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Just Got Paid

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Route 45 South

Die Nässe spritzte unter den Reifen des Cadillac hervor, und ein Schild mit der Aufschrift »Willkommen in Texas« flog in der kühlen Nacht vorüber. Niemand im Wagen bemerkte es allerdings oder interessierte sich überhaupt dafür. Grauer Dunst strömte aus den getönten Scheiben und vermischte sich mit dem Dampf, der von Highway 45 aufstieg. Vereinzelte Straßenlaternen leuchteten im Vorbeifahren auf, doch Isandro sah sich in keiner Weise dazu bemüßigt, Notiz davon zu nehmen.

»Hey, esé, keiner hat mehr cerveza oder Tequila. Wir müssen unbedingt einen Laden finden, und zwar pronto, yo«, ordnete er an. Seit sie ihr »Partyhäschen« abgestoßen hatten, war es unangenehm still im Wagen gewesen, also war er der Meinung, dass seine Chaostruppe mal wieder einen Tritt bräuchte, und keinen Alkohol mehr an Bord zu haben, lief dem Ganzen zuwider. Er stürzte gerade den letzten Rest Tequila hinunter, und auch das Gras war schon fast vollständig aufgebraucht. So wird das alles nichts, dachte er.

Er betrachtete ununterbrochen das Foto seiner Zwillinge und kämpfte dabei mit aller Macht dagegen an, in Tränen auszubrechen. Denn er durfte vor seiner Crew auch nicht nur einen Hauch von Schwäche zeigen – das durfte er einfach nicht. Denn genau aus diesem Grund war sein Arsch zuletzt überhaupt wieder im Knast gelandet. Doch seit er dem Wärter die Kehle durchgeschnitten hatte und in den Mülllaster geklettert war, stand sein Schwur fest: Er würde sich niemals mehr angreifbar zeigen – selbst, wenn er dabei draufging. Der Tod war immer noch besser, als ein rückgratloser pequeño puto zu sein.

»Wenn mich nicht alles täuscht, steht auf dem Schild dort drüben was von Spirituosen«, rief Hector und blinkte rechts, um die nächste Ausfahrt nehmen zu können, die sie zu der Leuchtreklame führen würde, einer Oase in der klammen texanischen Nacht.

Eine einzelne kleine Laterne hing über dem aufgerissenen Pflaster vor dem alten Schnapsladen wie eine welkende Blüte an einer Ranke. Feiner Regen ergoss sich senfgelb auf den porösen Asphalt, als der Cadillac mit quietschenden Reifen am Gebäude vorfuhr. Die alten Scheibenwischer taten sich extrem schwer mit der schleimigen Nässe auf dem Glas, und von Norden her wehte ein kalter Wind. Isandro erschauderte, als er hinten ausstieg und geduckt los eilte. Die anderen Crewmitglieder folgten ihm, nur Hector nicht, der hinter dem Steuer des laufenden Wagens sitzen blieb.

Während der Boss seinen Blick durch den Regen schweifen ließ, entdeckte er einen rostroten Chevy Pick-up und einen blauen Ford Torino Kombi auf dem Grundstück. In Letzterem saß eine aufgeregte Frau, die gerade zwei kleine Kinder ausschimpfte. Dies alles nahm er zur Kenntnis, als er das Geschäft betrat. Ein Glöckchen kündigte die Kundschaft an, als die Gruppe in den gut sortierten Laden kam. Für Isandro war das Meer aus Flaschen Seelenheil in abgefüllter Form, er suchte die vollen Regale an den Wänden deshalb langsam und sorgfältig ab.

»Immer cool bleiben«, wisperte er seinen Schergen zu, als sie sich im Raum aufteilten. Jeder kannte seine Aufgabe ganz genau und wusste, was geschehen würde, wenn er patzte. Die um einen Kopf kürzer gemachte Blondine bei Mickey Dee’s diente als eindrückliches Beispiel dafür, was geschah, wenn jemand Big Papi ärgerte. Auf all das konnten sie im Moment getrost verzichten, denn es war viel zu laut.

***

Paul Reynolds war hundemüde. Die Spätschicht im Betrieb brachte ihn immer fast um, und er brauchte dringend einen Wodka. Etwas – irgendetwas – das ihn abstumpfte gegen den Scherbenhaufen, der von seinem Leben übrig geblieben war, seit er dieses Luder Traci geschwängert hatte. Gott musste offenbar einen tiefen Hass auf Pauls arme Seele geschoben haben, dass er ihm nicht nur einen, sondern gleich zwei besserwisserische Halbstarke aufgebürdet hatte. Sein Traum war es einmal gewesen, der nächste Quarterback der Dallas Cowboys zu werden, doch jetzt, schuftete er sich in der Ölraffinerie zu Tode beziehungsweise wartete darauf, dass seine Leber endlich versagte, um aus dieser Hölle auf Erden verschwinden zu können.

