber eine riesige lange Theke.

Der Wirt war ein kleiner, schmaler Kerl, der erstens listig und zweitens verlaust aussah. Er passte gut hierher. Er kratzte sich unter dem Arm, als ich hereinkam und mich gegen die Theke lehnte.

„‘n Gin“, sagte ich.

„Okay, Mister!“ Er angelte mit der Hand nach hinten, ohne sich umzusehen. Er goss das Glas voll, ohne hinzusehen. Dann stellte er es vor mich hin und kratzte sich unter dem anderen Arm.

„Auch einen!“, sagte Jimmy an der Tür.

Irgend etwas rülpste. Ich sah Jimmy an, aber die Richtung stimmte nicht. Es war hinter einem hölzernen Garderobenständer hervorgekommen.

Der Wirt goss das zweite Glas ein und sagte: „Bitte sehr, Mister! Das da hinten ist nur die Erika.“

„Oh, die Erika!“, sagte Jimmy mit echtem Interesse. Er schnüffelte missbilligend an dem Gin. „Ich kann mir nicht denken, dass dir das Zeug wirklich schmeckt. Manchmal habe ich dich wirklich in dem Verdacht, dass du‘s auch nur säufst, weil du dich interessant machen willst!“

„Wer is‘n Erika?“, fragte ich den Wirt.

„Na, ‘n Mädchen natürlich. Sie kommt jeden Freitag. Die Fahrer von drüben kriegen immer freitags ihr Geld, und die Erika kassiert jedes Mal ein bisschen.“

„Hat sie denen was gepumpt?“, fragte Jimmy und grinste.

„Nee, die liefert nur gegen bar.“

„So? Was denn?“

„Liebe!“, sagte der Wirt.

„Oh, wie schön!“, schwärmte Jimmy. „Wann kommen die Leute denn?“

„Na, in her halben Stunde ungefähr. Erika kommt immer schon ‘n bisschen früher, um schon mal einen zu heben.“

„Na, das wollen wir dann mal auch! Prost!“

Wir tranken unsere Gläser aus.

„Noch einen!“, sagte ich. „Und für Sie auch einen!“

„Oh, danke!“, dienerte der Budiker. Er griff wieder nach hinten und goss ein, beides ohne hinzusehen. Er sollte das mal zu ‘ner Zirkusnummer ausarbeiten.

„Wie viel Wagen haben die denn?“, fragte ich.

„Drei!“

„Ach? Drei nur? Ich hatte gehofft, dreißig oder so. Ich hatte gehofft, ‘ne Stellung da zu kriegen.“

Ich sagte es ganz so auf blauen Dunst, denn ich wusste ja noch nicht, was ich kurze Zeit später wusste.

„Na, das wird wohl nicht klappen! Die stellen nur sehr vorsichtig ihre Leute ein. Am meisten kann dir der Fred Harris helfen. Der kommt nachher ja auch. Ist ‘n guter Freund von der Erika.“

„Okay, danke!“, sagte ich. „Ist er auch Fahrer?“

„Na klar. Die anderen kommen ab und zu auch her, aber die drei sind die treuesten. Und sie haben immer gute Pinke.“

„Erika!“, sagte ich. „Netter Name.“

„Ja. Ihr Vater war ‘n Deutscher.“

„So?“ Ich wandte mich um und ging zu dem Garderobenständer. Ich linste neugierig herum. Beinahe wäre ich zurückgeprallt. Die Erika hätte ich mir doch ‘n bisschen anders vorgestellt. Wenn Erika mal ‘n süßes Mädchen gewesen war, so lag das mindestens zwanzig Jahre zurück.

„Na, Junge? Willst einen mit mir trinken?“

„Gute Idee, Darling!“, sagte ich.

Der schmächtige, kleine Wirt schien auf dieses Stichwort nur gewartet zu haben. Er kam mit einem kleinen Tablett heran, auf dem zwei große Biergläser standen. Er stellte die Gläser mit der

braunen Brühe vor uns hin und verzog sich wieder.

„Was ist ‘n das?“, fragte ich. „Dein Spezialgetränk? Oder Coca-Cola?“

„Nee, Junge, ‘n schöner alter Brandy. Sondermischung.“

„Gut“, sagte ich lobend. „Und gleich ‘n ganzes Bierglas voll?“

„Braucht man nicht dauernd zu rufen“, erläuterte sie würdevoll. Sie hob den Kopf und schüttelte ihn, anscheinend in der Hoffnung, dass ihr wuscheliges Wasserstoffhaar dadurch ordentlicher wurde. Das aber war eine trügerische Hoffnung.

