Читать книгу Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull von Thomas Mann. Königs Erläuterungen. - Thomas Mann - Страница 8
Оглавление3. | Textanalyse und -interpretation |
3.1 | Entstehung und Quellen |
ZUSAMMENFASSUNG
Mit langen Unterbrechungen hat Thomas Mann fast 50 Jahre an dem Roman gearbeitet. Trotz des Zuspruchs des Publikums hat er mit dem Stoff gehadert, weil er ihm würdelos erschien.
Eine Anregung für die Gestaltung von Felix’ Lebensweg ist die Autobiografie des damals in ganz Europa erfolgreichen rumänischen Hochstaplers Georges Manolescu (1871–1908).
Bereits ab 1906 hat Thomas Mann für die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull Material gesammelt. 1910 hat er den späteren Roman als Novelle begonnen. Am 10. Januar 1910 schrieb er seinem Bruder Heinrich: „Ich sammle, notiere und studiere für die Bekenntnisse des Hochstaplers, die wohl mein Sonderbarstes werden. Ich bin manchmal überrascht, was ich dabei aus mir heraushole. Es ist aber eine ungesunde Arbeit und für die Nerven nicht gut.“
Ein erstes Bruchstück erschien 1911 im Almanach des Fischer-Verlages. Unter dem Titel Schulkrankheit folgte 1919 ein weiterer Abschnitt in Das Kestner-Buch. 1922 veröffentlichte Mann das Buch der Kindheit als selbstständige Schrift (limitierte Ausgabe, erst 1923 offizielle Buchhandelsausgabe). 1937 erschien eine erweiterte Fassung und 1954 die endgültige fragmentarische Fassung des Romans (Der Memoiren erster Teil). Mann hat die Arbeit an den Bekenntnissen mehrfach für andere schriftstellerische Projekte unterbrochen. Der Tod in Venedig (1912), Der Zauberberg (1924), die Joseph-Tetralogie (1933–43), Doktor Faustus (1947) waren dem Autor wichtiger und erschienen ihm bedeutender als die Hochstapler-Biografie, die er 1915 in einem Brief als „grundwunderliches Unternehmen“[2] bezeichnete. Thomas Mann zweifelte an der Seriosität und der literarischen Bedeutsamkeit der Bekenntnisse und hob vor allem die humoristische Seite des Romans hervor.
Horst Buchholz als Felix Krull in der Verfilmung von 1957
© picture alliance / Sammlung Richter
Ab 1947 erwog er die Idee, die Bekenntnisse nach beinahe 40-jähriger Pause fortzusetzen.[3] 1951 äußerte er in einem Brief:
„Es macht mir Spaß, über vier Jahrzehnte und all das inzwischen Getane hinweg an jenes kuriose Fragment wieder anzuknüpfen. Immer habe ich das Material dazu mit mir geführt, und es war sehr sonderbar, als ich neulich auf dem alten, fast noch gar nicht beschriebenen Münchener Manuskript-Blatt, auf dem ich anno 1911 unterbrach, um erst den Tod in Venedig vorzunehmen, zu schreiben fortfuhr.“[4]
Doch auch in dieser letzten Arbeitsphase haben Mann die Zweifel an dem Projekt nicht verlassen. An Adorno schrieb er 1952: „Diese Krull-Memoiren machen mir ein Maß von Sorge, das mit dem ihrer Würde nicht übereinstimmt.“[5] Zudem hielt sich der 77-Jährige inzwischen für zu alt, um die jugendliche Vitalität seiner Hochstapler-Figur gestalten zu können.
Die Autobiografie des rumänischen Hochstaplers Georges Manolescu (1871–1908), der unter so klangvollen Namen wie Fürst Lahovary, Prinz von Padua oder Marchese de Passano als Betrüger und Hoteldieb arbeitete und in Europa, Amerika und Japan zu einiger Berühmtheit gelangte, war eine bedeutende Anregung für die Bekenntnisse. Was den Lebenslauf seiner Romanfigur angeht, hielt sich Thomas Mann weitgehend an Manolescus Autobiografie, die 1905 in deutscher Übersetzung unter dem Titel Ein Fürst der Diebe erschienen war. Auch der zweite Band Gescheitert. Aus dem Seelenleben eines Verbrechers findet sich in Manns Nachlass.[6] Während Manolescu aber der Gesellschaft die Schuld an seinen kriminellen Akten zuschiebt, um sich aus der Verantwortung für sein Tun zu stehlen, betont Felix Krull geradezu auffällig, dass er allein für sich und sein Leben verantwortlich ist. Krull inszeniert sich als Selfmademan, er ist stolz auf seine Täuschungskunst.
Zur geplanten Fortsetzung der Bekenntnisse gibt es einige Hinweise als Vorausdeutungen in dem Roman. Daneben hat Thomas Mann zu Beginn seiner Arbeit eine Inhaltsübersicht notiert:
„Felix Krull wird mit 20 Jahren Kellner, lernt mit 21 den jungen Aristokraten kennen, an dessen statt er reist. Kehrt mit 22 zurück. Arbeitet bis 27 als Hoteldieb. Von 27 bis 32 im Zuchthaus. Heiratet mit 34. Gerät mit 39 wieder in Untersuchungshaft und wird von Polizisten an das Sterbebett seiner Frau begleitet. Flucht aus dem Untersuchungsgefängnis und Entweichung nach England.“[7]
Gemessen an diesem Plan hat Thomas Mann in den Bekenntnissen nur einen kleinen Teil seines ursprünglichen Vorhabens realisiert.