Читать книгу Die Sternenschnüffler - Thomas Manderley - Страница 6

4. Kapitel

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„Ja klar nehme ich noch eins!“ Joe sah auf seine Uhr, während der Barkeeper ihm ein neues Bier zapfte: „Schon halb eins.“, dachte er und sah sich in der kleinen, schummerigen Bar nach einem Bezahlscanner um. Dabei blieb sein Blick bei einem Gast hängen, der an einem der hinteren Ecktische saß und offensichtlich neben seinem Drink eingeschlafen war. Ob es ein Mann oder eine Frau war, konnte Joe nicht erkennen, denn auch die Spezies war ihm gänzlich unbekannt: „Arme Sau!“, dachte er: „Was mag dem wohl passiert sein?“

Aber Joes Blick schweifte weiter durch den Raum: Das Interieur bestand aus verkratztem Aluminium, angelaufenem Edelstahl und Resten einer Kunstlederpolsterung, die wohl schon vor längerer Zeit begonnen hatte, sich in ihre Einzelteile aufzulösen. An der Wand hingen ein paar vergilbte Poster mit Raumschiffen darauf, die vor etwa fünfzig Jahren vermutlich einmal die spektakulärsten Schiffe ihrer Zeit gewesen waren. Nun zeugten sie nur noch von Vergänglichkeit, vom rasenden Fortschritt der Technologie und davon, dass hier seit dieser Zeit auch nicht mehr neu dekoriert wurde. Beim genaueren Betrachten dieser stummen Zeitzeugen bekam Joe eine Gänsehaut und zog es vor, sich wieder zur Theke umzudrehen und seinen Blick auf das inzwischen vor ihm stehende Bier zu senken, auf dem sich der Schaum bereits weitgehend verflüchtigt hatte. Joe beobachtete, wie die letzten weißen Bläschen nacheinander zerplatzten und das ehemalige Produkt hoher Braukunst immer mehr die Gestalt eines Apfelsafts annahm. Als er wieder nach oben sah, fiel ihm ein großer Fleck auf dem handgeschriebenen Menü auf, das an der Wand hinter dem Tresen hing. Der Fleck war wohl der Überrest eines vor langer Zeit dagegen geworfenen Rotweinglases.

„Was für ein Drecksladen!“, dachte Joe und der Anblick eines Mannes, der am anderen Ende der Theke saß und dem Anschein nach mehr Zeit am Tresen, als in seiner Wohnung, falls er überhaupt eine hatte, verbrachte, bestätigte ihn in seinem Denken.

Er nahm das Bierglas, stellte es vor Schreck aber sofort wieder ab, denn der Barkeeper ging schnell und unvermittelt zu der armseligen Kreatur am Ende des Tresens hinüber, packte den Mann am Kragen und gleichzeitig am Arm, brachte ihn zur Tür und warf ihn hinaus.

„Wenn Du bis morgen nicht Deine Zeche bezahlst, bist Du fällig!“, rief er ihm hinterher, bevor er sich wieder hinter seine Theke begab.

Joe beobachtete, wie sich der Mann vor der Tür langsam wieder auf die Füße erhob, als sein Blick an Lora hängen blieb, die auf einer der Sitzbänke gegenüber der Eingangstür lag und schlief. Die Sitzbank war viel zu klein für sie und so lag Lora halb schief, halb zusammengerollt auf der Bank, die eigentlich mehr ein breiterer, lehnenloser Hocker war.

„Sie wollte doch heute noch weiterfliegen.“, sagte Joe leise zu sich selbst: „Es muss wohl ein Problem gegeben haben.“

„Wie bitte, womit hast Du ein Problem?“ Der Barkeeper kam mit ärgerlichem Gesicht zu ihm herüber.