„Bist ‘n nettes Mädchen!“, sagte ich. Was Dämlicheres fiel mir nicht ein.

„Red, keinen Quatsch, mein Sohn!“, sagte sie. „Wie ich aussehe, weiß ich schließlich selber ganz genau. Nicht umsonst hat vor ein paar tausend Jahren irgend so ein Idiot den Spiegel erfunden.“ Sie machte eine Pause und wiederholte dann noch einmal: „Wie ich aussehe, weiß ich selber ganz genau. Dieses Gesicht hier ist ja kein Zufall. Es kommt von dem vielen Ärger, von den Sorgen und von den Aufregungen.“

„Na, sicher waren auch nette Aufregungen darunter!“, sagte ich, nur um irgend etwas zu antworten.

Ein Mundwinkel zog sich herab, und das ganze Frauengesicht war dadurch plötzlich schief. Es sah sehr zynisch und bitter aus.

„Natürlich!“, sagte sie nachsichtig. „Sicher, es gibt in jedem Leben Lichtblicke. Und sogar in dem Leben eines Galeerensträflings. Da war es schon ein Festtag, wenn sie mal nicht geschlagen und verdroschen wurden. Es ist alles relativ!“

Der blonden Erika hätte ich eine solche Relativitätstheorie gar nicht zugetraut. Ich sah sie verwundert an.

„Ich staune über deine Philosophie!“, sagte ich. „Und nun sitzt du hier und säufst.“

„Ja“, sagte sie. „Ich sitze hier und saufe. Und warte auf die Kerls.“

„Na, na, tu man nicht so!“, sagte ich, und versuchte es schelmisch zu machen. „Ich kann mir schon denken, dass du in Wirklichkeit nur auf einen wartest.“

„Fred Harris meinst du? Pah! So groß ist die Liebe nun auch wieder nicht. Aber es stimmt“, sagte sie dann nachdenklich, „Fred und ich kennen uns schon sehr lange. Kennst du ihn?“

Ich schüttelte unschuldig den Kopf.

„Bin hier durch Zufall reingeraten. Suche einen Job. Aber der Wirt sagt schon, bei Broderson drüben brauche ich‘s gar nicht zu versuchen.“

„Nee, das brauchst du nicht. Die brauchen keinen. Die haben alles, was sie brauchen. Was kannst du denn? Hast du Zeugnisse?“

„Zeugnisse? Dass ich nicht lache! Entlassungspapiere, ja, die hab ich. Ich kann auch viel. Habe viel gelernt. Erst habe ich gelernt, wie man fachmännisch Bomben auf friedliche Städte schmeißt. Dann habe ich gelernt, wie man fachmännisch mit einem Maschinengewehr irgendwelche Menschen am laufenden Band umbringt, nur weil sie in der Spalte Nationalität in ihrem Pass ein anderes Wort stehen haben als du selber. Und dann, wenn du wieder Zivilist bist, fragen sie dich: Was kannst du? Was hast du gelernt? Ich kann gut schießen, wenn du es wissen willst. Ich kann auch prima Auto fahren, auch LKW, aber mit Zeugnissen ist es sauer. Wenn du einmal gesessen hast, ist es Essig damit. Und kein Aas will was von dir wissen.“

Die blonde Erika war aufmerksam geworden. Sie hatte langsam an ihrem Glas genuckelt, aber mich unablässig dabei beobachtet. Meine Geschichte musste ganz gut angekommen sein.

„Und du weißt jetzt nicht, was du machen sollst, was?“

„Nee!“, sagte ich. „Wenn‘s so weitergeht, fange ich wieder ‘ne krumme Sache an. Ich wundere mich sowieso schon, dass ich‘s nicht längst getan habe.“

„Hast du noch Geld?“

„Bisschen. Nicht der Rede wert.“

„Was für ‘n Ding hast du denn gemacht, damals?“

„Einbruch. Hat sich kaum gelohnt. Aber jetzt bin ich schlauer geworden.“

Erika döste vor sich hin. Sie schien heftig zu überlegen, und nichts an ihr erinnerte noch an ein Straßenmädchen. Ich glaubte ihr das plötzlich auch nicht mehr. Dann hob sie ihr Glas und sagte:

„Prost, Junge!“

„Prost, Baby!“, sagte ich.

