Читать книгу Recht des geistigen Eigentums - Thomas Ahrens - Страница 236
1. Kapitel. Allgemeines zum Kennzeichenschutz § 42 Gegenstand
ОглавлениеDas erste deutsche „Gesetz über den Markenschutz“ stammt vom 30.5.18741 und wurde zwanzig Jahre später durch das „Gesetz zum Schutz von Warenbezeichnungen“2 ersetzt. In seiner Struktur, teils auch im Wortlaut war dieses Warenzeichengesetz bis zur Einführung des neuen Markengesetzes über 100 Jahre in Kraft, wobei es wesentlichen Änderungen nur in den letzten Dekaden durch die Einführung des Benutzungszwanges (1967), die Eintragbarkeit von Dienstleistungsmarken (1979) und die Aufhebung der Bindung der Marke an den Geschäftsbetrieb (1992) unterlag.3
Im Rahmen der Harmonisierung der Rechtsvorschriften innerhalb der Europäischen Gemeinschaft wurde im Dezember 1988 die „Erste RichtlinieRichtlinieMarken- des Rates der EG Nr. 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken“4 verabschiedet. Sie schaffte die rechtliche Grundlage für die Reformation nicht nur des deutschen Markenrechtes.
Diese europäischeuropäischMarkenrichtliniee MarkeMarke-nrichtlinienRL setzte für die derzeit achtundzwanzig Staaten der Europäischen Union verbindliche Standards und findet auf IndividualMarkeIndividual--, KollektivMarkeKollektiv--, GarantieMarkeGarantie-- und GewährleistungsMarkeGewährleistungs –marken für Waren und DienstleistungenDienstleistung Anwendung, die in einem Mitgliedstaat oder beim Benelux-Markenamt eingetragen oder angemeldet oder mit Wirkung für einen Mitgliedstaat international registriert worden sind (Art. 1). Sie definiert die dem Schutz zugänglichen ZeichenformFormZeichen-en (Art. 3), die einem Markenschutz entgegenstehenden „absoluten“ (Art. 4) sowie „relativen“ (Art. 5) SchutzhindernisSchutzhindernisse. Erstere betreffen die Gründe der dem Markenschutz nicht zugänglichen Zeichen. Die Zweitgenannten behandeln die Kollision mit älteren Rechten. Der SchutzumfangSchutzumfangMarke von Marken ist im Art. 10 geregelt. Die folgenden Artikel enthalten die wichtigsten SchutzschrankeSchrankeMarkenrechtn wie die lautere Benutzung (Art. 14), die Erschöpfung (Art. 15), die Erschöpfung (Art. 15), der Benutzungszwang (Art. 16) oder die Verfallsgründe (Art. 19, 20, 21). Als weitere wichtige Regelung umfasst Art. 25 die Lizenz von Markenrechten.
Das in Folge der MarkenRL neue und geltende „Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (MarkeMarke-ngesetznG)“5 vom 25. Oktober 1994 trat am 1.1.1995 in Kraft und löste damit das alte Warenzeichengesetz ab.
Die wesentlichen Änderungen gegenüber dem bis dahin geltenden Warenzeichengesetz waren zum einen die einheitliche Verwendung des Begriffs „MarkeMarke“, zum anderen die Einbeziehung aller Kennzeichenrechte6 einschließlich der geografischen Herkunftsangabegeografische Herkunftsangaben und der international registrierten Marken. Ergänzt wurden 1996 u.a. die Regelungen zur europäischeuropäischGemeinschaftsmarkeen GemeinschaftsmarkeMarkeGemeinschafts-Gemeinschafts-marke.7 Auch das materielle Markenrecht unterlag einer Vielzahl von Änderungen vor allem aufgrund der Umsetzung der europäischeuropäischMarkenrichtlinieen MarkeMarke-nrichtlinienRL. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Zulassung aller grafisch darstellbaren und unterscheidbaren Zeichen, einschließlich dreidimensionaler oder nur aus Buchstaben und/oder Zahlen bestehende Zeichen und Hörzeichen;
Verzicht auf das Vorhandensein eines Geschäftsbetriebes;
Ersetzung der „Gleichartigkeit“ durch „Ähnlichkeit“ der Waren und/oder Dienstleistungen;
Erweiterter Schutzumfang für bekannte Marken auch außerhalb des Ähnlichkeitsbereiches bezüglich der Waren und Dienstleistungen, sofern eine Gefahr der Rufausbeutung oder Verwässerung besteht; dies gilt entsprechend auch für geschäftliche BezeichnunggeschäftlicheBezeichnungen;
Teilbarkeit von Marken und -anmeldungen sowie deren freie (Teil-)Übertragung;
Regelungen zur Markenlizenz;
Einbeziehung aller SchutzschrankeSchrankeMarkenrechtn wie Verjährung, Verwirkung, Einrede der Löschungsreife, lautere Benutzung beschreibender Angaben sowie Benutzungszwang und Erschöpfung;
Lockerung der Grundsätze zur BenutzungBenutzung, insbesondere hinsichtlich abweichender Benutzungsformen;
Beschränkung der Erschöpfung des Markenrechts auf den Wirtschaftsraum der Europäischen Gemeinschaft.