Joe antwortete gar nicht erst. Er nahm sein Bier, trank einen Schluck und sagte mit freundlicher Stimme: „Zahlen bitte!“. Der Barkeeper, der seine finstere Miene noch immer nicht abgelegt hatte, zeigte nur stumm auf die Raumecke links hinter Joe. Als dieser sich umdrehte, sah er dort einen großen schwarzen Kasten, der wohl ein Bezahlscanner zu sein schien, allerdings eines der ersten Modelle, die es überhaupt gegeben hatte. Joe stand auf und näherte sich mit vorsichtigen Schritten dem eigentümlichen Apparat. Als er in die Öffnung für den Augenscan hineinsah und seinen Daumen auf den Fingerabdruckleser drückte, wurde er von einem hellen Lichtblitz geblendet, der ihn wie von einem Faustschlag getroffen zurücktaumeln ließ. Joe hielt beide Hände vor seine schmerzenden Augen, als er eine freundliche Stimme aus dem Scanner hörte: „Vielen Dank, Ihre Buchung wurde erfolgreich abgeschlossen. Danke!“

„Oh, Sorry! Die Einstellung der Lichtstärke hat sich wieder einmal von selbst verändert.“, sagte der Barkeeper mit ruhiger Stimme: „Ich werd‘ das gleich morgen in Ordnung bringen!“

Joe nahm die Hände wieder von seinen Augen und sah den Barkeeper vollkommen verdutzt an: „Morgen? Der Nächste der das Ding benutzt wird blind!“

„Außer Ihnen ist doch nur noch diese Figur dahinten von Gott weiß welchem Planeten da. Der zahlt heute eh‘ nicht mehr. Ich kann froh sein, wenn ich den irgendwie hier rausbekomme.“

Der Barkeeper ging auf den Mann zu und versuchte, ihn zu wecken, aber Joe wartete das Ergebnis nicht ab. Er drehte sich um und ging hinaus: „... und mich siehst Du hier auch nicht wieder!“, murmelte er leise vor sich hin.

Draußen lag Lora immer noch in einer für den menschlichen Knochenbau fast unmöglichen Haltung schlafend auf der Bank. Ihr rechter Oberarm bildete ihr Kopfkissen, während der dazugehörige Unterarm frei in der Luft hing. Ihre Beine wahren jedoch nach links angewinkelt und gleichzeitig übereinandergeschlagen und gaben ihrem Körper das nötige Gegengewicht. Ihre Hüfte war so verdreht, dass Joe allein vom Anblick Rückenschmerzen bekam.

Er ging leise zu ihr, hockte sich vor sie auf den Boden und betrachtete ihr rosa glänzendes Haar, das bis auf den Boden herunterhing. Dann wanderte sein Blick hinauf zu ihren jugendlichen Gesichtszügen, die sehr fein und ausdrucksstark wirkten, trotz ihrer leicht grünlichen, schuppigen Haut, die eher der einer Schlange als der eines Menschen glich.

„Seltsame Wesen.“, dachte Joe: „Eine Mischung aus Mensch, Reptil und einem Farbkasten.“ Er konnte ein leises Lachen über seinen eigenen Vergleich nicht unterdrücken, aber so leise es auch war: Es reichte, um Lora aufzuwecken.

Als sie die Augen öffnete und Joe direkt neben sich sah, rollte sie vor Schreck nach links, fiel von der Bank und landete unsanft auf dem Boden: „Sie! Was schleichen Sie sich unbemerkt an mich heran, vor Allem, wenn ich gerade schlafe?“, fuhr sie Joe an, während sie sich wieder aufrappelte.

„Es tut mir so leid! Haben Sie sich wehgetan?“ Joe war Lora bereits zu Hilfe geeilt: „Ich wollte Sie gerade wecken und Sie fragen, was passiert ist. Sie wollten doch heute noch nach Iridua weiterfliegen, oder?“ Joe half Lora wieder auf die Beine: „Es stimmt also doch!“, fügte Joe hinzu und grinste: „Iriduaner werden ...“

„JA, BLAU!“, unterbrach ihn Lora.

