Читать книгу Briefe aus Krähwinkel - Thilo Koch - Страница 8

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nein, hully-gully habe ich nicht gesehen in Bonn. Auch nicht und madison. Als ich nach locomotion fragte, griff sich ein Boy im Königshof verstohlen an die Stirn. Nur eine glutäugige Telefonistin, die gerade Luft schnappte, lächelte verzehrend, schnippte mit den Fingern und stellte ihr linkes Bein schräg nach außen. Watussi? Ja, nickte man im A. A., die neuen Neger-Republiken Uran-da-Burundi sind uns bekannt, der Bundespräsident wird bei seiner bevorstehenden Ost-Afrika-Reise (Heia Safari, Lettow-Vorbeck) auch den Watussi einen Besuch abstatten. Wenn sie dann noch leben. Bekanntlich werden sie gerade von den Balutus ausgerottet.

Du siehst, Deine modernen Tänze kennt hier keiner, oder sie führen zu Verwechslungen, die selbst vor der Villa Hammerschmidt nicht Halt machen. Ich war übrigens drin. Ein Empfang mit Dienern: sahen aus wie Heiducken. Nicht Heidschnucken — das sind richtige Schafe, aus der Lüneburger Heide (». . . in dem wunderschönen Land, ging ich auf und ging ich unter, allerlei am Weg ich fand . . .« Hermann Löns, Dir natürlich kein Begriff mehr, Heimatdichter mit Zweitem Gesicht, wirklich, Rosemarie, sieben Jahre sein Herz nach ihr schrie, aber sie hörte ihn nie.)

Heiducken wurden die Lakaien an den zahllosen deutschen Fürstenhöfen genannt. Nichts gegen unseren demokratischen Präsidenten; er ist nicht nur tatsächlich ein Demokrat — er hat dafür eingestanden, als es gefährlich war. Ich wollte nur andeuten: alles bißchen steifleinen, altfränkisch. Aber Bonn überhaupt ist ja konservativ, rückwärts gewandt; mit Zopf.

Laß mich einhalten. Es ist furchtbar schwer, auch nur eine einzige, einigermaßen zutreffende, wahrhaftige Zeile über Bonn zu schreiben. Koeppen fand den Romantitel Treibhaus angebracht. Kuby, wenn ich mich richtig erinnere, formulierte in seinem Deutschland-Buch schiefbös großartig: hier hackt jede Krähe der anderen ein Auge aus — aber sie leben einäugig weiter. Leonhardt brachte es in Xmal Deutschland zu knapp acht Seiten über »die verfemte Metropole«. Bonn-Mots gibt’s unzählige; aber, Tochter, die deutsche Bundeshauptstadt hat — anders als die Dir besser bekannte amerikanische Bundeshauptstadt — kein image, keine Ausstrahlung. Politisch ist das Bundesdorf ein Vorort der Ortschaft Rhöndorf, woselbst der erste deutsche Bundeskanzler zu Hause ist. Er wollte »et jerne einfach« haben und legte sich seinen Amtssitz vor die eigene Haustür. Der Berg kam willig zum Propheten. Sowat jeht in Deutschland, am Rheine, un’ ohne Jedöhns.

Apropos Zopf — der jungen Dame stand er fast so gut wie Dir Dein Pferdeschwanz, und das will wirklich was heißen. Sie wippte quer durch den Hofgarten, das Mandelauge cleopatrark mit Trauerrand gerahmt, zierliches Ohr, Pullover stramm, und nur die Bücher unterm Arm nährten die Illusion, es sei die ehrwürdige Alma Mater Bonensis, was sie hierher verschlagen.

Bei Euch in München wär sie kaum aufgefallen — hier entstand sofort die Frage: Was tut sie abends? Halt Deinen alten Vater nicht für frivol. Aber selbst wenn man das puritanische Washington gewöhnt ist, begreift man nicht diese totale Abwesenheit jeglichen Nachtlebens in Bonn. »Bedaure, die Dame ist heute in Köln« — der doofste aller Bonn-Witze, er trifft noch immer zu. Keine Bar für irgendein »atmosphärisches« Gespräch. Nach zwölf nirgendwo mehr ein Drink. Sorry.

