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GLEICH ZUM EINSTIEG EIN ROBUSTES BEISPIEL AUS DER PRAXIS

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Haiti, Pétionville. September 2008. Ich, Country Manager einer britischen Firma, hatte eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen: einen meiner Wachleute entlassen! Der Mann war dadurch aufgefallen, dass er entweder gar nicht oder immer zu spät zur Arbeit erschien. Er hasste seine Arbeit, Mahnungen ignorierte er. Diesbezügliche Gespräche mit seinem Supervisor langweilten ihn scheinbar nur. Als ich ihn auch noch persönlich schlafend im Dienst erwischte, war die Zeit gekommen, tätig zu werden, denn er untergrub eindeutig die Moral der Truppe, um mich einer militärischen Ausdrucksweise zu bedienen. Bevor ich ihn in mein Büro rufen konnte, um ihn von seiner fristlosen Entlassung zu unterrichten, klopfte mein Stellvertreter Baptiste an meiner Tür. Er sagte mir, dass unser Kandidat von seiner Entlassung Wind bekommen hätte und darüber nicht glücklich sei, was bis hierher noch kein wesentliches Problem darstellte. Nun war es aber laut Baptiste so, dass der Betroffene vor längeren Jahren den Todesschwadronen des Ex-Präsidenten Duvalier, auch genannt Baby Doc, angehört hatte. Baby Doc, alias Jean-Claude Duvalier war von 1971 bis 1986 der diktatorisch regierende Präsident Haitis. Unter seinem Regime und dem seines Vaters, wurden schätzungsweise 60.000 Menschen auf brutale Weise gefoltert und umgebracht. Auch 2008 rechnete man in Haiti noch mit der Rückkehr des Gründers der Todesschwadronen.

Als ehemaliger Kommandant der PNH (haitianische Nationalpolizei, Strafverfolgungsbehörde) hatte Baptiste die Information aus einer absolut verlässlichen Quelle. Unser Mann war also ein gefährlicher Kopfjäger, der bereits ein gutes Dutzend Menschen kaltblütig ins Jenseits befördert hatte. Baptiste riet mir dringend davon ab, ihn allein in meinem Büro zu empfangen, denn angeblich trug ´der Kandidat` immer eine Waffe bei sich. „Wenn er eine Chance sieht, dich heute umzubringen, wird er es tun“, sagte Baptiste beschwörend. Ich beschloss, ihm genau diese Chance nicht zu geben. Während des Gesprächs sollte Baptiste mit mir im Büro bleiben. In meiner rechten halbgeöffneten Schublade würde ich eine geladene Pistole haben, die ich in einer Sekunde hervorholen und in Anschlag bringen konnte. Dasselbe würde Baptiste machen, dessen Schreibtisch sich drei Meter rechts von mir befand. Mir war es ernst. Käme es zur bewaffneten Konfrontation, wäre mein Handeln Selbstverteidigung par excellence. Ich war ein Mann mit einem enormen Sinn für Fairness, doch Redlichkeit machte in diesem Fall keinen Sinn. Nicht in einem Land, in dem der Tod eines Mannes kaum drei Zeilen in der lokalen Presse wert war. Als der Kandidat das Büro betrat und er unsere entschlossenen Mienen sah, wusste er sofort, aus welcher Richtung der Wind blies. Er wusste, dass wir nicht spielen oder lange reden wollten. Innerhalb von zwei Sekunden wägte er seine Chancen ab, lächelte schließlich bitter und sagte: „ihr habt gewonnen“. Wortlos unterschrieb er seine Kündigung. Wir sahen ihn nie wieder. Doppelte Vorsicht war jedoch geboten, denn für ihn war ich der allein Schuldige seiner Entlassung.

„Er wird versuchen, dich alleine zu erwischen!“

Baptiste war knallhart in seiner Analyse.

Und ich? Ich war gewarnt!

Ein paar Seiten weiter, liste ich die Eigenschaften auf, über die ein Chef verfügen sollte. Von Intelligenz ist dort die Rede. Aber auch von Gefühl. Und von Charakterstärke. Ich komme gleich drauf, nun erst Mal zurück in die Situation.

Was war geschehen?

Unser Mann hatte gegen alle Regeln verstoßen, die es gab. Natürlich beobachteten seine Kollegen sein buntes Treiben, denn auch ihnen war seine makabre Vergangenheit kein Geheimnis. Es wurden sogar Wetten abgeschlossen. Alle wetteten darauf, dass niemand, der noch all seine sieben Sinne beieinander hatte, die Courage aufbringen würde, ihn zu feuern.

Sie sahen sich getäuscht. Meine Intelligenz (Kopf) und das Gefühl (Herz) hintanstellend, hatte ich Charakterstärke (Entschlossenheit) gezeigt. Hätte ich das nicht getan, wäre der Respekt vor mir wie Schnee in der Sahara dahingeschmolzen. Um die Fäden zusammenzuhalten, hatte ich mein Leben riskiert. Unmittelbar nach dieser Aktion saß ich tiefer im Chefsessel als je zuvor. Der ´Directeur`, wie man mich nannte, war ein weiser Mann, zu dem man getrost aufschauen konnte. Fazit: Man darf Konflikte durchaus als Chancen verstehen. Ich hatte Härte gezeigt, meine Würde nicht verloren und auch die Würde des Mitarbeiters nicht mit Füßen getreten. Ich hatte weder versucht ihn zu verändern, noch ihn zu erziehen, habe, im Gegenzug, für beide Parteien (Firma / Mitarbeiter) die beste Lösung gesucht und sie gefunden. Wir waren nicht glücklich, ihn bei uns zu haben, er war nicht besonders glücklich darüber, überhaupt arbeiten zu müssen.

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