„Sorry, ich wollte nicht unhöflich sein.“ sagte Joe ruhig und auch Lora nahm langsam wieder ihre normale Gesichtsfarbe an. Joe setzte sich auf die Bank und klopfte mit der flachen Hand auf den Platz neben sich: „Komm Sie! Setzen Sie sich doch und erzählen Sie mir in Ruhe, was passiert ist!“

„Also, gut!“ Lora setzte sich und holte tief Luft: „Ich hab‘ zuerst ein Ticket nach Iridua gekauft. Soweit war Alles klar. Als ich dann aber zum Check-In kam, hieß es, dass das Schiff überbucht sei und mein Ticket fälschlicherweise ausgestellt wurde.“

„Und das haben Sie sich einfach so bieten lassen?“

„Na was sollte ich denn tun?“

„Also wenn die mit so einem Mist bei mir kämen, würden die aber ihr blaues Wunder erleben und bei Ihnen sollte das erst recht so sein!“ Joe grinste.

Lora wollte sich nicht erneut über Joes Bemerkung aufregen. Sie warf ihm nur einen kurzen, ärgerlichen Blick zu, aber auch das gelang ihr nicht so recht. Also ging sie einfach darüber hinweg: „So etwas ist mir noch nie passiert. Im Gegenteil: So etwas kommt niemals vor, kann eigentlich auch gar nicht. Die Buchungen werden doch von der Zentrale aus bearbeitet, eigentlich eher vom Zentralcomputer. Und dann so etwas.“ Lora wandte ihren Blick nach unten auf den Boden: „Ich bin ratlos: Vor morgen Mittag bekomme ich keinen Flug nach Hause, die Zimmer hier auf der Station sind alle komplett ausgebucht und mein Geld wollten die mir auch nicht zurückgeben.“

„Aber Sie können doch nicht hier auf der Bank übernachten. Das ist gefährlich! Auf solchen Raumstationen laufen die verrücktesten Kreaturen rum und einen Haufen Krimineller gibt es hier auch.“

Lora zitterte schon leicht, obwohl es angenehm warm auf dem Commercial-Deck war: „Na irgendwo muss ich doch schlafen. Und zu allem Unglück ist mein Gepäck schon heute nach Iridua geschickt worden. Dafür hatten sie dann doch noch Platz auf dem Schiff.“

Lora versuchte, ihre Tränen zu verbergen, aber Joe bemerkte es: „Kommen Sie!“, sagte er und stand auf: „Ich habe eine reservierte Schlafröhre. Nehmen Sie sie doch. Ich kann eh nicht schlafen. Bestimmt hat noch irgendeine andere Bar auf, oder öffnet gerade. Und gleich morgen früh schauen wir, dass wir Sie auf das Schiff nach Iridua bekommen, OK?“

„Ist das Ihr Ernst?“, frage Lora mit Augen voller Tränen.

„Ja sicher, kommen sie nur! Hier haben Sie die Reservierungskarte.“

„Sie sind der Beste!“, rief Lora, sprang auf und umarmte Joe mit so viel Schwung, dass dieser Mühe hatte, sein Gleichgewicht zu halten: „Vielen, vielen Dank! Sie haben mich wirklich gerettet. Und bitte seien Sie vorsichtig, wenn Sie sich hier nachts allein rumtreiben!“ Lora nahm die Reservierungskarte, gab Joe einen spontanen Kuss auf die Wange und lief den Gang hinunter zum Lift.

Joe sah Lora verdutzt nach: „eine gespaltene Zunge?“

Lora drehte sich mit einem breiten Grinsen zu ihm um: „Ja klar, was dachten Sie denn?“

„Oh Mann, das wird ja immer besser!“, sagte Joe zu sich selbst, während er Lora dabei zusah, wie sie im Lift verschwand.