»Kann gar nicht schnell genug gehen«, klagte er, schnappte sich eine Flasche Mad Dog 20/20 aus dem vollen Regal und steckte sie in seine abgetragene Jacke. Hoffentlich schaute der alte Mann an der Theke nicht gerade zu ihm hinüber, denn das war das Letzte, was Paul im Moment gebrauchen konnte. Er wollte sich einfach nur heillos besaufen und dabei sein Leben vergessen, sich vielleicht das Spiel der Rangers in ihrem schrottreifen Fernseher ansehen und das ganze Wochenende durchschlafen. Vielleicht würde er sich sogar noch zu den Solid Gold Dancers sein Handgelenk trainieren und dann mit der Bitte in ein postorgasmisches Koma fallen, dass der Tod ihn vor Montagmorgen heimsuchen würde.

Er konnte nicht ahnen, dass sein Flehen schon so bald erhört werden sollte.

***

Die letzten Dinge, die Paul durch den Kopf gingen, waren die klingelnden Glöckchen an der Tür des Schnapsladens und eine 9mm-Patrone, die sein Blut und Teile seines Gehirns auf das Rum-Sortiment von Capt. Morgan spritzen ließ. Cahill hielt die rauchende Kanone hoch und lachte dabei wie eine kranke Hyäne.

Isandro packte ihn am Kopf und schleuderte seinen dünnen Körper wütend gegen einen Schrank mit Gin-Flaschen. Das Glas zerbrach, sodass sich die klare Flüssigkeit über sie beide ergoss. Dadurch, dass er mit der Pistole über Cahills Schläfe fuhr, fügte er ihm einen tiefen Schnitt zu, bevor der freche Knabe im Regal, das voller Scherben war und vor Alkohol tropfte, zu Boden sackte.

»Du blöder pendejo. Was zum Henker hast du dir denn nur dabei gedacht, esé?« Der Boss verlieh seinem Missfallen Nachdruck, indem er dem Jungen mit einem Stiefel mit Stahlkappe in den Bauch trat. Als er eine Bewegung an der Kasse sah, stürzte er sofort hinüber.

»Immer mit der Ruhe, Pops.« Er hielt dem betagten Inhaber den Lauf der Pistole genau in das Gesicht und drängte ihn zurück gegen die Spirituosen hinter der Theke. »Dann müssen wir dich auch nicht ausschalten, wie den maricón dort drüben.« Isandro zeigte dem alten Mann, der eine Bifokalbrille trug, mit seiner Waffe den zuckenden Mann auf dem verdreckten braunen Teppichboden.

»Äh, o… okay. Ich … ich bleibe ganz ruhig.« Der Alte zitterte und fuhr erschrocken zusammen, als der Mexikaner die Mündung der Beretta gegen seine schweißnasse Stirn drückte. Isandro grinste angesichts der Träne, die nun über die faltige Wange seines Gegenübers rann.

»Gut, Großpapa, sehr gut.« Er nahm die Waffe wieder herunter und drehte sich zum Rest der Crew um. Alle standen einfach nur da und starrten auf Cahills reglosen Leib.

»Yo, pequeño putos. Zeit zum Einkaufen; Papi ist durstig.« Er lachte und trat nun zu dem Mann hinter die Theke, zwang ihn auf seine zitternden Knie und behielt dabei sein Lächeln die ganze Zeit bei.

»Beeilt euch, vatos, denn weil dieser pequeño puto so schießwütig war, müssen wir jetzt schnell von hier verschwinden.« Mit diesen Worten ging er neben dem weinenden Besitzer zu Boden und tätschelte dessen schütteren grauhaarigen Kopf, während die Bande Plastiktüten mit seinen bevorzugten Alkoholsorten füllte. Sein Blick fiel jetzt auf Cahill, der immer noch mit Sprit besudelt und blutend zusammengekauert am Boden lag. Erneut musste er lachen. Isandro prügelte das Weißbrot gern immer wieder windelweich. Er musste schließlich klare Botschaften vermitteln, und wenn er eines nicht brauchte, dann dass dieser pequeño puto aus der Reihe tanzte. Das Töten oblag immer nur ihm selbst; er hatte eine Zahl im Kopf, und die war noch lange nicht erreicht. Fast taten ihm die putas leid, die seinen Weg kreuzen würden, doch diese Reue verflog recht bald wieder.