Wir tranken, und dann lächelte sie tatsächlich ein bisschen, und es war ganz und gar ein gerades Lächeln.

„Vielleicht hilft dir der Fred doch!“, sagte sie, so, als wollte sie mich trösten.

„Das wäre schön!“, sagte ich nur. „Kommt er hierher?“

„Ja, in ‘ner halben Stunde muss er hier sein.“ Sie sah auf ihre Uhr, und ich wunderte mich darüber, dass sie so eine Uhr hatte. Das Ding war bestimmt zweihundert Dollar wert. „Ach nein, er muss ja gleich kommen!“

Ich stand auf und sah nach vorn in das Lokal. Es war immer noch ganz leer. Jimmy saß an der Theke und quatschte irgendwas mit dem Wirt. Ich gab ihm ein kleines Zeichen, und er nickte. Der Wirt hatte davon nichts gemerkt, denn Jimmy hatte ihn offenbar heftig unter Alkohol gesetzt.

„Nun sei mal nicht so unruhig!“, sagte Erika mütterlich. „Komm, setz dich wieder. Fred weiß ja, dass ich hier bin. Hierher kommt er sowieso.“

Ich setzte mich wieder neben sie und trank langsam aber sicher das Bierglas leer.

„Es ist nett von dir, Darling“, sagte ich, „dass du Fred Harris fragen willst, ob er ‘n Job für mich hat. Warum tust du das?“

„Wer weiß?“, machte sie geheimnisvoll. „Vielleicht gefällst du mir? Vielleicht weiß ich, dass Fred Leute wie dich gebrauchen kann? Vielleicht, vielleicht …“

„Vielleicht muss ich jetzt mal telefonieren!“, sagte ich. „War bei so einem Kerl eingeladen. Aber das wird ja nun nichts. Ich werde absagen gehen. Moment, Puppe, bin gleich wieder da.“

Ich ging schwankend an der Theke vorbei.

„Wo ist ‘n hier das Telefon?“

„Da!“, grunzte der Wirt und zeigte mit dem Daumen nach hinten.

Ich ging durch die Tür, die er mir bezeichnet hatte, und nahm den Hörer. Ich wählte die Nummer des Stadthauses und verlangte Norton. Der Dicke meldete sich gleich.

„Hier ist Browning“, sagte ich leise. „Geben Sie mir mal schnell ‘n Namen von einem Kerl durch, den Sie gerade festgesetzt haben. Ich muss mich vielleicht als Ganove ausgeben. Los, machen Sie schnell!“

„Na, Sie machen mir Spaß! Moment!“

Aus dem Moment wurden mehrere, und ich musste eine lange Zeit warten, bis er sich wieder meldete.

„Also das ist das Richtige. Robert Notting, geboren 3.8.1921, ungefähr Ihre Statur, zwei Einbrüche in Juwelierläden, einen in Chicago, einen in New York. Als er‘s hier versuchte, wurde er geschnappt. Gestern. Als Einzelgänger bekannt.“

Ausgezeichnet. Hat er Bekannte hier in Frisco?“

„Weiß ich nicht.“

„Danke, Wiedersehen!“

Ich ging in die Kneipe zurück. Ich hieß also Robert Notting, war am 3. 8. 1921 geboren und

von Beruf Diamantenliebhaber und Einbrecher. Einzelgänger. Auf diese Art konnten die Kerls nicht so schnell Verdacht schöpfen. Wenn sie so gut organisiert waren, wie der Mord mit dem Auto vermuten ließ, hatten sie auch genug Intelligenz, die Personalien ihrer neuen Mitarbeiter zu überprüfen. Hoffentlich kam auf die Tour nichts raus.

Ich lehnte mich neben Jimmy gegen die Theke und stierte auf sein Glas.

„Halt dich raus aus der Sache!“, murmelte ich. „Es fällt auf, wenn wir gleich zu zweien mitmischen. Vielleicht kann die Puppe da …“

„Alles gehört. Denkst du, ich sitze auf meinen Ohren?“

„Nee. Da unten hast du doch keine Ohren. Aber manchmal wünschte ich, du hättest da ‘ne Nase.“

Ich ging zu Erika zurück.. Sie sah mich lächelnd an.

„Hat geklappt!“, sagte ich und setzte mich aufatmend wieder neben sie.