Am nächsten Morgen erwachte Lora in ihrer Schlafröhre. Obwohl ihr am Abend zuvor gefühlt zehntausend Dinge durch den Kopf gegangen waren, konnte sie doch irgendwann einschlafen. Nun aber schlug die Weckautomatik gnadenlos zu. Widerwillig, aber doch voller Spannung auf den vor ihr liegenden Tag, stieg Lora aus der Röhre, ging zu ihrem Schließfach und zog sich ihre Kleidung wieder an. Als sie sich vor den Spiegel stellte und ihr Haar bürstete, hielt sie inne und betrachtete nachdenklich ihr Gegenüber: „Was wirst Du jetzt tun, Lora? Willst Du wirklich nach Hause und als Versagerin dastehen, oder einfach weiterziehen und sehen, was die Galaxie noch so bereithält, he?“, fragte sie mit lauter Stimme und betrachtete aufmerksam ihr Gesicht, als ob sie eine Antwort von sich selbst erwartete. Einen kurzen Augenblick später kam diese auch: „Na ja Frühstück wäre jetzt schön!“, und damit verschob Lora die wichtigeren Antworten auf die Fragen über ihre Zukunft erst einmal auf später. Sie warf die Einmal-Haarbürste in den Müll, rückte den Rock ihres schwarzen Business-Kostüms zurecht und ging hinaus zur Rezeption.

Zu ihrer Überraschung wartete Joe bereits am Ausgang: „Na, gut geschlafen?“, begrüßte er Lora mit einem breiten Lächeln.

„Ja, sehr gut. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll. Was haben Sie die ganze Nacht getrieben? Sie sehen so froh und ausgeschlafen aus?“ Lora suchte vergeblich nach Augenrändern oder etwas anderem, was in Joes Gesicht von einer durchzechten Nacht zeugen würde.

„Ich hatte eine tolle Idee! Kommen Sie mit, ich zeig‘ es Ihnen!“ Joe nahm Lora an der Hand und zog sie voller Enthusiasmus mit sich zum Lift. „Ihr Flug ist schon geregelt. Er geht in zwei Stunden von Schleuse A12.“

„Danke!“, sagte Lora und stolperte hinter Joe her in den Lift hinein.

Bereits zwei Stockwerke höher war die Fahrt zu Ende. Die Tür öffnete sich und vor Lora lag ein spärlich beleuchteter langer Korridor, der offensichtlich weder zu Geschäften oder Restaurants noch zu Wohnungen oder Ähnlichem führte.

Joe sprang den Gang hinunter, während Lora ihm langsam und vorsichtig folgte. Jeder Schritt mit ihren hochhackigen Pumps hallte dabei wie ein Hammerschlag von den stählernen Wänden wider.

„Da wären wir!“ Joe blieb vor der zweiten Tür auf der linken Seite stehen, atmete tief durch und betätigte den Öffnungsmechanismus.

Lora zog es vor, ein wenig Abstand zu halten, und warf von der gegenüberliegenden Gangseite aus einen ersten Blick durch die Tür, aber dahinter war nur ein leerer, schmutziger Lagerraum. In der linken hinteren Ecke lagen noch ein leeres Aluminiumfass aus längst vergangenen Tagen und eine alte Filzdecke. Doch in der Mitte des Raumes stand ein Schreibtisch mit einem noch nicht verkabelten Computerterminal darauf. Es sah aus, als ob der Tisch erst vor kurzem hier hineingestellt wurde, denn er war wesentlich sauberer als der Rest des Raums.

„Was ist? Was soll das?“ Lora sah hinüber zu Joe, aber der hielt seinen Blick immer noch mit strahlender Freude im Gesicht auf den Schreibtisch gerichtet.

„Das ist meine neue Firma!“, sagte Joe, ging in den Raum hinein, setzte sich mit gekonntem Schwung auf den Tisch und blickte triumphierend zu Lora, die immer noch mit verzogenem Gesicht am Eingang stand.

„Und was für eine Firma soll das sein? Fasslagerung oder Filzvermietung?“ Lora trat ebenfalls ein und ging im Raum umher, wobei sie jeden Winkel des alten Lagers wie ein Sicherheitsinspekteur genauestens betrachtete.

„Filzvermietung? Unsinn! Dies hier wird meine Privatdetektei. Ich werde Detektiv!“ Lora drehte sich zu Joe um, der immer noch mit der gleichen Körperhaltung und mit glänzenden Augen auf dem Tisch saß.

Auch wenn deutlich erkennbar war, dass Joe seine Absichten mit voller Seriosität verkündete, konnte Lora nicht umher nachzufragen: „Detektiv? Ist das ernst gemeint?“

„Aber so was von ernst!“ Joe grinste und erwartete irgendwie Loras Zustimmung, aber die bekam er nicht.