Isandro rieb beruhigend die Schultern des Alten, während seine Leute Nachschub beschafften, und sprach dabei tröstende Worte auf Spanisch. Der Mann lehnte sich sogar bei ihm an und hörte auf zu weinen.

»Yo mataria tu«, gurrte der Boss und gab ihm einen Kuss auf den Kopf. Offensichtlich verstand der Inhaber Isandros Muttersprache, denn er schluchzte nun laut und kroch panisch von ihm weg.

»Neiiiiin!«, flüsterte er stöhnend.

»Zum Auto, sofort!« Isandro achtete jetzt nicht mehr auf die Crew, sondern richtete die Pistole auf den Alten, der versuchte, sich ihm auf dem blutgetränkten Teppich zu entziehen.

Plötzlich fielen draußen auf dem dunklen Parkplatz Schüsse. Der Anführer packte Cahill an seiner mit Gin und Blut befleckten Jacke, schleifte ihn hinaus und legte ihn direkt vor dem Cadillac ab. Dann schaute er sich aufmerksam um. Etwas in dem Kombi fiel seinen ausdruckslosen Augen sofort auf. Er wandte sich Bobby und Manny zu und zeigte ihnen den blauen Ford. Nachdem sie die Tüten mit dem Alkohol ins Auto gelegt hatten, zückten sie ihre Pistolen und rannten hinüber.

Der kalte Regen peitschte so heftig auf den Platz, dass er das gelbe Licht beinahe ausblendete. Isandro näherte sich dem Torino nun mit erhobener Waffe. Mit einem Nicken befahl er den anderen beiden, sich jeweils von der Seite anzupirschen. Er wartete, bis seine Erfüllungsgehilfen in Position waren, und zog dann die Fahrertür auf. Sie quietschte laut, sodass irgendwo im Dunkeln ein Hund meinte, deswegen bellen zu müssen.

Der Regen nahm noch weiter zu, und machte damit das Innenlicht des Autos praktisch nutzlos. Manny musste wohl eine weitere Bewegung bemerkt haben, denn ein Mündungsfeuer aus seiner Pistole erhellte die Karre nun. Ein dunkelroter Fleischbrei klatschte gegen die Windschutzscheibe, während gleichzeitig ein irres Geschrei auf der Rückbank losbrach, weshalb sich nun ein zweiter Hund in den nächtlichen Chor einreihte.

Isandro riss die hintere Tür auf und streckte seine Beretta in das Auto hinein. Jetzt kam ihm der gelbe Schein der Deckenlampe ganz gelegen. Er nickte kurz und lächelte den verbliebenen Insassen des Ford zu.

»Buenos, hola, buenas tardes, señoritas.« Er verbeugte sich und zwinkerte den zwei hübschen Teenagerinnen zu, die im schwachen Licht der Innenlampe hysterisch schrien und zitterten. Er gestikulierte mit der Pistole, woraufhin seine beiden Begleiter die gegenüberliegende Tür öffneten und die Mädchen, die um sich traten und kreischten, hinaus in den Regen auf den Parkplatz zerrten.

Auf dem Weg zu ihnen wurde Isandro ganz warm im Schritt, da er sie ungefähr im High-School-Alter schätzte. »Genau richtig«, urteilte er, nachdem er sich hingekniet und einer der Blonden den Kopf grob in den Nacken gerissen hatte. Regen fiel in ihr ängstliches Gesicht und wusch die Tränen ab. In seinem Schritt wurde es daraufhin noch heißer.

»Ésta perras jóvenes bien en el coche«, verlangte er und gab der panischen jungen Frau einen innigen Zungenkuss, der ihre Schreie augenblicklich erstickte.

Danach lächelte er wieder und ließ ihr langes Haar los. »Wollt ihr eine kleine Spritztour machen, Ladys?« Beim Aufstehen versuchte er erst gar nicht, seine beträchtliche Erektion vor ihnen zu verbergen. Das Geschreie der beiden brachte noch ein halbes Dutzend weiterer Hunde in der Umgebung dazu, in die unwirtliche Nacht hinein zu bellen.

»Ach, ich glaube nicht, dass eure Eltern etwas dagegen haben werden.« Isandro drehte sich auf seinem gestiefelten Absatz um und schlenderte dann gemächlich zu dem Cadillac. Dabei machte er sich lauthals über seine jungen, wimmernden Gefangenen lustig.

Und das war gerade erst der Anfang. Zwischen diesem Ort und Mexiko lagen noch viele Meilen, und er wollte doch schwer hoffen, dass er genügend Munition hatte. Bestimmt wartete zu Hause schon literweise Sprit auf ihn.

HIMMEL, HÖLLE ODER HOUSTON

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