Wesentliche Änderung erfuhr das deutsche Markengesetz durch das Gesetz zur Bereinigung von KostenKostenRegelungregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums8vom 13.12.2001, das am 1.1.2002 in Kraft trat und das die bis dahin im MarkenG geregelten Gebührentatbestände – zum Teil mit Änderungen – in das neue Patentkostengesetz9integrierte. Zum 1.10.2009 wurden bekannte Marken, Benutzungsmarken und geschäftliche Bezeichnungen als Widerspruchsgründe in das MarkenG aufgenommen und die Wahl der Rechtsmittelverfahren geändert.10 Die Markenverordnung wurde an die genannten Neuerungen im Widerspruchsverfahren aufgrund des Patentrechtsmodernisierungsgesetzes mit Wirkung vom 9.12.2010 angepasst.11 Am 28.12.2010 traten Anpassungen des Markengesetzes in Bezug auf die §§ 115 sowie 125a und 143a aufgrund von Änderungen der Gemeinsamen Ausführungsverordnung zum MMA und PMMA sowie der europäischen Gemeinschaftsmarkenverordnung in Kraft.12 Die am 24.6.2016 in Kraft getretene 4. Verordnung zur Änderung der MarkenV definiert u.a. formale und inhaltliche Kriterien der Markenbeschreibung und das Anmelderfordernis der Übersetzung, Transliteration und Transkription von nichtlateinischer Schriftzeichen als Marke.13
Die 10. Ausgabe der Klassifikation von Nizza enthielt eine vollständige Überarbeitung der bisher geltenden Klassifikationsregeln, zahlreiche neue sowie Streichungen bisheriger Begriffe und ferner zahlreiche Änderungen der Klassenzuordnung von Begriffen.14 Am 1.1.2018 ist die Version 2018 der 11. Ausgabe der Nizza Klassifikation (NCL 11–2018) in Kraft getreten, die im Wesentlichen nur strukturelle Klassenänderungen enthält.15 Änderungen der Klasseneinteilung und der alphabetischen Listen der Waren und Dienstleistungen nach der Nizza Klassifikation werden im Bundesanzeiger (www.bundesanzeiger.de) bekannt gemacht.16 Durch die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim DPMA (ERVDPMAV)17 wurden u.a. die technischen Anforderungen an die elektronische Anmeldung von Marken – ohne Verwendung einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur – mit Wirkung zum 12.11.2013 beim DPMA vereinfacht. Am 23.3.2015 ist die Elektronische SchutzrechtsakteElektronische Schutzrechtsakte für Marken und Geografische Herkunftsangaben eingeführt worden.18
Der Markenrechtsvertrag (Trademark Law Treaty,19 TLT) ist ein internationales am 1.8.1996 in Kraft getretenes Abkommen, dass die Vereinheitlichung der Registrierungsverfahren nationaler Eintragungsbehörden regelt und dem inzwischen 53 Staaten beigetreten sind. Verwaltet wird der TLT von der WIPO. In Deutschland ist der TLT am 16.10.2004 nach seiner Ratifizierung in Kraft getreten. Im Jahre 2006 wurde in Singapur die Weiterentwicklung des TLT, der Singapore Treaty,20 beschlossen, der am 16.3.2009 in Kraft getreten und ebenfalls von der WIPO verwaltet wird. Für Deutschland ist er am 20.9.2013 in Kraft getreten.21
Die EU-Kommission hat am 16.12.2015 die MarkenRL neu gefasst ((EU) 2015/2436), die am 13.1.2016 in Kraft getreten ist.22 Die dortigen Regelungen müssen im Wesentlichen bis zum 14.11.2019, die Einführung von Amtsverfahren für Nichtigkeits- und Verfallsverfahren bis zum 14.1.2023 in nationales Recht der EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Ein Entwurf eines deutschen Gesetzes zur Umsetzung der MarkenRL – das MarkenrechtsmodernisierungsgesetzMarkenrechtsmodernisierungsgesetz23 (MaMoGMaMoG) – liegt vor und tritt voraussichtlich im Sommer 2018 in Kraft. Zugleich werden Änderungen der MarkenV wirksam.