„Ich weiß nicht so recht. Machen Sie doch einen Jazzclub daraus!“, sagte Lora und begann wieder, den Raum zu inspizieren.

„Ja!“, rief Joe und sprang vom Tisch herunter. „Das habe ich mir auch schon überlegt, aber gestern, als ich in so einer seltsamen Spelunke war, wo nur die schrägsten Spezies herumhingen, hat mir so ein Freak eine leere Flasche über den Kopf gezogen und ich bin umgefallen. Dann bin ich beim Stationsarzt wieder aufgewacht und da hatte ich die Idee zu der Detektei.“

„Oh Gott, wie furchtbar! Sind Sie verletzt worden?“ Lora eilte zu Joe und fing an, in seinen Haaren herumzuwühlen, um nach eventuellen Wunden zu suchen, aber Joe beruhigte sie:

„Nein, nichts passiert! Nur eine kleine Beule. Die Flasche ist Gott sei Dank zerbrochen.“

„Aber warum eine Detektei?“

„Auf dieser Station gibt es jede Menge Kriminelle und halbschattige Figuren. Nur einen vernünftigen Detektiv gibt es nicht. Die Stationssicherheit hier ist vollkommen unfähig und um private Geschichten kümmern die sich eh nicht. Und da trete ich auf den Plan. Außerdem wollte ich immer schon etwas Außergewöhnliches in meinem Leben tun.“

„Na ja, sie sind Musiker. Ist das nicht außergewöhnlich genug?“ Nun setzte Lora sich auf den Tisch, während Joe im Raum umherlief und die Trägerbalken an der Decke begutachtete.

„Schon als kleiner Junge wollte ich immer Detektiv werden. Na gut: Viele kleine Jungs wollen das, aber für mich war das immer das große Abenteuer, das auf mich wartete, bis mir irgendwann die Musik dazwischenkam.“

Lora grinste.

„Was ist? Was ist so lustig daran?“

„Ich versuche Sie mir gerade als kleinen Jungen vorzustellen.“ Lora versuchte, wieder ernst zu werden, aber es wollte ihr nicht so recht gelingen.

„Na ja, das ist nicht viel anders als jetzt, nur etwas kleiner und mit kürzeren Haaren.“ Jetzt musste auch Joe ein wenig grinsen: „Ich habe immer hart gearbeitet, um meine Ziele zu erreichen. So bin ich schließlich Profimusiker geworden.“

„Und jetzt also zurück zu den Wurzeln und Detektiv werden!“ Lora klang ironisch, obwohl sie es gar nicht wollte.

„Sehen sie, dieser Raum hier kostet fast keine Miete. Nachdem ich heute Morgen beim Arzt fertig war, bin ich direkt zur Stationsverwaltung gegangen. Die hatten gerade erst aufgemacht und anscheinend gute Laune. Ich habe denen meine Idee mit der Detektei erklärt und die fanden das Ganze super. Die Frau von der Verwaltung, die die Firma angemeldet hat, kam mit der Idee, den alten Lagerraum hier als Büro zu nutzen. Den Tisch und den Computer hat sie mir auch geschenkt und direkt herbringen lassen. Beides ist schon etwas älter und die brauchten das Zeug nicht mehr. In den Nebenräumen kann ich wohnen und oben habe ich mir zwei Werbeflächen gemietet, auch sehr billig, damit die Leute den Weg hierher finden. Die Flächen sind natürlich noch nackt und eigentlich weiß ich noch gar nicht genau, wo die sind. Hab’s nur auf dem Lageplan gesehen.“ Dann blickte er sich wieder zu Lora um, die immer noch auf dem Schreibtisch saß und ihn mit einer mitleidigen Miene beobachtete.

Joe seufzte und sein Gesichtsausdruck verlor plötzlich jegliche gute Laune: „Was soll ich sonst tun? Meine Karriere ist im Eimer und in einer Fabrik arbeiten will ich nicht. Ich hab’ ja nicht mal eine richtige Wohnung, habe immer nur in Hotels gehaust. Vielleicht bin ich ja gar kein schlechter Schnüffler!“

Lora schwieg.

