Читать книгу Future History 2050 - Thomas Harding - Страница 17
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Ich halte mich an die Fakten!
Unter allen Aufgeregtheiten in den Medien der damaligen Tage gibt es ein wichtiges Ereignis, das ich für das Jahr 2021 festhalten möchte: nämlich dass in großem Maßstab in die Entwicklung von Quantencomputern investiert wurde.
Diese Nachricht wurde damals nur am Rande wahrgenommen. Doch wenn ich drei Jahrzehnte zurückblicke, war dies ein entscheidender Augenblick. Er hat dazu geführt, die Welt zu verändern. Die Wissenschaft hatte seit Jahren nach einer Methode gesucht, um die Rechengeschwindigkeit von Computern signifikant zu erhöhen. Bei uns in Cambridge gab es eines der dabei am weitesten fortgeschrittenen Forschungszentren. Ich kannte einige der führenden Forscher, und durch sie habe ich erfahren, was für eine bemerkenswerte Arbeit an meiner Universität geleistet wurde, eine Arbeit, die vieles Gewohnte auf den Kopf stellen sollte.
Die wissenschaftliche Grundlage der neuen Technologie ist nicht so leicht zu begreifen, und das ist einer der Gründe dafür, dass die Medien ihr keinen größeren Wert beigemessen haben.
Ich habe eine meiner Freundinnen gebeten, mir die Sache zu erklären. Soweit ich mich daran erinnern kann, sagte sie ungefähr Folgendes:
Theoretisch kann ein Quantencomputer einen Algorithmus hundert Millionen Mal so schnell ausführen wie ein herkömmlicher Computer-Chip. Herkömmliche Computer haben sich bisher auf das Rechnen mit binären Werten, also null (an) oder eins (aus) gestützt. Ein Quantencomputer ist dagegen nicht auf diese Entweder-Oder-Denkweise beschränkt. Sein Datenspeicher besteht aus Quantenbits oder einfach qubits. Und qubits funktionieren „sowohl als auch“, das heißt, sie können sich in „Superposition“ zu allen möglichen Verbindungen von Nullen und Einsen befinden; sie können in all diesen Zuständen gleichzeitig sein. Dank dieses und eines weiteren Grundkonzepts der Quantentheorie, nämlich der „Verschränkung“ – das heißt, dass weit voneinander entfernte Teilchen dieselben Eigenschaften haben können – ist ein Quantencomputer vielfach leistungsfähiger als ein herkömmlicher Computer.
Google hatte schon 2019 behauptet, sie hätten die „Quantenüberlegenheit“ erreicht, also den Moment, in dem ein Quantencomputer eine Aufgabe lösen konnte, vor der ein herkömmlicher Computer kapitulierte. Aber danach ging es erst richtig los. In den darauffolgenden Monaten und Jahren flossen gewaltige Investitionen in das Quantencomputing. Meine Freundin sagte mir, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis wir die Auswirkungen auf unser tägliches Leben bemerken würden.
Sie hatte recht. Der Quantencomputer sollte eine Schlüsseltechnologie für die nächsten drei Jahrzehnte werden.
Es existierten nur ein paar wenige Quantencomputer weltweit. Sie sind einfach zu teuer zu bauen und verbrauchen unglaubliche Mengen an Energie. Doch diese wenigen außerordentlichen Maschinen haben die Welt verändert. Eine Anwendung hat die Welt der Medizin dabei unterstützt, das Zusammenspiel von Atomen und Molekülen im menschlichen Körper zu enträtseln und neue Behandlungsmethoden zu erfinden. Weiterhin dienten Quantencomputer zur Verbesserung von Wettervorhersagen – denn die waren bekanntlich wegen der vielen zu berücksichtigenden Variablen immer schwierig. Gerade für die vom SHOCK besonders betroffenen Gegenden ist die genaue Wettervorhersage lebenswichtig geworden.
Es heißt auch, dass diese Supercomputer von der Regierung dazu genutzt werden, alle Aktivitäten in den Interwebs zu überwachen. Sie können so gut wie alle Databases von Bildern, Texten und Audios finden, live und im Archiv. Wenn das stimmt, habe ich kein Problem damit. Wie mein Mann, Jack, dein Großpa, zu sagen pflegte: Die Einzigen, die etwas zu befürchten haben, sind die, die etwas zu verbergen haben.
Am wichtigsten aber war, dass der Quantencomputer die Voraussetzung für den Aufstieg der Ethnarchen war. Diese Wirtschaftsführer wussten dank der enormen Leistungsfähigkeiten ihrer zentralen Computer so gut wie alles über uns: was wir aßen, was wir tranken, was wir uns gerne ansahen, was wir in unserer Freizeit am liebsten unternahmen, wer unsere Freunde waren und was für uns wichtig war, unsere Träume, unsere Ängste, unsere Geheimnisse.