„Okay!“, sagte sie. „Ich kann dir natürlich nicht versprechen, ob Fred …“

„Natürlich!“, sagte ich. „Er ist ja schließlich nicht der Boss! Wer ist ‘n der Boss?“

„Das kann ich dir nicht sagen. Es ist auch besser, wenn du nicht danach fragst!“

„Heißt er nicht Broderson, wie seine Firma?“

Erika biss sich auf die Lippe. Sie erkannte, dass sie beinahe zu viel verraten hätte. Sie funkte aus den Augenwinkeln einen abschätzenden Blick zu mir hinüber, aber ich tat ganz und gar harmlos.

„Natürlich, ja“, sagte sie eilig und sah mich zweifelnd an. Ihr Blick sah so aus, als wollte sie fragen: Bist du so doof oder tust du nur so?

Ich blinzelte sie bieder an, und sie schien zufrieden zu sein. Er ist tatsächlich so doof, dachte sie wahrscheinlich. Aber laut sagte sie: „Wie heißt‘n?“

„Robert“, sagte ich und grinste.

„Und weiter?“

„Ich weiß auch nur, dass du Erika heißt!“

„Soll ich dir bei Fred Harris helfen? Oder soll ich es nicht? Wie heißt‘n weiter?“

„Notting!“, sagte ich mürrisch.

„Was heißt denn hier helfen?“, sagte eine tiefe Stimme ärgerlich.

Die dicke Erika sah auf, und ich wandte mich um.

„Fred“, sagte die Dicke, halb ängstlich und halb verklärt.

Dies also war Fred Harris. Ich hatte ihn mir ganz anders vorgestellt. Ich hatte gedacht, er wäre so ‘n breitschultriger, schwarzhaariger Muskelprotz, und nun stand da so ein schmaler, blonder Junge.

Er setzte sich mir gegenüber und sah mich misstrauisch an. Seine Augen gefielen mir nicht. Sie waren kalt und brutal, und er hatte sinnliche Lippen. Wahrscheinlich hatte er in der dicken Erika verborgene Mutterinstinkte geweckt. Vielleicht verdrosch er sie aber auch nur ab und zu. Ihr verklärtes Gesicht ließ alles beides denkbar erscheinen.

„Der da heißt Robert Notting!“, sagte Erika, stand auf und küsste den Blonden flüchtig auf die schlecht rasierte Backe.

„Lass das!“, knurrte er mürrisch und sah mich wieder misstrauisch an.

„Keine Sorge, Mister Harris!“, sagte ich. „Ich wollte der Erika nichts tun. Ich kam hier nur rein und wollte einen trinken. Und der Wirt sagte gleich, bei Broderson drüben wäre bestimmt nichts frei.“

„Er kann gut schießen, sagt er“, sagte Erika. Sie sagte es ganz leise, dann sprang sie plötzlich wieder auf und sagte: „Oh, mein Strumpfband!“

Bevor sie rausging, rempelte sie Fred Harris nachdrücklich an.

Ich grinste ein bisschen dämlich und ein bisschen raffiniert. Das schien Fred Harris gut zu gefallen, denn er schob plötzlich seinen Stuhl zurück und sagte: „Moment, Mister!“

Ich nickte nur und nuckelte an meinem leeren Glas.

Fred Harris verzog sich. Als er an mir vorbeiging, fiel mir die seltsame Ausbeulung an seiner Jacke auf. Es war eine wunderbare, braune Cordjacke, aber die Beule sah so aus, als stamme sie von einem soliden Colt, den er darunter trug.

Es kommt ziemlich selten vor, dass harmlose Angestellte einer so harmlosen Firma Beulen in ihren Jacketts haben, die von Revolvern stammen. Offenbar war ich hier schon richtig.

Ich ging an die Theke, aber der Wirt war plötzlich auch nicht mehr da. Nur Jimmy saß auf seinem Hocker, trank ab und zu einen Schluck, rülpste und schaukelte mit dem Hocker hin und her. Offenbar probierte er aus, wie lange man braucht, um bei dieser Balanciererei auf die Nase zu fallen.

„Geh hinterher!“, murmelte ich. „Aber sei vorsichtig.“

Ich taumelte wieder an den Tisch zurück. Ich hörte, wie Jimmy ein paar Münzen aus der Tasche kramte, sie auf die Theke schmiss und dann rausging.

Aber da kam Fred Harris zurück.

Er setzte sich wieder mir gegenüber und sah mich jetzt etwas freundlicher an. Sicher hatte die dicke Erika ihm eine Spritze verpasst.