Das Gemeinschafts- nunmehr Unionsmarkensystem der EU gründet sich auf eine „Grundverordnung“ des Rates der Europäischen Union (Verordnung (EG) Nr. 40/94 v. 20.12.1993)24 (GMVO) über die Gemeinschaftsmarke einschließlich ihrer verschiedenen nachfolgenden Änderungen sowie auf weitere ebenfalls mehrmals geänderte Verordnungen der Kommission, in denen jeweils die Durchführungsvorschriften für die GMVO (GMDVO), die zu entrichtenden Gebühren sowie die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern festgelegt sind. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit kodifizierte der Rat der Europäischen Union die genannte Verordnung (EG) Nr. 40/94. Die kodifizierte Fassung der GMVO25 von 2009 führte – mit Ausnahme der Nummerierung der Artikel26 – keine substantiellen gesetzlichen Änderungen ein und wurde von der UnionsmarkenverordnungUnionsmarkenverordnung (EU) 2015/2424,27 die am 23.3.2016 in Kraft trat, abgelöst. Die kodifizierte Fassung der Verordnung über die UnionsmarkeUnionsmarke (EU) 2017/1001) (UMVUMVUMV) wurde am 16.6.201728 veröffentlicht und gilt ab in einer ersten Stufe seit dem 23.3.2016 und in einer zweiten Stufe seit dem 1.10.2017. Entsprechend hat die Europäische Kommission auch die Durchführungsverordnung (EU) 2017/1431) vom 18.5.2017 (UMDV)29 und die Delegierte Verordnung (DVUM)30 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der UMV und der Aufhebung der bisherigen Verfahrensvorschriften erlassen. Mit Wirkung zum 14.5.2018 ist die UMDV (EU) 2017/1431 aufgehoben und durch die aktualisierte auf die UMV 2017/1001 abgestimmte UMDV (EU) 2018/625 vom 5.3.201831 ersetzt worden. Ebenfalls ersetzt wurde die DVUM (EU) 2017/1430 durch die DVUM (EU) 2018/62532 mit Vorschriften zu Verfahrenseinzelheiten.
Die wesentlichen Änderungen betreffen:
Die Umbenennung der Gemeinschaftsmarke in Unionsmarke und des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (HABM) in Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO);
Eine neue Gebührenstruktur (ab dem 23.3.2016) mit Steigerungen der Anmeldegebühren für Markenanmeldungen mit 3 oder mehr Klassen und Senkungen der Gebühren u.a. für Markenverlängerungen und Widersprüche sowie in Löschungs- und Beschwerdeverfahren;
Die Handhabung der Klassifikation von Marken, wodurch unter Oberbegriffe nur solche Waren und Dienstleistungen fallen, die begrifflich hiervon umfasst sind;
Die Widerspruchsfrist für den EU-Anteil von Internationalen Registrierungen (IR), die 1 Monat nach der Markenveröffentlichung beginnt. Die Widerspruchsfrist selbst beträgt weiterhin 3 Monate.
Die Neudefinition der Markenfähigkeit mit Entfallen des Erfordernisses der grafischen Darstellbarkeit;
Die Einführung einer neuen Markenform, der Gewährleistungs- bzw. Zertifizierungsmarke33.
Die Regelungen zur Unionsmarke in der UMVUMV werden in den folgenden Kapiteln insbesondere in Kap. 2 im Vergleich zu den Regelungen des MarkenG behandelt.