Und mithilfe dieser Informationen, dieser Megadaten, haben sie uns jeweils genau das beschert, was wir wollten, manchmal sogar bevor wir wussten, was das war. Und sie haben uns geschickt eine Menge Produkte zu erschwinglichen Preisen verkauft. Was wir hervorragend fanden.
Sie haben uns Politiker gegeben, die versprachen, die Probleme zu lösen, die uns jeweils beschäftigten. Und wenn diese Politiker versagten, bekamen wir an ihrer Stelle andere. In dieser Zeit wurden die Ethnarchen immer mächtiger. Und der Abgrund zwischen ihnen (den paar Ethnarchen) und uns (dem Rest der Menschheit) wurde riesig, unüberbrückbar und dauerhaft.
Doch das – und das meine ich ganz ehrlich – war mir egal. Denn wir hatten ein besseres und sichereres Leben und mehr Spaß.
Notiz Nr. 2
Es ist irre, wenn Großma Nancy über Technologie redet. Für mich sind Quantencomputer natürlich etwas ganz Normales. In unserer Schule haben wir zwar keinen, aber die meisten großen Firmen haben einen, und selbstverständlich der Staat. Sie redet darüber, als wären es von Zauberern entworfene magische Instrumente. Aber letztlich sind es doch nur Maschinen. Menschen haben sie gemacht. Also brauchen wir sie nicht zu fürchten.
Die Ethnarchen. Ich weiß viel über sie. Sie sind die Besitzer der größten Unternehmen der Welt. Sie sind es, die bestimmen, wo es langgeht. Aber es ärgert mich total, dass ich nicht wusste, dass sie erst durch die Quantencomputer an die Macht gekommen sind. Ich frage mich, was ich noch alles nicht weiß. Welche Puzzleteile mir noch fehlen.
Nach unserem Gespräch heute hat mir Großma Nancy einen Artikel aus einer alten Zeitung gegeben, The Guardian, aus dem Jahr 2018. Er ist auf richtigem Papier gedruckt, cool! Natürlich habe ich von Zeitungen schon gehört, und dass sie aus Papier waren, aber ich hatte so etwas noch nie in der Hand gehabt. Es fühlt sich ganz weich an. Ist ganz anders, als Wörter auf einem Bildschirm zu lesen. Seltsam unveränderlich. Ich kann mir gar nicht vorstellen, Wörter zu drucken und sie dann nicht mehr ändern zu können, wenn sie erst einmal draußen in der Welt sind. Was für eine Verantwortung! Gruselig! Aber auch sinnvoll, weil die Information nicht gelöscht werden kann. Ich habe den Artikel gelesen und war echt betroffen. Man hat mir immer gesagt, dass der SHOCK unvermeidlich war, dass er zur „natürlichen Ordnung“ gehört. Dass es lange Kälteperioden gab, wie meine Lehrer erklärt haben, und dass wir uns nun in einer Warmzeit befänden. War das falsch?
Ich bin zur Bibliothek gegangen, um nachzusehen, ob es noch mehr Zeitungen gibt, die den SHOCK vorausgesagt haben. Am Ausleihtresen zeige ich der Bibliothekarin Großmas Artikel. Sie wirft einen kurzen Blick darauf und verschwindet durch eine Schwingtür. Sie ist dann lange weg. Als ich finde, dass ich lange genug gewartet habe, schleiche ich mich hinter den Tresen und werfe einen Blick durch das Fenster in der Schwingtür. Zu meiner Überraschung sucht die Bibliothekarin nicht in irgendwelchen Katalogen herum, sondern spricht mit jemandem am Telefon. Bevor sie mich sehen kann, verziehe ich mich wieder auf die richtige Seite des Tresens.
Als die Bibliothekarin schließlich zurückkommt, sagt sie, dass keine der Zeitungen, die sie hier haben, vom SHOCK geschrieben hat, bevor er eingetreten ist. Ich frage sie, ob irgendwelche anderen Archive die fehlenden Artikel haben könnten. Ihr Blick wird auf einmal ängstlich, dann stammelt sie: „Diese Artikel fehlen nicht; sie haben nie existiert.“ Danach fragt sie mich, woher ich Großmas Artikel hätte. Ich murmele etwas in der Art, dass ich den Artikel in einem leerstehenden Haus im Wald in der Nähe unseres City Towers gefunden habe, und gehe dann, bevor sie noch mehr Fragen stellen kann.
Das alles ist so schnell passiert, dass mir erst, als ich die Bibliothek verlasse, auffällt, dass ich meinen Namen nicht genannt habe. Das war wohl ein glücklicher Zufall. Auf dem Weg nach Hause rasten die Gedanken durch meinen Kopf. Jemand musste die Artikel aus den Archiven beseitigt haben. Könnte es sein, dass die Ethnarchen die Tatsache zu vertuschen versuchten, dass sie und ihre Unternehmen nicht genug getan hatten, um den SHOCK zu verhindern?
Ich muss Großma Nancy bei unserer nächsten Sitzung danach fragen. Und ob es eine Alternative gegeben hätte.