Dafür bekam Väterchen ganz unverhofft Kaffee und Kuchen beim Staatssekretär für das Informationswesen. Jawohl »Wesen«; darunter machen sie’s bei uns nicht, wo so viel Wesentliches west. Und Gulaschsuppe in der Kanzlei des persönlichen Referenten des Herrn Bundeskanzlers, weil er (Dein Vater) keine Zeit hatte, Mittag zu essen. Das, Tochter, passiert Dir nicht in Washingtoner Büros, nicht in London, Paris oder Rom.

In Tokio bekam ich auch einmal Tee im Auswärtigen Amt; aber in Tokio bekommst Du überall Tee. Und die herrlichen kleinen heißen Tücher für Gesicht und Hände. Ich warb überall in Bonn dafür, diesen ostasiatischen Brauch flugs zu übernehmen, des Klimas wegen: feuchte Wärme. Also mindestens insofern doch Treibhaus. Und es fällt auch leichter, das Gesicht zu wahren, wenn es immer schön frisch aussieht. Und es fällt auch leichter zu lächeln, mit frischem Gesicht. Keep smiling. Kein Mensch lächelt in Bonn. Doch einer. Er heißt Katsushiro Narita und ist seine Exzellenz, der japanische Botschafter.

Hab’ Dich, wieder einmal, vermißt bei einer kleinen Partie (nicht Party) auf dem Rhein. Da gibt’s dies rührende alte Bild Überfahrt am Schreckenstein. Find mal raus, wer’s gemalt hat. (Frag, meinetwegen, das Riemenschneider-Antlitz mit den »edlen Händen« — und füge gleich hinzu: Vater weiß alles. Und dann beschreib mir, was er für’n Gesicht gezogen hat.) Glücklicherweise brach keine rheinische Fröhlichkeit aus: warum ist es am Rhein so schön, Schnetterätäng. Die Berliner Stachelschweine machten mal diesen Witz: »Da jibt et Fraaren, uf die jibt et keene Antwort; zum Beispiel: Warum ist es am Rhein so schön?«

Nichts gegen hystrix cristata (wie steht’s eigentlich um Dein anglisiertes Latein —

Cäsar gleich Sßiesaar?), aber sie haben offenbar leider nie das tannengrüne Siebengebirge im taubenblauen Abenddunst verdämmern sehn. Und wie diese lustigen, langen, bunten, schweren Schleppkähne stromauf tukkern. »Und bis zum Sinken überladen, entfernt sich dieser letzte Kahn . . .« Ärgert Dich eigentlich, daß ich so gerne zitiere? Fühlst Du Dich erzogen? Oder gar abgehört? Dann laß ich’s.

Übrigens, was liest Du gerade? Soll ich Dir schicken How much is that in Dollars? Art Buchwald traf ich mal im Bus, trägt gern komische, karierte Hüte, ist dick und pudellustig — bemer-kenswert, denn Humoristen sind ja meistens Melancholiker. Nein? Doch. Nimm Wilhelm Busch, unseren einzigen. Großartig, aber seine Lebensphilosophie: Essig. Feinster Essig, zugegeben, aber sauer — brrr. »Wo er sich auch hinverfüge, Angst verkläret seine Züge« (Knoop). Übrigens die beste WB-Ausgabe machte ein gewisser Rolf Hochhuth in Gütersloh, bei Mohn. Jawohl, der Stellvertreter-Hochhuth, bevor er berühmt wurde. Da kannste sehn, Busch muß man haben.

Und ich wollte Dir erzählen, daß oder wie ich Bonn kenne. Ist ja nicht viel geworden, was? Liegt’s an Bonn oder an mir? Wahrscheinlich an mir, denn Bonn — Bonn ist eine schöne Stadt. Wäre eine schöne Stadt: Hofgarten, Uni, Marktplatz, Beethoven (Elise!). Aber nun dieser bundeshauptstädtische Verkehr in dem Blinddarm. Armer Hahlbohm. Strauß übrigens — das ist in Deinem Bayern der christlich-soziale Vorsitzende — kommt wieder. Nach Bonn. Sagt Bonn. Frag ihn mal. In München. Und was er von der Besten aller Welten hielte: Sepp und Barry, Schwank in fünf Jahren — Bundeskanzler Strauß und US-Präsident Goldwater.

Fällt mir ein: wie steht’s eigentlich um Dein »politisches Bewußtsein«? Männer allein sind auch nicht abendfüllend. Sag ich Dir.

Adieu,

Briefe aus Krähwinkel

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