„Du suchst ‘ne Stellung?“, fragte er und lächelte ein bisschen. Es war kein sonniges Lächeln. Vermutlich konnte er gar nicht sonnig lächeln. Dazu waren seine Augen zu kalt.

„Ja!“, sagte ich. „Aber wenn du mich nach Papieren fragst, ist es aus.“

„Ich frage nicht nach Papieren! Keine Sorge, Junge. Ich selbst bin ja nur da drüben kleiner Angestellter. Und der Broderson braucht wirklich keinen. Aber vielleicht könnte ich dir doch helfen. Warste immer in Frisco?“

„Nee. Zuletzt war ich in N‘York und Chicago.“

„Kennen sie dich da?“

„Nur die Polente. Sonst war ich immer alleine. Aber einmal würde ich‘s auch versuchen, in ‘ner Gang mitzumachen. Sie haben mich geschnappt, als ich mich für Edelsteine interessierte. Kein Aas glaubte, dass ich es nur tat, um was für meine Bildung zu tun.“

In seinen Augen glitzerte es plötzlich, fast wie in den Edelsteinen, die ich angeblich geklaut hatte.

„Haste die Sore noch?“, fragte er etwas zu interessiert.

Ich schüttelte trübsinnig den Kopf.

„Ich sage doch, ich hatte Pech. Lass uns nicht mehr davon sprechen. Ich finde es direkt peinlich.“

„Na schön, Alter! Aber der Boss wird sich erkundigen. Ist ‘ne kleine Formsache, verstehst ja sicher!“

„Klar!“, sagte ich, und ich dachte: Hoffentlich funktioniert das mit dem Namen. Wenn sie erfahren, dass der echte Robert Notting schon wieder mal Pech gehabt hatte, dann würde es erst richtig peinlich werden.

Die dicke Erika kam zurück. Erstaunlich graziös schlenkerte sie ihr pralles Hinterteil herum und setzte sich dicht neben Fred Harris.

„Na, ihr zwei?“, sagte sie. „Einig?“

„Ich will‘s versuchen!“, sagte Fred stirnrunzelnd. Er sah mich noch einmal prüfend von oben bis unten an. Dann blickte er auf seine Armbanduhr. Sie war mindestens so viel wert wie die Erikas. „Es ist jetzt halb fünf. Komm um halb acht in die Goldene Spinne. Kennste den Laden?“

„Unten am Hafen, nicht?“

„Ja. Also um halb acht.“ Er sah mich auffordernd an. Offenbar wollte er mit Klein-Erika jetzt allein sein. Na schön.

Ich stand auf und nickte ihnen zu.

„Viel Spaß noch“, sagte ich. „Und um halb acht.“

Vorn an der Theke waren jetzt noch ein paar Leute damit beschäftigt, ihren Lohn in Flüssigkeit zu verwandeln und in sich hineinzugießen.

Ich fing den Blick eines kleinen Wurzelzwerges auf. Er hatte einen unheimlich großen Kopf, aber sein Buckel war noch größer. Und sein Blick war alles andere als sympathisch.

Ich packte dem Wirt meine Zeche auf den Tisch und ließ mir das Wechselgeld genau wieder rausgeben. Großzügigkeit wäre vielleicht aufgefallen. Dann stolperte ich raus aus dem Laden.

Als ich draußen die nächste Querstraße erreicht hatte, blieb ich stehen, weil die Ampel Halt gebot. Und dann sah ich den Wurzelzwerg. Er kam hinter mir her. Offenbar gab er sich Mühe, langsam und unauffällig zu gehen, aber das gelang ihm schlecht.

Die Ampel schaltete auf Grün, und ich wetzte über die Straße, um noch einen Bus zu erreichen,

der gerade drüben anfuhr. Ich hopste rauf und sah noch, wie der Bucklige dem Bus nachstarrte. Aber ich sah noch was anderes. Ich sah, wie er einem Taxi zu winkte.

An der nächsten Ecke hopste ich wieder raus aus dem Bus und verkrümelte mich in einer Kneipe an der Hausecke.

,,‘n Bier!“, sagte ich und blieb an dem blank gescheuerten runden Holztisch hinter dem Fenster stehen. Der Wirt stellte ein Bier vor mich hin. Ohne ihn anzusehen, legte ich ein paar Münzen hin und starrte auf die Straße. Das Taxi fuhr vorbei. Der Gnom hatte nicht gesehen, dass ich gleich wieder rausgesprungen war.

Pat Browning und die goldene Spinne: Kriminalroman

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