„Es wird Zeit für Sie! Ihr Flug geht bald und vorher müssen Sie ja noch durch den Check.“ Joe ging zu Lora und umarmte sie. „Danke! Vielen Dank! Sie waren eine echte Inspiration für mich und haben mir sehr geholfen, mein Leben wieder neu zu ordnen. Ohne Sie würde ich wahrscheinlich noch immer in dieser abgewrackten Kneipe sitzen und mich zulaufen lassen.“ Joe ließ sie gar nicht wieder los.

„Ich habe Ihnen zu danken. Sonst wäre ich vielleicht noch ausgeraubt worden oder Schlimmeres.“, erwiderte Lora, die Joe ebenso fest umklammerte: „… und alles Glück der Welt mit Ihrer Detektei.“

„Danke! Und viel Glück auf Iridua. Besuchen sie mich mal hier unten im alten Lagerdeck, wenn Sie mal wieder auf der Station sind.“ Joe ließ Lora los, die ihn wortlos mit dem Handrücken über die Wange strich. Dann drehte sie sich um und ging schnell aus dem Raum.

Joe setzte sich auf seinen Schreibtisch und betrachtete die alten Bullaugenfester. Sein Blick versuchte, die schmutzigen kreisrunden Glasscheiben zu durchdringen, um zumindest einen Stern funkeln, oder ein Raumschiff vorbeifliegen zu sehen, aber es funktionierte nicht: Selbst das schummrige Licht im Raum schaffte es, die Welt außerhalb der Station komplett zu überblenden, und so lag hinter den Scheiben nur ein leeres, endloses Schwarz.

Begleitet vom permanenten Rauschen der Lüftungsanlage verharrte Joe fast zehn Minuten regungslos in seiner Position, bevor er aufstand, einen Schluck aus seiner Wasserflasche nahm, die er unter dem Schreibtisch deponiert hatte und sich auf den Weg nach oben zum Commercial-Deck machte.

Den Rest des Tages verbrachte Joe damit, sein Büro und seine Wohnung einzurichten. Er schleppte alte Möbel zusammen, die er von einigen Ladenbesitzern geschenkt bekam oder die er dem einen oder anderen billig abkaufte. Nach einiger Zeit hatte er schon ein Bett, einen alten Schrank, ein Regal und einen Tisch mit zwei Stühlen zusammenbekommen. Auch ein Toiletten- und ein Waschbecken nannte er nun sein Eigen, auch wenn dies nicht ganz stimmte, denn er hatte sie aus einem Büro, in dem gerade ein neues Bad eingebaut werden sollte, auf unbestimmte Zeit ‚geborgt’.

Nun lag Joe auf dem Boden seines neuen Badezimmers, oder besser auf dem Boden des Raumes, den er zu seinem neuen Badezimmer auserkoren hatte, und versuchte, verzweifelt den Abfluss seiner neuen Toilette mit dem alten Rohrstutzen vom Wasserablauf zu verbinden.

Plötzlich bemerkte er, dass jemand hinter ihm stand. Vor Schreck ließ er seine Rohrzange fallen, die mit lautem Scheppern auf den Metallboden aufschlug. Er drehte sich um und blickte nach oben: Hinter ihm stand Lora und lächelte zu ihm hinunter: „Meine Karriere ist ja irgendwie auch zu Ende und ohne mich schaffen sie das Alles hier eh nicht, Inspektor Falk!“

Joe stand auf und lächelte zurück, während er seine Hände an einem Lappen säuberte: „Irgendwie wusste ich, dass sie wiederkommen.“

„Sag einfach Lora, Kollege!“

„OK, Lora! Willkommen an Bord, Kollegin!“

Lora nahm Joe bei der Hand und zog ihn mit sich zur Tür hinaus: „Komm schon! Mach eine Pause! Zur Feier des Tages lad‘ ich Dich auf eine schöne, warme Kakerlakensuppe ein.“

Die Sternenschnüffler

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